Institutionen der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die in der Regel mehr als 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, können nicht – auch nicht freiwillig durch Erklärung gegenüber einer Krankenkasse – am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit (U1-Verfahren) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) teilnehmen.
Sozialgericht Berlin |
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verkündet am
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
- Klägerin -
Proz.-Bev.:
…
gegen
BKK Landesverband Mitte,
Arbeitgeberversicherung
Olvenstedter Chaussee 126, 39130 Magdeburg,
…
- Beklagter -
hat die 210. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 24. Januar 2024 durch den Richter am Sozialgericht … sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Frau … und Frau … für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Teilnahme am Ausgleichsverfahren U1 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Die Klägerin ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Sie beschäftigt mehr als 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Beklagte führt für zahlreiche Betriebskrankenkassen die Arbeitgeberversicherung nach dem AAG durch (§ 8 Abs. 2 AAG).
Mit Bescheid vom 14.08.2017 stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens auf den Widerspruch der Klägerin für den Zeitraum 2012 bis 2015 fest, dass die Klägerin am Umlageverfahren U1 aufgrund einer entsprechenden Erklärung gegenüber der Techniker Krankenkasse im Jahr 2012 teilnahm. Der Beklagte teilte der Klägerin mit E-Mail vom 21.12.2017 mit, dass er diese Entscheidung akzeptiere, erklärte aber zugleich, die Sach- und Rechtslage ab 01.01.2016 eigenständig zu prüfen, da er eine andere Rechtsauffassung vertrete.
Nachdem die Klägerin den Beklagten um Bestätigung der Teilnahme am U1-Verfahren gebeten hatte, stellte dieser nach Anhörung der Klägerin mit Bescheiden vom 11.12.2018 und vom 20.12.2018 die Nichtteilnahme der Klägerin am Ausgleichsverfahren U1 für 2016 bis 2018 fest. Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 14.05.2019 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin insbesondere geltend, dass sie gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 2. HS AAG einen Anspruch auf Teilnahme habe. Es handele sich bei dieser Rückausnahmeregelung um eine Rechtsfolgenverweisung. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spreche dafür, dass alle Einrichtungen der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege am Umlageverfahren U1 teilnehmen könnten, unabhängig von ihrer Größe. Zudem habe der Beklagte den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund für 2012 bis 2015 akzeptiert und sich damit gebunden.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 11.12.2018 und 20.12.2018 jeweils in der Gestalt
der Widerspruchsbescheide vom 14.05.2019 aufzuheben und festzustellen, dass die
Klägerin für die Kalenderjahre 2016 bis 2018 am Ausgleich der Arbeitgeberaufwen-
dungen bei Krankheit (U1- Verfahren) nach dem AAG teilnimmt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Wortlauf des § 11 Abs. 1 AAG und darauf, dass der Wille des Gesetzgebers, das U1-Verfahren auf größere Institution der freien Wohlfahrtspflege ausdehnen zu wollen, im Gesetzgebungsprozess nicht erkennbar geworden sei. Sinn und Zweck des AAG sei der Schutz von Kleinbetrieben vor Belastungen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz. Je kleiner ein Betrieb sei, desto größer sei das Risiko unverhältnismäßiger Belastung wegen der Verpflichtung zur Lohnfortzahlung. Der Geltungsbereich des AAG sei daher immer auf Kleinbetriebe beschränkt. In der E-Mail vom 21.12.2017 habe man einer Bindung an die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund ausdrücklich widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat der Beklagte die Teilnahme der Klägerin am Ausgleichsverfahren U1 abgelehnt. Ein Anspruch auf Teilnahme besteht nicht. Dass der Beklagte – offenbar in der versehentlichen Annahme, bei den Adressatinnen der beiden Bescheide handele es sich um unterschiedliche Arbeitgeberinnen – gegenüber der Klägerin die Feststellungen in jeweils zwei Bescheiden und Widerspruchsbescheiden traf, ist unbeachtlich. Es dürfte sich beim zweiten Bescheid vom 20.12.2018 allenfalls um eine – unschädliche – wiederholende Verfügung handeln.
Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Bescheide ist § 3 Abs. 1 AAG. Danach hat die zuständige Krankenkasse jeweils zum Beginn eines Kalenderjahres festzustellen, welche Arbeitgeber für die Dauer dieses Kalenderjahrs an dem Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 Abs. 1 (dem so genannten U1-Verfahren, vgl. § 1 Abs. 3 AAG) teilnehmen. Dass über die Teilnahme hier nicht zu Beginn eines jeden Kalenderjahres, sondern über drei Kalenderjahre gemeinsam am Ende des betroffenen Zeitraums entschieden wurde, schadet nicht. Es handelt sich Auffassung der Kammer um eine organisatorische Vorschrift, die den zeitnahen Anspruch des betroffenen Arbeitgebers auf Feststellung beschreibt, eine spätere Entscheidung ggf. auch mit Wirkung für die Vergangenheit aber nicht ausschließt. Im Übrigen wirkt die Feststellung des Trägers nur deklaratorisch (Schmitt, in: EFZG/Küfner-Schmitt, 9. Aufl. 2023, AAG § 3 Rn. 7).
Gemäß § 1 Abs. 1 AAG erstatten die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, 80 Prozent
1. des für den in § 3 Abs. 1 und 2 und den in § 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts,
2. der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und die Arbeitgeberzuschüsse nach § 172a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 des Fünften und nach § 61 des Elften Buches Sozialgesetzbuch.
Im ersten Halbsatz dieser Vorschrift wird die Voraussetzung genannt, unter der ein Arbeitgeber an diesem Umlageverfahren teilnimmt, nämlich dass der Arbeitgeber in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor, weil sie – unstreitig – regelmäßig mehr als 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.
Eine Teilnahmeberechtigung der Klägerin ergibt sich entgegen ihrer Auffassung auch nicht aus der Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 4 AAG. Zwar ist darin bestimmt, dass § 1 Abs. 1 nicht anzuwenden ist auf die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege (Arbeiterwohlfahrt, Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, Deutscher Caritasverband, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) einschließlich ihrer selbstständigen und nichtselbstständigen Untergliederungen, Einrichtungen und Anstalten, es sei denn, sie erklären schriftlich und unwiderruflich gegenüber einer Krankenkasse mit Wirkung für alle durchführenden Krankenkassen und Verbände ihre Teilnahme am Umlageverfahren nach § 1 Abs. 1.
Gleichwohl ist diese Regelung auf die Klägerin nicht anwendbar. Die Kammer folgt der Rechtsauffassung des Beklagten, nach der die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 4 AAG auf Arbeitgeber, die wie die Klägerin regelmäßig mehr als 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, von vornherein nicht anwendbar ist.
Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Regelung, aus dem deutlich wird, dass es sich um eine Rückausnahme zum Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAG handelt. Das bedeutet, dass die Rückausnahme überhaupt nur dann beachtlich ist und zur Anwendung kommen kann, wenn ein Arbeitgeber der Regelung des § 1 Abs. 1 AAG unterfällt.
Mit anderen Worten: § 1 Abs. 1 AAG regelt, dass kleine Unternehmen am U1-Verfahren teilnehmen (müssen). Größere Unternehmen nehmen gerade nicht teil. (Stattdessen können Arbeitgeber für Betriebe eines Wirtschaftszweigs gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 AAG Einrichtungen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen errichten, an denen auch Arbeitgeber teilnehmen, die die Voraussetzungen des § 1 nicht erfüllen. Der Gesetzgeber hat einen möglichen Bedarf eines Ausgleichsverfahrens für größere Arbeitgeber also durchaus gesehen, diesen aber ausdrücklich einer freiwilligen Umsetzung durch die großen Arbeitgeber selbst überlassen.) § 11 Abs. 1 Nr. 4 1. HS AAG beinhaltet damit eine Ausnahme von der Teilnahmepflicht nur für kleine Arbeitgeber der freien Wohlfahrtspflege, da es für große Arbeitgeber von vornherein keiner Ausnahmegelung bedarf. Die Rückausnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 2. HS AAG betrifft dann folgerichtig ebenfalls nur kleine Arbeitgeber, die ihre Teilnahme am Ausgleichsverfahren erklären können. Unter diese kleinen Arbeitgeber fällt die Klägerin nicht.
