1. Für ein äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffs des SGB VII ist kein besonderes Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern oder auch gewollte körpereigene Bewegungen wie Heben oder Schieben genügen, wenn diese zu einem ungewollten Ergebnis, nämlich einer körperlichen Verletzung führen (Anschluss an: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. März 2023, Aktenzeichen L 6 U 49/21, Rn 32f.).
2. Für das Vorliegen einer „Gelegenheitsursache“ ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Anschluss an: Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, Rn 15). Eine Gelegenheitsursache ist daher zu verneinen, wenn der Eintritt einer körperlichen Verletzung durch eine besondere berufliche Kraftanstrengung hervorgerufen wird. Dieses gilt auch dann, wenn bei dem Versicherten erhebliche anlagebedingte Vorschäden vorliegen, die bei einer normalen Kraftanstrengung jedoch nicht zur gleichen Zeit zu der tatsächlich eingetretenen Verletzung geführt hätten (hier: Arbeitsunfall bejaht beim Versuch des Anschiebens eines 2,5 mal 2,5 Meter großen Drehtisches mit 1.500 bis 2.000 Kilogramm Gewicht und hierdurch verursachter Patellaluxation).
- Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 20. März 2022 um einen Arbeitsunfall handelt.
- Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 20. März 2022 als Arbeitsunfall.
Der am XX. XX 1987 geborene Kläger ist gelernter Verpackungsmittelmechaniker und arbeitet seit dem Jahr 2010 bei einer Verpackungsfirma in der Produktion.
Der Kläger wollte am 20. März 2022 gegen 22:00 Uhr zusammen mit zwei Arbeitskollegen einen etwa 2,50 Meter x 2,50 Meter großen Drehtisch der aus seiner Schiene gesprungen war wieder in diese zurückdrücken. Beim frontalen Ausüben von Druck auf den Drehtisch verspürte er ein Knacken und einen plötzlich starken Schmerz im linken Kniegelenk und kam zu Fall. Er wurde mit dem Rettungswagen in das örtliche Krankenhaus E gebracht, wo die Diagnose einer Patellaluxation links gestellt wurde, wobei sich die Kniescheibe in der Zwischenzeit wieder reponiert hatte. Ein am 31. März 2022 durchgeführtes MRT ergab den Befund einer Ruptur des Haltebandes der Kniescheibe, einen ausgeprägten Gelenkerguss mit Binnenechos, für eine Patellaluxation typische Kontusionsmarken des lateralen Femurkondylus und der zentralen Patella, den Verdacht einer Knorpelaussprengung zentral in der Patella, eine deutliche Patelladysplasie (Jägerhut-Halbmondform) mit fehlender medialer Patellafacette, eine Dysplasie des Gleitlagers Typ 5 nach Hepp mit pathologischem Sulkuswinkel nach Brattström, einen Patellahochstand von 1,5 nach Insall-Salvati. Die Kreuz-und Seitenbänder sowie die Menisken waren intakt. Am 24. Mai 2022 erfolgte eine Kniegelenksoperation links zur Anbringung eines Ersatzes des medialen Haltebandes der Kniescheibe. Seit dem 15. Juli 2022 ist der Kläger bei Fortbestehen von Restbeschwerden im Bereich des Kniegelenks wieder arbeitsfähig.
