L 5 KR 730/14 KL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 730/14 KL
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

                        Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

                        Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen die Kürzung der Zuweisungen im Jahresausgleichsbescheid 2013 um einen Sicherheitsabzug in Höhe von 532.170,45 Euro.

Im Rahmen der Vorbereitungen zur Durchführung des Jahresausgleichs für das Jahr 2013 im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) nahm die Klägerin die gemäß § 41 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) erforderlichen Datenmeldungen vor: Sie meldete die Vorjahresdaten (2012) zu der Korrekturmeldung nach § 30 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz RSAV fristgerecht zum 31.05.2014 an den GKV-Spitzenverband, die nach einer Plausibilitätsprüfung fristgerecht zum 15.06.2014 an das Bundesversicherungsamt (BVA) übermittelt wurden. Dabei handelte es sich um die Daten gemäß § 30 Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 6, 8, 9, und 11 RSAV, also u.a. die Versichertenstammdaten (Satzart 100), Daten der Arzneimittelversorgung (Satzart 400), Diagnosen der Krankenhausversorgung (Satzart 500) und Diagnosen der ambulanten ärztlichen Versorgung (Satzart 600). Gemäß § 30 Absatz 2 Satz 1 RSAV, § 7 der Bestimmung des GKV-Spitzenverbandes nach § 267 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – im Folgenden RSA-SpiBu-Bestimmung - sind sämtliche versichertenbezogenen Daten vor der Weiterleitung (an den GKV-Spitzenverband und das BVA) zu pseudonymisieren. Zu diesem Zweck erzeugt das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) jährlich die hierfür notwendigen Schlüssel für jede am Morbi-RSA teilnehmende Krankenkasse. Die Klägerin rief zwar den Pseudonymisierungsschlüssel für das Schlüsseljahr 2014 /2015 ab, benutzte diesen Schlüssel jedoch nicht für die Korrekturmeldung nach § 30 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz RSAV.

Zum 31.07.2014 übermittelte die Beklagte – nunmehr unter Verwendung des zutreffenden Pseudonymisierungsschlüssels - dem GKV-Spitzenverband die Daten des Ausgleichsjahres (2013) aus der Erstmeldung zur Ermittlung der Versichertenzeiten und der Ausgaben für jeden Versicherten. Der GKV-Spitzenverband wiederum übermittelte diese Daten zum 15.08.2013 fristgerecht an das BVA. Die Verarbeitung der Datenmeldungen der Klägerin beim BVA führte aufgrund der fehlenden Verknüpfbarkeit der Pseudonyme aus den beiden Berichtsjahren – als Folge der Verwendung des falschen Pseudonymisierungsschlüssels - im Jahresausgleich 2013 dazu, dass die Risikogruppen EMG (Erwerbsminderungsgruppen), HMG (hierarchisierte Morbiditätsgruppen), KEG (Zuweisungen für Kostenerstattungsgruppen) und AusAGG (Zuweisungen für Auslandsversicherte) erheblich unterdeckt waren.

Nachdem sich die Klägerin bereits unter dem 08.09.2014 an den GKV-Spitzenverband mit der Bitte um Ermöglichung einer Datenlieferung nach dem Abgabetermin gewandt hatte, wiederholte sie dieses Ersuchen mit Schreiben vom 07.10.2014 an das BVA. Dieses teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14.10.2014 mit, dass sie beabsichtige, die Verteilung der Versichertentage auf die unterdeckten Risikogruppen EMG, HMG, KEG und AusAGG aus dem Grundlagenbescheid IV/2013 vom 31.03.2014 zu übernehmen. Dabei werde die Anzahl der Versichertentage aus der Anlage 1B des Bescheides vom 31.03.2014 mit den regulären Zuschlägen aus dem Jahresausgleich 2013 multipliziert. Die so ermittelte Summe der betroffenen Risikogruppenbereiche EMG, HMG, KEG und AUS AGG werde um die Summe aus diesen Teilbereichen, die sich rechnerisch im Jahresausgleich ergebe, gekürzt. Dass sich in diesen Bereichen im Jahresausgleich 2013 trotz der falschen Verschlüsselung der Pseudonyme Beträge ergäben, sei die Folge von Kassenwechslern, bei denen die andere Krankenkasse entsprechende Diagnosen bzw. Merkmale im Morbiditätsjahr korrekt pseudonymisiert gemeldet habe und die nun im Ausgleichsjahr mit den von der Klägerin gelieferten Pseudonymen hätten verknüpft werden können. Von dem um diese Beträge bereinigten, geschätzten Zuweisungsbetrag (für EMG, HMG, KEG und AusAGG) werde gemäß § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV ein Sicherheitsabzug in Höhe von 3 % abgezogen. Diesen so ermittelten Zuweisungsbetrag für diese Bereiche werde das BVA im Jahresausgleich als BVA-Korrektur (Position 8a im Jahresausgleichsbescheid) ausweisen und so die Gesamtzuweisungen an die Klägerin entsprechend erhöhen. Die Klägerin erklärte sich grundsätzlich mit der beabsichtigten Verfahrensweise des BVA einverstanden, wandte jedoch ein, dass sie den Sicherheitsabschlag der Höhe nach für nicht angemessen halte, weil sie über eine unterdurchschnittliche Morbiditätsstruktur verfüge und das vom BVA vorgeschlagene Berechnungsverfahren bereits dem Grunde nach nachteilig sei (Schreiben vom 16.10.2014). Das BVA teilte der Klägerin mit Schreiben vom 28.10.2014 mit, dass im Hinblick auf die stabile Morbiditätsstruktur ein Sicherheitsabschlag in Höhe von 1,5 % als ausreichend angesehen werde; im Übrigen halte sie an der dargestellten beabsichtigten Verfahrensweise fest.

