1. Zu den Voraussetzungen einer Leistungserbringung in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten.
2. Der erstangegangene, leistende Rehabilitationsträger hat einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGG, wenn eine Weiterleitung nicht erfolgt ist, weil mehrere in Betracht kommende Rehabilitationsträger jeweils ihre Zuständigkeit unter Berufung auf Landesrecht in Abrede stellen und der Wille, lediglich im Hinblick auf die unklare Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 532.271,83 EUR für an die Leistungsempfängerin R1 (K.R.) erbrachte Eingliederungshilfeleistungen streitig.
Die 1993 geborene K.R. leidet an einer spinalen Muskelatrophie Typ II. Bei ihr sind seit 1994 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, B, aG und H festgestellt. Seit 1995 war Pflegestufe III, seit März 2013 mit außergewöhnlich hohem Pflegebedarf und seit 1. Januar 2017 Pflegegrad 5 festgestellt. Sie wohnte zunächst in W1 im Haushalt ihrer Eltern. Bis zum Abitur erhielt K.R. vom Beigeladenen Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zur angemessenen Schulbildung (Schulbegleitung).
Zum Wintersemester 2012/2013 immatrikulierte sich K.R. an der R2-Universität H1 für das Fach Psychologie. Von der R2-Universität H1 erhielt sie ab Oktober 2012 ein Stipendium in Höhe von monatlich 300 EUR.
Ab 1. September 2012 mietete K.R. in einem Behinderten-Apartment des Studentenwerks H1 ein Zimmer für sich zu einer monatlichen Gesamtmiete in Höhe von 315 EUR sowie ein Zimmer für ihre Betreuungsperson zu einer monatlichen Gesamtmiete von 281 EUR.
Am 6. September 2012 beantragte K.R. bei der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe. Dabei gab sie an, ein Umzug nach H1 sei spätestens zum 1. Oktober 2012 geplant, der Mietvertrag beginne am 1. September 2012. Sie habe bis 2012 Sozialhilfeleistungen vom Beigeladenen bezogen.
Zum 25. September 2012 zog K.R. zur Aufnahme des Studiums von W1 nach H1.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 lehnte die Klägerin den Antrag der K.R. auf Kostenübernahme für eine Studienassistenz wegen übersteigenden Vermögens ab.
Auf Anfrage der Klägerin zum bestehenden Unterstützungsbedarf im Rahmen des Studiums teilte die Universität H1 mit Schreiben vom 4. Januar 2012 (gemeint: 2013) mit, K.R. benötige Begleitung auf den Wegen zur Universität und nach Hause, bei Raumwechseln sowie Bibliotheksbesuchen, Assistenz beim Besuch von Lehrveranstaltungen in Form von Anfertigen von Mitschriften, Anreichen von Materialien und Hilfe bei der Korrektur der Körperhaltung, sowie Assistenz beim Selbststudium zur Vor- und Nachbereitung des Lehrstoffs. Durch die Universität sei eine Studienassistenz im erforderlichen Umfang von etwa 50 Stunden pro Woche für K.R. nicht zu finanzieren.
Am 10. Januar 2013 beantragte K.R. im Hinblick auf den bevorstehenden Vermögensverbrauch erneut die Kostenübernahme für Studienassistenz.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 bewilligte die Klägerin K.R. Eingliederungshilfe zur Durchführung des Studiums an der Universität H1 ab 10. Januar 2013 bis zunächst 31. August 2013. Die Eingliederungshilfe umfasse laut Gesamtplan nach § 58 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 22. Februar 2013, der Grundlage des Bescheides sei, die tägliche 22-Stunden-Betreuung ab 1. März 2013, die tägliche 20-Stunden-Betreuung für die Monate Januar und Februar 2013 und die Mietkosten für das für die Pflegeperson angemietete Zimmer in der Studentenwohnung in Höhe von monatlich 281 EUR ab 1. März 2013.
Für die Zeit vom 1. September 2013 bis zunächst 28. Februar 2014 gewährte die Klägerin Eingliederungshilfe in Form einer täglichen 22-Stunden-Betreuung sowie der Mietkosten für das für die Pflegeperson angemietete Zimmer weiter. Entsprechende Bescheide ergingen in der Folge unter dem 7. Februar 2014 für die Zeit vom 1. März 2014 bis 31. August 2014, unter dem 28. August 2014 für die Zeit vom 1. September 2014 bis 31. März 2015, unter dem 25. Februar 2015 für die Zeit vom 1. April 2015 bis 30. September 2015, unter dem 21. August 2015 für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016, unter dem 15. April 2016 für die Zeit vom 1. April 2016 bis 30. September 2016 und unter dem 5. August 2016 für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Dezember 2016.
