Der Bescheid vom 16.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2019 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) vom 02.01.2014 bis 31.12.2014 und vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand und daher keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2).
Die Kosten der Beigeladenen sind von diesen selbst zu tragen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status in den Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung im Zeitraum vom 02.01.2014 bis 31.12.2014 und vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 im Rahmen der Tätigkeit des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) als Systemprogrammierer streitig.
Der im Jahr „00“ geborene Kläger zu 1) ist Systemprogrammierer. Ursprünglich war er bei der Firma X. GmbH, die zum Konzern der Klägerin zu 2) gehört, abhängig beschäftigt. Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die X. GmbH im Jahr 2004 nahm der Kläger zu 1) eine freiberufliche Tätigkeit als Systemprogrammierer auf. Im Rahmen seiner Tätigkeit verwendete er die Bezeichnung „G.“.
Bei der Klägerin zu 2) bzw. deren jeweiliger Rechtsvorgängerin
- ursprünglich K. AG, HRB 0000, Amtsgericht Gütersloh,
- sodann im Jahr 2013 P. GmbH & Co.KG, HRA 0000, Amtsgericht Gütersloh,
- nachfolgend nach Formwechsel mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 02.07.2015 P. AG, HRB 00000, Amtsgericht Gütersloh,
- durch Umwandlung im Wege des Formwechsels entstand nach Maßgabe des Beschlusses der Hauptversammlung vom 28.07.2021 die K. SE, HRB 00000, Amtsgericht Gütersloh)
handelt es sich um ein Unternehmen, welches Leistungen in den Bereichen Beratung, Systemintegration und Digital Services anbietet. Erstmals im Jahr 2012 beauftragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) den Kläger zu 1) als Berater für ein Projekt mit der Z. mbH (nachfolgend F.). Bei der F. handelte es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen von Versicherern. Sie war IT-Strukturdienstleister für Versicherungsunternehmen, welcher als sog. „Full Service Provider“ sämtliche Beratungsleistungen für den Betrieb von IT- und Telekommunikations-Infrastruktur erbrachte und insbesondere große Serverkapazitäten für die Kundenunternehmen zur Verfügung stellte. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) schloss mit der F. einen Dienstleistungsrahmenvertrag. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 01.08.2011/12.10./2011 (Bl. 80 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Die F. beauftragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) mit Beratungs- und Unterstützungsdienstleistungen insbesondere im Umfeld von SAS Projekten und SAS Software. SAS ist eine herstellergebundene Softwareumgebung für die Auswertung von Daten, hauptsächlich von geschäftlichen Daten ("Business Intelligence"), aber auch in der Forschung und in der öffentlichen Statistik (vgl. u.a. https://www.it-services.ruhr-uni-bochum.de/services/software/sas.html.de). Zur Erfüllung dieses Auftrags beauftragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) den Kläger zu 1). Hierzu schloss sie mit dem Kläger zu 1) am 27.02.2012 einen Rahmenvertrag, vgl. Bl. 104 ff. der Gerichtsakten. Hiernach sollte der Kläger zu 1) als Subunternehmer auf dem Gebiet der Unternehmensberatung tätig werden sowie Aufträge selbständig akquirieren. Das Aufgabengebiet des Klägers umfasste nach Ziffer 1) des Rahmenvertrages die selbständige Abwicklung bestimmter, jeweils näher zu bezeichnender Projekte bei Kunden der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2). Er war im Zeitraum vom 02.01.2014 bis 31.12.2014 und vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 für die jeweilige Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2), der P. GmbH & Co. KG (2014), der P. AG (01.01.2016 bis 30.06.2016) bzw. der E. GmbH (01.07.2016 bis 31.12.2016), als Systemprogrammierer tätig. Im Jahr 2014 umfasste die Tätigkeit des Klägers zu 1) laut Auftrag vom 16.12.2013 Unterstützung und Betrieb der SAS-Systemlandschaft bei dem Endkunden F. in D. (2nd Level Support, Systembetreuung/-programmierung im Umfeld AIX,z/OS und Windows Server). Im Jahr 2016 umfasste die Tätigkeit Beratung und Systemprogrammierung bei der Endkundin A. AG im Projekt Incident Management, Automation und Versionswechsel auf SAS 9.4.
Im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 war der Kläger zu 1) für die Klägerin zu 2) gemäß Auftragsschein vom 18.12.2015 (Bl. 60 Band I der Verwaltungsakten der Beklagten) in dem Projekt „Unterstützung und Betrieb der SAS-Systemlandschaft“ bei der B. AG in O. (nachfolgend: T.) tätig.
Mit Schreiben vom 19.07.2018, eingegangen bei der Beklagten am 23.07.2018, stellte der Kläger zu 1) einen Antrag auf Beitragszahlungen für eine freiwillige Versicherung/Statusfeststellungsverfahren. Er sei als Selbständiger unter Umständen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er sei freiberuflich tätig und nicht in die betrieblichen Abläufe seiner Auftraggeber integriert. Art, Ort, Zeit und Weise der Tätigkeit seien im Rahmen von Projektarbeiten grundsätzlich frei wählbar. Lediglich der gesamte Zeitrahmen des Auftrags und das Ziel der Auftragsleistung sei mit den Auftraggebern vertraglich vereinbart. Es sei lediglich die Versicherungspflicht nach § 2 SGB VI zu prüfen.
