Die Berufung der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente für den verstorbenen Ehemann der Klägerin zu 1 und Sohn der Klägerin zu 2, P1 (im Folgenden Versicherter), in der Zeit vom 26.09.2018 bis zu seinem Tod, den diese als dessen Rechtsnachfolgerinnen geltend machen.
Der 1975 geborene und 2022 (Sterbeurkunde Bl. 198 VA) verstorbene Versicherte war gelernter Berufskraftfahrer. Zuletzt war er im Oktober 2017 als Lagerarbeiter in Vollzeit in Tagesschicht beschäftigt. Seit dem 31.10.2017 war der Versicherte ohne Beschäftigung. Er bezog vom 31.10.2017 bis 29.10.2018 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit. Danach sind keine Versicherungszeiten mehr im Versicherungsverlauf des Versicherten vermerkt (vgl. Versicherungsverlauf vom 11.01.2022, Bl. 44 ff. Akte L 2 R 3010/21 [=LSG-Akte 1]). Bei dem Versicherten war ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt worden.
Am 26.09.2018 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung gab er u.a. an, dass er sich seit 10.03.2018 für erwerbsgemindert halte. Es sei Epilepsie festgestellt worden. Es bestehe keine Möglichkeit mehr des Fahrens. Er leide zudem an Diabetes, einer Funktionsstörung der Wirbelsäule und einer Funktionsstörung des Kreislaufs (Bl. 101 VA).
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2018 (Bl. 749 VA) ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Versicherten ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Denn der medizinischen Beurteilung könne der Versicherte noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.
Hiergegen erhob der Versicherte am 06.11.2018 (Bl. 837 VA) Widerspruch.
Der Versicherte wurde sodann im Auftrag der Beklagten am 16.01.2019 von dem H1 ambulant untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom selben Tag (Bl. 861 VA) folgende Diagnosen:
1. vom Versicherten berichtete Spritzenphobie
2. auswärts diagnostiziertes und behandeltes Anfallsleiden
3. Anpassungsstörung, zum Untersuchungszeitpunkt keine depressive Symptomatik
4. geringe Somatisierung
5. behandelter Diabetes
6. degenerative Wirbelsäulenveränderungen
7. distale Polyneuropathie
Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Verantwortung für Personen, ohne gefährliche Tätigkeiten oder Fahrtätigkeiten und ohne Klettern und Steigen seien dem Kläger mehr als sechs Stunden täglich zumutbar. Die Tätigkeit als Lkw- oder Busfahrer sei nicht mehr leidensgerecht.
Zusätzlich holte die Beklagte bei der G1 ein Gutachten ein. Diese stellte in ihrem Gutachten vom (Bl. 876 VA) nach einer ambulanten Untersuchung am 06.03.2019 folgende Diagnosen:
1. Diabetes mellitus Typ II, ED 2009, sekundär insulinpflichtig nach zwei Pankreatitiden; noch stark schwankende Blutzuckerwerte
2. distale Polyneuropathie, bisher ohne Einschränkung des Gehvermögens
3. auswärts diagnostiziertes Anfallsleiden unter antiepileptischer Therapie
4. rezidivierende Cervicobrachialgie bei degenerativen HWS-Veränderungen und beschriebenem Bandscheibenprotrusio C 5/6.
Das Leistungsvermögen des Versicherten sei auf somatischem Gebiet qualitativ eingeschränkt, für eine quantitative Einschränkung bestünden keine Hinweise, sodass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig für den Versicherten möglich seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2019 (Bl. 843 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien nach Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Versicherten für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.
Hiergegen hat der Versicherte am 29.05.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat er geltend gemacht, dass er alleine aufgrund seiner Epilepsie nicht in der Lage sei, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Die Beklagte habe seine Gesundheitsstörungen in ihrem Ausmaß verkannt, insbesondere soweit diese davon ausgehe, dass er noch in der Lage sei, trotz seiner Diagnosen einen LKW sicher zu führen. Schon allein deshalb sei das Rentengutachten schlichtweg falsch.
Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte des Versicherten.
G2 hat am 23.09.2019 mitgeteilt (Bl. 38 ff. SG-Akte), dass ein Diabetes mellitus Typ II mit instabiler Einstellung, eine arterielle Hypertonie, ein Glaukom, einer Chrondropathie Grad III bis IV am liken Knie, rezidivierende depressive Episoden, ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom und eine Grand-Mal-Epilepsie bestünden. Leichte körperliche Tätigkeiten seien aufgrund der eingeschränkten Belastbarkeit des Versicherten nur fraglich möglich. Die vorrangige Leistungseinschränkung liege auf neurologischem Fachgebiet.