Mit Schreiben vom 5. August 2016 meldete die Klägerin bei dem Beigeladenen einen Kostenerstattungsanspruch nach § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an. K.R. befinde sich bei ihr im Sozialhilfebezug. Nach neuester Rechtsprechung handele es sich hierbei um eine ambulant betreute Wohnform nach § 98 Abs. 5 SGB XII. Mit Schreiben vom 31. Januar 2017 wandte sich die Klägerin erneut mit ihrem Verlangen auf Kostenerstattung und Fallübernahme an den Beigeladenen.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2017 bewilligte die Klägerin der K.R. weiterhin vorläufig Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Assistenz zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Umfang von 22 Stunden pro Tag für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Mai 2017. Für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 31. August 2017 bewilligte die Klägerin mit Bescheid vom 5. September 2017 vorläufig die Kosten für Assistenzleistungen zur Deckung des Eingliederungshilfe- und Pflegebedarfs im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens im Umfang von 22 Stunden täglich weiter. Bis zur endgültigen Klärung der örtlichen Zuständigkeit würden die Leistungen vorläufig im Sinne des § 102 SGB X erbracht. Für die Zeit ab 1. September 2017 bis 30. Juni 2018 gewährte die Klägerin der K.R. mit Bescheid vom 9. April 2018 die Eingliederungshilfeleistungen in Form von Assistenzleistungen vorläufig weiter.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 teilte der Beigeladene der Klägerin mit, seine sachliche Zuständigkeit für die an K.R. bewilligte Leistung sei nicht gegeben. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG/SGB XII) seien die örtlichen Träger der Sozialhilfe in Hessen nicht für Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung oder in einer betreuten Wohnmöglichkeit für behinderte Menschen nach Kapitel Sechs des SGB XII gewährt würden.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2017 meldete die Klägerin bei dem Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X an. K.R. befinde sich bei ihr im Sozialhilfebezug. Nach neuester Rechtsprechung handele es sich bei der von ihr gewählten Wohnform um eine ambulant betreute Wohnform nach § 98 Abs. 5 SGB XII. Da die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII beim Beigeladenen liege, werde die Leistung lediglich vorläufig im Sinne des § 102 SGB X erbracht. Neben den Leistungen der Assistenz an sieben Tagen in der Woche im Umfang von 22 Stunden täglich zu Gesamtkosten von monatlich ca. 13.000 EUR, wovon vorrangig Leistungen der Pflegekasse in Höhe von monatlich 1.995 EUR sowie der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 EUR in Anspruch zu nehmen und in Abzug zu bringen seien, würden die Mietkosten für das für die Pflegeperson der K.R. angemietete Zimmer der Studentenwohnung in Höhe von monatlich 281 EUR vorläufig übernommen. Erneut bat die Klägerin beim Beklagten mit Schreiben vom 28. September 2017 um Kostenerstattung und Fallübernahme.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, in Hessen sei er als Kostenträger für Leistungen im Rahmen des Betreuten Wohnens nach § 53 SGB XII für pädagogisch konzipierte psychosoziale Unterstützungsleistungen sachlich zuständig. K.R. erhalte von der Individualhilfe Assistenz- und Pflegeleistungen von Pflegekräften. Weiterhin absolviere sie ein Studium. Psychosoziale Unterstützungsleistungen durch eine pädagogische Fachkraft würden nicht erbracht, was jedoch Voraussetzung dafür sei, nach den Zuständigkeitsregelungen in Hessen eine Leistung im Sinne des Betreuten Wohnens nach § 53 SGB XII vom Beklagten als überörtlicher Sozialhilfeträger zu erhalten.
Unter dem 14. Mai 2018 machte die Klägerin erneut gegenüber dem Beigeladenen die Kostenerstattung geltend.
Zum 1. April 2018 zog K.R. aus der Wohnung im Studentenwohnheim in eine eigene Wohnung in H1 mit einer Wohnfläche von 85,62 Quadratmetern zu einer monatlichen Gesamtmiete von 910,32 EUR um, in der sie wiederum ein Assistenzzimmer (13,13 Quadratmeter) bereithält.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2019 bewilligte die Klägerin der K.R. vorläufig als Eingliederungshilfe die Kosten für Assistenzleistungen zur Deckung des Eingliederungshilfe- und Pflegebedarfs im Rahmen ambulant betreuten Wohnens im Umfang von 22 Stunden täglich weiterhin ab 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2019. Vorrangige Leistung sei die Eingliederungshilfe, in der die Pflegeleistungen inkludiert seien. Des Weiteren würden anteilige Mietkosten für das für die Pflegeperson notwendige Zimmer in der neu angemieteten Wohnung von monatlich 281 EUR weiterhin vorläufig übernommen.
Auf den Antrag der K.R., in dessen Zusammenhang sie unter dem 23. Dezember 2019 mitteilte, dass sie voraussichtlich ihr bisheriges Studium nicht erfolgreich beenden werde, sie sich vielmehr um Ausbildungsstellen und duale Studiengänge bewerbe, gewährte die Klägerin mit Bescheid vom 27. April 2020 die Kosten für Assistenzleistungen zur Deckung des Eingliederungshilfe- und häuslichen Pflegebedarf als Leistung zur sozialen Teilhabe im Umfang von bis zu 22 Stunden täglich sowie die anteiligen Kosten des Assistenzzimmers in Höhe von monatlich 285,72 EUR vorläufig weiter für die Zeit ab 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2021. Mit Bescheid vom 17. März 2022 bewilligte die Klägerin die Kosten für Assistenzleistungen als Leistung zur sozialen Teilhabe ab 1. Januar 2022 bis 31. März 2022 vorläufig weiter.
Mit Bescheid vom 18. August 2022 bewilligte die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2022 Leistungen zur sozialen Teilhabe vorläufig ab 1. April 2022 in Höhe von 16.500 EUR im Umfang von 22 Stunden pro Tag.
Bereits am 6. August 2021 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Erstattung der für die an K.R. geleistete Hilfen im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens im Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Dezember 2020 angefallenen Kosten in Höhe von 532.271,83 EUR durch den Beklagten geltend gemacht. Nachdem zwischen den Beteiligten die Zuständigkeit(sänderung) streitig gewesen sei, K.R. aber einen Anspruch auf Sozialleistungen gehabt habe und sich diesbezüglich zuletzt immer an die (vermeintlich zuständige) Klägerin gehalten habe, habe die Klägerin nach § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vorläufige Leistungen gewähren dürfen. Die Hilfegewährung sei auch rechtmäßig erfolgt, was vom Beklagten bislang nicht in Frage gestellt worden sei. Der Beklagte sei der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger und daher gemäß § 102 Abs. 1 SGB X erstattungspflichtig. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien als ambulant betreutes Wohnen einzuordnen. Für die Kostenerstattung ergebe sich die sachliche Zuständigkeit des Beklagten aus § 97 SGB XII in Verbindung mit § 2 Abs. 1 HAG/SGB XII a.F.
