Die Beklagte wird verurteilt, 24.127,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2013 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten.
Die am 00.00.1970 geborene und bei der Beklagten versicherte Frau L. (im Folgenden: Versicherte) war obdachlos, drogen- sowie alkoholabhängig und stand unter gesetzlicher Betreuung. Sie wurde vom Gesundheitsamt Hamburg wegen einer ausgedehnten offenen beidseitigen Lungentuberkulose am 01.11.2012 in die Lungenfachklinik T. eingewiesen. Dort erfolgte die Einleitung einer antituberkulösen Therapie. Die Versicherte verließ jedoch am 03.12.2012 im alkoholisierten Zustand gegen den ärztlichen Rat das Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch hochgradig ansteckend. Am 21.12.2012 wurde die Versicherte nach Fahndung über das Gesundheitsamt Hamburg in das Klinikum O. zwangseingewiesen. Die Versicherte gab an, die Therapie nicht weiter durchgeführt zu haben. Sie wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 21.12.2012 bis längstens zum 30.06.2013 im Krankenhaus der Klägerin zwangsweise untergebracht, damit die Tuberkulose weiter behandelt werden konnte. Der Beschluss erfolgte auf Grundlage von §§ 1, 2, 6, 28 Abs. 1, 30 Abs. 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. §§ 415 ff. Familienverfahrensgesetz (FamFG). Das Amtsgericht Hamburg nahm unter anderem Bezug auf eine Stellungnahme der Ärztin des Gesundheitsamtes der Stadt Hamburg, Frau A., vom 04.12.2012. Darin führte die Ärztin aus, dass die Fortführung der Behandlung noch sechs bis neun Monate erforderlich sei. Unter Berücksichtigung der Alkoholerkrankung und des Verhaltens der Versicherten sei eine zuverlässige Durchführung der Therapie nicht zu erwarten. Eine unterbrochene oder inkonsequente Therapie stelle jedoch neben der Infektionsgefahr auch ein Risiko für die Herausbildung von resistenten Erregern dar, deren Verbreitung in der Bevölkerung als großes Gefahrenpotential angesehen werde. Die Versicherte besitze keine Krankheitseinsicht und keine Einsicht in die Gefahr, die durch ihr Verhalten für sie selbst und für andere ausgehe. Deswegen sei eine Zwangsabsonderung nach § 30 IfSG unumgänglich. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde angeordnet.
Mit Beschluss vom 26.06.2013 verlängerte das Amtsgericht Paderborn die zwangsweise Unterbringung der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin bis zum 15.08.2013. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Versicherte nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E., einem Oberarzt der Infektionsschutzstation des Krankenhauses der Klägerin, an einer inzwischen nicht mehr infektiösen Lungentuberkulose leide. Allerdings sei die Erkrankung zu Beginn recht ausgedehnt gewesen und bedürfe deswegen bis zum Behandlungsabschluss und einer sicheren Ausheilung eine Behandlungszeit bis zum 15.08.2013. Darüber hinaus bestehe bei der Versicherten ausweislich der ärztlichen Stellungnahme des Sachverständigen Q., die im Rahmen des Betreuungsverfahrens eingeholt wurde, eine Alkoholabhängigkeit und Polytoxikomanie sowie eine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung infolge von Drogen- und Alkoholkonsum. Nach den Ausführungen beider Sachverständigen bestehe die dringende Befürchtung eines Alkoholrückfalls im Zeitpunkt der Entlassung. Da jedoch auch die Tuberkulosemedikamente lebertoxisch wirkten, würde die Kombination mit Alkohol zu einer Behandlungsunterbrechung oder gar einem Behandlungsabbruch führen, so dass der zu erwartende Behandlungserfolg gefährdet wäre oder vernichtet würde und außerdem möglicherweise eine folgenschwere Resistenzbildung der Erreger mit sich bringen könnte. Das Amtsgericht Paderborn ordnete ebenfalls die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses an.
Unter Zugrundelegung der DRG E76A (Tuberkulose, mehr als 14 Behandlungstage) stellte die Klägerin der Beklagten am 22.08.2013 für die stationäre Behandlung der Versicherten vom 21.12.2012 bis 15.08.2013 Kosten in Höhe von 35.116,82 EUR in Rechnung.