In dem seinem Antrag beigefügten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung machte der Kläger zu 1) folgende Ausführungen zu der von ihm ausgeübten Tätigkeit:
„Schreiben und Anpassen der jeweiligen Systemprogramme. Es erfolgt keine Eingliederung in den Betrieb, da ich mir die Zeit frei einteilen kann. Es wird lediglich ein Auftragsziel vereinbart. Weiterhin wird mir von meinen Auftraggebern freigestellt wo und wie ich meine Aufträge bearbeite. Ich bin durch die Auftraggeber nicht sozial abgesichert oder in den Betrieb eingegliedert. Der Auftraggeber erhält zur Budgetprüfung monatlich Berichte über den Stand der Auftragsbearbeitung. Bei meiner Auftragsausführung wird ein zeitlicher Rahmen vereinbart, an den ich gebunden bin. Es werden keine Vorgaben gemacht (Frage nach Umfang der regelmäßigen Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten, Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit). Es werden keine Einschränkungen gemacht. Hinsichtlich des Tätigkeitsortes gibt es keine Vorgaben. Zur Durchführung meiner Projektarbeiten teile ich mir die Anwesenheitszeiten im Betrieb frei ein. Abstimmen muss ich mich lediglich bei den Zeiten in denen die Büros überhaupt für Personen zugänglich sind (Frage nach Ort der Tätigkeit und ob vom Auftraggeber Einschränkungen hinsichtlich des Tätigkeitsortes gemacht werden).
Beigefügt war dem Antrag eine Projektliste für die Zeit 2014 bis 1. Halbjahr 2018 und weitere Unterlagen (Projekthistorie, Einkommenssteuerbescheide für 2014-2016, u.a. Auftragsscheine für den Zeitraum 02.01.2014 bis 31.12.2014 und 01.01.2016 bis 31.12.2016 sowie Vertragsunterlagen und Rechnungskopien).
Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens holte die Beklagte Auskünfte der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) ein und zog weitere Vertragsunterlagen sowie Rechnungen des Klägers zu 1) bei. Der Kläger zu 1) konkretisierte seine Tätigkeitsbeschreibung im Fragebogen vom 23.10.2018 mit Schreiben vom 14.12.2018. Seine Aufgabe sei es, Software seiner Auftraggeber zu warten, zu erweitern, zu verändern oder upzudaten, so dass die Funktionen der Software von seinen Auftraggebern bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Zu seinen detaillierten Aufgaben gehörten
- Systembetreuung der SAS-Installationen für diverse Versicherungsgesellschaften unter den Betriebssystemen AIX, zOS und Windows Server 2008.
- Lizenz- und Patchmanagement, Softwareupgrades auf aktuelle Version. First- und Second Level Support der Kundeninstallationen. Third Level Support mit der Software, Support des Herstellers in den USA
- Automation der SAS-Systemlandschaft: Skriptgesteuerte Installation. Automatisierung des täglichen Housekeepings durch Universalskripte, die auch zur individuellen Steuerung genutzt werden sollen.
Die Leistung werde beim Auftraggeber oder beim Endkunden erbracht, aber auf den Systemen des Endkunden. Eine Einweisung erfolge durch die Systemspezialisten des Endkunden. Arbeitszeiten seien nicht vorgegeben. Einzige Ausnahme seien vorgegebenen Wartungsfenster (z.B. für Arbeiten in der Produktion), ansonsten werde er für eine bestimmte Stundenanzahl gebucht und rechne nach aufgewendeten Stunden ab. Sofern er das Ziel nicht mit den gebuchten Stunden erfüllen könne, buche der Auftraggeber ggf. weitere Arbeitsstunden. Die maximale Anzahl der Stunden sei einzelvertraglich im jeweiligen Auftragsschein festgelegt. Ruf- und Bereitschaftsdienste seien nicht vertraglich vereinbart. Es gebe keine Verpflichtung, Zeiten zu melden. Die Frage der Verhinderung sei nicht explizit geregelt. Es stehe ihm frei, Subunternehmer zu beauftragen. Es bestehe keine Verpflichtung, Berichte zu erstellen. Es gebe in der Regel keine Anwesenheitspflicht bei Besprechungen. Nur in Ausnahmefällen werde er zu einer Besprechung/Abstimmung gebeten, z.B. nach einer größeren Störung oder einem Systemausfall. Da er nicht Teil der Betriebe zw. Auftraggeber sei, werde er lediglich zu projektbezogenen Fragen hinzugezogen. Betriebsinterne Angelegenheiten würden aus Datenschutzgründen nicht mitgeteilt. Gelegentlich könne nur ein interner Mitarbeiter Fragen zu internen Abläufen beantworten oder „Prozesse“ initiieren bzw. Entscheidungen herbeiführen. Er sei nicht weisungsbefugt. Die Mitarbeiter