Bereits mit Bescheid vom 4. April 2022 hatte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20. März 2022 als Arbeitsunfall abgelehnt. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Die Kniescheibenluxation sei anlässlich einer willentlichen Kraftanstrengung des Klägers zu Tage getreten. Es fehle daher im Sinne der Definition des Unfallbegriffes an einer plötzlichen äußeren Einwirkung im Sinne eines äußeren Ereignisses. Den Widerspruch des Klägers gegen die vorgenannte Entscheidung wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 26. August 2022 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 23. September 2022 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass für die Bejahung eines äußeres Ereignisses keine sichtbare Kraft auf ihn habe einwirken müssen. Es reiche nach dem Dritten Newton’schen Gesetz die Kraft, die sich durch das Gewicht der zu bewegenden Maschine seiner Schubkraft im Sinne einer Wechselwirkungskraft entgegensetze. Die willentliche berufliche Kraftanstrengung sei wesentliche Ursache dafür, dass es zu der Patellaluxation gekommen sei. Er habe zuvor keine Kniebeschwerden gehabt. Sein Kniegelenk sei insbesondere nicht so vorgeschädigt gewesen, dass anzunehmen sei, dass eine gleichartige Verletzung etwa zur gleichen Zeit bei jeder alltäglichen Tätigkeit eingetreten wäre.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 20. März 2022 um einen Arbeitsunfall handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat zur weiteren Sachverhaltsaufklärung die bildgebenden Befunde und Befundunterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen sowie die Erstellung eines Gutachten auf dem orthopädisch – unfallchirurgischen Fachgebiet durch den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 8. Juni 2023 festgestellt, dass bei dem Kläger eine mit einer MPLF-Plastik versorgte habituelle Patellaluxation bestehe. Als Vorschäden hätten bei diesem eine erhebliche Fehlform der Patella, einer erhebliche Fehlform des Patellagleitlagers, ein Patellahochstand, ein pathologischer Sulkuswinkel nach Brattström sowie eine Valgusstellung des Kniegelenks bestanden. All diese Faktoren stellten erhebliche luxationsfördernde anlangebedingte Veränderungen dar. Bei dem Kläger sei es ohne den Einfluss von Störfaktoren wie einer Verdrehung des Kniegelenks durch eine starke Muskelkontraktion bei der Kraftanstrengung zum Wiedereinklinken des Drehtisches bei den vorgenannten erheblichen anlagebedingten Faktoren zur Patellaluxation gekommen. Er werte diese daher als habituell und nicht als traumatisch bedingt.
Mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. September 2023 hat der Gutachter Dr. H ausgeführt, dass bei dem geschilderte Hergang des Ausübens von Druck auf ein schweres Maschinensegment sicherlich von einer nicht alltäglichen Kraftanstrengung der Beinmuskulatur auszugehen sei. Er habe die Kraftanstrengung dennoch nicht als wesentlich angesehen, da eine vergleichbare Kraftanstrengung im Alltag beim Kläger sicher auch zu einer Patellaluxation geführt hätte, während Personen ohne die Risikofaktoren im Kniegelenksbereich keine Patellaluxation erlitten hätten. Alltäglich Kraftanstrengungen hätten bei dem Kläger keine Patellaluxation bedingt, da diese bei dem zum Zeitpunkt des Unfallereignisses 34-jährigen Kläger bereits früher aufgetreten wären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, wird auf das Protokoll des Verhandlungstermins vom 20. Februar 2024, die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger hat die Klage in zulässiger Weise als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne der §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG erhoben, da ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Arbeitsunfall nicht gegeben ist, dessen Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne der vorgenannten Normen klären lassen kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. Juni 2023, Aktenzeichen B 2 U 19/21 R, Rn 7 m.w.N., Rechtsprechung hier und folgend zitiert nach JURIS).
II.
1.
Die Klage ist begründet. Die Beklagte hat es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 4. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 zu Unrecht abgelehnt, das Ereignis vom 20. März 2022 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Diese Entscheidung verletzt ihn in seinen subjektiven Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 SGG), so dass sie aufzuheben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, wie im Tenor erfolgt, durch die Kammer festzustellen ist.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben und sie deshalb Versicherte sind. Die Verrichtung zur Zeit des Unfalls muss der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss dadurch einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rn 8).
Zur Herstellung des Zurechnungszusammenhangs ist eine kausale Verknüpfung des Unfalls beziehungsweise seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre erforderlich, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, vgl. Bundesozialgericht, Aktenzeichen B 2 U 1/05 R, Urteil vom 9. Mai 2006, Rn 13f.). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache beziehungsweise das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen und damit keine Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Januar 2007, B 2 U 8/06 R, Rn 20).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung stellt auf den Einzelfall ab, was aber nicht bedeutet, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Denn die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist, und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht, z. B. nicht bei einem Treppensturz und anschließendem Beinbruch ohne erkennbare Besonderheiten. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden. Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O., Rn 17 f.).
