L 9 SO 38/20

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
9
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 31 SO 38/20
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 38/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 2/24 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Leistungen für zusätzliche Betreuung und Aktivierung, die für pflegeversicherte Personen über § 43b SGB XI als Leistungen der Pflegeversicherung erbracht werden, sind als Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 65 iVm § 64b Abs. 2 SGB XII auch für Personen zu erbringen, die nicht in der sozialen Pflegeversicherung versichert sind.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. November 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Leistungen ab dem 1. November 2023 zu gewähren sind.

 

Der Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für zusätzliche Betreuung und Aktivierung durch den Beklagten.

Der am _. ________ 1948 geborene Kläger leidet aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens an einer geistigen Behinderung und ist pflegebedürftig. Im Jahr 2011 zog er von der bis dahin bewohnten Einrichtung der Eingliederungshilfe in die aktuell bewohnte Pflegeeinrichtung der Beigeladenen. Der Kläger ist nicht gesetzlich krankenversichert und somit auch nicht Mitglied in einer gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Kosten für die Pflege des Klägers trägt der Beklagte im Rahmen der Hilfe zur Pflege gemäß § 61 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Seit dem 1. März 2017 ist der Kläger im Pflegegrad 3 eingestuft.

Zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten besteht eine Vergütungsvereinbarung für die Pflegeleistungen. Eine weitere Vergütungsvereinbarung nach § 84 Abs. 8 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) für zusätzliche Betreuung und Aktivierung in Einrichtungen der vollstationären Pflege und der Kurzzeitpflege besteht zwischen der Beigeladenen und der AOK Nordwest sowie der Arbeitsgemeinschaft Pflegeeinrichtungen und dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek). Der Beklagte ist dieser Vergütungsvereinbarung nicht beitreten.

Mit Schreiben vom 1. April 2019 beantragte die Beigeladene, bevollmächtigt durch die Betreuerin des Klägers, für diesen die Kostenübernahme der Vergütungszuschläge gemäß der Vergütungsvereinbarung nach § 84 Abs. 8 SGB XI für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung des Klägers. Anlass war ein Schreiben des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein (MSGJFS) vom 12. Februar 2019, mit denen das MSGJFS den Trägern der Sozialhilfe empfahl, über einen Beitritt zu entsprechenden Vereinbarungen über Vergütungszuschläge zwischen den Pflegekassen und Pflegeverbänden im Sinne von § 84 Abs. 8 SGB XI zu verhandeln, damit auch für Personen stationärer Pflege, die nicht pflegeversichert sind, zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistungen gewährt würden.

Mit Bescheid vom 4. April 2019 lehnte der Beklagte die Übernahme der Vergütungszuschläge für zusätzliche Betreuung und Aktivierung gemäß § 43b SGB XI ab. Voraussetzung für die Zahlung dieser Zuschläge sei die Mitgliedschaft in einer Pflegekasse. Aus § 65 SGB XII könne keine Gewährung dieser Leistung für Nichtversicherte hergeleitet werden.

Am 3. Mai 2019 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein und nahm zur Begründung Bezug auf das genannte Schreiben des MSGJFS. Wie das MSGJFS zutreffend ausführe, umfassten die Leistungen zur Hilfe zur Pflege nach § 65 i.V.m. § 64b Abs. 2 SGB XII auch die pflegerische Betreuung zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens, insbesondere bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen, bei der Orientierung, Tagesstrukturierung, Kommunikation und Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung. Die Leistungen stationärer Pflege für versicherte und nichtversicherte Personen dürften sich nicht unterscheiden, da § 65 SGB XII eine pflegerische Vollversorgung darstelle. Zudem dürften nicht versicherte Personen von den im Pflegeheim angebotenen Aktivitäten der zusätzlichen Betreuung nicht ausgeschlossen werden. Ansonsten führe dies zu einem Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Demgemäß gelte es vorliegend, § 43b SGB XI analog und verfassungskonform unter Berücksichtigung von Art. 3 GG auch für nichtversicherte Personen anzuwenden.

Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass erst durch die Pflegereform zum 1. Januar 2017 mit der neu geschaffenen Regelung in § 43b SGB XI ein Anspruch auf die zusätzliche Betreuung und Aktivierung für die Pflegebedürftigen geschaffen worden sei. Zuvor habe es lediglich eine Vergütungsvorschrift (§ 87b SGB XI a.F.) gegeben, die die Zahlung eines Vergütungszuschlages seitens der Pflegekassen an die stationäre Pflegeeinrichtung vorgesehen habe. Erst nach der Zahlung des Vergütungszuschlages habe der anspruchsberechtigte Versicherte einen Anspruch auf die Erbringung der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gehabt. Eine korrespondierende Regelung zu § 43b SGB XI sei in der Hilfe zur Pflege nicht vorgesehen worden. Bei stationären Leistungen handele es sich nach dem SGB XII unverändert um eine pflegerische Vollversorgung. Zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen werde jedoch nur Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung gewährt. Diese Leistung werde ausschließlich für Versicherte vollständig von der Pflegeversicherung finanziert. Solange der örtliche Träger der Sozialhilfe den entsprechenden Vereinbarungen zwischen den Pflegekassen und Pflegeverbänden nicht beitrete und über Vergütungszuschläge verhandele, bestehe keine rechtliche Grundlage für eine Kostenübernahme für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung bei nichtversicherten Personen. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege hierin nicht. Eine solche sei nur gegeben, wenn unter Nichtversicherten bei der Gewährung von Leistungen für zusätzliche Betreuung und Aktivierung von Heimbewohner zu Heimbewohner unterschiedlich verfahren werden würde.

Am 28. Oktober 2019 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat er seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 4. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen gemäß § 43b SGB XI zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zur Begründung ergänzend ausgeführt, dass er die im Streit stehenden Zuschläge als freiwillige Leistungen ansehe, da es zwar über § 65 Satz 2 SGB XII eine Möglichkeit der Gewährung gebe, aber keine gesetzliche Verpflichtung. Solange die Vergütungsverhandler mit den Pflegekassen und dem jeweiligen Pflegeheim keinen entsprechenden Vertrag über den Beitritt zu den Vereinbarungen über Vergütungszuschläge verhandelt hätten, behalte er seine ablehnende Haltung bei. Im Übrigen gehe er davon aus, dass der Kläger tatsächlich in der Einrichtung des Beigeladenen mit Angeboten und Hilfen im Rahmen der pflegerischen Betreuung versorgt sei, zumal es hinsichtlich der Angebote im Rahmen der Betreuung und der zusätzlichen Betreuungsleistungen durchaus Überschneidungen gebe, z.B. Unterstützung bei der Gestaltung des eigenen Zimmers, Gesprächsführungen, Kontaktpflege und Festgestaltungen. Da der Kläger nach den Ausführungen der Beigeladenen keiner Kostenforderung ausgesetzt sei, gebe es auch keinen ungedeckten sozialhilferechtlichen Bedarf.

Die Beigeladene hat ausgeführt, dass der im Streit stehende Zuschlag nach der Vergütungsvereinbarung 4,91 EUR kalendertäglich und somit 149,36 monatlich betrage (seit dem 1. Mai 2020 5,04 EUR Tagessatz). Dem Kläger werde dieser Zuschlag nicht in Rechnung gestellt, da keine Kostenübernahmeerklärung vorliege. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, warum sich der Beklagte nicht an das MSGJFS gewandt habe, damit eine Regelung getroffen werde, wonach die Kosten der zusätzlichen Betreuungsleistungen übernommen würden. Die kreisfreien Städte Kiel und Lübeck sowie der Kreis Schleswig-Flensburg und einige Kreise aus anderen Bundesländern zahlten mittlerweile den Vergütungszuschlag für nicht pflegeversicherte Bewohner ihrer Einrichtungen. In ihrer Einrichtung bestünde die Möglichkeit, dem Kläger zusätzliche Betreuungsleistungen zugutekommen zu lassen, die aufgrund des Personalschlüssels für allgemeine Betreuungsleistungen nicht möglich seien. Solange eine entsprechende Finanzierungszugsage des Beklagten nicht vorliege, würden dem Kläger derartige Leistungen nicht gewährt. Angebote zur Betreuung erhalte der Kläger bis zu zweimal wöchentlich für maximal 60 Minuten. Dabei handele es sich um Bewegungsangebote mit anderen Bewohnern außerhalb des Wohnbereichs sowie die Teilnahme an einer Spielgruppe, in der der Kläger vor allem leichte Steckspiele löse. Interesse an eigener Interaktion oder Aktivität zeige der Kläger nicht. Es habe sich allerdings gezeigt, dass er bei einer Einbindung in die zusätzliche Betreuung die zusätzlichen Betreuungsangebote annehme. Dies habe sie durch eine temporäre Einbindung in diese Betreuungsangebote ermittelt, die sie probeweise und nicht refinanziert durchgeführt habe. Da der Kläger ohne individuelle Betreuung nicht mit den anderen Bewohnern zusammen essen könne, da er ihnen Essen wegnehmen und es durch den Speiseraum werfen würde, könnte eine zusätzliche Betreuung für ihn konkret die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten mit anderen Bewohnern ermöglichen. Auf die Übernahme der Kosten für solche zusätzlichen Betreuungsangebote bestehe ein Anspruch aus § 65 Satz 1 SGB XII. Dabei stelle § 65 Satz 2 SGB XII klar, dass auch Maßnahmen, die im Bereich der Pflegeversicherung unter § 43b SGB XI fielen und in stationären Einrichtungen erbracht würden, von dem Anspruch aus § 65 Satz 1 SGB XII umfasst seien. Es handele sich nicht um eine Ermessenleistung des Beklagten, sondern um einen gebundenen Anspruch.