Die Tuberkulose heilte während der stationären Behandlung vollständig aus.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit einer Überprüfung des Behandlungsfalles. Dieser gelangte durch Dr. U. in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 13.01.2015 zum Ergebnis, dass die stationäre Behandlung nur bis zum 15.03.2013 medizinisch begründet gewesen sei. Danach sei die weitere Behandlung in einer geeigneten Einrichtung zur Sicherstellung der adäquaten Tuberkulosebehandlung sicherlich weiter erforderlich gewesen, die besonderen Mittel eines Krankenhauses seien hingegen nicht mehr notwendig gewesen.
Auf dieser Grundlage erstatte die Beklagte der Klägerin nur einen Rechnungsbetrag in Höhe von 10.989,60 EUR. Offen blieb damit ein Betrag von 24.127,22 EUR.
Am 12.04.2016 hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben, mit der sie den Differenzbetrag geltend macht. Sie meint, dass die Versicherte keine Einsicht in ihre Erkrankung und Therapie gezeigt habe. Wäre eine stationäre Behandlung nicht durchgeführt worden, wäre die Tuberkulose nicht ausgeheilt und die Versicherte weiter hochinfektiös geblieben. Aus medizinischer Sicht sei daher zum Ausschluss einer Eigen- und Fremdgefährdung eine Entlassung nicht vor dem 15.08.2013 möglich gewesen. Unter Verweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.11.2015 (B 1 KR 18/15 R) meint sie, dass die stationäre Behandlung wegen des Infektionsschutzes und damit aus individuellen medizinischen Gründen erforderlich gewesen sei.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 24.127,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die stationäre Behandlung über den 15.03.2013 hinaus nicht begründet gewesen sei. Sie beruft sich auf die Ausführungen des MDK.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten Gutachtens des Facharztes für Pneumologie Dr. Y. vom 25.01.2017. Der Sachverständige hat unter anderem ausgeführt, dass die gesamte stationäre Behandlung bis zum 15.08.2013 erforderlich gewesen sei. Wichtige Voraussetzung einer Ausheilung der diagnostizierten offenen Lungentuberkulose sei die tägliche und zuverlässige Medikamenteneinnahme über mehrere Monate. Die Versicherte sei hierzu wegen ihrer Alkoholkrankheit und fehlenden Krankheitseinsicht nicht in der Lage gewesen. Erst unter der Zwangseinweisung habe die Therapie erfolgreich durchgeführt werden können. Bei offener und ausgedehnter Lungentuberkulose habe zudem die Gefahr bestanden, eine multiresistente Lungentuberkulose zu entwickeln, zumal das Immunsystem der Versicherten im Rahmen eines ausgeprägten Alkoholabusus und Zigarettenkonsums zusätzlich geschwächt gewesen sei. Die Behandlungszeit von etwa acht Monaten im Krankenhaus der Klägerin sei medizinisch gerechtfertigt gewesen und entspreche den Empfehlungen der Fachgesellschaften.
Die Beklagte hat daraufhin ein weiteres Gutachten des MDK vom 20.07.2017 eingereicht. Darin führt der MDK-Arzt Dr. K. aus, dass das Krankenhaus der Klägerin ab März 2013 keine diagnostische oder Behandlungsmaßnahmen dokumentiert habe, die im stationären Rahmen hätten erfolgen müssen. Regelmäßige ärztliche interventionelle Maßnahmen seien ab Mitte März 2013 nicht mehr erforderlich gewesen. Die noch erforderliche regelmäßige Kontrolle des Röntgenthoraxbefundes wäre zum Beispiel durch Anbindung an eine Lungenfacharztpraxis oder durch regelmäßige Anbindung an eine Tuberkulosefürsorgestelle des Gesundheitsamtes möglich gewesen.
In einer vom Gericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 23.10.2017 hat der Sachverständige Dr. Y. ausgeführt, dass die Tuberkulosebehandlung konsequent über mehrere Monate durchgeführt werden müsse, wozu die alkohol- und drogenkranke sowie obdachlose Versicherte nicht in der Lage gewesen sei. Es sei richtig, dass ab dem 15.03.2013 keine spezifischen therapeutischen Maßnahmen mehr dokumentiert seien. Allerdings sei eine suchtkranke Tuberkulosepatientin im ambulanten Setting nicht sicher zur Medikamenteneinnahme anzuhalten. Vielmehr bestehe die Gefahr einer Eigen- und Fremdgefährdung durch Interaktionen von Sucht- und Tuberkulosemitteln einerseits und einer erneuten Aktivität der Tuberkulose mit Ansteckungsgefahr Dritter andererseits. Die Anbindung an eine Lungenfacharztpraxis oder an eine Tuberkulosefürsorgestelle eines Gesundheitsamtes setze notwendig voraus, dass sich der Patient dort regelmäßig vorstelle. Beides sei im Falle der Versicherten nicht gewährleistet gewesen. Andere Institutionen stünden für eine kontrollierte Therapie nicht zur Verfügung.
