L 7 AS 94/24 B

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 17 AS 1634/23 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 94/24 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife.

Ist der  gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits vor der Entscheidung des Sozialgerichts bewilligungsreif, so dürfen spätere Änderungen der Tatsachen- und Rechtslage zu Lasten der Antragsteller grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.
 
Sind Tatsachen streitig, so ist unterliegt die Verweigerung von Prozesskostenhilfe aufgrund einer Beweisantizipation bereits im Prozesskostenhilfeverfahren engen verfassungsrechtlichen Grenzen.
 


Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2024 aufgehoben und den Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Verfahren S 17 AS 1634/23 ER unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.


G r ü n d e

I.    

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2024, mit welchem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Eilverfahren abgelehnt worden ist.

Die Beteiligten stritten in dem am 1. Dezember 2023 erhobenen Eilverfahren, darüber, ob den Antragstellerinnen vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu gewähren sei.
Die Antragstellerinnen beantragten am 13. April 2023 beim Antragsgegner die Gewährung von Bürgergeld. Mit Bescheid vom 6. Juli 2023 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen seien die Antragsteller nicht hilfebedürftig. Die Antragstellerin zu 1) habe den Neuantrag zusammen mit Herrn B. gestellt. Aus den Kontoauszügen sei ersichtlich, dass sie die Lebenshaltungskosten für sich und die Kinder alleine trage. Herr B. zahle die Miete und die Nebenkosten für sie und die Kinder. Er stehe auch alleine im Mietvertrag und die Wohnung sei für 5 Personen zu klein. Das Kindergeld werde weiterhin an Herrn B. gezahlt. Gegen den Bescheid vom 6. Juli 2023 legte die Antragstellerin zu 1) am 24. Juli 2023 Widerspruch ein. Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2023 zurück. 

Die Antragstellerinnen haben am 1. Dezember 2023 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz haben die Antragstellerinnen u.a. damit begründet, dass Herr B. im April 2023 die Partnerschaft zu der Antragstellerin zu 1) beendet habe. Die Angelegenheit sei eilbedürftig. Ihr Existenzminimum sei erheblich unterschritten. Sie seien dringend auf ergänzende Leistungen angewiesen. Außer dem Einkommen der Antragstellerin zu 1) verfügten sie über keine weiteren Einnahmen, es bestehe auch kein Vermögen. 
Der Antragsgegner hat erwidert, er könne den Vortrag, wonach die Partnerschaft beendet und der Partner aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sei, nicht nachvollziehen. Nach den Ergebnissen des Ermittlungsdienstes befinde sich der Name des Partners an Klingel und Briefkasten, und dieser sei nach Anfrage beim Einwohnermeldeamt vom 8. Dezember 2023 dort auch gemeldet. Der Antragsgegner könne daher vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft ausgehen. Des Weiteren hat die Antragstellerin zu 1) eine Erklärung für Alleinerziehende zur Wohnungsbewerbung vom 8. Januar 2024 vorlegt. Hier gebe sie an, seit März 2023 getrennt zu leben.

Im Rahmen des Eilverfahrens haben die Antragstellerinnen mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten am 8. Dezember 2023 die Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Kontoauszügen dem Gericht übersandt.

Die Antragstellerin zu 1) hat am 22. Januar 2024 eine eidesstattliche Versicherung beim Sozialgericht vorgelegt. 

Mit Schreiben vom 31. Januar 2024 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mitgeteilt, dass das Gericht den Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Angaben im Antrag auf Leistungen zunächst für nachvollziehbar halte. Die Einwendungen des Antragsgegners seien jedoch durchaus überzeugend und nicht von der Hand zu weisen. Die Antragstellerin werde um Stellungnahme hierzu gebeten. Im Anschluss sei entweder eine Entscheidung oder die Ladung zu einem Termin zwecks Zeugenvernehmung beabsichtigt. Aufgrund einer kurzen Urlaubsabwesenheit der Kammervorsitzenden sei ein Termin erst ab dem 8. Februar 2024, spätestens am 14. Februar 2024, vorgesehen.