Das Sozialgericht Lübeck hat den Beklagten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 13. November 2020 unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege entsprechend der für die Beigeladene gültigen Vergütungsvereinbarung nach § 84 Abs. 8 SGB XI für zusätzliche Betreuung und Aktivierung in Einrichtungen der vollstationären Pflege und der Kurzzeitpflege zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt:

„Der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten folgt aus §§ 65, 64b Abs. 2 SGB XII, die vorliegend derart auszulegen sind, dass der Leistungsumfang demjenigen aus § 43b SGB XI entspricht.

Auf eine entsprechende Anwendung des § 43b SGB XI kommt es nicht an, da die entsprechenden Leistungen bereits vom Pflegebedürftigkeitsbegriff des § 61a SGB XII umfasst und daher Bestandteil des Anspruchs der Hilfe zur Pflege aus §§ 65, 64b SGB XII sind. Das Gericht hat den Antrag des Klägers daher dahingehend ausgelegt, dass Leistungen im Leistungssystem der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII von dem beklagten Sozialhilfeträger begehrt werden.

Schon bei einer Auslegung der Normen nach dem natürlichen Wortsinn ergibt sich ein übereinstimmender Leistungsumfang.

Zwar unterscheiden der § 43b SGB XI sich seinem äußeren Anschein nach von den hier maßgeblichen Normen des SGB XII, da dadurch Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gewährt werden.

Demgegenüber haben Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 gemäß § 65 SGB Satz 1 XII Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wovon auch Betreuungsmaßnahmen erfasst sind. Nach § 65 Satz 2 SGB XII findet § 64b Abs. 2 SGB XII entsprechende Anwendung. Nach dieser Norm umfassen pflegerische Betreuungsleistungen ebenso Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld, insbesondere bei der Orientierung, der Tagesstrukturierung, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, bei der bedürfnisgerechten Beschäftigung im Alltag und durch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung.

Auf den unterschiedlichen Wortlaut des kurz gehaltenen § 43b SGB XI und der §§ 61a, 64b, 65 SGB XII kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da sich bei Auslegung der verwendeten Begriffe und unter Berücksichtigung der Betreuungskräfte-Richtlinie ein übereinstimmender Leistungsumfang ergibt.

So fallen unter „bedürfnisgerechter Beschäftigung im Alltag“ und „Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung“ im Sinne des § 64b SGB XII nach Auffassung des Gerichtes gerade die in § 2 Abs. 2 der Betreuungskräfte-Richtlinie genannten Tätigkeiten.

§ 2 Abs. 2 der Betreuungskräfte-Richtlinie, die nach § 53c SGB XI durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen erlassen wurde, nennt als Beispiele für unter § 43b SGB XI fallende Tätigkeiten: lesen und vorlesen, malen und basteln, handwerkliche Arbeiten und leichte Gartenarbeiten, Haustiere füttern und pflegen, kochen und backen, Musik hören, musizieren, singen, Brett- und Kartenspiele, Spaziergänge und Ausflüge, Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Sportveranstaltungen und Gottesdiensten, Bewegungsübungen und Tanzen in der Gruppe, Fotoalben schauen.