würden von ihm nur zu informatorischen Fragen hinzugezogen. Die Firmen würden nicht über festangestellte Mitarbeiter mit gleichgelagerten Tätigkeiten verfügen, genau deshalb werde er als externe Kraft eingesetzt. Er benötige eigene Computer und eigene Software. Als Systemprogrammierer benötige er sehr hohe (spezielle), administrative Privilegien auf den betroffenen Systemen/Servern. Diese würden ihm mit seiner User ID nur durch einen Kunden-Laptop im Kundennetzwerk bzw. mit mobilem Zugang (UMTS und VPN) gewährt. Durch einen alternativen Zugang würden diese Rechte nicht gewährt. Dies sei bei Finanzdienstleistern durchaus üblich. Er setze auch eigenes Kapital ein. Er müsse sein Know How immer aktuell halten bzw. kurzfristig erweitern. Dazu sei es unumgänglich, Schulungen aber auch Fachkonferenzen, regelmäßig zu besuchen. Weitere Werbekosten, Kosten für die Buchführung, Fortbildungskosten und die genannten Arbeitsmittel seien bei der Kapitalverwendung zu berücksichtigen. Er habe keine eigenen Mitarbeiter oder Subunternehmer. Die Ausführung erfolge nur durch ihn. Er mache eigene Werbung. Er sei bei bekannten Freiberuflerbörsen wie GULP oder XING präsent. Außerdem sei er bei mehreren IT-Dienstleistern mit seinem Profil registriert. Als Freiberufler hafte er mit allem, was er habe, weil einige Risiken gar nicht zu versichern seien. Er habe auch keine anderen Auftraggeber. Er sei an langfristigen Aufträgen interessiert. Die Einarbeitung sei sehr komplex und könne mehrere Wochen dauern. Zudem seien solche Aufträge meistens so komplex, dass sie nicht selten 6, 12 oder auch 18 Monate in Anspruch nähmen.
Den ihr übersandten Fragebogen für Auftraggeber zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status und die von der Beklagten formulierten Fragen beantwortete die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) unter dem 07.01.2019 und fügte Vertragsunterlagen und Rechnungskopien bei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das o.g. Schreiben des Klägers zu 1) (Bl. 225 Band I der Verwaltungsakten der Beklagten) und den o.g. Fragebogen vom 07.01.2019 (Bl. 146 Band I der Verwaltungsakten der Beklagten) Bezug genommen.
Mit mehreren Anhörungsschreiben vom 09.01.2019 (vgl. Bl. 129 ff. Band I der Verwaltungsakten der Beklagten) teilte die Beklagte dem Kläger zu 1) und der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) mit, dass sie beabsichtige, für die Tätigkeit des Klägers zu 1) im Bereich Softwareprogrammierung bei der P. GmbH & Co.KG vom 02.01.2014 bis 31.12.2014 und bei der P. AG vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen und die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Die Beklagte benannte folgende Merkmale, die aus ihrer Sicht für eine abhängige Beschäftigung sprächen:
- Der Kläger zu 1) erbringen die Dienstleistung höchstpersönlich
- Das fachliche Entscheidungsrecht liege bei der Klägerin zu 2).
- Es bestehe ein geringes unternehmerisches Risiko.
- Es erfolge ein geringer Kapitaleinsatz.
- Die Vergütung sei nicht mit einem Verlustrisiko belastet, wie es für eine selbständige Tätigkeit üblich sei, da die Arbeitsleistung und nicht ein irgendwie gearteter Leistungserfolg geschuldet werde.
- Es bestehe lediglich das Risiko, dass bei Nichtausführung der Arbeit keine Vergütung erfolge und eine Garantie für eine erneue Auftragsvergabe nicht existiere. Dieses Risiko hätten jedoch auch unstetig Beschäftigte.
- Eigenständiges Arbeitend löse keinesfalls das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit aus.
- Der Auftraggeber verpflichte sich zu Leistungen gegenüber seinen Kunden. Dabei erbringe der Auftraggeber die Leistungen durch eigene Mitarbeiter oder beauftragte Dritte.
- Der Kläger zu 1) sei nicht frei den Ort der Tätigkeit zu bestimmen. Das Erfordernis, die Tätigkeit bei den Kunden vor Ort durchzuführen, ergebe sich aus der vertraglichen Vereinbarung des Auftraggebers mit dem Kunden – Auftragsbestätigung/Vergütungsvereinbarung. Teilweise sei der Kläger zu 1) im eigenen Büro tätig
- Der Kläger zu 1) habe den Auftraggeber bzw. den Kunden regelmäßig über den Stand seiner Leistung zu informieren und die gesamte Auftragsphase zu begleiten.
Als Merkmal für eine selbständige Tätigkeit spräche,
- dass der Kläger zu 1) Aufträge ablehnen könne.
Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
Im Rahmen der Anhörung äußerte sich der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 31.01.2019 (Bl. 435 Band II der Verwaltungsakten der Beklagten). Er erläuterte, dass er gerade kein Softwareprogrammierer, sondern Systemprogrammierer sei. Er habe selbst den Versuch unternommen, geeignete Systemprogrammierer zu finden, um sie für einen Auftrag einzusetzen. Es stünden jedoch keine Fachkräfte zur Verfügung. Er trage das unternehmerische Risiko. Zum einen gebe es keine Abnahmegarantie für ihn, ein Auftrag könne jederzeit beendet werden. Zum anderen würden Ausfallzeiten für Akquise, Bewerbung, Vorstellung und tatsächlichem Projektstart zum Umsatzausfall. Laufende nicht unerhebliche Kosten seien der Firmen-PKW in Spitzenzeiten mit über 50.000 km Laufleistung pro Jahr oder die monatlichen Hotelkosten. Er müsse für jeden Kunden einen neuen Laptop im Wert von ca. 2000,- € anschaffen, um auszuschließen, dass irgendetwas von einem zum anderen Kunden gelange. Kosten für Weiterbildung durch Kurse oder Fachkonferenzen seien unumgänglich, diese trage er selbst. Zur Altersabsicherung zahle er in eine private Rentenversicherung ein. Das Verlustrisiko werde nur durch ihn getragen. Er müsse auch unverschuldete Fehler einplanen und Fallback-Maßnahmen vorbereiten und erproben. Die Systemverfügbarkeit dürfe nicht eingeschränkt werden. Er werde in Regress genommen, wenn z.B. Softwarelizenzen ablaufen würden und die Software nicht mehr genutzt werden könne. Er mache Werbung in eigener Sache und das fachliche Entscheidungsrecht liege bei ihm. Es seien keine Weisungen durch seine Auftraggeber erfüllt worden.
Im Schreiben vom 25.02.2019 vertrat die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) die Ansicht, dass sich die Tätigkeit des Klägers zu 1) für sie nicht als abhängige Beschäftigung erweise. Tatsächlich erschöpfe sich die Zusammenarbeit des Klägers zu 1) mit ihr darin, dass sie Aufträge, welche sie von Endkunden erhalte, an ihn weitergebe. Es lasse sich keine Eingliederung des Klägers zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 2) und keine Weisungsabhängigkeit feststellen. Eine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin zu 2) habe nicht stattgefunden. Im Rahmen des Einsatzes bei den Endkunden sei seine Aufgabe gewesen, im Umfeld der SAS Projekte und der SAS Software Beratungs- und Unterstützungsleistungen zu erbringen. Dabei habe es keinerlei Vorgaben gegeben, wie die Umsetzung der Projektaufgaben zu erfolgen habe. Dies sei gerade die von dem Kläger zu 1) geforderte Leistung gewesen. Hierfür seien auch keinerlei sonstige Prozesse von der Klägerin zu 2) oder den Endkunden vorgegeben worden. Insoweit habe der Kläger zu 1) weitgehend autark agiert. Hinsichtlich der Zeit der Leistungserbringung sei der Kläger zu 1) im Wesentlichen frei gewesen. Den Verträgen seien insoweit keine Einschränkungen zu entnehmen. Soweit der Tätigkeitsort zwingend dort sein müsse, wo ein Zugang zu den Systemen des Endkunden möglich ist, spreche dies nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Wenn die Leistungen im Home-Office des Klägers zu 1) realisiert werden könnten, dann sei die Erbringung ach am Wohnsitz zulässig. In der Regel sei ein System-Zugang aber nur in der Infrastruktur des Endkunden möglich. Diese oftmalige Verpflichtung zur Nutzung der IT-Infrastruktur von Endkunden beruhe allein auf Sicherheits- und Datenschutzgründen. Besprechungen basierten nicht auf einseitigen Vorgaben der Endkunden oder der Klägerin zu 2), sondern auf Vereinbarungen unter Berücksichtigung der Pläne des Klägers zu 1). In fachlicher Hinsicht habe kein Weisungsrecht bestehen können, da die vereinbarte Leistung auf den Spezialkenntnissen des Klägers zu 1) beruht habe. Für die durch umfangreiche Spezialkenntnisse bedingte Unabhängigkeit des Klägers zu 1) spreche auch der relativ hohe Stundensatz von 84,00 € netto. Liege das vereinbarte Honorar wie hier deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lasse es dadurch Eigenvorsorge zu, sei dies ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit.
Eine faktische, durch die Arbeitsabläufe im Projekt entstehende Abhängigkeit habe nicht vorgelegen. Der Kläger zu 1) habe auch ein Unternehmerrisiko getragen, indem er Fortbildungsveranstaltungen absolviert und bezahlt und auch eine eigene IT-Infrastruktur vorgehhalten habe. Das äußerst schnelllebige Programmierwesen verlange von einem Softwareprogrammierer stete Weiterbildung und Marktbeobachtungen, um Schritt halten zu können. Dies sei nur durch erheblichen Schulungsaufwand und die kostenintensive Nutzung von Fachmedien möglich. Wenn der Kläger zu 1) den fachlichen Anschluss verliere, breche sein Geschäftsmodell zusammen. Der Kläger zu 1) müsse also in die eigene Fortbildung einschließlich Zertifizierung investieren. Von der Akquise der Aufträge hänge es ab, ob sich diese Investitionen amortisierten.