Dieses Verständnis wird im Übrigen auch von anderen Trägern der freien Wohlfahrt geteilt. Zurecht weist der Beklagte in seiner Klageerwiderung insoweit auf die Schreiben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege vom 08.12.2005 und des Spitzenverbands „Paritätischer Niedersachsen e.V.“ vom 10.01.2006 hin (Bl. 187 und Bl. 189 der Verwaltungsakte).
Das von der Klägerin vorgetragene Verständnis des Wortlauts des § 11 Absatz 1 Nr. 4 AAG als Rechtsfolgenverweisung übersieht die Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 AAG in der Einleitung dieses Absatzes.
Auch die Entstehungsgeschichte des § 11 Abs. 1 Nr. 4 AAG führt zu keiner anderen Auslegung der Norm. Anlass für die Gesetzesänderung waren Schwierigkeiten bei der Auslegung der Vorgängerregelung des § 18 Nr. 4 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG). Umstritten war, ob auch selbstständige Institutionen, die lediglich Mitglied in einem freien Wohlfahrtsverband waren, zu den Untergliederungen, Einrichtungen und Anstalten der freien Wohlfahrtspflege gehörten. Hier kamen Gerichte zu unterschiedlichen Einschätzungen. So bejahte das Landessozialgericht Berlin in seinem Urteil vom 10.03.1993, -L 9 Kr 82/91-, die Teilnahmepflicht für einen eingetragenen Verein, der als Betreiber einer Kindertagesstätte Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtverbandes war. Auch das SG Bremen (Urteil vom 18.02.1993, -S 7 Kr 44/92-) vertrat diese Rechtsauffassung. Der Gesetzgeber wollte nun den betroffenen Arbeitgebern der Wohlfahrtspflege ein Wahlrecht einräumen und damit die Frage der Teilnahmepflicht dahingehend klären, dass ein Teilnahmerecht nach eigener Wahl geschaffen wurde. (vgl. Schmitt. a.a.O., AAG § 11, Rn. 14 unter Bezugnahme auf die BT-Drucks. 16/39). Die Größe der Arbeitgeber wurde im Gesetzgebungsverfahren aber nicht thematisiert. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber auch Arbeitgebern mit mehr als 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Teilnahme ermöglichen wollte.
Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck des Ausgleichsverfahrens dafür, die gesetzlichen Regelungen des AAG insgesamt auf Arbeitgeber zu beschränken, die in der Regel nicht mehr als 30 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. Denn nur die Beschränkung auf Kleinbetriebe rechtfertigt die zwangsweise Teilnahme am Ausgleichsverfahren und die in diesem Zuge bestehende Beitragspflicht. Die Kammer nimmt insofern Bezug auf die entsprechenden Ausführungen des Beklagten in seiner Klageerwiderungsschrift vom 07.11.2019, S. 11-12, die sie teilt:
„Das Umlageverfahren soll Arbeitgeber vor den Risiken der ihnen mit der Entgeltfortzahlung auferlegten sozialen Verpflichtungen schützen. Da in Kleinbetrieben das mit der Lohnfortzahlung verbundene Arbeitgeberrisiko besonders hoch ist, weil hier die Krankheitshäufigkeit der Beschäftigten wegen ihrer geringen Zahl von den statistischen Wahrscheinlichkeitswerten erheblich abweichen kann, so dass die Lohnfortzahlung den Arbeitgeber je nach dem zufälligen Krankenstand der Arbeitnehmer unverhältnismäßig härter treffen kann und mit abnehmender Beschäftigtenzahl für ihn als Faktor seiner Kostenrechnung unkalkulierbar ist (vgl. BSGE 36, 16, 20; s.a. BSG SozR 7860 § 10 Nr. 3; Nr. 4), hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des LFZG das Ausgleichsverfahren auf den Kreis der Kleinbetriebe beschränkt (vgl. zur Entstehungsgeschichte auch Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, 4. Aufl., Einleitung §§ 10 ff. Lohnfortzahlungsgesetz Rdn. 1).