Die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen hat mit Schriftsatz vom 6. Februar 2024 unter Verweis auf die vorgelegte eidesstattliche Versicherung ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Angaben der Antragstellerin zu 1) der Antragsgegner schließe, eine Partnerschaft sei objektiv belegt. Allein, dass Herr B. wieder in die Wohnung eingezogen sei, belege keinesfalls das Bestehen einer Partnerschaft. Von dem Bestehen einer Partnerschaft sei nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urt. v. 23. August 2012 − B 4 AS 34/12 R) auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben sei, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulasse. Herr B. habe die Antragstellerin zu 1) verlassen, um mit seiner neuen Freundin zusammenzuleben. Dadurch sei die partnerschaftliche Beziehung zur Antragstellerin zu 1) beendet worden. Ob diese Beziehung zu der neuen Freundin weiterhin bestehe, sei der Antragstellerin zu 1) nicht bekannt, jedenfalls sei die Partnerschaft zwischen der Antragstellerin zu 1) und Herrn B. durch dessen Einzug nicht wiederaufgenommen worden.

Das Sozialgericht hat den Eilantrag der Antragstellerinnen mit Beschluss vom 8. Februar 2024 abgelehnt. Der zulässige Antrag sei nicht begründet. Die Antragstellerin machten vorläufig Leistungen nach dem SGB II ab Antragstellung am 1. Dezember 2023 geltend. Für diesen Zeitraum sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II setzt eine Hilfebedürftigkeit voraus. Die Darlegung der Hilfebedürftigkeit erforderte dabei vollständige, wahrheitsgemäße und nachprüfbare Angaben des Hilfesuchenden. Vorliegend sei die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerinnen zur Überzeugung der Kammer nicht glaubhaft gemacht. Die Kammer gehe davon aus, dass die Antragstellerin zu 1) mit Herrn B. in einer Bedarfsgemeinschaft lebe und dessen Einkommen zu berücksichtigen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu 1) und Herr B. Partner im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II seien. Vom Bestehen einer Partnerschaft sei auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben sei, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulasse. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Es komme nicht entscheidend darauf an, dass die Antragstellerin zu 1) erklärt hat, sie seien kein Paar. Denn davon sei nach den vorliegenden Tatsachen nicht auszugehen. Unstreitig habe zwischen der Antragstellerin zu 1) und Herrn B. eine Partnerschaft bestand. Eine Trennung habe die Antragstellerin zu 1) nicht glaubhaft gemacht. Eine Trennung sei schon deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil die Antragstellerin zu 1) selbst nicht weiß, wann eine Trennung erfolgt sei. In der Antragschrift vom 1. Dezember 2023 trage die Antragstellerin zu 1) vor, dass Herr B. die Partnerschaft im April 2023 beendet habe und aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sei. In der eidesstattlichen Versicherung von April 2023 habe die Antragstellerin versichert, dass Herr B. im April 2023 ausgezogen sei. Bei Antragstellung im Juni 2023 habe die Antragstellerin hingegen angegeben, dass Herr B. und sie bis Ende Januar 2023 zusammengelebt hätten. Er wohne seit Ende Januar 2023 bei Freunden. In der weiteren im Verfahren vorgelegten Erklärung vom 8. Januar 2024 für Alleinerziehende zur Wohnungsbewerbung gebe die Antragstellerin zu 1) an, seit März 2023 getrennt zu leben. Ein solch wechselhafter Vortrag gehe zu Lasten der Antragstellerinnen, denen es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes obliege, vollständig und wahrheitsgemäß vorzutragen. Es liege auch ein Zusammenleben im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II vor, da Herr B. im Dezember 2023 wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen sei und damit ab Antragstellung am 1. Dezember 2023 bis zum Wiedereinzug wenn überhaupt nur sehr kurzfristig sich nicht in der gemeinsamen Wohnung aufgehalten habe. Seine Meldeadresse habe er nicht ändert, auch ginge seine Post weiterhin an die gemeinsame Wohnung. Briefkasten und Klingel seien ebenfalls dauerhaft mit seinem Namen beschriftet. Auch ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, sei anzunehmen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Antragstellerin einen solchen Willen verneine. Es greife nämlich die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II. Nach dieser Vorschrift werde ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenlebten (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgten (Nr. 3) oder befugt seien, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Über diese Fallgruppen hinaus könne ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, aber auch aufgrund der Würdigung anderer äußerer Tatsachen angenommen werden. Die Antragstellerin zu 1) und Herr B. lebten mit drei gemeinsamen Kindern zusammen und versorgten Kinder im Haushalt. Aus Sicht der Kammer lebten die beiden auch länger als ein Jahr zusammen, da ein Auszug des Herrn B. aus den oben genannten Gründen nicht plausibel erscheine. Die daraus resultierende gesetzliche Vermutungswirkung sei vorliegend nicht, auch nicht durch die eidesstattliche Versicherung, widerlegt worden. Aufgrund des Einkommens des Herrn B. und des Erhalts von Arbeitslosgengeld I durch die Antragstellerin zu 1) seien die Antragsteller nicht hilfebedürftig. Da bereits kein Anordnungsanspruch vorliege, sei der Anordnungsgrund nicht zu prüfen.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2024 hat das Sozialgericht auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, diese Voraussetzungen für die Gewährung lägen nicht vor, weil das Begehren keine hinreichenden Erfolgsaussichten biete. Die Antragstellerinnen seien nicht hilfebedürftig. Wegen der näheren Begründung werde auf die Gründe des Beschlusses vom 8. Februar 2024 mit demselben Aktenzeichen verwiesen.