Mit Beschluss vom 28. September 2021 hat das SG den Beigeladenen zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 7. Dezember 2022 hat das SG den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die an K.R. im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens erbrachte Hilfe im Zeitraum vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2020 insgesamt 532.271,83 EUR zu erstatten. K.R. habe ab dem 10. Januar 2013 in einem ambulant betreuten Wohnen gelebt und dort (vor allem für eine Studien- und Alltagsassistenz) durch die Klägerin Leistungen der Sozial- bzw. Eingliederungshilfe bezogen. Denn das Ziel der Hilfe habe nicht nur darin bestanden, K.R. in ihrem Hochschulstudium zu unterstützen; vielmehr habe es K.R. ermöglicht werden sollen, sich an ihrem neuen Wohnort umfassend zu verselbstständigen und dort einen neuen Lebensmittelpunkt aufzubauen. Nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII ergebe sich die Zuständigkeit für die Hilfe in der Form eines ambulant betreuten Wohnens in Anknüpfung an das Herkunftsortprinzip, sodass – nach den näheren Bestimmungen des Landesrechtes – für den Hilfefall eigentlich ein Leistungsträger im Bundesland Hessen zuständig gewesen wäre. Nach § 97 Abs. 3 SGB XII (alte Fassung) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum SGB XII – HAG SGB XII (Fassung vom 29. September 2008) wäre somit der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozial‑ bzw. Eingliederungshilfe zuständig gewesen. Denn eine Zuständigkeit des örtlichen Trägers (also des Beigeladenen) habe seinerzeit im Bereich der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe nur für Leistungen außerhalb einer stationären oder teilstationären Einrichtung bzw. außerhalb betreuter Wohnmöglichkeiten bestanden. Indem die Klägerin eine Prüfung und Weiterleitung des Antrags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) versäumt habe, sei sie im Außenverhältnis gegenüber K.R. zum zuständigen Rehabilitationsträger geworden. Der Klägerin stehe grundsätzlich ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X zu. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin schon bei der Entscheidung über den Erstantrag ihre fehlende Zuständigkeit erkannt und dann gleichwohl Leistungen an K.R. erbracht und damit zielgerichtet in die Zuständigkeit des Beklagten eingegriffen habe, seien nicht ersichtlich. Es ergebe sich auch weder aus der Höhe der Forderung noch aus dem langen Zeitraum zwischen der erstmaligen Anmeldung der Erstattungsforderung bei dem Beklagten (2017) und der Klageerhebung (2021) eine Verwirkung.
Gegen das ihm am 9. Dezember 2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 9. Januar 2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Ein Anspruch aus § 104 Abs. 1 SGB X in entsprechender Anwendung würde voraussetzen, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten nachrangig zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Beklagte sei für die Leistungen weder örtlich noch sachlich zuständig. Der strittige Leistungsfall sei weder nach dem in Hessen geltenden Begriff des Betreuten Wohnens noch nach einer bundeseinheitlichen Auslegung des Betreuten Wohnens in seine sachliche Zuständigkeit gefallen. Mit dem Umzug der K.R. sei die Klägerin selbst nach § 98 Abs. 1 SGB XII örtlich zuständig geworden. K.R. habe bis zum 1. Juli 2012 Eingliederungshilfeleistungen für den Schulbesuch, d.h. Schulassistenz und Fahrtkostenerstattung vom Beigeladenen erhalten. Vom Beklagten habe sie zuvor zu keinem Zeitpunkt Leistungen erhalten. Der Leistungsfall habe mit dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife der K.R. im Juli 2012 beendet. Mit dem Entschluss, ein Hochschulstudium in H1 aufzunehmen und dem Umzug an den Studienort sei ein neuer Leistungsfall begründet worden. Von der Klägerin seien daher im streitgegenständlichen Zeitraum zu Recht Leistungen erbracht worden. Ab dem Umzug nach H1 habe K.R. dort einen tatsächlichen Aufenthalt – zunächst in einem Studentenwohnheim – begründet und habe Leistungen eines Pflegedienstes in Anspruch genommen. Damit sei eine örtliche Zuständigkeit der Klägerin nach § 98 Abs. 1 SGB XII begründet worden. Der Umzug der K.R. nach H1 stelle eine Zäsur dar, die zur örtlichen Zuständigkeit der Klägerin führe. Es liege auch eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit nicht vor, weil zwar Leistungen in ambulanter Form erbracht worden seien, die als Betreutes Wohnen bezeichnet werden könnten, dabei aber Pflegeleistungen nach dem SGB XI im Vordergrund gestanden hätten. Auch sei der Beklagte sachlich nicht zuständig. Der Begriff der „betreuten Wohnmöglichkeit“ im HAG sei im Lichte der Vereinbarung zwischen dem Hessischen Sozialministerium und dem Hessischen Landkreistag, dem Hessischen Städtetag und dem LWV Hessen über die Zuständigkeit, die Finanzierung und den landesweit gleichmäßigen Ausbau zu Angeboten im Bereich des Betreuten Wohnens für behinderte Menschen und der Zusatzvereinbarung Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderungen zum Rahmenvertrag nach § 93d Abs. 2 BSHG / § 79 Abs. 1 SGB XII für ambulante Einrichtungen auszulegen. Der Begriff des Betreuten Wohnens im HAG sei nach allgemeinem Verständnis in Hessen auf die in den Vereinbarungen geregelten Eingliederungshilfeleistungen beschränkt. Das Verständnis des Betreuten Wohnens als eine aufsuchende Hilfe unter Einbindung von Fachleistungspersonal sei in Hessen gängige Verwaltungspraxis gewesen, wodurch eine Selbstbindung entstanden sei. Die sachliche Zuständigkeit sei erst mit dem HAG/SGB IX vom 13. September 2018 geändert worden, seit 1. Januar 2020 sei der Beklagte für alle Eingliederungshilfeleistungen ab Beendigung der Schulausbildung zuständig. Schließlich gebe es auch keinen bundeseinheitlichen Begriff des Betreuten Wohnens. Der seitens K.R. zur Bedarfsdeckung in Anspruch genommene Pflegedienst habe nach SGB XI und SGB XII anerkannte Pflegeleistungen und ggf. Begleitung, aber keine Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne von Fachleistungsstunden erbracht. Fachleistungen wären sozialpädagogisch ausgerichtete befähigende Leistungen durch Fachpersonal nach der Zusatzvereinbarung Betreutes Wohnen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Dezember 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihr 532.271,83 EUR zu erstatten.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen.
