L 11 KR 900/22 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 KR 280/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 900/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ist Streitgegenstand nicht eine konkret bezifferte Geldforderung, sondern eine (vorläufige) Bescheinigung über die Einhaltung von Strukturmerkmalen i.S.d. § 275d Abs. 2 SGB V, bestimmt sich der Streitwert nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers.
2. Maßgeblich ist hierfür der sich aus der Abrechenbarkeit des streitigen OPS ergebende wirtschaftliche Vorteil, mithin der Gewinn. Bei Fehlen konkreter anderweitiger Anhaltspunkte ist von einem erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil von 25 % der Erlösdifferenz auszugehen. Dieser Wert ist auf den Zeitraum, in dem das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig war, zu begrenzen.
3. In Verfahren des einstweiligen Rechsschutzes ist der Streitwert auf 1/4 des Hauptsachestreitwerts zu begrenzen.

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.03.2022 abgeändert. Der Streitwert für das vor dem Sozialgericht Stuttgart anhängig gewesene einstweilige Rechtsschutzverfahren wird endgültig auf 74.669,90 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. 

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.



Gründe

I.


Die Antragstellerin brachte am 01.02.2022 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) ein einstweiliges Rechtsschutzgesuch an und begehrte, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine vorläufige Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i.S.d. § 275d Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die stattgehabte Strukturprüfung des OPS-Codes 8-98f.-- auf den Stationen 1A und 1D am Standort A1-straße (Standortnummer: 772311000) des Krankenhauses R1-Krankenhaus (IKNummer: 260810271) auszustellen, nachdem der Antragsgegner unter dem 09.12.2021 negative Strukturprüfungsbescheide erlassen hatte. Die Antragstellerin vertrat die Auffassung, dass sich der Streitwert anhand des durchschnittlichen Jahresumsatzes (Durchschnittswert der letzten drei vollständigen Kalenderjahre, um „coronabedingte Sonderleistungen“ neutraler zu gewichten) bezogen auf die strittige OPS-Prozedur bemesse. Eine Kürzung hiervon sei nicht vorzunehmen. Eine Reduktion (Abzug von Kosten) komme nicht in Betracht, weil der Erlös an sich strittig sei. Der Streitwert betrage 1.247.066,00 €.

Im Gutachten vom 08.02.2022 kam der Antragsgegner zu dem Ergebnis, dass die Strukturmerkmale erfüllt seien, und stellte der Antragstellerin mit Abhilfebescheiden vom 08.02.2022 für die beiden Stationen die begehrte Bescheinigung für das Jahr 2022 aus. Daraufhin erklärten die Beteiligten das einstweilige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend für erledigt.
  
Mit Beschluss vom 11.03.2022 legte das SG der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert endgültig auf 5.000,00 € fest, da keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bezifferung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin an der begehrten Ausstellung vorläufiger Bescheinigungen über die Einhaltung der Strukturmerkmale i.S.d. § 275d Abs. 2 SGB V für die stattgehabte Strukturprüfung des OPS-Codes 8-98f.— bestünden. Die begehrten vorläufigen Bescheinigungen hätten insbesondere nicht einen Wert in Höhe von 1.247.066,00 €, wie von der Antragstellerin angegeben. Denn dies würde, wie von ihr vorgetragen, dem durchschnittlichen Jahresumsatz der Antragstellerin bezogen auf die strittige OPS-Prozedur
entsprechen. Streitig sei aber gerade nicht die Abrechnung der OPS-Prozedur gewesen, die auch ohne entsprechende Bescheinigung zulässig und möglich gewesen sei, sondern nur der Erlass einer vorläufigen Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale.

Gegen den ihnen am 11.03.2022 zugestellten Streitwertbeschluss wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit ihrer am 17.03.2023 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobenen Beschwerde, mit der sie die Festsetzung eines Streitwerts von 1.247.066,00 € begehren.

