L 5 KR 183/16 KL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 183/16 KL
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 Der Streitwert wird auf 2,5 Millionen Euro festgesetzt.

 

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt die Abänderung des Bescheides vom 12.11.2013 und die Neuberechnung der Zuweisungen im Jahresausgleich 2012 aus dem Gesundheitsfonds unter Zugrundelegung einer korrigierten Datenmeldung.

Die Klägerin meldete Individualdaten im Sinne des § 1 der Bestimmung des GKV-Spitzenverbandes nach § 267 Absatz 7 Nr. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – im Folgenden: RSA-SpiBu-Bestimmung - einschließlich der Statusmerkmale und Versicherungszeiten für das Berichtsjahr 2011 zum 15.08.2011. Innerhalb der Frist des § 4 Abs. 2 RSA-SpiBu-Bestimmung, also bis zum 15.06.2013, gab die Klägerin eine Korrekturmeldung ab und zwar u.a. für die Satzart 600 (Diagnosen der ambulanten ärztlichen Versorgung, vergl. Anlage 1.4 B. Nr.6 zu § 8 RSA-SpiBu-Bestimmung). Diese werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen erstellt (sog. TP 1 Daten) und über die Kopfstelle (Bitmarck Service) an das Rechenzentrum ITSC der Klägerin geliefert. Das Rechenzentrum verarbeitet die TP 1 Daten mit der Software ISKV. Diese unterscheidet korrekte und fehlerhafte verarbeitete Datensätze. Die korrekt verarbeiteten Daten werden für die Ermittlung der Satzart 600 im ISKV vorgehalten. Die als fehlerhaft beurteilten Daten werden durch eine weitere Software (Morbi DC der Firma Gadiv) überarbeitet und - nach Korrektur - in das System ISKV übertragen. Diese Korrektur fehlerhafter Datensätze erbrachte für das Jahr 2011 – vor der Korrekturmeldung zum 15.06.2013 – ca. 202.739 Diagnosen, die zusätzlich zu den bereits korrekt verarbeiteten Datensätzen zu berücksichtigen gewesen wären. Im Zusammenhang mit einem Softwareupdate für das Programm Morbi DC unterblieb die Meldung dieser 202.739 Datensätze; gemeldet wurden lediglich 31.624 Diagnosen mit Datensätzen. Aufbauend auf dieser Datenlage erfolgte die Erstellung der Korrekturmeldung der Satzart 600 vom 31.05.2013 an den GKV-Spitzenverband. Erst im Rahmen einer Prüfung am 30.08.2013 erkannte die Klägerin, dass die Anzahl der Diagnosen zwischen Erst- und Korrekturmeldung erheblich niedriger war. Die Fehlersuche dauerte aufgrund der Komplexität der Daten und des Verarbeitungsverfahrens bis zum 06.09.2013. Am 12.09.2013 bat die Klägerin den GKV-Spitzenverband um die Gewährung der Möglichkeit der Neumeldung der Datensätze der Satzart 600 für das Berichtsjahr 2011; dieser leitete die Anfrage an die Beklagte weiter (Eingang am 19.09.2013). Die Beklagte lehnte das Begehren der Klägerin ab (Schreiben vom 20.09.2013, 22.10.2013 und 15.01.2014). Durch den Bescheid vom 15.11.2013 über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (Risikostrukturausgleich im Jahresausgleich 2012 und den Ausgleichsbetrag für Zuweisungen 2012 [= Teil 1], den Korrekturbetrag für Zuweisungen 2011 [= Teil 2], den Gesamtsausgleichsanspruch/die Gesamtausgleichsverpflichtung 2012 [= Teil 3]) berechnete die Beklagte die Zuweisungen für die Klägerin aus dem Gesundheitsfonds – auf der Grundlage der ihr bereits (fristgerecht zum 15.06.2013) übermittelten Daten.