Seine sachliche und örtliche Zuständigkeit für die durch die Klägerin bewilligten Leistung sei nicht gegeben. Die Voraussetzungen des betreuten Wohnens nach § 98 Abs. 5 SGB XII seien erfüllt. Nach § 98 Abs. 5 SGB XII in Verbindung mit § 2 Abs. 1 HAG/SGB XII a.F. sei der Beklagte als überörtlicher Sozialhilfeträger zuständig. Sofern es sich bei den bewilligten Leistungen nicht um ambulant betreutes Wohnen handeln sollte, wäre die Klägerin selbst für die Leistungsgewährung zuständig. Selbst wenn ein Erstattungsanspruch der Klägerin bestehen würde, sei davon auszugehen, dass dieser inzwischen materiell bzw. prozessual verwirkt sei. Die Klägerin habe ab dem 10. Januar 2013 über Jahre hinweg Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht, obwohl ihre Leistungspflicht nach ihrer Auffassung zweifelhaft gewesen sei. Der Beigeladene habe deshalb darauf vertraut, nicht auf Kostenerstattung in Anspruch genommen zu werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung bedurfte auch nicht der Zulassung, da der gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG maßgebliche Beschwerdewert bei Erstattungsstreitigkeiten in Höhe von 10.000,00 EUR überschritten ist.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin die von ihr an K.R. erbrachte Eingliederungshilfeleistungen im Zeitraum vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2020 von insgesamt 532.271,83 EUR zu erstatten.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG. Die beteiligten Sozialhilfeträger stehen zueinander in einem Gleichordnungsverhältnis. Deshalb scheidet eine Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt aus (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Februar 2012 – B 9 VG 1/10 R – SozR 4-1300 § 112 Nr. 1 Rdnr. 14). Die Klägerin hat ihr Zahlungsbegehren konkret beziffert (hierzu BSG, Urteil vom 20. November 2008 – B 3 KR 25/07 R – SozR 4-2500 § 133 Nr. 3 Rdnr. 14).
Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Klägerin ist für den maßgeblichen Leistungszeitraum ab 1. August 2017 § 104 SGB X, ab 1. Januar 2020 § 102 SGB X.
Diese allgemeinen Erstattungsregelungen werden im vorliegenden Fall durch § 14 Abs. 4 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung vom 23. April 2004 (BGBl. I 606; a.F.) bzw. § 16 Abs. 1 und 4 SGB IX in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I 3234) nicht verdrängt.
§ 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. ab 1. Januar 2018 § 16 Abs. 1 und 4 SGB IX ist nicht anwendbar. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. bestimmt: Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs. 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Eine Bewilligung der Leistung nach Abs. 1 Satz 2 bis 4 erfolgt durch den zweitangegangenen Rehabilitationsträger, an den der Antrag von dem sich selbst für unzuständig haltenden erstangegangenen Rehabilitationsträger weitergeleitet worden ist; er ist im Verhältnis zum Versicherten endgültig und umfassend leistungspflichtig, auch wenn er nach den geltenden Normen außerhalb des SGB IX nicht für die beanspruchte Rehabilitationsleistung des Versicherten zuständig ist. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX trägt dieser Situation des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers Rechnung, indem er für ihn einen speziellen Erstattungsanspruch begründet, der die allgemeinen Erstattungsansprüche verdrängt und sicherstellt, dass der zweitangegangene im Nachhinein seine Aufwendungen vom „eigentlich“ zuständigen Rehabilitationsträger zurückerhält (vgl. hierzu im BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R – SozR 4-1300 § 104 Nr. 2). Eine entsprechende Regelung trifft § 16 Abs. 1 SGB X ab 1. Januar 2018 für die Gesamtzuständigkeit eines anderen als des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers.
Die Klägerin ist nicht der zweitangegangene Rehabilitationsträger im Sinne der genannten Normen. K.R. hat vielmehr die begehrte Eingliederungshilfe bereits im September 2012 und erneut im Januar 2013 bei der Klägerin beantragt, sodass diese der erstangegangene Rehabilitationsträger ist. Da die Klägerin den Antrag nicht weitergeleitet hat, ist sie gegenüber K.R. gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. allein zuständig und somit leistungspflichtig geworden.