Im Bescheid über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds im Jahresausgleich 2013 vom 14.11.2014 verfuhr das BVA bei der Ermittlung des Zuweisungsbetrags für die Klägerin entsprechend den Schreiben vom 14.10.2014 und 28.10.2014. Den so ermittelten Zuweisungsbetrag in Höhe von 34.882.217,67 Euro (nach Abzug des Sicherheitsabschlags in Höhe von 545.858,36 Euro) wies die Beklagte als „BVA-Korrektur“ in Position 8a aus.

Die Klägerin hat am 05.12.2014 Klage gegen den Bescheid vom 14.11.2014 vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) erhoben. Durch den während des Klageverfahrens ergangenen Bescheid über den RSA-Jahresausgleich 2014 vom 16.11.2015 hat das BVA die Zuweisungen der Position 8a „BVA-Korrektur“ um 13.687,90 Euro auf 34.945.859,79 Euro erhöht, so dass der 1,5%ige Sicherheitsabzug (nur noch) 532.170,45 Euro beträgt.

Zur Begründung bringt die Klägerin vor: Sie wende sich gegen den Sicherheitsabzug in Höhe von 1,5 %, der jetzt letztlich noch 532.170,45 Euro betrage. Dieser stelle eine erhebliche Belastung für sie dar. Ein Sicherheitsabzug komme nur dann und nur insoweit in Betracht, als tatsächlich ein Risiko hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Zuweisungen existiere. Ihre Versichertenstruktur sei jedoch transparent und weise keine Veränderungen auf, mit denen sie sich insbesondere in Bezug auf die Risikogruppe HMG irgendeinen unberechtigten Vorteil habe verschaffen können. „Angemessen“ im Sinne des § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV könne der Sicherheitsabzug nur dann sein, wenn der sich danach ergebende Korrekturbetrag für die Berechnung der Zuweisungen im Risikostrukturausgleich exakter darstelle, als die Zugrundelegung der Daten aus dem Grundlagenbescheid vom 31.03.2014. Der Sicherheitsabzug sei nicht als angemessen zu beurteilen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 14.11.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 532.170,45 Euro zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.11.2014 zu verurteilen, die Höhe der Ausgleichsverpflichtung für Zuweisungen 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

            die Klage abzuweisen.