Der B1 (Bl. 53 SG-Akte) hat am 17.10.2021 als Diagnosen ein cerebrales Anfallsleiden vom Grand-Mal-Typ und eine bipolare Störung mit vorwiegend depressiven Phasen, gegenwärtig mittelschwer, mitgeteilt. Das Restleistungsvermögen des Versicherten für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege unter drei Stunden.
Das SG hat im Anschluss ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei S1 eingeholt (Bl. 70 ff. SG-Akte). Dieser hat den Versicherten am 24.06.2020 untersucht und in seinem Gutachten vom 01.07.2020 folgende Diagnosen gestellt:
1. epileptisches Anfallsleiden, am ehesten Grand-Mal-Anfälle ohne sichere Ursache
2. Polyneuropathie mit unklarer Ursache
3. Tremorerkrankung, gegebenenfalls essentiell mit psychogener Überlagerung
4. akzentuierte Persönlichkeitszüge
5. anamnestisch depressive Erkrankung, aktuell weitgehend remittiert
6. berichtete Spritzenphobie
7. schädlicher Nikotinkonsum
Als sonstige Diagnosen bestünden:
1. Diabetes mellitus Typ II unter intensivierter InsuIintherapie
2. medikamentös behandeltes Bluthochdruckleiden
3. Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates ohne relevantes neurologisches Defizit
Der Versicherte könne ohne unmittelbarer Gefährdung seiner Gesundheit mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an Konzentration oder Reaktion oder seelischen Belastungen und erhöhtem Konfliktpotential seien nicht mehr leidensgerecht. Auch seien Tätigkeiten zu vermeiden, die eine uneingeschränkte Gang- und Standsicherheit voraussetzten oder unter hoher Lärmbelastung stattfänden oder mit Erschütterungen oder mit Arbeiten in großer Höhe einhergingen. Auch seien Schichtwechsel und häufig wechselnde Arbeitszeiten aufgrund des Anfallsleides des Versicherten zu vermeiden. Der Gutachter hat u.a. weiter ausgeführt, dass auch bei Epilepsie nicht automatisch von Erwerbsminderung ausgegangen werden dürfe. Insbesondere müsse stets geprüft werden, ob das Anfallsleiden nicht besser eingestellt werden könne und ob eine berufliche Neuorientierung oder Umsetzung im Betrieb möglich sei. Beim Versicherten kämen vorliegend vor allem die Berufsbilder des Verpackens leichter Industrie- und Handelserzeugnisse oder entsprechende Prüftätigkeiten in Betracht. Auch leichte Hilfsarbeiten wie Montier-, Sortier- oder Reinigungsarbeiten könnten noch durchgeführt werden.
Der Versicherte hat Einwendungen gegen das Gutachten (vgl. Bl. 120 SG-Akte) vorgebracht und ausgeführt, dass die Ausführungen des Gutachters nicht der Realität entsprächen. Er hat dann mit Schreiben vom 12.11.2020 eine Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei der R1 beantragt. Nach Einzahlung eines Kostenvorschusses ist diese vom SG mit Schreiben vom 22.12.2020 mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt worden. Mit Schreiben vom 01.03.2021 hat der Versicherte mitteilen lassen, dass er einen geplanten Untersuchungstermin am 26.02.2021 bei R1 aus gesundheitlichen Gründen nicht habe wahrnehmen könne. Er sei auch weiterhin gesundheitlich nicht in der Lage zur Begutachtung zu der Gutachterin zu fahren und eine Begutachtung durchzuführen. Im Nachgang hat er ein Attest der behandelten Ärztin G2 vorgelegt, die am 25.02.2021 bescheinigt hat, dass der Versicherte bis auf weiteres gesundheitlich nicht in der Lage sei, zur Begutachtung nach U1 zu fahren. Mit Schreiben vom 16.03.2021 ist vom Bevollmächtigten die persönliche Anhörung des Versicherten durch das SG bei einem Gerichtstermin angeregt worden.
Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2021 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Versicherte sei nach Überzeugung des Gerichtes noch in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine erhöhten Anforderungen an Konzentration oder Reaktion oder seelischen Belastungen oder erhöhtes Konfliktpotential, keine Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Gang- und Standsicherheit voraussetzten oder unter hoher Lärmbelastung stattfänden oder mit Erschütterungen oder mit Arbeiten in großer Höhe einhergingen, keine Schichtwechsel oder häufig wechselnde Arbeitszeiten) vollschichtig auszuüben. Das SG hat sich im Wesentlichen auf das im SG-Verfahren bei S1 eingeholte Gutachten gestützt und die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet.
Hierbei ist das SG zu dem Ergebnis gekommen, dass auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen solchen Ausmaßes vorlägen, die eine quantitative Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Versicherten begründeten. So habe der Versicherte in der Begutachtung eine gute geistige Flexibilität aufgewiesen, es hätten keine kognitiven Defizite von relevantem Ausmaß vorgelegen und auch das Umstellungs- und Anpassungs- und Durchhaltevermögen habe der Gutachter als nicht eingeschränkt beschrieben. Es hätten sich auch keine Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmungen gezeigt, auch nicht aus den Alltagsschilderungen des Versicherten. Der Versicherte habe über verschiedene Interessen berichtet, so interessiere er sich für Flugzeuge, habe hier auch eine Flugzeugzeitschrift abonniert oder baue selbst Computer zusammen. Er versorge den Haushalt und habe sozialen Kontakt zu seiner Mutter oder telefonisch zu seinen ehemaligen Arbeitskollegen. Hinsichtlich der Frage, in wie weit die Anfälle und die Epilepsie des Versicherten sein Leistungsvermögen rentenrechtlich relevant einschränkten, folge das Gericht dem Gutachter, der sich auf Ausführungen in Widder/ Gaidziks „Neurowissenschaftliche Begutachtung", 3. Auflage 2018 auf S. 357 stütze. Es werde hierzu auf Seite 28 des Gutachtens verwiesen. Das vom Gutachter angegebene vollschichtige Leistungsvermögen des Versicherten stehe auch in Übereinstimmung mit den Leistungseinschätzungen der Gutachter im Verwaltungsverfahren. Eine quantitative Leistungsminderung ergäbe sich hieraus nicht. Auch die Gesundheitsstörungen des Versicherten auf internistischem Fachgebiet führten zur Überzeugung des Gerichtes nicht zu einem quantitativ geminderten Leistungsvermögen. Der Gutachter S1 habe angegeben, dass klinische internistische Auffälligkeiten nicht vorlägen und auch die internistischen Gesundheitsstörungen benannt und in seine nachvollziehbare Leistungseinschätzung mit einbezogen. Der Einschätzung von B1 schließe sich das Gericht nicht an. Diese sei anhand der erhobenen Diagnosen nicht nachvollziehbar zu begründen. Die von dem sachverständigen Zeugen berichtete Bipolare Störung des Versicherten sei weder vom Versicherten in der Gutachtenssituation bei S1 berichtet worden, noch sei diese nach der Aktenlage spezifisch behandelt worden.
Gegen den seinem Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18.08.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Versicherte am 20.09.2021, einem Montag, Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten im Laufe des Verfahrens verschlechtert habe. Der Versicherte habe sich zuletzt aufgegeben und am Verfahren nicht mehr mitwirken können. Aufgrund der Angstzustände und depressiven Phase habe er auch nicht mehr bei der beantragten Begutachtung nach § 109 SGG mitwirken können. Der Versicherte halte sich inzwischen ausschließlich in der Wohnung auf. Arztbesuche seien nicht mehr möglich. Das Verfahren ist zunächst unter dem Aktenzeichen - L 2 R 3010/21 - geführt worden.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 14.01.2022 (Bl. 43 LSG-Akte 1) unter Bezugnahme auf einen Versicherungsverlauf vom 11.01.2022 mitgeteilt, dass der Leistungsfall spätestens am 30.11.2020 hätte eintreten müssen, damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien.
Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch die Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
G2 hat am 24.01.2022 mitgeteilt (Bl. 62 ff. LSG-Akte 1), dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten in der Zeit von 2019 bis jetzt 2022 deutlich verschlechtert habe. Zunächst sei bis Sommer 2021 die berufliche Leistungsfähigkeit sicherlich durch die neurologische Thematik (Rezidive des Anfallsleidens, problematische Therapieeinstellung und Therapienebenwirkungen) geprägt gewesen. Jetzt verschlechtere sich die Situation zudem durch eine dekompensierte Leberfunktionsstörung. Sie hat u.a. über folgende ärztliche Kontakte berichtet:
„Kontakt 06.07.2020:
Kontrolle der Diabetesstoffwechsellage. HbA1c-Wert mit 5,9 nun sehr niedrig. Erneut angepasste Insulintherapie. Bauchspeicheldrüsenwerte in Ordnung. Gamma-GT deutlichst zu hoch. Laut Bericht der Neurologen Einstellung schwierig und Umstellung der antiepileptischen Therapie.