Auch für die ab 1. Januar 2020 erbrachten Eingliederungshilfeleistungen ist die Klägerin erstangegangener Rehabilitationsträger. Die vorab durch den früheren Antrag nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. begründete Zuständigkeit gilt für die Zeit ab 1. Januar 2020 aufgrund der Neukonzipierung des Rechts der Eingliederungshilfe durch das Inkrafttreten der Regelungen in Teil 2 des SGB IX mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz [BTHG] vom 23. Dezember 2016, BGBl. I 3234) ab 1. Januar 2020 geschaffenen Leistungssystems (BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 9/19 R – BSGE 131, 246 Rdnr. 19) und der damit anderen Leistung (LSG Nordrhein‑Westfalen – Urteil vom 30. Juni 2022 – L 9 SO 388/20, juris Rdnr. 26) nicht fort. Vielmehr ist hierdurch die ursprüngliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Eingliederungshilfeleistungen entfallen. Auch die Wirkung des § 14 SGB IX umfasst die neue Eingliederungshilfe nach dem SGB IX nicht. Das auf den Regelungen des Sechsten Kapitels des SGB XII begründete Rechtsverhältnis zwischen der Leistungsberechtigten und dem Sozialhilfeträger endete zum 31. Dezember 2019. Der Sozialhilfeträger ist kein Rehabilitationsträger mehr (§ 6 SGB IX). Die Klägerin ist für den Antrag für die Zeit ab 1. Januar 2020 jedoch als Trägerin der Leistungen der Eingliederungshilfe erneut als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F. zuständig geworden, nachdem sie den Antrag der K.R. nicht weitergeleitet hat.
Zugunsten des erstangegangenen Rehabilitationsträgers, der die Leistung erbringt, begründen § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 16 Abs. 1 SGB IX n.F. keinen Erstattungsanspruch. Die Vorschriften schließen allerdings einen Erstattungsanspruch des leistenden erstangegangenen Trägers nach allgemeinen Vorschriften auch nicht vollständig aus. § 14 Abs. 4 Satz 3 SGB IX a.F. bzw. § 16 Abs. 4 SGB IX n.F. schließen für den Fall der Leistungserbringung durch den unzuständigen Rehabilitationsträger nur die Anwendbarkeit von § 105 SGB X grundsätzlich aus. Hat der Träger seine Zuständigkeit geprüft und bejaht, muss er im Nachhinein zu einer Korrektur im Rahmen der Erstattung befugt sein. Sonst wäre er gehalten, schon bei geringstem Verdacht einen Rehabilitationsantrag weiterzuleiten, um die Zuständigkeitsproblematik ggf. im Erstattungsstreit austragen zu können und andererseits nicht automatisch von jeglicher Erstattungsmöglichkeit ausgeschlossen zu sein. Das widerspräche sowohl dem Regelungszweck des § 14 SGB IX, zu einer schnellen Zuständigkeitsklärung gegenüber dem behinderten Menschen zu kommen, als auch dem zugleich verfolgten Ziel, das gegliederte Sozialsystem zu erhalten (BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 6/18 R – SozR 4-1300 § 104 Nr. 7 Rdnr. 13 m.w.N.).
Daher kommt zur „nachträglichen Korrektur“ der irrtümlichen Bejahung seiner Zuständigkeit durch den erstangegangenen Träger im Erstattungswege ein Anspruch wegen nachrangiger Verpflichtung des Leistungsträgers aus § 104 SGB X in Betracht. Das beruht darauf, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX einerseits die Zuständigkeit gegenüber dem Menschen mit Behinderung schnell, klar und endgültig regelt, andererseits die „eigentliche“ Zuständigkeitsordnung (außerhalb des § 14 SGB IX) im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander nicht antasten will. Deshalb schafft § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX nur eine nachrangige Zuständigkeit, die es zulässt, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Rehabilitationsmaßnahmen nach § 104 SGB X vom „eigentlich“ zuständigen, in diesem Sinne vorrangigen Rehabilitationsträger erstatten lässt. Der Träger, der irrtümlich seine Zuständigkeit bejaht, wird damit nicht – im dargelegten Sinne dem Primärziel des § 14 SGB IX zuwiderlaufend – dauerhaft mit den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme belastet. Er wird aber auch nicht wie ein vorleistungspflichtiger oder zweitangegangener Träger in der Rechtsfolge privilegiert, sondern erhält Erstattung nur im Umfang des § 104 Abs. 3 SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R – SozR 4-1300 § 104 Nr. 2 Rdnr. 27f.). Das kommt für die Klägerin hier hinsichtlich der in der Zeit vom 1. August 2017 bis 31. Dezember 2019 erbrachten Leistungen in Betracht.
Soweit die Prüfung des erstangegangenen Rehabilitationsträgers innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nicht zu einem greifbaren Ergebnis, sondern etwa wegen einer komplizierten Rechtsproblematik zu ernstlichen Argumenten für und gegen die eigene Zuständigkeit und für und gegen die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers geführt hat und deshalb der angegangene Träger im Interesse der Beschleunigung eine Weitergabe des Rehabilitationsantrags unterlassen hat oder er sich trotz des ihm eingeräumten Prüfungs- und Ablehnungsrechts einem Leistungszwang ausgesetzt sieht, ist auch eine Kostenerstattung nach den Grundsätzen des vorläufig leistenden Leistungsträgers zu erwägen, wie sie entsprechend § 102 SGB X in § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. § 16 Abs. 1 SGB IX n.F. vorgesehen ist (BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 6/18 R – § 104 Nr. 7 Rdnr. 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 – B 5 R 44/08 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 9 Rdnr. 16). Dies kommt vorliegend für die von der Klägerin ab 1. Januar 2020 ausdrücklich „vorläufig“ erbrachten Leistungen in Betracht.