Die Argumentation des SG sei nicht nachvollziehbar. Konsequenterweise hätte das SG den Streitwert nicht auf 5.000,00 € festsetzen dürfen, sondern auf 0,00 €. Denn nach Ausführung des SG liege das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin bei 0,00 €. Dies sei unzutreffend. Maßgeblich sei auch nicht, ob das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für zulässig und begründet erachte, sondern das dahinterstehende Interesse der Antragstellerin. Genau um die Frage der aufschiebenden Wirkung sei es vorliegend aber gerade gegangen. Maßgeblich für die Wertfestsetzung des Streitwertes im Verfahren einer einstweiligen Anordnung sei der Streitwert der Hauptsache. Ginge man davon aus, dass die Antragstellerin gegen einen negativen MD-Strukturprüfungsbescheid klage (dies wäre die Hauptsache), und ginge man davon aus, dass die Antragstellerin den Rechtsstreit verliere, so könnte die Antragstellerin die OPS-Prozedur gerade nicht mehr abrechnen. Dies folge evident aus § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V. Insoweit gehe es entgegen der Auffassung des SG sehr wohl um die Abrechnung der OPS-Prozedur.

Der Antragsgegner ist der Beschwerde der Bevollmächtigten der Antragstellerin entgegengetreten.

Auf gerichtliche Verfügung vom 04.04.2023 (Bl. 55 der Senatsakten) haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin unter dem 16.06.2023 ergänzend vorgetragen, dass in der Risikobewertung simuliert worden sei, wie sich die Vergütung auf Basis des Jahres 2021 verhalte, wenn man den OPS 8-98f.-- durch die OPS-Prozedur 8-980.-- ersetze. Insgesamt hätte dies zu einem Erlösverlust von 1.849.389,00 € geführt, wobei auf den Hauptstandort in der A1-straße, um den es in diesem Verfahren ausschließlich gegangen sei, ein Risiko i.H.v. 1.247.066,00 € entfalle. Der fiktive Gewinn könne nicht maßgeblich sein. Denn im Falle einer negativen Entscheidung verliere die Antragstellerin nicht nur den auf die OPS-Prozedur entfallenden Gewinn, sondern die gesamte Vergütung. Ein Abschlag wegen des Eilverfahrens sei „wohl eher nicht vorzunehmen“, weil die Gerichte von einer Vorwegnahme der Hauptsache ausgegangen seien. Auf Basis der tatsächlichen Fallzahlen hätte die Erlösminderung 2021 1.303.330,00 € betragen. Der Streitwert sei daher auf 1.303.330,00 € festzusetzen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.




II.

1. Der Senat entscheidet über die Streitwertbeschwerde der Bevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) durch den Senat, da der Berichterstatter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache übertragen hat.

2. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, die sie gemäß § 32 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aus eigenem Recht erheben und mit der sie sich statthaft nur gegen die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwertes durch das SG wenden können, weil die Festsetzung eines zu hohen Streitwertes durch das SG sie nicht beschwert (vgl. Laube in BeckOK Kostenrecht, Stand 01.01.2023, § 68 Rn. 49; Volpert in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 68 Rn. 35; Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 5. Aufl. 2021, § 68 Rn. 17), gegen den Beschluss des SG vom 11.03.2022 ist statthaft und zulässig, da nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), die Beschwerde stattfindet, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt, was im Hinblick auf die Differenz zwischen dem festgesetzten Streitwert und dem begehrten Streitwert ohne Zweifel gegeben ist. Die Kammervorsitzende des SG hat mit Beschluss vom 25.03.2022 förmlich über die Nichtabhilfe entschieden (vgl.  § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG; ferner Senatsbeschlüsse vom 07.02.2011, L 11 R 5686/10 B, juris Rn. 2 und 17.07.2014, L 11 R 2546/14 B, juris Rn. 2).

3. Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Das SG hat zu Unrecht den Regelstreitwert i.H.v. 5.000,00 € festgesetzt.

a. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag der Klägerin eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Bietet hingegen der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5000,00 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG; ferner Bundessozialgericht <BSG> 17.03.2022, B 9 SB 64/21 B, Rn. 6, juris, dazu, dass eine Streitwertfestsetzung auf „Null“ rechtlich ausgeschlossen ist).

b. Streitgegenstand war in dem zugrundeliegenden Verfahren nicht eine in Geld zu beziffernde Leistung oder ein hierauf gerichteter Verwaltungsakt, sondern die von der - rechtskundig vertretenen - Antragstellerin begehrte Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin eine vorläufige Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i.S.d. § 275d Abs. 2 SGB V für die stattgehabte Strukturprüfung des OPS-Codes 8-98f.-- auf den Stationen 1A und 1D am Standort A1-straße (Standortnummer: 772311000) des Krankenhauses R1-Krankenhaus (IKNummer: 260810271) auszustellen. Nach diesem Antrag war jedenfalls nicht (allein) eine Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die negativen Strukturprüfungsbescheide vom 09.12.2021 nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG streitig, sondern das Begehren ging darüber hinaus. Die Antragstellerin hat ausdrücklich und unmissverständlich die Ausstellung einer vorläufigen Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i.S.d. § 275d Abs. 2 SGB V begehrt. Da die Beteiligten nicht über eine bezifferbare Geldleistung, sondern eine vorläufige Bescheinigung gestritten haben, bestimmt sich der Streitwert nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin (vgl. § 52 Abs. 1 GKG) und zwar im Zeitpunkt der Antragstellung am 01.02.2022. Das Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten (hier des Antragsgegners) und das der Allgemeinheit sind bei der Streitwertbestimmung dagegen nicht zu berücksichtigen (Evers in BeckOGK, Stand 01.02.2023, SGG, 197a Rn. 17 m.w.N.), sodass das Vorbringen des Antragsgegners, er werde aus Versichertenbeiträgen finanziert, nicht relevant ist und keine Berücksichtigung finden kann. Bei der Bewertung des wirtschaftlichen Interesses sind nur die unmittelbaren Auswirkungen zu berücksichtigen, lediglich mittelbare Folgen werden nicht mit einbezogen (z.B. BSG 08.12.2016, B 2 U 123/16 B, SozR 4-1920 § 52 Nr. 17; BSG 24.09.2008, B 12 R 10/07 R, SozR 4-2600 § 3 Nr. 4). Ggf. ist das wirtschaftliche Interesse auch zu schätzen, wenn sich hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben (BSG 25.03.2021, B 1 KR 16/20 R, BSGE 132, 55).