Es habe auch ein Verlustrisiko bestanden. Der Kläger zu 1) habe nur für geleistete Arbeit Geld (und keine Lohnfortzahlung im Urlaubs- oder Krankheitsfall) erhalten. Zwar seien solche Vertragsgestaltungen als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit wollten. Das Gewollte sei aber bei der Bewertung zu Grunde zu legen. Zudem habe ein Haftungsrisiko bestanden, er unterliege auch einer Gewährleistung.
Die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung. Denn wenn es sich um eine laufende Beratung handele, sei ein erfolgsabhängiges Entgelt (anders als bei der Erstellung eines materiellen Produkts) aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten.
Ihm sei vertraglich die Befugnis eingeräumt worden, sich zur Erfüllung seiner Aufgaben anderer Personen zu bedienen. Dass es hierzu nicht gekommen sei, spreche nicht gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
Mit an den Kläger zu 1) und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2), die P. AG, gerichteten Bescheiden vom 16.04.2019 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) im Zeitraum vom 02.01.2014 bis 31.12.2014 und vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Es habe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Die Versicherungspflicht beginne am 02.01.2014. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie im Wesentlichen Ihr Vorbringen aus dem Anhörungsschreiben. Die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis würden überwiegen. Die im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Gründe seien bei der Entscheidung zum Status berücksichtigt worden. Sie würden jedoch nicht zu einer anderen Entscheidung führen.
Gegen die Bescheide vom 16.04.2019 erhoben der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 09.05.2019 und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) mit Schreiben vom 16.05.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholten und vertieften sie im Wesentlichen ihr jeweiliges Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Der Kläger zu 1) wies ausdrücklich darauf hin, dass er als Systemprogrammierer und nicht als Softwareprogrammierer tätig sei. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) trug ebenfalls ergänzend vor, dass es sich um eine Tätigkeit als Systemprogrammierer gehandelt habe. Der Unterschied bestehe darin, dass ein Systemprogrammierer Systemprogramme bzw. Systemsoftware entwickele, erweitere oder konfiguriere. Demgegenüber erstelle ein Softwareprogrammierer Computerprogramme. Dies sei ein Teilbereich der Softwareentwicklung und umfasse vor allem die Implementierung von Softwareentwürfen in den Quellcode einer Programmiersprache. Die Tätigkeit des Klägers zu 1) habe jedoch darin bestanden, vorhandene Software bedarfsgerecht zu warten, zu erweitern, zu verändern oder zu aktualisieren. Seine Tätigkeit im Rahmen der Beauftragung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) habe jeweils Beratungs- und Dienstleistungen im Bereich der Systemprogrammierung umfasst. Die getroffene Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beruhe folglich auf einer fehlerhaften Sachverhaltsannahme und einem unzutreffenden Berufsbild.
Die Widersprüche wies die Beklagte mit zwei an den Kläger zu 1) und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) adressierten Widerspruchsbescheiden vom 27.11.2019 zurück. Aufgrund der abhängigen Beschäftigung des Klägers zu 1) bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) im Zeitraum 02.01.2014 bis 31.12.2014 und vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 sei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung eingetreten. Vertragsgemäß habe die beurteilte Tätigkeit am 31.12.2016 geendet. Der Kläger zu 1) habe die verschiedenen Arbeitsleistungen im Bereich der Softwareprogrammierung für die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) zu erbringen gehabt. Die Aufgabenstellung habe es erfordert, dass er sich ständig habe zur Verfügung halten müssen. Aus den Projektabläufen hätten sich die konkreten Arbeitsorte, -zeiten und –inhalte ergeben. Der Kläger zu 1) sei höchstpersönlich tätig gewesen. Änderungen bzw. Präzisierungen hinsichtlich der geschuldeten Arbeitsleistung seien durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) fortlaufend möglich gewesen. Zur weiteren Begründung führte die Beklagte vertiefend aus, dass es unerheblich sei, dass der finanzielle Erfolg von der beruflichen Tüchtigkeit des Klägers zu 1) abhänge. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um so ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance des Unternehmers. Diese Chance hätten unter bestimmten Umständen auch viele Beschäftigte. Kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit liege vor, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch – wie vorliegend – eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge. Im Übrigen sichere es nicht den Status der selbständigen Tätigkeit, wenn zur Vergütung der geleisteten Arbeiten die Rechnungsstellung erforderlich sei. Dies sei lediglich Folge der rechtsfehlerhaften eigenen Einstufung als selbständige Tätigkeit.