Für die Zeit vom 1. August 2017 bis 31. Dezember 2019 ist der Beklagte gemäß § 104 SGB X zur Erstattung der von der Klägerin erbrachten Eingliederungshilfeleistungen verpflichtet. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
In Fällen, in denen ein (erstangegangener) Leistungsträger insbesondere infolge unterlassener oder fehlerhafter Zuständigkeitsprüfung Leistungen erbringt, ohne dass ein Fall des § 103 SGB X oder eine zielgerichtete Zuständigkeitsanmaßung, die eine Erstattung nach § 104 SGB X ausschließen würde, vorliegt, begründet § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er außerhalb der durch § 14 SGB IX geschaffenen Zuständigkeitsordnung unzuständig, ein anderer Träger aber eigentlich zuständig gewesen wäre (BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 Rdnr. 13f.). Darauf, dass Kläger und Beklagter außerhalb des § 14 SGB IX nicht in einem Verhältnis des Vor- oder Nachrangs zueinander stehen, kommt es nicht an; denn § 14 SGB IX schafft gerade das von § 104 SGB X vorausgesetzte Verhältnis des Vor- und Nachrangs und lässt das von sonstigen Vorschriften bestimmte Verhältnis der Rehabilitationsträger zueinander, auch solcher, die unabhängig von § 14 SGB IX in einem Vorrang-/Nachrangverhältnis stehen können, unberührt (BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 Rdnr. 14).
Im streitigen Zeitraum ab 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2019 hat die Klägerin der K.R. Assistenzleistungen zur Deckung des Eingliederungshilfe- und Pflegebedarfs im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erbracht. Das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen und die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung gegenüber K.R. insgesamt wurde vom Beklagten nicht in Abrede gestellt und steht auch sonst nicht in Zweifel.
Dass die Klägerin die Leistungen ausdrücklich – wegen der von ihr angenommenen örtlichen Unzuständigkeit – nur „vorläufig“ erbringen wollte, ist insoweit ohne Bedeutung, denn durch den bei der Klägerin im Januar 2013 bzw. bereits im September 2012 gestellten und von dieser nicht an einen anderen Rehabilitationsleistungsträger weitergeleiteten Antrag nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX war ihre Zuständigkeit begründet. Die nur abschnittsweisen Bewilligungen bzw. Weitergewährungen der Eingliederungshilfeleistungen haben die Klägerin nicht berechtigt, ihre nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit für die Entscheidung über die Weiterbewilligung zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Eine bloße Verlängerung einer bestimmten Maßnahme stellt keinen neuen, sondern einen einheitlichen, damit von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht erfassten Leistungsfall dar, für welchen eine neue Antragstellung nicht erforderlich ist und der unter Beachtung des Rechtsgedankens von § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX sowie dem Grundsatz der Leistungserbringung „aus einer Hand“ vom ursprünglich leistenden Träger abzuschließen ist (vgl. Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 14 Rdnr. 58; Senatsurteil vom 20. Januar 2022 – L 7 SO 3290/20 – juris Rdnr. 30).
Für die von der Klägerin erbrachten Leistungen wäre außerhalb der Zuständigkeitsbestimmung des § 14 SGB IX eigentlich der Beklagte sachlich und örtlich zuständig gewesen.
Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach §§ 3 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 1 SGB XII, §§ 1 Abs. 1, 2 Gesetz zur Ausführung des SGB XII in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 122 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1. Juli 2004 (AGSGB XII). Danach ist für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nach Landesrecht bestimmt. Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe insbesondere für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 bis 60 sachlich zuständig (§ 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII). In Hessen ist – abweichend von der grundsätzlichen Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII – nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HAG/SGB XII der örtliche Sozialhilfeträger zuständig für die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII, sofern diese nicht in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung oder in einer betreuten Wohnmöglichkeit für behinderte Menschen nach Kapitel Sechs des SGB XII gewährt werden; der überörtliche Träger der Sozialhilfe ist sachlich zuständig für die Leistungen nach dem Achten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, wenn die Hilfe in einer Einrichtung zur stationären oder zur teilstationären Betreuung (a), in einer betreuten Wohnmöglichkeit (b) oder durch Beratung und Unterstützung in einer Fachberatungsstelle oder Tagesaufenthaltsstätte (c) zu gewähren ist.
Die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers ist nach § 98 SGB XII zu bestimmen. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 (in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003 [BGBl. I S. 3022]) ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Sonderregelungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bestehen u.a. für stationäre Leistungen (vgl. § 98 Abs. 2 SGB XII in der seit 1. Januar 2005 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 a.a.O.) und für Leistungen des ambulanten betreuten Wohnens (vgl. § 98 Abs. 5 SGB XII in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl. I S. 2670 [a.F.]).
K.R. hat von der Klägerin Eingliederungshilfeleistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft mit dem Ziel des selbstbestimmten Lebens in betreuten Wohnmöglichkeiten erhalten. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F. Diese Vorschrift definiert nicht abschließend („insbesondere“) Leistungsbereiche von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und dabei in Abs. 2 Nr. 6 Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Daraus hatte das BSG zunächst geschlossen, dass es sich bei der Art der Betreuung um Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft handeln müsse und nicht um vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 R – BSGE 109, 56ff.). Diese einschränkende Rechtsauslegung hat das BSG jedoch modifiziert und klargestellt, dass sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII mit der Zielrichtung der Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich gleichgestellt sind. Es ist daher nach dem BSG systematisch ausgeschlossen, § 98 Abs. 5 SGB XII nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – SozR 4-3500 § 98 Nr. 4 Rdnr. 13).