Kontrolle der Blutdrucksituation.
Kontakt 02.10.2020:
DMP-Diabetes, Kontrolle der Blutdrucksituation. Blutdruckwert 140/90 unter Behandlung. HbA1c-Wert mit 6,4 in einem sehr guten Bereich.
Kontakt 5/2021:
DMP-Programm
Bei der Untersuchung am 21.06.21 fielen bds. deutliche Knöchelödeme auf.
Kontakt 7/2021:
Überweisung an den Kardiologen zur Mituntersuchung, insbesondere aufgrund der beidseitigen Knöchelödeme. Ebenso Überweisung an Orthopäden. Hier fand sich ein Fersensporn, der als Erklärung für die bds. Unterschenkelödeme nicht in Betracht kam.
Im Verlauf trat im August 2021 ein erneuter Anfall auf.“
G2 hat ihrer Aussage zudem Arztberichte des behandelnden S2 beigefügt.
S2 hat im Bericht vom 04.11.2020 (Bl. 68 LSG-Akte 1) u.a. berichtet, dass unter aktueller Therapie mit Levetiracetam insgesamt 3000mg und Vimpat insgesamt 200mg anamnestisch trotzdem immer wieder Anfälle aufgetreten seien. Eine Fahrtauglichkeit bestehe nicht. Auch Benutzung eines Staplers sei zu gefährlich, da der Versicherte im Rahmen eines möglichen Anfalls nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden könne. Sollten die Anfälle weiter unter aktueller Therapie auftreten, empfehle er eine Vorstellung in einem Epilepsiezentrum, z.B. in K1 oder E1.
In einem weiteren Bericht von S2 vom 24.06.2021 (Bl. 69 LSG-Akte 1) hat dieser von einer Verlaufskontrolle am 21.06.2021 berichtet. Unter aktueller Medikation mit Levetiracetam insgesamt 3000mg am Tag und Vimpat insgesamt 200mg am Tag seien neue epileptische Anfälle nicht mehr aufgetreten. Der Kläger habe zudem von Fuß- und Unterschenkelödeme seit etwa drei bis vier Wochen berichtet.
Der zudem auch als sachverständige Zeuge befragte S2 hat am 06.03.2023 zur Beantwortung der gestellten Fragen auf seinen Arztbericht vom 20.09.2021 (Bl. 88 LSG-Akte 1) verwiesen. Hierin ist u.a. ausgeführt worden, dass der Versicherte am 13.09.2021 zur Verlaufskontrolle gekommen sei. Er berichte über erneuten epileptischen Anfall nachts vor wenigen Wochen. Er sei mit Zungenbiss aufgewacht, auch mit starker Müdigkeit. Die aktuelle Therapie mit Levetiracetam insgesamt 3000mg am Tag und Apydan insgesamt 600mg am Tag werde fortgeführt. Einen für 14.12.2021 geplanten Termin mit EEG sei auf Wunsch des Versicherten auf 14.03.2022 verschoben worden.
Der Versicherte ist am 10.05.2022 verstorben. Auf Antrag des Bevollmächtigten des Versicherten vom 18.08.2022 hat der Senat mit Beschluss vom 14.09.2022 nach § 202 SGG in Verbindung mit § 246 Zivilprozessordnung (ZPO) die Aussetzung des Verfahrens wegen Todes des Versicherten angeordnet.
Mit Schreiben vom 03.05.2023 ist das Verfahren unter Vorlage des vom Amtsgericht S3 am 31.03.2023 ausgestellten Erbscheins, aus dem die Klägerin zu 1 (zu ¾) und die Klägerin zu 2 (zu ¼) als Erben hervorgehen, wieder angerufen und mitgeteilt worden, dass der Rechtsstreit von den Rechtsnachfolgerinnen fortgesetzt werden soll. Das Verfahren wird seither unter dem Aktenzeichen - L 2 R 1355/23 - geführt.
Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen des Versicherten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung des Versicherten ab Antragstellung bis zu dessen Tod am 10. Mai 2022 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Gerichtsbescheid sowie die angefochtenen Bescheide.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 11.10.2023 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Anschluss ist von den Klägerinnen mit Schreiben vom 28.11.2023 (Bl. 27 Akte L 2 R 1355/23 [=LSG-Akte 2]) mitgeteilt worden, dass der Versicherte sich im Oktober 2018 auch beim Jobcenter S3 habe beraten lassen. Er habe damals nur keinen Leistungsantrag gestellt, da ein Leistungsanspruch wegen des Erwerbseinkommens seiner Ehefrau nicht gegeben gewesen sei. Er sei aber nicht darauf hingewiesen worden, dass zur Erfüllung von rentenrechtlichen Beitragszeiten ein Antrag ohne Leistungsbezug gestellt werden könne. Dies sei auch nicht verwunderlich, da der Versicherte schon damals nicht in der Lage gewesen sei, erwerbstätig zu sein.
Es ist zudem ein Schreiben des Jobcenters S3 vom 15.11.2023 (Bl. 29 LSG-Akte 2) vorgelegt worden, in dem ausgeführt worden ist, dass der Versicherte keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt habe. Es seien damit auch keine Leistungen versagt worden und auch kein entsprechender Bescheid erlassen worden. Der Versicherte habe am 22.10.2018 vorgesprochen und sich bzgl. eines möglichen Leistungsanspruches beraten lassen. Er sei darauf hingewiesen worden, dass, für eine Antragstellung eine nochmalige Vorsprache erforderlich sei. Der Versicherte habe dann am 26.10.2018 um Übersendung eines Nachweises, dass für ihn kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe, gebeten. Man habe daraufhin mitgeteilt, dass eine solche Bescheinigung nur aufgrund mündlich gemachter Angaben bzgl. Einkommen und Vermögen nicht ausgestellt werden könne. Sollte er einen Nachweis benötigen, so müsse der Versicherte nochmals persönlich vorsprechen.
Die Klägerinnen und die Beklagte haben jeweils mit Schreiben vom 30.11.2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten über den Kläger verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerinnen, über die der Senat im Eiverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG Heilbronn vom 06.08.2021 und der Bescheid vom 29.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Der Versicherte hatte bis zu seinem Tod keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Bis zum letztmöglichen Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung am 30.11.2020 hat der Versicherte nicht nachweisen können, dass eine auch rentenrelevante quantitative Minderung seiner Erwerbsfähigkeit eingetreten ist.
Das Berufungsverfahren war auch nach dem Tod des Versicherten fortzuführen: Rechtsgrundlage für die Berechtigung fällige Ansprüche auf laufende Sozialleistungen auch nach dem Tod des Versicherten geltend zu machen ist § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Norm stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten nacheinander dem Ehegatten (Nr. 1), (…), den Eltern (Nr.4.), (…) zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Diese Regelung geht entsprechend dem Sinn und Zweck der Sozialleistungen dem allgemeinen Erbrecht vor, das heißt, die darin geregelte Sonderrechtsnachfolge ist sowohl gegenüber der gesetzlichen als auch gegenüber der gewillkürten Erbfolge vorrangig (vgl. (Kroiß/Horn/Solomon, NachfolgeR/Bienert, 3. Aufl. 2023, SGB I § 56 Rn. 4) und legt eine abweichende Rechtsnachfolge von Todes fest (Krauskopf/Baier, 119. EL Juni 2023, SGB I § 56 Rn. 4). Die Sonderrechtsnachfolge beruht auf der Überlegung, dass die zum Bezug berechtigten Personen von § 56 SGB I bevorzugt werden sollen, weil sie als Angehörige des Verstorbenen ein Defizit im Sozialleistungsbezug wirtschaftlich mitgetragen haben (vgl. LPK-SGB I/Helmut Reinhardt, 4. Aufl. 2020, SGB I § 56 Rn. 4). Nach Maßgabe dieser Regelung ist die Witwe des verstorbenen Versicherten, die Klägerin zu 1, nach der Aktenlage die Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I geworden, nachdem sie als Ehefrau mit dem verstorbenen Versicherten in einem Haushalt zusammengelebt hat. Sie hat den Rechtsstreit ausdrücklich fortgesetzt.