Hiergegen haben der Kläger zu 1) am 17.12.2019 (gerichtliches Aktenzeichen ursprünglich S 7 BA 131/19, nunmehr S 21 BA 131/19) und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) am 30.12.2019 Klage erhoben (gerichtliches Aktenzeichen S 6 BA 1/20). Mit Beschluss vom 23.03.2021 sind die beiden Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) wiederholen und vertiefen zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) beantragen,
den Bescheid vom 16.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2019 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) im Zeitraum vom 02.11.2014 bis 31.12.2014 und vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf Ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) ist zulässig, § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG und begründet.
Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) sind durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 16.04.2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.11.2019 beschwert im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) in ihren Rechten. Zu Unrecht hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Klägerin zu 2) stand und diesbezüglich der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.
Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Statusfeststellungsentscheidung der Beklagten ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der bis zum 31.03.2022 gültigen Fassung vom 29.03.2017. Hiernach können die Beteiligten eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt, § 7a Abs. 2 SGB IV. In der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sind versicherungspflichtig gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 20/18 R – Rn. 12, zitiert nach juris).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 – Rn. 20, zitiert nach juris). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 24.01 2007 – B 12 KR 31/06 R – Rn. 17, zitiert nach juris, BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – Rn. 16, zitiert nach juris).
Insoweit führte das BSG in seinen Entscheidungen vom 04.06.2019 (- B 12 R 12/18 R – Rn. 19 f; - B 12 KR 14/18 R – Rn. 24 f; - B 12 R 22/18 R –Rn. 17 f., jeweils zitiert nach juris) aus, dass die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder erfolgt. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts.
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger zu 1) im Rahmen der von ihm durchgeführten Aufgaben im Bereich der Systemprogrammierung für die Endkunden der Klägerin zu 2) in den Zeiträumen vom 02.01.2014 bis 31.12.2014 und 01.01.2016 bis 31.12.2016 selbständig tätig. Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung ist der zwischen dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) geschlossene Rahmenvertrag, die jeweiligen Auftragsscheine, die vorgelegten Rechnungen sowie die Angaben des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie im Klageverfahren.
Bei vertraglichen Beziehungen, denen ein Vertrag zugrunde liegt, der die allgemeine Grundlage für die Abwicklung einzelner Aufträge enthält, ist jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftrags während dessen Durchführung bestehen (BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – Rn. 19, zitiert nach juris; Urteile vom 04.06.2019, a.a.O.).
Im Hinblick auf die Gewichtung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte sind die Besonderheiten der vorliegenden Tätigkeit des Klägers zu 1) als Systemprogrammierer für die Endkunden der Klägerin zu 2) zu berücksichtigen. Der Kläger zu 1) war hinsichtlich der Durchführung der von ihm zu erbringenden Leistungen nach Ziffer 3 des Rahmenvertrages grundsätzlich in der Einteilung seiner Arbeitszeit frei und gegenüber der Geschäftsführung der Klägerin zu 2) nicht weisungsgebunden. Bei Annahme eines Auftrages hatte er sich zwar an die üblichen Betriebszeiten der Endkunden der Klägerin zu 2) zu halten. Aus Sicht der Kammer schränkt dies die freie Einteilung der Arbeitszeit jedoch nicht soweit ein, dass dies für eine abhängige Beschäftigung sprechen würde. Denn der Kläger zu 1) musste sich nicht bei dem Endkunden der Klägerin zu 2) an- oder abmelden. Er musste nur klären, in welchem Zeitraum er Zutritt zu dem jeweiligen Gebäude hatte. Es gab keine Zeiterfassung. Er hatte keinen Chip oder eine Karte, mit der der Kläger zu 1) seine Zeit hätte erfassen müssen. Er hat selbst Aufzeichnungen darüber getätigt, wie viele Stunden er brauchte und diese dann der Klägerin zu 2) in Rechnung gestellt. Dies spricht aus Sicht der Kammer für eine selbständige Tätigkeit.
Aus dem Auftragsschein vom 18.12.2015 für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 bei dem Endkunden B. AG (T.) und dem Auftragsschein vom 16.12.2013 für die Zeit vom 02.01.2014 bis zum 31.12.2014 bei dem Endkunden F. ergibt sich, dass der Kläger zu 1) die Tätigkeiten situationsgerecht in den Räumen des Endkunden oder der Klägerin zu 2) in Gütersloh durchzuführen hatte. Ähnliches ergibt sich aus dem Auftragsschein Aus Sicht der Kammer führt dies nicht zu einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich des Arbeitsortes, die für eine abhängige Beschäftigung spricht. Denn der Kläger zu 1) hat, für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass der Zugriff auf die Systeme bei den Endkunden zumeist sehr stark beschränkt bzw. geschützt war. Teilweise musste der Kläger für seine Tätigkeit bestimmte Bildschirme und Tastaturen in bestimmten Räumen nutzen, so dass der physische Zugriff auf das System sehr stark beschränkt war. Die Beschränkung auf den Betrieb der Endkunden liegt damit aus Sicht der Kammer in der Natur der Systemprogrammierung. In kreativen Phasen seiner Tätigkeit, in denen er sich Lösungswege für bestimmte auftretende Probleme überlegen musste, konnte der Kläger zu 1) diese auch im Homeoffice oder im Hotel durchführen.