Im vorliegenden Fall waren die im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens erbrachten Assistenzleistungen einschließlich der Kosten für ein Assistenzzimmer solche der Eingliederungshilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Nach dem Gesamtplan vom 22. Februar 2013 besteht bei K.R. ein vollumfänglicher Pflege- und Assistenzbedarf in allen Bereichen des Wohnens und der Haushaltsführung. Die Assistenzleistungen waren ausgerichtet auf die Sicherstellung der Pflege und des Assistenzbedarfs im Bereich Wohnen und Haushaltsführung. Darüber hinaus sollten der Bedarf an Studienassistenz sowie bei allen Aktivitäten zur Teilhabe im öffentlichen Leben sichergestellt werden. Es handelt sich daher um typische Unterstützungsleistungen zur selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung in einer eigenen Wohnung, zur sozialen Integration und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Diese Leistungen wurden auch rechtmäßig erbracht, sie waren gemäß §§ 53, 54 SGB XII in Verbindung mit §§ 4, 55 SGB IX notwendig und geeignet, um die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Wohnung, in der die ambulanten Leistungen erbracht werden, muss nicht vom Anbieter der ambulanten Dienstleistungen organisiert sein. Es bedarf keiner Koppelung von Wohnungsgewährung und Betreuung. Der Wortlaut selbst gibt eine solche eingrenzende Auslegung nicht her. Vielmehr ist es das Ziel des Gesetzgebers, durch die offene, der Auslegung fähige Begrifflichkeit der „ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten“, die vielfältigen und unterschiedlichen Betreuungsleistungen entweder in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder Wohngemeinschaften zu erfassen. Daher kann es im Einzelfall ausreichen, dass der Hilfeempfänger die Wohnung selbst anmietet, aber fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, die Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich zu fördern (BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 16/11 R – juris Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 R – SozR 4-3500 § 98 Nr. 1 Rdnr. 14). Dass K.R. ihre Wohnung (zunächst im Studentenwohnheim, ab April 2018 eine Mietwohnung) selbst angemietet hat und die Betreuung durch Dritte erfolgte, führt daher nicht zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 98 Abs. 5 SGB XII. Auch Qualität und Quantität der gewährten Betreuungsleistungen begründen das Vorliegen einer ambulant betreuten Wohnform. Dabei darf es sich zwar nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln, sondern diese müssen in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet ist (LSG NRW, Urteil vom 25. Juni 2015 – L 9 SO 24/13 – juris Rdnr. 69). Denn der durch § 98 Abs. 5 SGB XII gegebene Schutz des Einrichtungsortes bedarf hinsichtlich der Intensität der Betreuung eine Abgrenzung zu lediglich niederschwelligen oder unregelmäßigen Hilfeleistungen (LSG Bayern, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 119/15 – juris Rdnr. 64). K.R. hat Assistenzleistungen von 22 Stunden täglich, mithin intensive Vollzeitbetreuung erhalten. Die Leistungen wurden zunächst von der „M1 gGmbH“ und seit September 2014 von dem Assistenzdienst für Menschen mit Körperbehinderung „Individualhilfe H1“ erbracht. Die Assistenzkräfte waren mithin fachlich geeignet und die Betreuung fachlich koordiniert. Die Zielerreichung und der Unterstützungsbedarf wurden in Gesprächen mit K.R. regelmäßig überprüft. Insgesamt handelte es sich um regelmäßige, fachlich qualifiziert erbrachte Leistungen, denen eine Gesamtkonzeption zugrunde lag. Es handelte sich somit bei der Betreuung der K.R. um Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII, die die K.R. in der Form einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit erhalten hat.
Nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung ist für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor ihrem Umzug nach H1 hatte die K.R. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in W1 im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten und des Beigeladenen. Von dort ist sie unmittelbar in das Studentenwohnheim in H1 im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin gezogen, wo sie von Anfang an Assistenzleistungen von einem Assistenzdienst erhalten hat. Soweit es nach dem Gesetzeswortlaut darauf ankommt, dass Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten tatsächlich geleistet wird, ist maßgebend, welche Leistungen mit welchem Ziel und in welchem zeitlichen Umfang tatsächlich erbracht worden sind. Unerheblich ist, wenn während dieser Zeit die Leistungen nicht vom Träger der Sozialhilfe gewährt worden sind (BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 Rdnr. 24; BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 14/12 R – SozR 4-5910 § 97 Nr. 1). Dass der K.R. zu Beginn ihres Aufenthalts im Studentenwohnheim noch keine Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel SGB XII bewilligt worden sind und die von K.R. bereits von Anfang an beantragten Eingliederungshilfeleistungen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII zunächst wegen des einzusetzenden Vermögens mit bestandskräftig gewordenem Bescheid der Klägerin vom 17. Dezember 2012 abgelehnt worden sind, ist danach für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für die Eingliederungshilfeleistungen nicht relevant. Damit liegt für die streitigen Eingliederungshilfeleistungen die örtliche Zuständigkeit beim Beklagten und beim Beigeladenen. Da es auf den Zeitpunkt des Eintritts in die Wohnform ankommt, wird die begründete örtliche Zuständigkeit durch den Umzug der K.R. aus dem Studentenwohnheim in eine Mietwohnung bei ununterbrochenem Vorliegen ambulant betreuten Wohnens nicht berührt.