All diesen Tätigkeiten ist gemein, dass sie der Beschäftigung der Heimbewohnerinnen und -bewohner dienen, die über die bloße physische Versorgung durch essen, trinken, waschen etc. hinausgeht. Außerdem entsprechen diese Tätigkeiten eben jenen Kriterien, die für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit gemäß § 61a SGB XII herangezogen werden, da durch sie die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten gefördert und das Alltagsleben und soziale Kontakte ausgestaltet werden.

Eine andere Auslegung dieser denkbar weiten Begriffe der § 43b SGB XI, § 64b SGB XII kann in Anbetracht der Tatsache, dass pflegebedürftige Heimbewohner abgesehen von diesen auf die jeweiligen Bedürfnisse angepassten Beschäftigungsmaßnahmen je nach Pflegegrad kaum eine bis keine anderen Möglichkeiten zur Gestaltung ihres Alltags haben dürften, nicht vorgenommen werden.

Insbesondere geben diese Begriffe keine Beschränkung auf die zur Beschäftigung im Alltag absolut notwendigen Betreuungsmaßnahmen her, sodass sich schon dem Wortlaut nach kein Wille des Gesetzgebers ergibt, dass die Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII einen geringeren Umfang als diejenigen nach der Sozialen Pflegeversicherung haben sollen.

Der objektivierte Wille des Gesetzgebers, der in den §§ 65, 64b SGB XII zum Ausdruck kommt, lässt sich auch durch die Gesetzesbegründung zum Dritten Pflegestärkungsgesetz (BT-Drs. 18/9518, S. 95) belegen.

Für § 64b SGB XII führt die Gesetzesbegründung aus, dass die davon erfassten pflegerischen Betreuungsmaßnahmen einen unmittelbaren Bezug zur Gestaltung des alltäglichen Lebens im Zusammenhang mit einem Haushalt und seiner häuslichen Umgebung aufweisen und dass die Maßnahmen dementsprechend zur Unterstützung bei der Gestaltung des alltäglichen Lebens in Bezug zum Haushalt und bei Aktivitäten mit engem räumlichen Bezug hierzu erfolgen. Nicht davon erfasst sein sollen Maßnahmen zur Unterstützung des Besuchs von Kindergarten oder Schule, der Ausbildung, der Berufstätigkeit oder sonstigen Teilhabe am Arbeitsleben, der Ausübung von Ämtern oder der Mitarbeit in Institutionen oder in vergleichbaren Bereichen. Die Leistungen sollen nur der alltäglichen Freizeitgestaltung mit Bezug zur Gestaltung des häuslichen Alltags dienen.

Naturgemäß muss man den Begriff der häuslichen Umgebung bei der Anwendung der Norm in Verbindung mit § 65 Satz 2 SGB XII in dem Sinne verstehen, dass die Alltagsaktivitäten im Rahmen der vollstationären Pflege durchgeführt werden sollen.

Für diese Auslegung spricht auch der auch durch das Dritte Pflegestärkungsgesetz gestärkte Gedanke, die Einheitlichkeit der Pflegebedürftigkeitsbegriffe in SGB XI und SGB XII zu wahren (vgl. BT-Drs. 18/9518, Seite 45).

Außerdem geht auch das Bundesgesundheitsministerium von einer dementsprechenden Auslegung der neuen Normen aus, da die leistungsrechtlichen Regelungen des SGB XII denen des SGB XI entsprechen sollen, sodass die dem § 43b SGB XI entsprechenden Leistungen auch bei der Hilfe zur Pflege zu erbringen sind (Bundesministerium für Gesundheit: Wissenschaftliche Evaluation der Umstellung des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§ 18c Abs. 2 SGB XII), Abschlussbericht: Schnittstellen Eingliederungshilfe Los 3, S. 80 unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/P/Pflegebeduerftigkeitsbegriff_Evaluierung/Abschlussbericht_Los_3_Evaluation_18c_SGB_XI.pdf).