Die Klägerin zu 2 ist dagegen nicht Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 SGB I geworden. Als Mutter ist sie zwar grds. zur Sonderrechtsnachfolge berechtigt (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB I). Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie mit dem Versicherten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten war. Einer Berechtigung der Klägerin zu 2 steht zudem entgegen, dass die in § 56 Abs. 1 S. 1 SGB I genannten Personen, nur „nacheinander“ berechtigt sind, die Geldleistungen geltend zu machen. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass dann, wenn nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB I mehrere Bezugsberechtigte vorhanden sind, die dort geregelte Rangfolge maßgeblich ist. Ein Rechtsnachfolger mit schlechterem Rang wird daher nur berechtigt, wenn ihm vorgehende Sonderrechtsnachfolger gemäß § 57 SGB I verzichten oder ihrerseits vor Erfüllung an sich sterben (vgl. Kroiß/Horn/Solomon, NachfolgeR/Bienert, 3. Aufl. 2023, SGB I § 56 Rn. 56). Da die Witwe des Versicherten hier ausdrücklich den Anspruch als Sonderrechtsnachfolgerin geltend macht und gegenüber den Eltern des Versicherten vorrangig anspruchsberechtigt ist, kann ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente des Versicherten für die Klägerin zu 2 schon aus diesem Grund nicht bestehen.
Ein Anspruch besteht aber auch für die Klägerin zu 1 nicht. Rechtsgrundlage für eine Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Gemäß § 43 Abs.1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Sinne des § 43 SGB VI, d.h. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, sind beim Versicherten längstens bis 30.11.2020 gegeben gewesen (siehe Auskunft der Beklagten vom 14.01.2022 unter Vorlage eines Versicherungsverlaufs vom 11.01.2022). Letztmalig sind Beitragszeiten bis zum 29.10.2018 vermerkt. Danach enthält der Versicherungsverlauf keine gemeldeten Zeiten mehr, insbesondere hat der Versicherte im Anschluss auch kein Arbeitslosengeld II bezogen. Eine Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums kommt hier auch nicht aufgrund einer Arbeitslosmeldung ohne Leistungsbezug in Betracht. Eine solche enthält der Versicherungsverlauf nämlich nicht. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerinnen mit Schreiben vom 28.11.2023 sowie dem vorgelegten Schreiben des Jobcenters im Landkreis S3 vom 15.11.2023. Daraus ergibt sich zwar, dass der Versicherte im Oktober 2018 dort vorgesprochen hat. Eine Antragstellung ist dann aber gerade nicht erfolgt. Auch erfolgte keine Arbeitslosmeldung ohne Leistungsbezug. Die Klägerin zu 1 als Sonderrechtsnachfolgerin kann sich auch nicht auf eine fehlerhafte Beratung des Versicherten durch das Jobcenter berufen. Unabhängig davon, ob diesem überhaupt eine Pflicht zur Spontanberatung hinsichtlich möglicher rentenversicherungsrechtlicher Implikationen obliegt, lässt sich eine Meldung als arbeitssuchend nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingieren. Denn bei einer solchen Meldung handelt es sich nicht um Ausübung eines Gestaltungsrechts, sondern um eine reine Tatsachenerklärung (vgl. BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R -, SozR 4-4300 § 140 Nr. 2). Eine Ersetzung tatsächlicher Umstände, denen gestaltende Entscheidungen des Betroffenen zugrunde liegen, kommt aber im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht (LSG Hamburg, Urteil vom 13.07.2016 - L 2 R 29/14 -, juris, Rn. 75, mit Verweis auf BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R -, SozR 4-1200 § 14 Nr. 10: Abrede mit einem Dritten; BSG, Urteil vom 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris, Rn. 19: Verfügbarkeit im Sinne des Arbeitsförderungsrechts). Weitere rentenrechtliche Zeiten wurden vom Prozessbevollmächtigten des Versicherten weder vorgetragen noch sind diese ersichtlich.
Ausgehend davon, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lediglich bis 30.11.2020 gegeben sind, muss die Klägerin zu 1 nachweisen, dass spätestens bis zu diesem Zeitpunkt eine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten eingetreten ist. Hierfür trägt sie die objektive Darlegungs- und Beweislast (vgl. (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17.1.12016 - L 19 R 968/12 -, juris Rn. 54 - 62). Ein solcher Nachweis ist zur Überzeugung des Senats nicht geglückt.