Sie entgegnet: Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig. Die Vornahme des Sicherheitsabzugs in Höhe von 532.170,45 Euro sei rechtmäßig auf der Grundlage von § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV erfolgt. Aus der Begründung zur Änderung des § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV ergebe sich, dass das dem BVA im Rahmen dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen pflichtgemäß auszuüben sei (vgl. Bundesratsdrucksache Nr. 446/12 vom 07.08.2012). Die von der Klägerin zum 15.06.2014 übermittelten Daten hätten erhebliche Fehler i.S.d. § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV aufgewiesen. Die von der Klägerin im September 2014 angebotene Neulieferung der Daten habe nicht mehr termingerecht erfolgen können. Eine Neulieferung der Daten zu diesem Zeitpunkt hätte die fristgerechte Bescheidung des Jahresausgleichs 2013 insgesamt gefährdet. Deshalb habe das BVA wegen der fehlerbehafteten Korrekturmeldung auf Grundlage von § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV auf Vorjahresdaten zurückgegriffen. Dies sei geschehen, indem sie für die separate Übermittlung der Zuweisungen von EMG, HMG, KEG und AUS AGG für die Klägerin die Versichertenzeiten aus dem Grundlagenbescheid 4/2013 in Ansatz gebracht und diese mit den für den Jahresausgleich 2013 ermittelten Zuschlägen multipliziert habe. § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV sehe zudem vor, dass ein angemessener Sicherheitsabzug vorzunehmen sei. Sie sei deshalb rechtlich verpflichtet gewesen, einen Sicherheitsabzug vorzunehmen. Der festgesetzte Sicherheitsabschlag in Höhe von 1,5 % sei auch angemessen. Sie habe mit Blick auf die Entwicklung der Versicherten- und Morbiditätsstrukturen (GKV-weit und bei der Klägerin) zunächst einen Sicherheitsabschlag von 3 % in Betracht gezogen und die Klägerin entsprechend angehört. Nach Sinn und Zweck des Sicherheitsabschlags solle sichergestellt werden, dass die betroffene Krankenkasse unter keinen Umständen bessergestellt werde, als wenn sie eine korrekte oder termingerechte Meldung übermittelt habe. Dies sei bei der Bemessung des Sicherheitsabzugs zu beachten gewesen. Außerdem solle der Sicherheitsabzug ausweislich der Verordnungsbegründung auch sicherstellen, dass keine unerwünschten Signale an die Krankenkassen bewirkt würden. Eine Festsetzung des Sicherheitsabschlags, die gegen Null tendiert hätte, hätte somit erkennbar gegen § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV verstoßen. Zudem habe sie berücksichtigt, dass die Klägerin nicht über Gebühr belastet werde. Die Einlassungen der Klägerin zur Entwicklung ihrer Morbiditätsstrukturen sei bei der im Ergebnis niedrigeren Festlegung des Sicherheitsabzugs berücksichtigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig.

Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keines Vorverfahrens und ist bei dem nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 SGG funktionell zuständigen Gericht erhoben worden.

Der Hauptantrag der Klägerin ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 4 SGG zulässig. Soweit die Klägerin mit Erhebung der Klage zunächst einen anderen – niedrigeren - Betrag, nämlich 517.889,54 Euro geltend gemacht hat, ist diese Änderung des Klageantrags auf Zahlung eines Betrags in Höhe von nunmehr 532.170,45 Euro gemäß § 99 Absatz 3 Nr. 2 SGG („Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache“) zulässig. Die Klägerin durfte sich wegen der insoweit für sie bestehenden Dispositionsbefugnis auch auf den Betrag von 532.170,45 Euro beschränken, obwohl der Bescheid über die Zuweisungen im Jahresausgleich 2013 vom 14.11.2014 noch einen Sicherheitsabzug in Höhe von 545.858,36 Euro enthält; dieser ist erst durch den Bescheid über den Jahresausgleich 2014 vom 16.11.2015 um 13.687,90 Euro auf den jetzt geltend gemachten Betrag korrigiert worden.

Die Klägerin hat ferner zu Recht allein den Bescheid über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds im Jahr 2013 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, denn dieser hat den zuvor ergangenen Grundlagenbescheid sowie die monatlichen Zuweisungsbescheide ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2014, Az.: B 1 KR 5/14 R, juris Rdn. 10 ff.), da es sich insoweit nur um vorläufige Regelungen handelt.

Die Klägerin ist auch klagebefugt, denn sie rügt Verletzungen sie betreffender Regelungen des einfachen Rechts (SGB V, RSAV – vgl. dazu BSG a.a.O. Rdn. 22).

Eine notwendige Beiladung anderer Krankenkassen nach § 75 Abs. 2 SGG hatte nicht zu erfolgen, weil diese an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könnte; die Korrektur ihrer Zuweisungsansprüche aus dem Jahresausgleich kann nämlich – im Falle eines endgültigen Obsiegens der Klägerin – nur aufgrund eines Korrekturbescheides in einem späteren Ausgleichsjahr erfolgen (vgl. BSG a.a.O. Rdn. 23).

Die Klage (Hauptantrag) ist indes nicht begründet.