Dagegen hat die Klägerin am 11.12.2013 Klage vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) erhoben (Az.: L 5 KR 781/13 KL). Bereits am 02.11.2012 hatte die Klägerin Klage gegen den Grundlagenbescheid der Beklagten III/2012 vom 20.09.2012 erhoben (LSG NRW, Az. L 5 KR 675/12 KL). Dieses Verfahren war durch Beschluss vom 29.01.2014 zum Ruhen gebracht worden. Nachdem der Klägerin der Hinweis erteilt worden war, dass der Bescheid vom 15.11.2013 Gegenstand des ruhenden Verfahrens L 5 KR 675/13 KL geworden ist, hat die Klägerin das Streitverfahren L 5 KR 781/13 KL durch Klagerücknahme beendet. Das Verfahren L 5 KR 675/12 KL ist unter dem Az. L 5 KR 183/16 KL fortgeführt worden.

Zur Begründung der Klage macht die Klägerin geltend: Ihr müsse die Möglichkeit der Korrektur der Korrekturmeldung unabhängig von den nach dem SGB V, der Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich (RSAV) und der RSA-SpiBu-Bestimmung geltenden Fristen eingeräumt werden, weil nur dann das mit dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) vom Gesetzgeber verfolgte Ziel erreicht bzw. effektiv verfolgt werden könne. Es handele sich bei dem IT-Versehen um einen mit einem Rechenfehler vergleichbaren Fall, der ähnlich wie nach den Vorschriften der §§ 38 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), 139 Sozialgerichtsgesetz (SGG) korrigiert werden dürfe. § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV verbiete es der Beklagten nicht, Rechenfehler, die ihr nach Ablauf der Frist gemäß § 4 Abs. 2 RSA-SpiBu-Bestimmung mitgeteilt würden, bei der Berechnung der Zuweisungen zu berücksichtigen. Es handele sich nicht um eine abschließende Regelung dergestalt, dass anderweitige Fehlerkorrekturen ausgeschlossen seien. § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV ziele vielmehr auf eine möglichst realitätsnahe Datenerhebung. Es sei unstreitig, dass die Beklagte die Rechtsmacht gehabt habe, Zuweisungen auch nach Ablauf des 15.11.2013 zu korrigieren. Sie habe selbst bestätigt, dass bei nicht plausiblen Meldungen durchaus Korrekturen auch nach Ablauf der Fristen zum 31.05. bis 15.06. noch möglich seien. Außerdem habe die Beklagte sowohl vorgerichtlich als auch im gerichtlichen Verfahren die für die Anwendung der Norm des § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV erforderliche Ermessensausübung nicht vorgenommen.

Die Klägerin beantragt,

                        den Bescheid vom 15.11.2013 abzuändern und die Beklagte zu

                        verurteilen, den Jahresausgleich 2012 unter Berücksichtigung

                        der korrigierten Datenmeldung gemäß Anfrage an den GKV-

                        Spitzenverband vom 12.09.2013 neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

                        die Klage abzuweisen.