Die von ihm geschuldete Tätigkeit als Systemprogrammierer hat der Kläger zu 1) aus Sicht der Kammer frei und eigenverantwortlich durchgeführt, Weisungen war er nicht unterworfen. Entsprechendes ist in Ziffer 3 des Rahmenvertrages ausdrücklich geregelt. Dem Kläger zu 1) wurden zur Überzeugung der Kammer auch seitens der Klägerin zu 2) keine Weisungen erteilt, wie er seine Aufgaben zu erledigen habe. Dass er im Rahmen der durchzuführenden Projekte Berichte über den Fortschritt des Projektes erstellt hat, steht der Weisungsfreiheit nicht entgegen. Aus Sicht der Kammer spricht die Erstellung von Berichten weder für noch gegen eine abhängige Beschäftigung, sondern ist durch die Natur der Projektarbeit bedingt.
Zwar steht die Weisungsfreiheit einer Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers nicht grundsätzlich entgegen. In den o.g. Urteilen vom 04.06.2019 hat das BSG klargestellt, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb weder in einem Rangverhältnis zueinander stehen noch stets kumulativ vorliegen müssen. Eine Eingliederung gehe auch nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht des Krankenhauses einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung, jedoch keine abschließenden Bewertungskriterien. Der Senat habe bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Chefärzten ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art, wobei man heute von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen würde, aufs stärkste eingeschränkt sein könne. Dennoch könne die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhalte, in deren Dienst die Arbeit verrichtet werde. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinere sich in solchen Fällen zur "funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess". Dieses vom Senat entwickelte Kriterium der Weisungsgebundenheit habe der Gesetzgeber wie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen (BSG vom 04.06.2019, - B 12 R 20/18 – Rn. 25; - B 12 R 12/18 R - Rn. 29; B 12 KR 14/18 R – Rn. 34; B 12 R 22/18 R – Rn. 30 jeweils zitiert nach juris).
Ausgehend hiervon ist die Kammer der Ansicht, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) nicht durch die Ordnung des Betriebes der Klägerin zu 2) geprägt war und er im Rahmen der von ihm durchgeführten Tätigkeiten der Systemprogrammierung in den Räumen der Endkunden eingegliedert war. Dies wertet die Kammer als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.
Für die Durchführung der Tätigkeit des Klägers zu 1) war auch keine enge Zusammenarbeit und/oder Abstimmung mit anderen Mitarbeitern der Klägerin zu 2) erforderlich. Dass er bei den jeweiligen Endkunden von deren Systemspezialisten zu Beginn mit dem System vertraut gemacht bzw. eingewiesen wurde, steht dem nicht entgegen. Auch dies ist der Natur der Systemprogrammierung geschuldet. Der Kläger zu 1) führte Arbeiten an ihm zunächst fremden Systemen durch. Dass er hierfür anfangs Informationen von entsprechend versierten Mitarbeitern der Endkunden benötigte und nach eigenen Angaben notwendigenfalls auch fehlende Informationen aktiv nachfragte, ist nicht als Indiz für eine abhängige Beschäftigung zu werten. Vielmehr hat der Kläger die ihm obliegende Aufgabe als hochspezialisierter Systemprogrammierer weitgehend autark erledigt, ohne hierfür mit Mitarbeitern der Klägerin zu 2) zusammen zu arbeiten. Er hat Mitarbeitern der Klägerin zu 2) oder auch der Endkunden keine Weisungen erteilt. Ein „Hand-in-Hand-Arbeiten“, welches aus Sicht der Kammer eher für eine abhängige Beschäftigung sprechen würde, liegt damit gerade nicht vor.
Der Kläger zu 1) trug im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2) auch ein nennenswertes, das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägendes Unternehmerrisiko, welches im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R -). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R –Rn. 36, zitiert nach juris). Vorliegend trug der Kläger zu 1) ein relevantes Verlustrisiko. Seine Tätigkeit erforderte Betriebsmittel in Form von Laptops, die er für jeden Endkunden erworben hat, bei dem die Tätigkeit nicht zwingend mit Geräten der Endkunden durchzuführen war. Er hat seine Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt, welches in der möglichen Nicht-Abnahme durch die Klägerin zu 2) bzw. deren Endkunden begründet war. Er trug auch ein beträchtliches Haftungsrisiko, welches er, da manche Risiken der Systemprogrammierung nach den glaubhaften Angaben des Klägers zu 1) nicht versicherbar waren, nicht durch eine entsprechende Versicherung absichern konnte. Zudem trug er die Kosten für notwendige Schulungen und Fachkonferenzen selbst, ebenso wie seine Fahrt- und Übernachtungskosten.