c. Maßgeblich für die Bestimmung des objektiven wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin an der begehrten vorläufigen Bescheinigung des Antragsgegners ist die Regelung des § 275d SGB V in der ab 26.05.2020 bis 28.12.2022 geltenden Fassung (a.F.). Gem. § 275d Abs. 2 SGB V a.F. erhalten die Krankenhäuser vom Medizinischen Dienst (MD) in schriftlicher oder elektronischer Form das Gutachten und bei Einhaltung der Strukturmerkmale eine Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung, die auch Angaben darüber enthält, für welchen Zeitraum die Einhaltung der jeweiligen Strukturmerkmale als erfüllt angesehen wird. Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nach § 275d Abs. 1 SGB V nicht erfüllen, durften nach § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. die Leistungen ab dem Jahr 2022 nicht vereinbaren und nicht abrechnen. Soweit Krankenhäusern die Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale nach § 275d Abs. 2 SGB V aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem 31.12.2021 vorlag, konnten sie nach § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V a.F. bis zum Abschluss einer Strukturprüfung bislang erbrachte Leistungen weiterhin vereinbaren und abrechnen. Streitig war insofern, ob die Krankenhäuser im Falle eines negativen Strukturprüfungsbescheids aufgrund des Regelung des § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V a.F. den streitigen OPS bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung des MD abrechnen dürfen (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg 20.09.2022, L 4 KR 86/22 B ER; SG Aachen 01.09.2022, S 6 KR 52/22 KH ER, KRS 2023, 56; SG Dresden 25.02.2022, S 47 KR 171/22 ER; SG Nürnberg 10.02.2022, S 18 KR 981/21 ER, KRS 2022, 218; Knispel, jurisPR-SozR 9/22 Anm. 3). Im Hinblick auf die bis zum 28.12.2022 geltende Normfassung des § 275d Abs. 2 SGB, wonach die Krankenhäuser vom MD in schriftlicher oder elektronischer Form das Gutachten und bei Einhaltung der Strukturmerkmale eine Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung erhalten, die auch Angaben darüber enthält, für welchen Zeitraum die Einhaltung der jeweiligen Strukturmerkmale als erfüllt angesehen wird (demgegenüber sieht § 275d Abs. 2 Satz 1 SGB V in der ab 29.12.2022 den Abschluss der Strukturprüfung mit Bescheid vor), wurde zunächst darüber gestritten, ob eine Negativbescheinigung des MD einen anfechtbaren Verwaltungsakt beinhaltet (bejahend z.B. LSG Berlin-Brandenburg 28.09.2022, L 4 KR 82/22 B ER <mit kritischer Anm. von Knispel, NZS 2023, 291>; Seifert in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 275d Rn. 6; verneinend Heberlein in BeckOK SozR, Stand 01.06.2023, § 275d SGB V Rn. 17 ff.). Weiterhin war u.a. streitig, wie Rechtsschutz im Falle einer Negativbescheinigung seitens des MD zu gewährleisten ist (vgl. z.B. SG Aachen 01.09.2022, S 6 KR 52/22 KH ER, KRS 56; Heberlein in BeckOK SozR, Stand 01.06.2023, § 275d SGB V Rn. 13 ff.) sowie ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Krankenhäuser Leistungen nach § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V über den 31.12.2021 hinaus weiterhin abrechnen durften, wenn der MD zunächst ein Negativattest erteilt und später - ggf. nach Nachbesserung des Krankenhauses - eine positive Bescheinigung erstellt (vgl. Gerlach in BeckOK KHR, Stand 01.05.2023, § 275d SGB V Rn. 21; Knispel, jurisPR-SozR 9/22 Anm. 3). Unter diesen Umständen bestand für die Antragstellerin im Hinblick auf die Regelung des § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V („Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, dürfen die Leistungen ab dem Jahr 2022 nicht vereinbaren und nicht abrechnen.“) die Gefahr, dass sie nach Erteilung der Negativbescheinigungen durch den Antragsgegner den OPS 8-98f. ab 01.01.2022 nicht mehr abrechnen konnte. Dass nach der Rechtsauffassung des SG die Widersprüche der Antragstellerin gegen die Negativbescheinigung aufschiebende Wirkung gehabt hätten und die Antragstellerin weithin berechtigt gewesen sei, den streitigen OPS trotz Negativbescheinigung des Antragsgegners über den 31.12.2021 hinaus abzurechen (vgl. zur Kritik an dieser Rechtsauffassung nur Knispel, jurisPR-SozR 9/22 Anm. 3), ändert - unabhängig von der seinerzeit bestehenden unklaren Rechtslage (siehe oben) - nichts daran, dass es auf das (objektive) wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin im Zeitpunkt der Antragstellung am 