Sie entgegnet: Der streitgegenständliche Jahresausgleich 2012 sei im November 2013 rechtmäßig durchgeführt worden. Datengrundlage seien die Daten nach § 30 RSAV gewesen, wobei für die Durchführung des Jahresausgleichs stets die Meldungen zweier Jahre zugrundegelegt würden. Dies seien zum einen die Vorjahresdaten (2011) aus der Korrekturmeldung nach § 30 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz RSAV zur Ermittlung der Risikomerkmale: Als direkte Morbiditätsmerkmale Diagnosen und Arzneimittelkennzeichen, als demographische Merkmale Alter und Geschlecht der Versicherten sowie die Zugehörigkeit zu weiteren Risikogruppen wie Erwerbsminderungsrentner, Auslandsversicherte oder Kostenerstatter. Zum anderen würden die Daten des Ausgleichsjahres 2012 aus der Erstmeldung zur Ermittlung der Versichertenzeiten und der Ausgaben für jeden Versicherten zugrundegelegt. Hintergrund hierfür sei das in § 30 Abs. 1 Satz 2 RSAV vorgegebene prospektive Berechnungsverfahren im Morbi-RSA. Nach § 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1.4 A.2. RSA-SpiBu-Bestimmung übermittelten die Krankenkassen für die Korrekturmeldung nach § 30 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz RSAV die entsprechenden Satzarten bis zum 31. Mai des auf das erstmalige Meldejahr folgenden Jahres an den GKV-Spitzenverband. Nach Plausibilitätsprüfungen und gegebenenfalls nach Bereinigung übermittle der GKV-Spitzenverband diese Daten spätestens bis zum 15. Juni des auf das erstmalige Meldejahr folgenden Jahres (oder anders ausgedrückt des zweiten auf das Berichtsjahr folgenden Jahres) an das Bundesversicherungsamt. Eine streitgegenständliche Korrekturmeldung der Satzart 600 für das Berichtsjahr 2011 sei demnach bis zum 31.05.2013 an den GKV-Spitzenverband und bis zum 15.06.2013 von diesem an das Bundesversicherungsamt zu übermitteln gewesen. Die Datenmeldung seitens der Klägerin seien auch termingerecht erfolgt; sie habe keine erheblichen Fehler aufgewiesen. Entsprechend dem üblichen Verfahren seien den Kassen bzw. deren Vertretern nach Übermittlung der Daten vom GKV-Spitzenverband die von diesem ermittelten Kennzahlen zeitnah zurückgespielt worden. (Auch) dabei seien keine Unplausibilitäten aufgefallen. Die beim Bundesversicherungsamt durchgeführten Plausibilitätsprüfungen hätten keine gravierenden Abweichungen ergeben. Schwankungen zu vorangegangenen Erstmeldungen in einer Größenordnung von ca. 1 % seien grundsätzlich nicht selten, so dass davon auszugehen sei, dass die vom Bundesversicherungsamt verwendete – unvollständige - Datenmeldung der Klägerin weitgehend fehlerfrei gewesen sei (vgl. § 30 Abs. 4 Satz 4 RSAV). Deshalb sei der angegriffene Jahresausgleichsbescheid 2012 auf einer rechtmäßigen Datengrundlage ergangen. Die Nichtannahme der Neumeldung der Satzart 600 für das Jahr 2011 sei im Einklang mit den maßgeblichen Regelungen der RSAV i.V.m. der RSA-SpiBu-Bestimmung erfolgt, da die nachträgliche Korrektur einer Korrekturmeldung i.S. einer Austauschmeldung im RSA-Verfahren nicht vorgesehen sei. Die Neumeldung zum 12.09.2013 sei gemäß § 30 Abs. 4 Satz 4 1. Alternative RSAV nicht termingerecht gewesen und sei deshalb zurückzuweisen gewesen, denn sie sei weit nach den in § 30 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz RSAV sowie § 4 Abs. 2 Bestimmung GKV-Spitzenverband genannten Lieferterminen erfolgt. Das rechtliche Konstrukt eines fehlerhaften Korrekturverfahrens mit verbindlichen Ausschlussfristen zur Datenlieferung sei rechtmäßig (LSG NRW, Urteil vom 06.06.2013, L 16 KR 24/09 KL; Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 20.05.2014, Az.: B 1 KR 5/14 R).