Dieser gesetzgeberische Zweck rechtfertigt zum einen den mit dem zwangsweisen Zusammenschluss der Arbeitgeber und der Erhebung von Umlagebeiträgen verbundenen Eingriff in deren allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), vgl. BVerfGE 48, 228, 234), zum anderen ist grundsätzlich im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG die unterschiedliche Behandlung der Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgröße sachgemäß (so BSGE 36, 16, 20).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26.04.1978 (AZ: 1 BvL 29/76) die Einführung des verpflichtenden U1-Verfahrens für Kleinbetriebe verfassungsgemäß gehalten und ausgeführt:
„Der Zwang zur Umlage nach § 14 LFZG verletzt nicht die allgemeine Freiheitsgarantie des Artikel 2 Absatz 1 GG. Die gesetzliche Regelung schließt die von ihr betroffenen Betriebe, ohne daß es dabei auf deren Willen ankommt, zu einer Solidargemeinschaft zusammen. Die Zielsetzung dieses Eingriffes in die unternehmerische Freiheit liegt darin, kleine Betriebe vor den schwer kalkulierbaren Risiken der ihnen durch das Lohnfortzahlungsgesetz auferlegten sozialen Verpflichtungen zu schützen. Dabei geht die Regelung davon aus, daß das Risiko der Erkrankung bei solchen Betrieben nicht hinreichend in eine unternehmerische Kostenrechnung einbezogen werden kann[…]"
Das BSG (Urteil vom 24.05.1973 - 3 RK 76/71) führt dazu aus, „daß in Kleinbetrieben das mit der Lohnfortzahlung verbundene Arbeitgeberrisiko besonders hoch ist, weil hier - anders als in Großbetrieben - die Krankheitshäufigkeit der Beschäftigten wegen ihrer geringen Zahl von den statistischen Wahrscheinlichkeitswerten erheblich abweichen kann, so daß die Lohnfortzahlungslast den Arbeitgeber hier je nach dem zufälligen Krankenstand seiner Arbeitnehmer unverhältnismäßig härter trifft und mit abnehmender Beschäftigtenzahl für ihn kaum noch als Faktor seiner Kostenrechnung kalkulierbar ist. Eine verschiedene Behandlung der Arbeitgeber im Rahmen der §§ 10 ff LFZG unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgröße ist deshalb nicht nur nicht willkürlich, sondern durchaus sachgemäß [...]"
Das Ausgleichsverfahren U1 war und ist somit auf den Kreis der sog. Kleinbetrieben beschränkt. Eine Teilnahmeberechtigung der Klägerin am U1-Verfahren ergibt somit auch nicht aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes[…]“
Eine Selbstbindung des Beklagten dadurch, dass er die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Jahre 2012 bis 2015 hingenommen hat, ist nicht eingetreten. Für eine Selbstbindung der Verwaltung bedarf es einer ständigen Verwaltungspraxis, auf die der Adressat vertrauen durfte (vgl. zum Ganzen: Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 17. Auflage 2022, Art. 3, Rn. 44-46). Hieran fehlt es bereits deshalb, weil keine eigene Verwaltungspraxis des Beklagten vorliegt, sondern die Entscheidung eines anderen Sozialversicherungsträgers. Des Weiteren kann bei der Klägerin kein Vertrauen in eine entsprechende Handhabung durch den Beklagten entstanden sein, weil er in der E-Mail vom 21.12.2017, mit der er erklärte, die Entscheidung der deutschen Rentenversicherung Bund für 2012 bis 2015 zu akzeptieren, der Klägerin zugleich ausdrücklich mitteilte, dass er die Rechtsfrage ab 2016 eigenständig prüfen werde und dass er eine abweichende Rechtsauffassung vertrete. Schließlich ist eine Selbstbindung an eine – wie hier – ursprünglich rechtswidrige Handhabung ausgeschlossen.
Nach alledem kommt es auf die Frage, ob die Klägerin gegenüber einer Krankenkasse überhaupt schriftlich und unwiderruflich erklärt hat, am Umlageverfahren U1 teilzunehmen – was der Beklagte bestreitet – nicht an. Sie konnte von der Kammer offen gelassen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Kostenentscheidung war nicht gemäß § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO zu treffen, da Arbeitgeber in Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG als „Versicherte“ im Sinne von § 183 SGG gelten. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsstreit über den Versichertenstatus als solchen geführt wird, und zwar unabhängig davon, ob – wie hier – der Status als Versicherter angestrebt wird oder im Prozess vom Betroffenen selbst verneint wird (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 12/09 R –, juris, Rn 22).