Die Antragstellerinnen haben, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 27. Februar 2024 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht gegen beide Beschlüsse des Sozialgerichts eingelegt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird des Weiteren auf den Inhalt der Gerichtsakten L 7 AS 93/24 B ER und L 7 AS 94/24 B sowie der im Verfahren L 7 AS 93/24 B ER beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.


II.

1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). 

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).

a) Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z. B. Beschlüsse vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 - NJW-RR 2004, 1053 und vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07 - juris) auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Gebotes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) dahingehend auszulegen, dass eine Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes erreicht wird. Allerdings ist der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Davon ausgehend beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Antragsteller aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Erforderlichkeit und Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, also eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, das Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 - juris; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 73a Rdnr. 7 ff.; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. Februar 2013 – L 6 AS 817/12 B –, Rn. 4 - 28, juris).

b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, also der Zeitpunkt, zu dem die Antragstellerinnen das Sach- und Streitverhältnis dargestellt (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und die entsprechenden Belege beigefügt haben (§ 117 Abs. 2 ZPO) und der Gegner die Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. November 2023 – L 2 AS 131/23 B –, Rn. 18, juris). 

c) Ist der von den Antragstellerinnen gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits vor der Entscheidung des Sozialgerichts bewilligungsreif, so dürfen spätere Änderungen der Tatsachen- und Rechtslage zu Lasten der Antragstellerinnen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – L 9 AS 997/21 B PKH –, juris). Sind Tatsachen streitig, so ist unterliegt die Verweigerung von Prozesskostenhilfe aufgrund einer Beweisantizipation bereits im Prozesskostenhilfeverfahren engen verfassungsrechtlichen Grenzen. Kommt eine Beweisaufnahme (auch am Maßstab des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes unter Einbeziehung der Möglichkeit einer eidesstaatlichen Versicherung) ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 – 2 BvR 1813/18 –, juris Rn. 27; Beschluss vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 –, juris Rn. 18; st. Rspr). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist dabei in die Prüfung der Erfolgsaussichten einzustellen, dass im Streit um existenzsichernde Leistungen die Frage, ob das Sozialgericht aufgrund einer Folgenabwägung oder Beweisaufnahme zu entscheiden hat, ebenfalls verfassungsrechtlich vorgeprägt ist (BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 –, juris, Rn. 10 m.w.N.).

Die Bewilligungsreife lag vor dem 31. Januar 2024 vor. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Antragstellerinnen ihren Eilantrag begründet und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht.

Ausgehend von dem Hinweisschreiben der Kammervorsitzende vom 31. Januar 2024 waren zu diesem Zeitpunkt die Erfolgsaussichten zumindest offen. Denn die Kammervorsitzende hat in diesem Schreiben ausgeführt, dass das Gericht den Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Angaben im Antrag auf Leistungen zunächst für nachvollziehbar gehalten habe. Die Einwendungen des Antragsgegners seien jedoch durchaus überzeugend und nicht von der Hand zu weisen. Aus dem Schreiben geht das weiteren hervor, dass die Durchführung eines Termins mit Zeugenvernehmung in Erwägung gezogen wurde. Dabei kommt es nicht auf die subjektiven Überzeugung der Kammervorsitzenden an; ausschlaggebend ist, dass eine Beweiswürdigung solange nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden darf, solange nicht konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Antragstellenden ausgeht. Konkrete Anhaltspunkte mit einem solchen Gewicht lagen zum Zeitpunkt des o.g. Hinweisschreibens nicht vor, insbesondere nicht vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen Entscheidungsmaßstabs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Nach dem Hinweisschreiben der Kammervorsitzende waren die Erfolgsaussichten des Eilverfahrens im Hinblick auf das Antragsbegehren der Antragstellerinnen offen, so dass Prozesskostenhilfe hätte bewilligt werden müssen. 

Aus diesem Grund ist der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und den Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
 

Rechtskraft
Aus
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