Die Nichtannahme der von der Klägerin begehrten Datenneumeldung verstoße auch nicht gegen § 266 Abs. 6 Satz 6 SGB V. Korrekturen nach dieser Vorschrift könnten nämlich nur „nach den dafür geltenden Vorschriften“ erfolgen. Die Korrekturmöglichkeit des Jahresausgleichs nach den Vorgaben des Morbi-RSA sei mit der Einführung des § 30 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz RSAV geschaffen worden. Mit der Änderung des § 41 Abs. 5 RSAV sei das Korrekturverfahren noch einmal deklaratorisch in der Verordnung festgeschrieben worden. Dieses Korrekturverfahren sehe dabei bewusst lediglich die Korrektur fehlerhaft gemeldeter Versichertenzeiten vor. Insbesondere aus § 30 Abs. 4 Satz 4 2. Alternative RSAV könne die Klägerin keinen Anspruch auf nachträgliche Annahme einer Neumeldung der korrigierten Satzart 600 geltend machen. Nach dieser Vorschrift sei das Bundesversicherungsamt nunmehr berechtigt, fehlerhafte oder nicht termingerecht übermittelte Daten insgesamt bzw. im fehlerhaften Umfang zurückzuweisen und damit bei der Ermittlung der Risikozuschläge bzw. der Risikomerkmale nach § 29 RSAV nicht zu berücksichtigen. Anstelle der zurückgewiesenen Daten könne das Bundesversicherungsamt bei der Ermittlung der Zu- und Abschläge die Vorjahresdaten unter Berücksichtigung der Versicherten und Morbiditätsentwicklung sowie eines angemessenen Sicherheitsabzuges zugrundelegen. Letzteres um sicherzustellen, dass sich die betroffene Kasse unter keinen Umständen besser stehe als wenn sie korrekt und termingerecht übermittelt hätte. Die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen hinsichtlich der in Rede stehenden Datenzurückweisung pflichtgemäß ausgeübt. Die Datenmeldung der Satzart 600 sei termingerecht gewesen und nicht erheblich fehlerhaft. Fehlende Datensätze in Höhe von ca. 1,1 % der Gesamtdatenmenge bewirkten nicht, dass die gesamte Datenmenge als fehlerhaft anzusehen sei. Auch könne die Höhe des Schadens, den die Klägerin mit 4,2 Millionen Euro angebe, für sich genommen kein Indikator für die Erheblichkeit des Fehlers der Datengrundlage darstellen. Es sei darauf hinzuweisen, dass bei einer Anwendung des § 30 Abs. 4 Satz 4 2. Alternative RSAV, also bei einer Zurückweisung der von der Klägerin termingerecht übermittelten Datenmeldung und einer Zugrundelegung der im Jahresausgleich 2011 verwendeten Daten wegen des vorzunehmenden Sicherheitsabzugs von einem sehr viel schlechteren Ergebnis auszugehen sei als wenn die von der Klägerin vorgelegte termingerechte Datenmeldung berücksichtigt würde. Überdies sei eine Neuberechnung des Jahresausgleichs 2012 unter Berücksichtigung der von der Klägerin verspätet vorgelegten Datensätze wegen des immensen Aufwands auch rein tatsächlich nicht möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Streitakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG keines Vorverfahrens und ist bei dem nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 SGG funktionell zuständigen Gericht erhoben worden. Die Klägerin durfte ihre mit dem Aufhebungsantrag verbundene und letztlich auf höhere Zuweisungen für Leistungsausgaben zielende Verpflichtungsklage (vgl. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 Rdn. 16 [unter Hinweis auf § 54 Abs. 4 SGG]) auf die Verpflichtung zur Neubescheidung beschränken. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat die Beklagte durch das BVA zwar eine gebundene Entscheidung getroffen, denn die Höhe der Zuweisungen steht nicht im Ermessen der Beklagten, der Klägerin ist jedoch eine Konkretisierung der von ihr beanspruchten Zuweisungshöhe gegenwärtig nicht möglich, weil die Auswirkungen der von ihr begehrten Neuberechnung ausgehend von den der Anfrage vom 12.09.2013 an den GKV-Spitzenverband zugrunde liegenden Datensätzen von ihr nicht exakt zu beziffern sind (vgl. insoweit auch LSG NRW, Urteile vom 22.12.2012 – L 16 KR 88/09 KL und L 16 KR 647/10 KL und vom 06.06.2013 L 16 KR 24/09 KL).