Diese Auslegung ist zudem im Wege der verfassungskonformen Auslegung durch den objektivierten Willen des Gesetzgebers zu belegen, der sich neben dem auslegbaren Wortlaut auch aus dem Sinnzusammenhang der relevanten Normen ergibt.

Denn der Gesetzesanwender darf bei der Anwendung der Normen auf den konkreten Fall nicht nur am Wortlaut selbst haften, sondern muss im Rahmen des Wortlauts auch den in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers beachten, wie er sich neben dem Wortlaut aus dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Norm hineingestellt ist (BVerfGE 1, 312;8, 307; 10, 244; 11, 130 f.; 24, 15; 33, 294; 35, 278; 38, 163; 48, 256; Burghart, in: Leibholz/Rinck Grundgesetz, 80. Lieferung 03.2020, Einführung Rn. 8 m.w.N.).

Dabei ist zu prüfen, ob verschiedene Auslegungen einer Norm teils zu einem verfassungskonformen und teils zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen. In einem solchen Fall ist die Norm verfassungskonform auszulegen und diejenige Auslegungsmöglichkeit auszuschließen, die der Verfassung zuwiderläuft, denn das Grundgesetz ist als ranghöchstes innerstaatliches Recht nicht nur der Maßstab für die generelle Gültigkeit von Rechtsnormen aus innerstaatlicher Rechtsquelle, sondern ist auch Richtschnur und Grenze für die inhaltliche Auslegung jeder Rechtsnorm (Burghart, in: Leibholz/Rinck Grundgesetz, 80. Lieferung 03.2020, Einführung Rn. 13).

Auch nach diesen Grundsätzen können die §§ 65, 64b SGB XII nur so ausgelegt werden, dass daraus ein dem Leistungsumfang des § 43b SGB XI entsprechender Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme für zusätzliche Betreuung und Aktivierung folgt. Eine andere Auslegung der §§ 65, 64b SGB XII würde zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen, da ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen würde.

Der Gleichheitssatz ist zwar kein Einfallstor für die Rechtsprechung, um Gesetze unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Gerechtigkeit nachzuprüfen und damit die Auffassung des Gesetzgebers von Gerechtigkeit durch ihre eigene Auffassung zu ersetzen. Die Rechtsprechung kann daher nur prüfen, ob die äußersten Grenzen des vom Willkürverbot eingegrenzten Bereichs überschritten sind (BVerfGE 3, 24 f., 135, 182, 337; Burghart, in: Leibholz/Rinck Grundgesetz, 80. Lieferung 03.2020, Art. 3 Rn. 146 m.w.N.).

Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln ist (BVerfGE 3, 135 f.; Burghart, in: Leibholz/Rinck Grundgesetz, 80. Lieferung 03.2020, Art. 3 Rn. 21). Eine Verletzung ist dann gegeben, wenn sich kein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung finden lässt, wenn also die Rechtsnorm als willkürlich zu bezeichnen ist (BVerfGE 1, 52; 12, 348).

Ein derartiger sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung liegt für die unterschiedliche Gewährung der Leistungen zur zusätzlichen Betreuung und Aktivierung nicht vor. Eine Differenzierung innerhalb der Pflegebedürftigen, die eine vollstationäre Pflege in einem Pflegeheim bedürfen, erscheint willkürlich und kann nicht durch sachliche Kriterien begründet werden.

Die Tatsache, dass die Pflegeversicherten durch ihre Beiträge zur Pflegeversicherung den Pflegekassen finanzielle Mittel zur Aufrechterhaltung des sog. Umlageverfahrens zur Verfügung gestellt haben, während die Empfänger der Hilfe zur Pflege keinen solchen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Finanzierung von Pflege geleistet haben, stellt kein sachliches Differenzierungskriterium dar.

Ein solches Kriterium ist schon deshalb kein sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung, weil auch Pflegeversicherte zum Teil Hilfe zur Pflege erhalten, wenn der von den Pflegekassen zu tragende Betrag, der sich rechnerisch aus den gezahlten Beiträgen ergibt, nicht zur Deckung des vollen Pflegebedarfs ausreicht, sodass ein Ergänzungs- und Aufstockungsbedarf besteht. In solchen Fällen werden die hier im Streit stehenden Kosten zur zusätzlichen Betreuung und Aktivierung getragen.