Der Jahresausgleichsbescheid 2013 vom 14.11.2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht bei der Berechnung der Zuweisungen an die Klägerin einen Sicherheitsabzug in Höhe von 545.858,36 Euro berücksichtigt, der sich dann durch die Neuberechnung im Bescheid vom 16.11.2015 um 13.687,90 Euro auf den noch streitigen Betrag reduziert hat. Die Klägerin kann nicht die Zahlung von 532.170,45 Euro verlangen.

Die Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung eines Sicherheitsabzugs bildet § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV (in der Fassung von Art. 1 Nr. 2 Buchst c Doppelb bb 24. RSA-ÄndV vom 12.10. 2012, BGBl I 2228, in Kraft getreten am 26.10.2012). Diese Vorschrift lautet: „Werden dem Bundesversicherungsamt Daten nicht termingerecht übermittelt oder weisen sie erhebliche Fehler auf, kann das Bundesversicherungsamt die Daten insgesamt oder teilweise zurückweisen; anstelle der zurückgewiesenen Daten kann es die Vorjahresdaten zugrunde legen, hat dabei dann aber die Versichertenentwicklung und die Morbiditätsentwicklung sowie einen angemessenen Sicherheitsabzug zu berücksichtigen“.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt; die Beklagte hat zu Recht den Sicherheitsabzug in Höhe von 545.848,36 Euro bei den Zuweisungen für die Klägerin berücksichtigt.

Das BVA ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin im Rahmen der Korrekturmeldung gemäß § 30 Absatz 4 Satz 2 1. Halbsatz RSAV übermittelten Daten wegen der Verwendung des falschen Pseudonymisierungsschlüssels „erheblich fehlerhaft“ im Sinne des § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV gewesen sind; ferner hat das BVA auch zu Recht die von der Klägerin angebotene Neulieferung dieser Daten (am 08.09.2014 gegenüber dem GKV-Spitzenverband und am 07.10.2014 gegenüber dem BVA) abgelehnt, weil eine solche Nachmeldung nach dem 15.08. des betreffenden Jahres nicht mehr erfolgen darf (vergl. insoweit Senatsurteil vom 16.02.2017, Az. L 5 KR 183/16 KL). Hier hat auch die Klägerin an ihrem ursprünglichen Begehren nicht festgehalten; sie hat sich vielmehr mit der vom BVA durchgeführten Verfahrensweise zur Ersetzung der fehlerhaften Daten durch Daten aus dem Grundlagenbescheid IV/2013 vom 31.03.2014 ausdrücklich einverstanden erklärt (vergl. Schreiben der Klägerin an das BVA vom 16.10.2014). Ferner hat sie sich auch im Klageverfahren allein gegen die Berücksichtigung des Sicherheitsabzugs bei der Berechnung der Zuweisungen gewandt und Einwendungen gegen die Datengrundlage für die Berechnung der Zuweisungen nicht vorgebracht. Der Senat sieht deshalb auch keine Veranlassung, die grundsätzlich mögliche Frage zu diskutieren, ob die dem Grundlagenbescheid vom 31.03.2014 entnommenen Daten „Vorjahresdaten“ im Sinne des § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV sind.

Als (Rechts-)Folge der demnach rechtmäßig getroffenen Entscheidung, anstelle der zurückgewiesenen Daten Vorjahresdaten zugrunde zu legen, „hat (das BVA) dabei dann die Versichertenentwicklung und die Morbiditätsentwicklung sowie einen angemessenen Sicherheitsabschlag zu berücksichtigen“ (§ 30 Absatz 4 Satz 4 letzter Halbsatz RSAV). Daraus ergibt sich, dass – werden Vorjahresdaten zugrunde gelegt – kumulativ Versichertenentwicklung/Morbiditätsentwicklung und ein angemessener Sicherheits­abschlag in Ansatz zu bringen sind. Der Senat hält es zwar für zulässig, dass die Umstände „Versichertenentwicklung“ und „Morbiditätsentwicklung“ jedenfalls auch im Rahmen der Festsetzung der Höhe des Sicherheitsabzugs Berücksichtigung finden, weil diese gerade Elemente darstellen, die die Richtigkeit der zugrundegelegten Daten maßgeblich mitbestimmen (vergl. auch die Begründung zu § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV – Bundesratsdrucksache 446/12). Es mag auch in Betracht kommen, bereits die Datengrundlage selbst im Hinblick auf Versichertenentwicklung und Morbiditätsentwicklung zu korrigieren. Anders als die Klägerin meint, lassen danach aber die Hinweise der Klägerin auf eine „transparente Versichertenstruktur“ und unterbliebene „Veränderungen der Morbiditätsstruktur“ gerade nicht die Notwendigkeit eines angemessenen Sicherheitsabzugs entfallen. Neben dem klaren Wortlaut findet sich der Grund hierfür in der Tatsache, dass die Berechnung der Zuweisungen nicht auf korrekter Datengrundlage erfolgt, so dass hinsichtlich der Richtigkeit dieser Berechnung notwendigerweise immer ein Zweifel verbleiben muss. Dieser Unsicherheit ist nach dem Willen des Verordnungsgebers zwingend durch den Ansatz eines Sicherheitsabzugs Rechnung zu tragen, weil sich die Krankenkasse unter keinen Umständen besserstellen können soll als im Fall der Verwendung der korrekten Daten (vergl. Bundesratsdrucksache 446/12).