Im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung ist jeder Versicherte grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Eingebunden sind alle im Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten ("Vorschäden"), Anlagen, konstitutionell oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen. Eine bloße Schadensanlage/ Krankheitsanlage darf als allein wesentliche Ursache nur dann gewertet werden, wenn sie so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung des akuten Krankheitsbildes keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung aus der versicherten Tätigkeit bedurfte, sondern der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkung durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere entstanden wäre. Der Krankheitsanlage muss also eine überragende Bedeutung zukommen. Ein mitwirkender Faktor (das Unfallereignis) ist deshalb dann rechtlich unwesentlich (lediglich „Gelegenheitsursache“), wenn er von der Krankheitsanlage ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Für das Vorliegen einer „Gelegenheitsursache“ ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, Rn 15; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2023, Aktenzeichen L 3 U 865/22, Rn 51 m.w.N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2012, Aktenzeichen B 2 U 2/11 R, Rn 17).
Dieses zu Grunde gelegt, hat der Kläger am 20. März 2022 einen Arbeitsunfall erlitten. Er hat bei dem Versuch, seinen Arbeitskollegen zu helfen, einen 2,5 mal 2,5 Meter großen Drehtisch mit einem Gewicht von 1500 bis 2000 Kilogramm mit großen Kraftauswand in seine Schiene zurückzuschieben eine in der gesetzlichen Unfallversicherten versicherte Tätigkeit verrichtet. Diese Tätigkeit hat beim Anschieben des vorgenannten Drehtisches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar zu einer Patellaluxation im Bereich des linken Kniegelenks und somit auch zu einer Gesundheitsschaden im Sinne des § 8 SGB VII geführt.
Mit dem Anschieben des Drehtisches, das die Patellaluxation ausgelöst hat, liegt ferner ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis im Sinne des Unfallbegriffs des § 8 SGB VII vor. Für dieses ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich (vgl. zu diesem Gesichtspunkt ausführlich: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. März 2023, Aktenzeichen L 6 U 49/21, Rn 32f.). Alltägliche Vorgänge wie Stolpern oder auch gewollte körpereigene Bewegungen wie Heben oder auch Schieben genügen, wenn diese zu einem ungewollten Ergebnis, nämlich einer körperlichen Verletzung führen. Das äußere Ereignis dient nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen wie beispielsweise Herzinfarkten sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ist also eine innere Ursache oder eine Selbstschädigung nicht feststellbar, liegt in aller Regel ein Arbeitsunfall vor (grundlegend hierzu: Bundessozialgericht, Urteil vom 12. April 2005, Aktenzeichen B 2 U 27/04 R, Rn 12 für den Versuch des Anhebens eines festgefrorenen Steins; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. April 2008, Aktenzeichen L 3 U 51/06, Rn 14 bis 16 für den Versuch des Anschiebens eines schweren Servicewagens; Ricke in beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar), Stand 1. August 2022, zu § 8 SGB VII, Rn 40). Damit liegt auch im Fall des Klägers bei dem Versuch des Anschiebens des 1500 bis 2000 Kilogramm schweren Drehtisches ein äußeres Ereignis im vorgenannten Sinne vor, da dieser sogar eine außergewöhnliche Kraftanstrengungen unternehmen musste, um einen vom Drehtisch auf Grund dessen Gewichts ausgehenden Widerstand zu überwinden. Hierdurch kam es in Folge der hierbei auf das Kniegelenk des Klägers einwirkenden Kräfte zu der von diesem nicht gewollten Folge einer Patellaluxation.
Der Versuch des Anschiebens des Drehtisches durch das Ausüben von Druck ist schließlich nicht nur die unmittelbare Ursache für die vorgenannte Verletzung im Sinne einer conditio sine qua non sondern zur festen Überzeugung der Kammer auch eine rechtliche wesentliche Teilursache für den Eintritt der vorgenannten Verletzung. Hierbei verkennt sie nicht, dass bei dem Kläger eine erhebliche Fehlform der Patella, einer erhebliche Fehlform des Patellagleitlagers, ein Patellahochstand, ein pathologischer Sulkuswinkel nach Brattström sowie eine Valgusstellung des Kniegelenks als anlagebedingte Veränderungen bereits vor dem im Streit stehenden Ereignis vorbestanden. Die Kammer folgt ferner der schlüssigen Einschätzung des orthopädischen Gutachters Dr. H, dass all diese Faktoren erhebliche luxationsfördernde anlagebedingte Veränderungen darstellen, sowie dass es ohne diese körpereigenen Vorschäden mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Kläger nicht zu einer Patellaluxation gekommen wäre.