Sachlich zuständig ist nach § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII der Beklagte als überörtlicher Sozialhilfeträger, da eine abweichende örtliche Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers, des Beigeladenen, durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 HAG/SGB XII nicht begründet wird. Dieser wäre für Leistungen insbesondere nach dem Sechsten Kapitel SGB XII nur dann zuständig, wenn diese nicht in einer betreuten Wohnmöglichkeit für behinderte Menschen gewährt werden. Dies ist nach dem Vorstehenden gerade der Fall. Soweit sich der Beklagte auf eine andere Definition der betreuten Wohnmöglichkeit in der Vereinbarung über die Zuständigkeit, die Finanzierung und den landesweit gleichmäßigen Ausbau zu Angeboten im Bereich des Betreuten Wohnens für behinderte Menschen bis zum 31. Dezember 2008 und eine Zusatzvereinbarung Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderungen vom 25. November 2004 zum Rahmenvertrag beruft, kann er daraus nicht seine Unzuständigkeit für die streitigen Leistungen herleiten. Derartige Vereinbarungen sind nicht geeignet, Abweichungen zu zwingenden gesetzlichen Regelungen allgemeinverbindlich zu bestimmen.
Der Beklagte war damit bis zum 31. Dezember 2019 der vorrangig verpflichtete Leistungsträger im Sinne des § 104 SGB X. Nachdem sich die Leistungspflicht des Beklagten als Sozialhilfeträger nach denselben Rechtsvorschriften richtet wie für die Klägerin, hat der Beklagte nach § 104 Abs. 3 SGB XII die von der Klägerin rechtmäßig an K.R. erbrachten Eingliederungshilfeleistungen vom 1. August 2017 bis 31. Dezember 2019 in voller Höhe zu erstatten.
Für die Zeit ab 1. Januar 2020 besteht ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nach § 102 SGB X.
Hat ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger gemäß § 102 Abs. 1 SGB X erstattungspflichtig. Eine vorläufige Leistungsgewährung setzt begrifflich voraus, dass der in Anspruch genommene Leistungsträger zwar zunächst zur Leistung verpflichtet ist, dabei aber entweder in Kenntnis von der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers und damit von der eigenen Unzuständigkeit leistet oder sich noch im ungewissen darüber befindet, welcher andere Leistungsträger zuständig ist. Eine Vorleistung erfordert somit das Bestehen entweder eines Kompetenzkonfliktes oder einer sonstigen Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung. Dabei muss der Wille des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar sein (BSG, Urteil vom 22. Mai 1985 – 1 RA 33/84 – SozR 1300 § 104 Nr. 7 Rdnr. 16).
Für die Zeit ab 1. Januar 2020 hat die Klägerin als Trägerin der Eingliederungshilfe weiterhin Assistenzleistungen, nunmehr nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 Abs. 2 Nr. 1, 103 Abs. 2 SGB IX n.F. gewährt. Mangels Weiterleitung des Antrags der K.R. ist die Klägerin erneut gemäß § 14 Abs. 2 SGB IX zuständig geworden. Allerdings war sie aufgrund der zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen seit 2016 nach Hessischem Landesrecht zu bestimmenden und jeweils dem anderen zugeschriebenen sachlichen Zuständigkeit gehindert, den Antrag an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten. Leitet ein erstangegangener Rehabilitationsträger einen Antrag nicht weiter, weil ihn objektive Umstände daran hindern, seine Zuständigkeit nach den Leistungsgesetzen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zu klären, führt § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Verhältnis der Rehabilitationsträger zueinander nur zu einer „zunächst“ bestehenden Leistungsverpflichtung (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 – B 5 R 44/08 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 9 Rdnr. 21). Nichts anderes kann gelten, wenn mehrere Rehabilitationsträger als „eigentlich“ zuständige in Betracht kommen, jeweils jedoch ihre Zuständigkeit unter Berufung auf Landesrecht in Abrede stellen.
Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X sind auch insoweit erfüllt, als der Wille der Klägerin, lediglich im Hinblick auf die unklare Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar war. Die Klägerin hat bei der Weitergewährung der Eingliederungshilfe an K.R. bereits seit 2017 auf den bestehenden Zuständigkeitsstreit hingewiesen und gegenüber Beklagtem und Beigeladenem einen Erstattungsanspruch angemeldet.
Auch für die Eingliederungshilfeleistungen ab 1. Januar 2020 ist der Beklagte der „eigentlich“ bzw. „endgültig“ zuständige Leistungsträger.
Gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB IX n.F. ist bei Personen, die am 31. Dezember 2019 Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung bezogen haben und auch ab dem 1. Januar 2020 Leistungen nach Teil 2 des SGB IX erhalten, der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, dessen örtliche Zuständigkeit sich am 1. Januar 2020 im Einzelfall in entsprechender Anwendung von § 98 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 5 des Zwölften Buches oder in entsprechender Anwendung von § 98 Absatz 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 107 des Zwölften Buches ergeben würde. Danach ergibt sich auch für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten bzw. des Beigeladenen.
Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach Landesrecht (§ 94 Abs. 1 SGB IX n.F.). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB IX (HAG/SGB IX) in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung ist überörtlicher Träger der Eingliederungshilfe der Landeswohlfahrtsverband Hessen, mithin der Beklagte. Dieser ist gemäß § 2 Abs. 3 HAG/SGB IX sachlich zuständig für die Leistungen der Eingliederungshilfe mit Beginn des Tages, der auf den Tag folgt, an dem die schulische Ausbildung nach Abs. 1 beendet wird.
Danach ist auch für die ab 1. Januar 2020 unverändert weitergewährten Assistenzleistungen im Rahmen einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit der Beklagte sachlich und örtlich zuständig.
Der Beklagte hat damit auch ab 1. Januar 2020 für den streitigen Zeitraum die von der Klägerin erbrachten Eingliederungshilfeleistungen gemäß § 102 Abs. 2 SGB X im geltend gemachten Umfang zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beteiligten sind im vorliegenden Erstattungsstreit nicht von den Gerichtskosten freigestellt (§ 197a Abs. 3 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S – juris Rdnr. 8).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.