Die Klägerin hat zu Recht allein den Bescheid über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds im Jahr 2012 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, denn dieser hat den zuvor ergangenen Grundlagenbescheid vom 20.09.2012 sowie die monatlichen Zuweisungsbescheide ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2014, Az.: B 1 KR 5/14 R, juris Rdn. 10 ff.), da es sich insoweit nur um vorläufige Regelungen handelt.

Die Klage richtet sich ferner auch deshalb zu Recht (nur) gegen den Jahresausgleichsbescheid 2012 vom 15.11.2013 weil den Schreiben der Beklagten vom 20.09.2013, 22.10.2013 und 15.01.2014 nicht die Qualität eines Verwaltungakts zukommt. Es sollte erkennbar keine verbindliche und endgültige Regelung erfolgen, denn es handelte sich bei dem Gegenstand der Schreiben nur um eine Vorfrage, die (inzidenter) erst durch den Jahresausgleichsbescheid 2012 entschieden worden ist.

Die Klägerin darf sich auf eine kombinierte Teilanfechtung und Verpflichtung hinsichtlich der Gesamtzuweisung 2013 beschränken. Die Klägerin greift zulässig die Zuweisungsverfügung nur hinsichtlich des Teilbetrages an, der – im Ergebnis – darauf beruht, dass die Beklagte bei der Berechnung der Zuweisungen nicht die ihr am 12.09.2013 zur Übermittlung angebotenen weiteren Datensätze der Satzart 600 berücksichtigt hat, sondern lediglich die von der Klägerin fristgerecht zum 15.06.2013 übermittelten Daten.

Die Klägerin ist auch klagebefugt, denn sie rügt Verletzungen sie betreffender Regelungen des einfachen Rechts (SGB V, RSAV – vgl. dazu BSG a.a.O. Rdn. 22).

Eine notwendige Beiladung anderer Krankenkassen nach § 75 Abs. 2 SGG hatte nicht zu erfolgen, weil diese an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könnte; die Korrektur ihrer Zuweisungsansprüche aus dem Jahresausgleich kann nämlich – im Falle eines endgültigen Obsiegens der Klägerin – nur aufgrund eines Korrekturbescheides in einem späteren Ausgleichsjahr erfolgen (vgl. BSG a.a.O. Rdn. 23).

Die Klage ist indes nicht begründet.

Der Jahresausgleichsbescheid 2012 vom 15.11.2013 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht der Berechnung der Zuweisungen die von der Klägerin über den GKV-Spitzenverband zum 15.06.2013 übermittelten Daten der Satzart 600 zugrunde gelegt und damit – zugleich – eine Berechnung auf der Grundlage der Anfrage an den GKV-Spitzenverband vom 12.09.2013 der Beklagten zur Übermittlung angebotenen Daten abgelehnt.

Die Durchführung des Jahresausgleichs 2012 beruht auf den von den Krankenkassen dem BVA nach Maßgabe des § 30 RSAV zu übermittelnden Daten, u.a. auch den – hier streitgegenständlichen – „Diagnosen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nr.2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie die Angaben nach § 295 Absatz 1 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch“ (§ 30 Absatz 1 Satz 1 Nr.6 RSAV). „Die nach § 30 Absatz 1 erhobenen und pseudonymisierten Daten sind bis zum 15. August des dem Berichtsjahr folgenden Jahres nach Maßgabe des § 3 Absatz 4 dem Bundesversicherungsamt zu übermitteln“ (§ 30 Absatz 4 Satz 1 RSAV).  Gemäß § 30 Absatz 4 Satz 2 RSAV werden „die Datenmeldungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 6 sowie 8, 9 und 11 bis zum 15. August des zweiten auf das Berichtsjahr folgenden Jahres…durch eine neue Meldung korrigiert“. Nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Bestimmung GKV-Spitzenverband erfolgt die Korrekturmeldung gemäß § 30 Absatz 4 Satz 2 RSAV bis zum 15. Juni des zweiten auf das Berichtsjahr folgenden Jahres an das BVA. Demgemäß war die Korrekturmeldung der hier streitgegenständlichen Diagnosen der ambulanten ärztlichen Versorgung (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 RSAV) aus dem Jahr 2011 dem BVA bis zum 15.06.2013 zu übermitteln.