01.02.2022 ankommt. Zu diesem Zeitpunkt lagen ihr positive Bescheinigungen des Antragsgegners über das streitige Strukturmerkmal nicht vor und - ausweisliches ihres Vorbringens - hatte bereits eine (große) Krankenkasse angekündigt, bei Nichtvorlage einer Positivbescheinigung den streitigen OPS nicht mehr zu vergüten. Es bestand somit die Gefahr, dass sie aufgrund der fehlenden Positivbescheinigung den streitigen OPS nicht mehr abrechnen und keine entsprechende Erlöse erzielen konnte. Ausgehend von den erzielten Erlösen für den streitigen OPS in den beiden betroffenen Stationen im Jahr 2021 konnte die Antragstellerin auch im Jahr 2022 mit 1.542 Fällen mit dem OPS 8-98f.— rechnen. Sie hatte unter Berücksichtigung des anstatt des streitigen OPS 8-98f.— abrechenbaren (niedriger vergüteten) OPS (vgl. zum Abzug dieser Positionen Plagemann, FD-SozVR 2023, 458417) eine Erlösdifferenz pro Behandlungsfall von 845,22 €, mithin jährlich 1.303.329,24 € zu befürchten. Bei der Streitwertfestsetzung ist aber nicht diese Erlösdifferenz maßgeblich, sondern - nach ständiger Rechtsprechung des BSG - der sich aus der Abrechenbarkeit des streitigen OPS ergebende wirtschaftliche Vorteil, mithin der Gewinn (BSG 25.03.2021, B 1 KR 16/20 R, BSGE 132, 55; BSG 08.08.2013, B 3 KR 17/12 R, SozR 4-1920 § 52 Nr. 11). Es gibt keine Rechtfertigung, das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin am Ausgang des Verfahrens unabhängig von den anfallenden Personal- und Betriebskosten allein nach einer errechneten Erlösdifferenz zu berechnen. Mangels nachvollziehbaren Vortrages der Antragstellerin (trotz Hinweises in der Verfügung vom 04.04.2023 auf BSG 25.03.2021, B 1 KR 16/20 R, BSGE 132, 55) und konkreter anderweitiger Anhaltspunkte geht der Senat von einem erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil von 25 % der Erlösdifferenz aus (vgl. BSG 08.08.2013, B 3 KR 17/12 R, SozR 4-1920 § 52 Nr. 11, SozR 4-2500 § 137 Nr. 3), mithin für das Jahr 2022 325.832,31 €. Weiterhin ist bei der Streitwertfestsetzung zu beachten, dass die Antragstellerin das einstweilige Rechtsschutzgesuch erst am 01.02.2022 beim SG angebracht und keine vorläufige Bescheinigung für die Vergangenheit (Januar 2022) begehrt hatte, was ohnehin an einem fehlenden Anordnungsgrund gescheitert wäre (vgl. nur Burkiczak in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022 <Stand 20.07.2023>, § 86b Rn. 433 m.w.N.). Damit wurde eine vorläufige Bescheinigung ab Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuches ab 01.02.2022 begehrt, sodass nicht der Jahresbetrag, sondern lediglich 11/12 (298.679,62 €) berücksichtigt werden können. Schließlich ist bei der Streitwertfestsetzung zu beachten, dass es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gehandelt hat und nicht um eine Hauptsache. Es entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz einen geringeren Streitwert anzunehmen als im Hauptsacheverfahren. In Streitigkeiten der vorliegenden Art hält es der Senat für sachgerecht, den Streitwert nach einem Viertel des Hauptsachestreitwerts zu bemessen (vgl. LSG Baden-Württemberg 09.08.2021, L 11 KR 2028/21 ER-B; 16.08.2013, L 11 R 3031/13 ER und 31.07.2015, L 11 R 2693/15 ER-B; vgl. ferner Burkiczak in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022 <Stand 20.07.2023>, § 86b Rn. 614 m.w.N.), dies sind hier 74.669,90 €. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hätte ihr Erfolg in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem SG nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. dazu z.B. LSG Baden-Württemberg 16.02.2022, L 7 SO 151/22 ER-B, juris; LSG Baden-Württemberg 30.07.2019, L 7 SO 2356/19 ER-B, Rn. 6, juris; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 31) geführt. Denn sie hat ausweislich ihres Antrages lediglich eine „vorläufige Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale“ und keine endgültige Positivbescheinigung begehrt. Unabhängig von der Frage, welche Rechtswirkung einer solchen in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstrittenen vorläufiger Erklärung überhaupt zukommen würde, kann nur eine vorbehaltlose (endgültige) Positivbescheinigung zu einer rechtsbeständigen und irreversiblen Abrechnung des streitigen OPS führen, ansonsten könnten bei einem abweichenden Ausgang des Hauptsacheverfahrens Folgen rückgängig gemacht werden. 

4. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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