Insofern steht fest, dass keineswegs in jedem Fall der vollstationären Pflege von Pflegeversicherten eine volle Finanzierung nur durch die Mittel der Pflegekassen und durch die Eigenbeiträge des Pflegeversicherten sichergestellt ist. Es kann also nicht die zwingende Schlussfolgerung getroffen werden, dass die nach dem SGB XI Anspruchsberechtigten alle Leistungen durch die Einzahlung ihrer Beiträge zur Pflegeversicherung erworben haben.

Vielmehr soll durch die Aufstockung nach dem SGB XII aus Mitteln der Sozialhilfeträger gewährleistet werden, dass jede pflegebedürftige Person eine ihren Bedürfnissen angepasste Pflege erhält, unabhängig davon, ob sie in ihrem Berufsleben oder sonstigen Versicherungszeiten genügend Beiträge gezahlt hat oder nicht. Dann kann die Tatsache, ob eine pflegebedürftige Person Beiträge in die Pflegeversicherung eingezahlt hat oder nicht aber kein Kriterium für eine Ungleichbehandlung von Pflegebedürftigen in vollstationärer Pflege im Hinblick auf zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen sein.

Wie sich auch gerade im Fall des Klägers zeigt, ist es nicht jedem Menschen möglich, sein ganzes Leben so zu arbeiten, dass die Mittel aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung den vollen Pflegebedarf abdecken. Würde der Gesetzgeber dann für die Frage, ob zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen vom Leistungsumfang der §§ 65, 64b SGB XII erfasst sind, auf die fehlende Einzahlung in die Pflegeversicherung verweisen, dann würde er dabei verkennen, dass die Hilfe zur Pflege neben den Aufstockungsfällen gerade auch solche Fälle wie die des Klägers auffangen soll. Denn andernfalls würde Personen wie dem Kläger, die aus von ihnen selbst nicht verschuldeten Gründen keiner Arbeit nachgehen können, ein menschenwürdiges Existenzminimum, das gemäß Art. 20 Abs. 1 GG durch das Sozialstaatsprinzip gesichert ist, verwehrt bleiben.

Für das Gericht steht fest, dass auch Maßnahmen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung aus § 43b SGB XI, konkretisiert durch § 2 Abs. 2 der Betreuungskräfte-Richtlinie, zu einem menschenwürdigen Existenzminimum zählen, da durch diese Maßnahmen gerade das Wohlbefinden und die psychische Stimmung der Pflegebedürftigen als Teil des gesamten Gesundheitszustands positiv beeinflusst werden soll und sie zu Alltagsaktivitäten motiviert werden sollen. Dann müssen diese Maßnahmen aber unabhängig von entsprechenden Vereinbarungen des zuständigen Sozialhilfeträgers von den Leistungen der Hilfe zur Pflege erfasst sein.

Zu einer entsprechenden Würdigung ist offensichtlich auch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren in seinen Empfehlungen vom 15.07.2019 und 09.05.2017 an die Kreise und kreisfreien Städte gelangt.

Dass die gemäß § 43b SGB XI von den Pflegekassen zu tragenden Kosten für zusätzliche Betreuungsmaßnahmen über die Norm des § 65 SGB XII von den Sozialhilfeträgern zu übernehmen sind, wird im Übrigen auch von anderen Bundesländern bereits in der Praxis so durchgeführt (vgl. etwa die Fachanweisung zu §§ 61 – 66a SGB XII der Freien und Hansestadt Hamburg, Stand: 01.07.2018, Seite 50; in Berlin im Rundschreiben Pflege Nr. 01/2016 über Umsetzung des Zweiten und Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II und PSG III) in der Hilfe zur Pflege zum 01.01.2017, Kapitel 7.7: https://www.berlin.de/sen/soziales/service/berliner-sozialrecht/kategorie/rundschreiben/2016_01pflege-572055.php#p2016-01-01_1_12_0; Verwaltungsanweisung Hilfe zur Pflege der Freien Hansestadt Bremen, 1, Teil Stand: 01.09.2019, Nr. 68).