Die Kammer berücksichtigt in ihrer Wertung jedoch auch, dass der Kläger nach dem Schutzzweck der Norm in dem körperlichen Zustand geschützt ist, mit dem er in die unfallversicherte Erwerbstätigkeit eingetreten ist, also mit den bei ihm zweifellos vorhandenen erheblichen Vorschäden im Bereich des linken Kniegelenks. Das im Streit stehende Ereignis vom 20. März 2022, das unzweifelhaft die Patellaluxation des Klägers unmittelbar verursacht hat, kann daher wertungsmäßig nur dann nicht als wesentliche Ursache für diese Verletzung angesehen werden, wenn es sich um eine so genannten Gelegenheitsursache handeln würde. Hierfür wäre, wie bereits ausgeführt notwendig, dass die Patellaluxation des Klägers wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkung durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere entstanden wäre. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Grade das ist bei dem Kläger jedoch nicht der Fall. Der orthopädische Gutachter Dr. H hat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass der Kläger ohne die berufliche besondere Anstrengung beim Versuch des Anschiebens des Drehtisches mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Patellaluxation erlitten hätte. Hierfür spricht nämlich, dass die Vorschäden im linken Kniegelenk des Klägers wie eine Verformung der Patella und des Patellagleitlagers keine Verschleißerscheinungen sondern anlagebedingt sind um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der am Unfalltag bestehenden Ausformung bereits seit Jahren bestanden. Daher ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es bei dem Kläger bereits zu seinen Jugend- und frühen Erwachsenenjahren zu Patellaluxationen hätten kommen müssen, wenn die Krankheitsanlage im linken Kniegelenk bei ihm so stark ausgeprägt gewesen wäre, dass bereits alltäglich Belastungen in der Lage gewesen wären, solche auszulösen. Das war indes nicht der Fall. Vielmehr bedurfte es einer außergewöhnlichen Belastungssituation, hier der beruflichen Kraftanstrengung beim Versuch des Anschiebens eines besonders schweren Arbeitsgeräts, um eine Patellaluxation auszulösen.
Dass eine solche besonders schwere berufliche Belastungssituation als Auslöser für die Patellaluxation vorlag, sieht die Kammer als bewiesen an, da der Kläger von zwei erwachsenen Mitarbeitern zu Hilfe gerufen worden war, die allein nicht in der Lage gewesen sind, den Drehtisch in seine Schiene zurückzuschieben. Ferner spricht hierfür, dass Herr Dr. H ausgeführt hat, dass es grade dieser besonderen Belastung bedurfte, um die Patellaluxation auszulösen. Ein einfaches Anstoßen des Knies an die Maschine oder ein reines sich in Stellung bringen für ein nur geplante Anschieben der Maschine wäre hingegen nicht ausreichend gewesen. Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer nachvollziehbar, wenn der Kläger im Verlauf des Verwaltungsverfahrens wie auch in der mündlichen Verhandlung beteuert hat, dass die Kniescheibe erst herausgesprungen ist, als er den Drehtisch kraftvoll anschob.
Schließlich kann die Beklagte zur Begründung einer Gelegenheitsursache nicht darauf verweisen, dass der Kläger zum Beispiel beim Anschieben eines liegengebliebenen Autos auch durch unversicherte Ereignisse eine Patellaluxation erlitten hätte. Das Anschieben eines Autos ist keine gewöhnliche beziehungsweise alltäglich Kraftanstrengung sondern ebenso wie das Anschieben des Drehtisches eine außergewöhnliche Kraftanstrengung, die in der Lebensrealität eines jeden Einzelnen nur selten vorkommen dürfte. Bedarf es wie im Fall des Klägers dafür, dass die vorbestehende Krankheitsanlage zum Tragen kommt und eine Verletzung hervorruft einer außergewöhnlichen Kraftanstrengung, so kann nicht mehr von einer Gelegenheitsursache gesprochen werden.
Wertungsmäßig ist daher zum Begriff der wesentlichen Verursachung zusammenzufassen, dass der Kläger nicht nur anlässlich der Verrichtung seiner versicherten Tätigkeit sondern grade auf Grund der in dieser liegenden außergewöhnlichen körperlichen Belastung eine Kniescheibenluxation links erlitten hat. Dieses zu Grunde gelegt, erfüllt das im Streit stehende Ereignis den Unfallbegriff des § 8 SGB VII.
2.
Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens.
Rechtsmittelbelehrung