Diese wirksam und verbindlich gesetzte Frist (1.) hat die Klägerin versäumt, als sie die Anfrage am 12.09.2013 an den Spitzenverband Bund der GKV richtete, weitere rund 200.000 Daten der Satzart 600 übermitteln zu wollen. Dieses Begehren findet auch in § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV keine Stütze (2.). Ebenso wenig eröffnen Sinn und Zweck des Morbi-RSA oder § 266 Absatz 6 Satz 6 SGB V für die Klägerin die Möglichkeit, eine Korrektur der Korrekturmeldung der Daten im Sinne von § 30 Absatz 1 Satz 1 Nr.6 RSAV nach dem Verstreichen des Stichtags 15.06.2013 vorzunehmen (3.). Schließlich vermag die Klägerin ihr Begehren auf eine derartige Korrektur auch nicht mit Erfolg auf eine entsprechende Anwendung der für die Berichtigung offensichtlicher Fehler in Veraltungsakten oder Urteilen geltenden Vorschriften zu stützen (4.).   

1. Das BSG hat bereits entschieden (vergl. Urteil vom 20.05.2014, Az. B 1 KR 5/14 R, Rdnrn. 53ff <juris>), dass § 30 Absatz 4 Satz 2 RSAV den Krankenkassen keinen Anspruch auf Korrekturmeldungen bis einschliesslich zum 15. August des dem Berichtsjahr folgenden zweiten Jahres           gewährt, sondern nur einen äußersten zeitlichen Endpunkt für Datenberichtigungen setzt; maßgeblich ist vielmehr die zulässig vom GKV-Spitzenverband in § 4 Absatz 2 RSA-SpiBu-Bestimmung gesetzte Frist (15.06.; vergl BSG aaO). Ohnehin hatte die Klägerin hier, als sie sich am 12.09.2013 an den GKV-Spitzenverband mit dem Ansinnen wandte, weitere Datensätze übermitteln zu wollen, bereits beide Fristen versäumt. Die Vorschriften des § 30 Absatz 4 Satz 2 RSAV und des § 4 Absatz 2 RSA-SpiBu-Bestimmung räumen der Beklagten auch nicht die Möglichkeit ein, im Rahmen einer Ermessensentscheidung verspätet gelieferte Daten gleichwohl beim Jahresausgleich mit der Rechtsfolge einer höheren Zuweisung zu berücksichtigen; vielmehr ist die Frist (15.06.) verbindlich (BSG Urteil vom 20.05.2014 aaO).

2. Die Klägerin vermag ihr Begehren auch nicht mit Erfolg auf § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV (in der Fassung von Art. 1 Nr. 2 Buchst c Doppelb bb 24. RSA-ÄndV vom 12.10. 2012, BGBl I 2228, in Kraft getreten am 26.10.2012) zu stützen. Diese Vorschrift lautet: „Werden dem Bundesversicherungsamt Daten nicht termingerecht übermittelt oder weisen sie erhebliche Fehler auf, kann das Bundesversicherungsamt die Daten insgesamt oder teilweise zurückweisen; anstelle der zurückgewiesenen Daten kann es die Vorjahresdaten zugrunde legen, hat dabei dann aber die Versichertenentwicklung und die Morbiditätsentwicklung sowie einen angemessenen Sicherheitsabzug zu berücksichtigen“.