§ 75 Abs. 1 SGB XII, der für eine Bewilligung von Leistungen durch den Träger der Sozialhilfe eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe voraussetzt, steht einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Gemäß § 75 Abs. 5 Nr. 1 SGB XII darf der Träger der Sozialhilfe die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit dies nach der Besonderheit im Einzelfall geboten ist. Der Beklagte zeigte bislang keine Anzeichen, eine Regelung mit der Beigeladenen hinsichtlich der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung für Nichtversicherte zu treffen oder bestehenden Vereinbarungen hinsichtlich der Vergütung beizutreten. Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht die Erbringung der Leistungen im Umfang der bestehenden Vergütungsvereinbarung mit den Pflegekassen für geboten. Denn schließlich hat der Beklagte gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I eine Gewährleistungspflicht und eine Gewährleistungsverantwortung dafür, dass der Leistungsberechtigte vom Leistungserbringer das ihm nach dem Leistungsrecht des Siebten bis Neunten Kapitel des SGB XII Zustehende bekommt (vgl. Lange, in: jurisPK, § 75 SGB XII Rn. 38). Dieser Gewährleistungsverantwortung gegenüber dem hilfebedürftigen Kläger kann der Beklagte sich nicht dadurch entziehen, dass er auf fehlende Vereinbarungen mit den Leistungserbringern verweist. Es obliegt dem Beklagten, eine solche Vereinbarung abzuschließen.

Bis zum Abschluss einer solchen Vereinbarung hat der Beklagte, der die Sozialhilfeleistungen für den Kläger nicht selbst erbringt, sondern durch einen Leistungserbringer – die Beigeladene – erbringen lässt, die Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung in entsprechender Anwendung der bereits bestehenden Vergütungsvereinbarung nach § 84 Abs. 8 SGB XI für zusätzliche Betreuung und Aktivierung in Einrichtungen der vollstationären Pflege und der Kurzzeitpflege (Bl. 179 bis 181 der Verwaltungsakte) zu vergüten.“

Gegen dieses dem Beklagten am 20. November 2020 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung, die am 17. Dezember 2020 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist.