Das Risiko, nicht oder nicht wie gewünscht arbeiten zu können, stellt hingegen kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist. Es muss deshalb ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom L 4 BA 3646/18, Rn. 87, zitiert nach juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009 – L 16 R 5/08 – Rn. 38, zitiert nach juris). Dies trifft auf den Kläger zu 1) zumindest im Hinblick auf den vorgehaltenen Firmenwagen, die im Einzelnen in Gestalt von Laptops benötigte Hardware, kunden- und projektbezogene Schulungen und die Anschaffung und Kosten für Werbung in Form der Vergabe von Werbeartikeln wie z.B. Feuerzeuge und Taschen, zu.
Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit ist (BSG, Urteil vom 27.03.1980 – 12 RK 26/79 –Rn. 23, zitiert nach juris). Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 R 3/12 R - Rn. 25, zitiert nach juris). Eine solche betriebsmittelarme Tätigkeit kann die Kammer hier jedoch nicht erkennen.
Soweit für den Kläger zu 1) die Möglichkeit bestand, auch Mitarbeiter zur Durchführung der Tätigkeiten einzusetzen, wertet die Kammer dies als Anhaltspunkt für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, da Beschäftigte ihre Arbeitsverpflichtung üblicherweise höchstpersönlich zu erbringen haben. Dass der Kläger zu 1) tatsächlich von dieser Möglichkeit keinen Gebraucht gemacht hat, weil er nach eigenen Angaben entsprechend hochqualifizierte Mitarbeiter nicht finden konnte, steht dem nicht entgegen.
Für eine selbständige Tätigkeit kann zudem der im Rahmenvertrag zum Ausdruck kommende Wille des Klägers zu 1) und des Klägerin zu 2) sprechen, keine abhängige Beschäftigung begründen zu wollen. Auf eine entsprechende vertragliche Abrede kommt es jedoch nur dann entscheidend an, wenn die tatsächlichen Umstände in etwa gleichermaßen für eine Selbstständigkeit oder für eine Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 14.03.2018 – B 12 R 3/17 R – Rn. 13, zitiert nach juris).
Weiter spricht für eine selbständige Tätigkeit, dass der Kläger zu 1) nicht als Mitarbeiter der Klägerin zu 2) auftrat und er nicht an regelmäßigen (Team-) Besprechungen, weder bei der Klägerin zu 2), noch bei deren Endkunden, teilnehmen musste. Dass in Ausnahmesituationen gleichwohl die Teilnahme an Besprechungen durch den Kläger zu 1) erforderlich war, steht dem nicht entgegen. Dies spricht weder für noch gegen eine selbständige Tätigkeit.
Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, wertet die Kammer als Indiz für eine selbständige Tätigkeit.
Die Höhe der Vergütung (84,- € zuzüglich Mehrwertsteuer pro Stunde) spricht aus Sicht der Kammer eher für eine selbständige Tätigkeit. Mit einem Stundensatz in dieser Höhe war er in der Lage, sich ausreichend sozial abzusichern. Zudem hat der Kläger für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er die Höhe des Stundensatzes selbst bestimmt und hierbei berücksichtigt hat, welche Kosten er für die Durchführung des Projektes, beispielsweise für Hotel- und Fahrtkosten, Weiterbildungskosten veranschlagen musste.
Dass der Kläger zu 1) bis zum Jahr 2004 abhängig bei der zum Konzern der Klägerin zu 2) gehörenden Firma X. beschäftigt war, steht der Annahme einer selbständigen Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht entgegen. Zwischen dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma X. und dem Abschluss des Rahmenvertrages im Jahr 2012 lag ein mehrjähriger Zeitraum. Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Kammer fernliegend, dass das Beschäftigungsverhältnis aufgelöst und in eine selbständige Tätigkeit geändert wurde.
Relevante Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor.
Nach Abwägung aller Merkmale erfüllt die Tätigkeit des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) nicht die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Beschäftigung gemäß § 7 SGB IV. Hierfür ist insbesondere, wie dargelegt, die fehlende Einbindung des Klägers zu 1) in die Arbeitsabläufe und die Organisationsstruktur der Klägerin zu 2) maßgeblich, hinzu kommen die weiteren, für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Aspekte. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand damit nicht. Die Frage, ob ggfs. Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI besteht, ist nicht streitgegenständlich und bleibt hiervon unberührt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Sie sind auch nicht mit Kosten zu belasten, da sie keine Anträge gestellt haben. Der Kläger zu 1) ist Versicherter im Sinne von § 183 Satz 1 SGG und damit kostenprivilegiert. Denn es ist sein Status als Versicherter, der streitig ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.10.2006, - B 10 LW 5/05 R -; LSG NRW, Beschluss vom 30.04.2008, - L 16 B 5/07 R -; LSG NRW, Beschluss vom 24.03.2011, - L 8 R 1107/10 B -). Die für den Kläger zu 1) bestehende Gerichtskostenfreiheit erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf die grundsätzlich gerichtskostenpflichtige Klägerin zu 2), so dass das Verfahren insgesamt gerichtskostenfrei ist. Damit erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwertes. Denn die Festsetzung eines Streitwertes erfolgt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) nur dann, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.