Die Beklagte hat unter Verweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 21.10.2014 (L 1 KR 39/11) und ein Urteil des BSG vom 17.11.2015 (B 1 KR 20/15 R) eingewendet, dass ab dem 15.03.2013 keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mehr anzunehmen sei. Ein Unterbringungsbeschluss begründe keinen Anspruch auf eine vollstationäre Krankenhausbehandlung. Ob einem Versicherten (voll-)stationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren sei, richte sich allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ermögliche es der Gesundheitszustand des Versicherten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, bestehe kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre es nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Für derartige Risiken hätten die Krankenkassen nicht einzustehen. Sie hätten auch keine Möglichkeit, strukturelle Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu beheben, etwa eine Unterversorgung bei den Betreuungseinrichtungen für psychisch schwer kranke Patienten. Sie trügen dafür weder Verantwortung noch dürften sie hierfür Geldmittel verwenden. Soweit ausnahmsweise etwas anderes gelten solle, lege das Gesetz dies ausdrücklich fest.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die ebenfalls beigezogene Patientendokumentation über den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 21.12.2012 bis 15.08.2013. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für eine Versicherte gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (st. Rspr., vgl. etwa BSG Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R –, juris Rn. 13).
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 24.127,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2013 verlangen.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R –, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 – B 3 KR 11/09 R –, juris Rn. 7). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (LSG Niedersachsen Urteil vom 30.01.2002 – L 4 KR 110/00 –, juris Rn. 22). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Nach einem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007 (Az.: GS 1/06) richtet sich die Entscheidung, ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine „Einschätzungsprärogative“ kommt dem Krankenhausarzt dabei nicht zu (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007 – GS 1/06 –, juris Rn. 29).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs war die stationäre Behandlung der Versicherten vom 21.12.2012 bis 15.08.2013 vollumfänglich begründet. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des MDK bestand eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bis zum 15.08.2013. Die Kammer stützt sich in diesem Zusammenhang auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Y.. Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.01.2017 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.10.2017 darauf hingewiesen, dass eine erfolgreiche Behandlung außerhalb des stationären Behandlungssettings im Krankenhaus nicht möglich gewesen wäre. Die Versicherte litt an einer Drogen- und Alkoholsucht, an einer durch Drogen- und Alkoholmissbrauch verursachten Verhaltens- und Persönlichkeitsstörung und infolgedessen an einer fehlenden Krankheitseinsicht. Diese war jedoch zwingend erforderlich, um das Krankenbehandlungsziel, die Ausheilung der Tuberkulose, zu erreichen. Wichtige Voraussetzung einer Ausheilung einer offenen Lungentuberkulose ist nach den unwidersprochenen Ausführungen des Sachverständigen die tägliche und zuverlässige Medikamenteneinnahme über mehrere Monate. Die Versicherte war hierzu aber gar nicht in der Lage, wie der erfolglose Behandlungsversuch in der Lungenfachklinik T. Anfang Dezember 2012 gezeigt hat. Erst unter der Zwangseinweisung konnte die Therapie erfolgreich durchgeführt werden. Bei offener und ausgedehnter Lungentuberkulose bestand zudem die Gefahr, eine multiresistente Lungentuberkulose zu entwickeln, zumal das Immunsystem der Versicherten im Rahmen eines ausgeprägten Alkoholabusus und Zigarettenkonsums zusätzlich geschwächt war. Ohne die stationäre Behandlung hätte das Behandlungsziel nicht erreicht werden können. Die Anbindung an eine Lungenfacharztpraxis oder an eine Tuberkulose-Fürsorgestelle eines Gesundheitsamtes schieden als Alternativen aus. Denn jene Anbindung setzt voraus, dass sich der Patient dort regelmäßig vorstellt. Dies war im Falle der Versicherten nicht gewährleistet. Andere Institutionen standen für eine kontrollierte Therapie auch nicht zur Verfügung. Diese vom Sachverständigen genannten Punkte verdeutlichen, dass es sich um individuelle medizinische Aspekte handelt, die für die fortwährende Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit sprechen. Da es der Gesundheitszustand der Versicherten gerade nicht erlaubt hat, das Behandlungsziel durch ambulante Behandlung oder andere Maßnahmen zu erreichen, konnte die Versicherte und damit die Klägerin nicht auf solche Maßnahmen verwiesen werden. Die Behandlungszeit von etwa acht Monaten im Krankenhaus der Klägerin entspricht auch den Empfehlungen der Fachgesellschaften und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt aus der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 21.10.2014 – L 1 KR 39/11 –) und des BSG (Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 20/15 R –) kein anderes Ergebnis. Diese Rechtsprechung steht dem hier gefundenen Ergebnis bereits deshalb nicht entgegen, weil die Weiterbehandlung der Versicherten im Krankenhaus aus medizinischen Gründen erforderlich war und ein Verweis auf die Inanspruchnahme ambulanter Maßnahmen oder die Unterstützung durch andere Kostenträger unzulässig war. Das Behandlungsziel konnte nur durch den stationären Rahmen im Krankenhaus sichergestellt werden.