Der Beklagte macht ergänzend geltend, dass die in § 65 Satz 2 SGB XII geregelten Betreuungsleistungen von der Art her inhaltlich den häuslichen Betreuungsmaßnahmen nach § 64b Abs. 2 SGB XII entsprächen. Der Hinweis in § 65 Satz 3 (gemeint wohl: Satz 2, 2. Teilsatz) SGB XII, dass § 64b Abs. 2 SGB XlI entsprechende Anwendung finde, bedeute lediglich, dass der Inhalt der Betreuungsmaßnahmen nach Satz 2 weitgehend den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen in der häuslichen Pflege entspreche. Der Inhalt dieser Maßnahmen stimme mit den Leistungen des § 36 SGB XI überein, sei jedoch nicht identisch mit den Maßnahmen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gem. § 43b SGB XI. Die Vorschrift des § 43b SGB XI ziele im Ergebnis darauf ab, zusätzliches Personal für dieses Betreuungsangebot in den Einrichtungen bereitzustellen. Die Besonderheit der Leistung nach § 43b SGB XI liege demnach darin, dass sie von zusätzlichen Betreuungskräften unter vollständiger Finanzierung durch die Pflegeversicherung erbracht werde. Zusätzliche Kostenbelastungen anderer Kostenträger, insbesondere der Sozialhilfeträger, seien ausgeschlossen. Mit dem Pflegestärkungsgesetz Ill (PSG III) sei der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI weitgehend in das SGB Xll übertragen worden. Die Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen gem. § 43b SGB XI seien für die Pflegegrade 1-5 jedoch nicht in die Pflege nach SGB XIl übernommen worden. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte § 63 Abs. 1 SGB XII entsprechend ergänzt und präzisiert werden müssen. Die Nr. 2, 3 und 5 hätten dann jeweils um den Zusatz „einschließlich der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen gem. § 43b SGB XI“ ergänzt werden müssen. Zudem hätte es in § 63 Abs. 2 noch einer Nr. 4 „zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen gem. § 43b SGB XI" bedurft. Zwar sei der Gesetzesbegründung zum PSG Ill (BR-Drs. 410/16, S. 38 und 80) zu entnehmen, dass die Hilfe zur Pflege unter Geltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auch besondere Betreuungsleistungen erbringen werde, die bisher nur für versicherte Pflegebedürftige nach den Vorschriften der §§ 45b und 87b SGB XI (jetzt § 43b SGB XI) erbracht worden seien. Hier bleibe jedoch unbeachtet, dass durch Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes im Rahmen des PSG II die Regelung des § 87b SGB XI als entbehrlich angesehen worden sei, weil die hiernach früher erbrachten Leistungen durch die Pflegekasse aufgrund der Aufnahme von Betreuungsleistungen in den allgemeinen Leistungskatalog der stationären Leistung nach § 43 SGB XI umfasst sein sollten. Dies hätte sich dann in der Vergütungsvereinbarung bei den Pflegesätzen ausgewirkt. Betreuungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der stationären Pflege in der Sozialhilfe voraussetzend, sei eine Übernahme dieser Kosten grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Stattdessen sei in § 43b SGB XI ein Individualanspruch auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung unter Voraussetzung einer zusätzlichen Vergütung implementiert worden. In der nach § 75 Abs. 1 SGB XII geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung in Anlage 2 der Vergütungsvereinbarung vom 14. November 2018 werde unter Nr. 52, 54 und 56 der besondere Bedarf stichwortartig erläutert: „Fortwährende psychiatrische Krankenbeobachtung und Betreuung mit heilpädagogischer Orientierung, Kriseninterventionen, entlastende und orientierungsgebende Lebensbegleitung, lebenspraktische Förderung, motivierende und entlastende Kommunikation insbesondere auch nonverbaler Prägung, Förderung mittels verhaltenstherapeutischer Ansätze". Für zusätzliche Betreuung und Aktivierung bestehe eine zusätzliche Vergütungsvereinbarung nach § 84 Abs. 8 SGB XI zwischen der AMEOS-Fachpflegeeinrichtung und den Pflegeversicherungen. Der Kreis Ostholstein als Träger der Sozialhilfe sei hier nicht beteiligt bzw. Vertragspartner. Nach Nr. 5 dieser zusätzlichen Vereinbarung würden die zusätzlichen Betreuungskräfte auf der Basis eines gesonderten Betreuungskonzeptes tätig. Nach Nr. 7 der Vereinbarung sei eine Vermischung der zusätzlichen Betreuungskräfte mit dem über die Pflegesätze oder die Zusatzleistungen nach § 88 SGB XI bereits finanzierten Personal auszuschließen. Hieraus werde deutlich, dass die zusätzliche Betreuung und Aktivierung nach § 43b SGB XI weiterhin eine zusätzliche Leistung bei Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen darstelle und nicht vom Betreuungsumfang der stationären Pflegeleistung nach § 43 SGB XI, für die die Pflegesätze vereinbart seien, umfasst sei. Der Anspruch von Pflichtversicherten als Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung nach § 43b SGB XI lasse sich daher nicht auf Nichtversicherte übertragen. § 65 Satz 2 SGB XII sage lediglich aus, dass stationäre Pflege auch Betreuungsmaßnahmen umfasse. Dies finde sich auch in § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XI wieder. Zusätzliche Betreuung und Aktivierung sei in beiden Vorschriften nicht enthalten. Hierin sei auch nicht eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 GG zu sehen. Dies wäre etwa der Fall, wenn er hinsichtlich Nichtversicherten bei der Gewährung von Leistungen für zusätzliche Betreuung und Aktivierung von Heimbewohner zu Heimbewohner unterschiedlich verfahren würde. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Darüber hinaus könne er, der Beklagte, die streitige Leistung schon aus dem Grund nicht übernehmen, dass es dafür keine vertragliche Vereinbarung gebe, die nach § 43b SGB Xl i.V.m. den §§ 84 Abs. 8, 85 Abs. 8 SGB XI aber erforderlich wäre. Neben dem Heimvertrag müsste dann noch ein Versorgungsvertrag über die Leistungen nach § 64b Abs. 2 SGB Xll zwischen ihm und dem Kläger vorliegen. Eine solche vertragliche Vereinbarung existiere jedoch nicht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. November 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Er hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass bislang keine Leistungen aufgrund des zusprechenden erstinstanzlichen Urteils in Anspruch genommen worden seien.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Rechtskraft
Aus
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