Die Voraussetzungen dieser Norm sind zunächst hinsichtlich der von der Klägerin zum 15.06.2013 gelieferten Daten der Satzart 600 nicht erfüllt, denn diese Datenmeldung erfolgte fristgerecht; ferner sind diese Daten auch nicht als erheblich fehlerhaft im Sinne des § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV zu beurteilen, obwohl sie – objektiv betrachtet wegen der fehlenden rund 200.000 Datensätze – unvollständig gewesen sind. Von einer Fehlerhaftigkeit in diesem Sinn kann nur ausgegangen werden, wenn sich diese im Rahmen der vorgesehenen (Plausibilitäts-)Prüfungen oder aufgrund sonstiger Anhaltspunkte spätestens bis zum Zeitpunkt der Übernahme der betreffenden Daten in das Berechnungssystem des Morbi-RSA durch das BVA ergeben hätte.  Ein späterer Zeitpunkt kann für die Beurteilung der Frage, ob Daten „fehlerhaft“ sind, nicht maßgeblich sein, weil wegen der Verwendung der – geprüften – Daten im Rahmen des Berechnungsverfahrens eine Zurückweisung durch das BVA gar nicht mehr möglich ist. Nach Auffassung des Senats markiert der in § 30 Absatz 4 Satz 2 RSAV genannte Zeitpunkt („15.08. des zweiten auf das Berichtsjahr folgenden Jahres“) die äußerste zeitliche Grenze, auf die für die Beurteilung der Frage der erheblichen Fehlerhaftigkeit einer Datenlieferung abgestellt werden kann.  Dem BVA verbleibt für die Überprüfung der über den GKV-Spitzenverband gelieferten Daten der Zeitraum vom 15.06. des betreffenden Jahres (Frist des § 4 Absatz 2 der RSA-SpiBu-Bestimmung) bis zu dem die äußerste zeitliche Grenze markierenden Frist des § 30 Absatz 4 Satz 2 RSAV. Soweit – wie hier – in dieser Zeitspanne eine Fehlerhaftigkeit nicht auffällt – ist von einer korrekten Datenlieferung auszugehen. Ob möglicherweise etwas Anderes gilt, wenn Datenlieferungen gravierende Mängel aufweisen, die aufgrund schwerwiegender Versäumnisse des BVA unentdeckt bleiben, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Anzahl der hier nicht gemeldeten Datensätze im Hinblick auf den Umfang der insgesamt übermittelten Daten und deren Schwankungsbreite nicht auffällig war. Auch die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass die Unvollständigkeit der dem BVA übermittelten Daten dort ohne weiteres hätte bemerkt werden müssen. Ohnehin stellte sich dann auch die Frage, warum denn dann der Klägerin als der für die Datenlieferung umfassend verantwortlichen Krankenkasse dieser Umstand nicht aufgefallen ist.

Die Klägerin kann ferner auch nicht im Hinblick auf die von ihr am 12.09.2013 zur Übermittlung angebotenen Daten der Satzart 600 gestützt auf § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV beanspruchen, dass das BVA diese Daten der Berechnung der Zuweisungen aus dem Morbi-RSA zugrunde legt oder aber zumindest eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Zurückweisung dieser Daten trifft. Obgleich diese (in Kombination mit den bereits zuvor zum 15.06.2013 gelieferten Daten der Satzart 600) korrekten, mithin schon objektiv nicht fehlerhaften Datensätze formal verspätet, weil außerhalb der Frist des § 4 Absatz 2 Bestimmung (15.06.2013) übermittelt wurden, konnte das BVA rechtmäßig nur die Entscheidung treffen, diese Daten zurückzuweisen. Der Senat hat bereits oben dargelegt, dass die Prüfung der von den Krankenkassen gelieferten Daten während des Zeitraums vom 15.06. – 15.08. des jeweiligen Jahres erfolgt und dass hinsichtlich der Frage, ob sich Daten als fehlerhaft im Sinne des § 30 Absatz 4 Satz 4 RSAV darstellen, danach beurteilt, ob die Fehlerhaftigkeit bis spätestens 15.08. des jeweiligen Jahres zu Tage getreten ist. Hieran anknüpfend sind Daten nur dann „nicht termingerecht“ im Sinne dieser Vorschrift übermittelt – mit der Folge der Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Norm – wenn die betreffenden Daten dem BVA bis spätestens 15.08. über den GKV-Spitzenverband übermittelt worden sind. Soweit Daten später übermittelt werden, scheidet eine Annahme dieser Daten durch das BVA von vornherein aus. Der 15.08. des jeweiligen Jahres markiert die äußerste zeitliche Grenze für die Übermittlung von Daten (BSG Urteil vom 20.05.2014 aaO); diese Frist, die gewährleisten soll, dass die dem BVA übermittelten Daten auch tatsächlich bis Ende des Jahres im Rahmen der Erstellung des Jahresausgleichsbescheids tatsächlich verarbeitet werden können, verlöre vollständig ihre Bedeutung, ließe man die Nachlieferung/Korrektur von Daten ohne zeitliche Schranke – etwa bis zum Erlass des Jahresausgleichsbescheids - zu. Es liegt jedoch auf der Hand, dass gerade diese Frist die Funktionsfähigkeit der Durchführung des Morbi-RSA gewährleisten soll, weil der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass nur dann, wenn der erwähnte äußerste zeitliche Rahmen eingehalten wird, das BVA seine gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen vermag.