Für die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung spricht noch folgendes Argument: Das BSG hat zwar bereits entschieden, dass es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Die Krankenkassen haben auch keine Möglichkeit, strukturelle Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu beheben, etwa eine Unterversorgung bei den Betreuungseinrichtungen für psychisch schwer kranke Patienten. Sie tragen dafür weder Verantwortung noch dürfen sie hierfür Geldmittel verwenden (vgl. BSG Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 20/15 R –, juris Rn. 11). Das BSG betont jedoch auch, dass etwas anderes gelten soll, wenn sich dies aus dem Gesetz ergibt (BSG, a.a.O.). Eine solche Situation liegt hier vor, weil die Krankenhausärzte der Klinik der Klägerin durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vom 21.12.2012 und des Amtsgerichts Paderborn vom 26.06.2013 gebunden waren und die Versicherte gar nicht zum 15.03.2013 oder später (jedenfalls bis zum 15.08.2013) aus dem stationären Behandlungsrahmen entlassen durften. Die für sofort wirksam erklärte Zwangseinweisung (§ 422 Abs. 2 FamFG) wurde auf § 30 Abs. 1 IfSG i.V.m. §§ 415 ff. FamFG gestützt. Die Versicherte musste daher bis zum Ende der angeordneten Freiheitsentziehung (§ 425 Abs. 1 FamFG) im Krankenhaus der Klägerin verbleiben.
In dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil vom 17.11.2015 (B 1 KR 18/15 R, juris Rn. 13), in welchem es um die stationäre Notwendigkeit einer Radiojodtherapie ging, hat das BSG ausgeführt, dass es für die Beurteilung der Erforderlichkeit stationärer Krankenhausbehandlung auf die medizinischen Erfordernisse im Einzelfall und nicht auf eine abstrakte Betrachtung ankomme. Hierfür genüge es, dass eine medizinisch notwendige Versorgung aus Gründen der Rechtsordnung nur stationär erbracht werden dürfe. Die gesetzliche Krankenversicherung dürfe bei Erfüllung ihrer Aufgabe die rechtlichen Strukturvorgaben nicht außer Acht lassen. In einem solchen Fall sei Krankenhausbehandlung im Rechtssinne aus allein medizinischen Gründen erforderlich. Das medizinisch Gebotene könne nicht ambulant zur Verfügung gestellt werden. Vergleichbar trage die Krankenkasse die Kosten einer Krankenhausbehandlung in Fällen des Infektionsschutzes, wenn die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus auch aus individuellen medizinischen Gründen erfolge (unter Hinweis auf § 30 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG alter Fassung, jetzt § 69 Abs. 1 Nr. 10 IfSG). Ein solcher Fall liegt hier gerade vor. Denn sowohl das Amtsgericht Hamburg als auch das Amtsgericht Paderborn begründeten ihre Entscheidungen unter anderem damit, dass ohne zwangsweise Unterbringung das Behandlungsziel, die vollständige Ausheilung der Tuberkulose, nicht erreicht werden könne. Unter Bezugnahme auf Stellungnahmen von Ärzten, die im Freiheitsentziehungsverfahren gehört wurden, argumentierten die Amtsgerichte, dass wegen der krankheitsbedingten fehlenden Einsicht in die Notwendigkeit der Therapie eine zwangsweise stationäre Unterbringung erforderlich sei. Insofern war die Behandlung vom 21.12.2012 bis 15.08.2013 „im Rechtssinne aus allein medizinischen Gründen erforderlich“ (vgl. BSG, a.a.O.).
Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages i.V.m. §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2013 (vgl. BSG Urteil vom 12.07.2012 – B 3 KR 18/11 R –, juris Rn. 29 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).