Der hier vorgenommene Sicherheitsabzug in Höhe von 1,5% (= 545.858,36 Euro) ist ausgehend von dem Gesamtbetrag der Zuschläge in Höhe von 35.844.698,75 Euro auch als angemessen zu beurteilen. Dabei kann hier letztlich dahinstehen, ob es sich dabei um einen (gerichtlich voll überprüfbaren) unbestimmten Rechtsbegriff handelt oder ob dem BVA insoweit ein (gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer) Beurteilungsspielraum (vergl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 22.10.2014, Az B 6 KA 8/14 R, Rdnr 56 <juris> mit weiteren Nachweisen) eingeräumt werden sollte. Für letzteres könnte die Begründung der Bundesratsdrucksache 446/12 sprechen: Hier (Seite 13) ist davon die Rede, dass dem BVA „auferlegt“ sei, bei der Prüfung der Angemessenheit…“nach pflichtgemäßem Ermessen vorzugehen“. Da der Begriff des Ermessens ausschließlich die Rechtsfolge einer Norm betreffen kann (vergl. z.B. BSG, Urteil vom 05.08.2015, Az B 4 AS 46/14 R Rdnr. 18 <juris> mit weiteren Nachweisen), könnte hier in Betracht kommen, dass dem BVA insoweit ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zugestanden werden soll. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil der Abzugsbetrag auch dann als „angemessen“ zu beurteilen ist, wenn man von einem gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff ausgeht: Den Ausgangspunkt für die vorzunehmende Beurteilung bildet der sich aufgrund der „Vorjahresdaten“ ergebende Betrag von 35.844.698,75 Euro, zu dem der in Ansatz zu bringende Sicherheitsabzug in Relation stehen muss; bereits geringfügige Veränderungen können Auswirkungen auf die Höhe des Zuweisungsbetrags im Umfang von einigen hunderttausend Euro haben. Auch die Klägerin hat nicht geltend gemacht, diese Faktoren seien bei ihr absolut konstant geblieben. Neben der Lebenserfahrung spricht gegen eine solche Annahme auch der Umstand, dass sich im Bereich der Risikogruppen bei der Berechnung der Zuschläge aufgrund der fehlerhaften Daten Beträge wegen des Vorhandenseins von Kassenwechslern ergeben haben. Damit sind zwangsläufig Veränderungen der Versicherten- und Morbiditätsstruktur eingetreten. Ihre Behauptung, „es seien keine Änderungen der Morbiditätsstruktur eingetreten, die ihr Vorteile im Hinblick auf die Risikogruppe HMG verschaffen könnten“, hat die Klägerin in keiner Weise näher begründet und belegt.

Berücksichtigt man ferner, dass – wie oben dargelegt – zusätzlich (kumulativ), auch bereits bei Berücksichtigung von Versichertenentwicklung und Morbiditätsstruktur ein Sicherheitsabzug zu erfolgen hat, für den das soeben zu den Auswirkungen auch nur geringfügiger Veränderungen Ausgeführte sinngemäß zu gelten hat, ergibt sich, dass der hier in Rede stehende Betrag von 1,5% oder 545.858,36 Euro sich an der unteren Grenze dessen bewegt, was als angemessen anzusehen ist.

II.

Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet. § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV räumt dem BVA nach seinem klaren Wortlaut kein Ermessen hinsichtlich des „ob“ der Berücksichtigung eines Sicherheitsabzugs ein; Ermessen besteht für das BVA nur hinsichtlich der Frage der Zurückweisung von Daten und der Verwendung der Vorjahresdaten. Dem Hilfsantrag der Klägerin kommt deshalb neben dem Hauptantrag keinerlei Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Anlass, die Revision zu zulassen, hat nicht bestanden.

Rechtskraft
Aus
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