3.  Gegen dieses Ergebnis kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass nach Sinn und Zweck des Morbi-RSA, der auch in § 266 Absatz 6 Satz 6 SGB V zum Ausdruck komme, die Durchführung des Jahresausgleichs stets auf der materiell zutreffenden Datengrundlage erfolgen solle, weshalb ihr auch die Möglichkeit zur Korrektur ihrer unvollständigen Korrekturmeldung (unabhängig von Fristen) eingeräumt werden müsse. § 266 Absatz 6 Satz 6 SGB V sieht als Rechtsfolge vor, dass das BVA sachliche und rechnerische Fehler bei der Ermittlung der Werte nach Satz 3 der Vorschrift bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen hat. Zunächst ist festzuhalten, dass diese Vorschrift keine Korrektur der Werte nach § 266 Absatz 6 Satz 3 SGB V in der Weise vorsieht, dass die bereits abgeschlossene Ermittlung dieser Werte berichtigt wird. Vielmehr erfolgt die Korrektur bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen und zwar „nach den dafür geltenden Vorschriften“.  Somit verdeutlicht (auch) diese Vorschrift – neben den bereits oben dargestellten Vorschriften der RSAV und der RSA-SpiBu-Bestimmung – dass zwar die Durchführung des Morbi-RSA einerseits auf einer (möglichst) zutreffenden Datengrundlage erfolgen soll, dass aber andererseits für die Lieferung dieser Daten verbindliche Fristen gelten müssen, weil ansonsten – was auf der Hand liegt - die Durchführung des RSA nicht zu bewerkstelligen wäre. Die Argumentation der Klägerin würde eine Neuberechnung der Zuweisungen auch dann erzwingen, wenn die Fehlerhaftigkeit von Daten zu noch späteren Zeitpunkten (als der vorliegenden Fallgestaltung) auffiele und beinhaltete auch keine Begrenzung hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit. Dies hätte angesichts der Vielzahl der am RSA teilnehmenden Krankenkassen, der sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten des Auftretens von Fehlern in den übermittelten Daten sowie der insgesamt vom BVA zu verarbeitenden Datenmengen den sicheren Kollaps des Systems zur Folge.

4. Keiner weiteren Darlegung bedarf, dass eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Berichtigung offensichtlicher Fehler (den hier in Rede stehenden vermochte selbst die Klägerin erst nach Monaten und tagelangen Nachforschungen aufzudecken!) in Verwaltungakten und Urteilen angesichts der hier gegebenen ganz anderen Sachlage, die zudem durch spezielle Normen geregelt ist, mehr als fernliegend ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1,

§ 161 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m.

§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 4 sowie § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 GKG.

 

Rechtskraft
Aus
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