Der Senat kann zunächst offen lassen, ob beim Versicherten aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen in der Zeit nach dem 01.12.2020 bis zu seinem Tod eine Reduzierung des rentenrelevante Leistungsvermögens eingetreten ist. Da beim Versicherten die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - 36 Monate Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls (§ 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI) - ausweislich des Versicherungsverlaufs letztmalig am 30.11.2020 erfüllt gewesen sind, müsste die Erwerbsminderung bis zu diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit eingetreten gewesen sein. Doch davon hat sich der Senat mit der erforderlichen Sicherheit unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Gutachtens sowie nach der Einholung weiterer Unterlagen, insbesondere der Befundberichte der behandelnden Ärzte, nicht überzeugen können.
Zunächst ist zu beachten, dass der Versicherte am 24.06.2020 im Auftrag des SG von dem S1 ambulant untersucht worden ist und dieser zum damaligen Zeitpunkt festgestellt hat, dass keine zeitliche Reduzierung des Leistungsvermögens vorliegt. Wie bereits das SG dargelegt hat - auf dessen Ausführungen der Senat Bezug nimmt -, sind die Ausführungen des Gutachters nach Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung der vom Versicherten hiergegen erhobenen Einwände schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. S1 hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Versicherte zum Untersuchungszeitpunkt trotz der bestehenden Gesundheitsstörungen auch unter Berücksichtigung der festgestellten qualitativen Einschränkungen noch in der Lage war, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Der Gutachter hat hier insbesondere darauf verwiesen, dass auch die festgestellte Epilepsie Berufsbildern des Verpackens leichter Industrie- und Handelserzeugnisse oder entsprechende Prüftätigkeiten oder leichten Hilfsarbeiten wie Montier-, Sortier- oder Reinigungsarbeiten nicht entgegen steht.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Versicherten nach Erhalt des Gutachtens von S1. Wie bereits ausgeführt, ergeben sich für den Senat keine Zweifel an den von S1 erhobenen Befunden und der hieraus gefolgerten Leistungsbeurteilung. Unerheblich ist auch, dass der Versicherte nach seinen Angaben dann im Februar 2021 nicht mehr in der Lage gewesen sei, den Termin zur Begutachtung bei R1 wahrzunehmen. Denn eine zu diesem Zeitpunkt möglicherwiese eingetretene Verschlechterung des Leistungsvermögens belegt keinen bis zum 30.11.2020 eingetretenen Versicherungsfall. Nicht zuletzt hat der Versicherte selbst einen Gerichtstermin angeregt, so dass nicht erkennbar ist, warum die Teilnahme an einem Gerichtstermin, nicht aber eine Begutachtung medizinisch möglich gewesen sein soll.
Aus den weiter in zweiter Instanz eingeholten Befundberichten ergibt sich ebenfalls kein Nachweis, dass bis zum 30.11.2020 eine so wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, als dass das Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden herabgesunken war. Bis Sommer 2021 ist nach Angabe der behandelnden Ärztin G2 die für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit maßgebliche Gesundheitsstörung das Anfallsleiden gewesen. Dass im Bezug auf diese Erkrankung zwischen dem Begutachtungszeitpunkt bei S1 und dem letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 30.11.2020 eine erhebliche Verschlechterung eingetreten ist, ergibt sich aber gerade nicht aus den vorliegenden Befundberichten des S2. So ist auch die medikamentöse Therapie in diesem Zeitraum nicht intensiviert worden. Hinsichtlich der Diabeteserkrankung ist es sogar zu einer Besserung gekommen. Die G2 hat am 02.10.2020 Werte im „sehr guten Bereich“ bestätigt. Den Berichten lässt sich lediglich entnehmen, dass im Sommer 2021 (vgl. Untersuchung bei G2 am 21.06.2021 sowie Befundbericht von S2 vom 24.06.2021) als weitere Einschränkung deutliche Fuß-, Knöchel- bzw. Unterschenkelödeme aufgetreten sind. Zusätzlich hat G2 im Januar 2022 von einer dekompensierten Leberfunktionsstörung berichtet. Der Senat kann vorliegend jedoch offen lassen, ob sich aus diesen Gesundheitsstörungen eine rentenrelevante Verschlechterung des Leistungsvermögens ergeben hat. Denn selbst wenn dies so wäre, so lägen diese Einschränkungen erst ab Sommer 2021 bzw. Anfang 2022 und damit deutlich nach dem letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Zeiten am 30.11.2020 vor. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass ein Eintritt der Erwerbsminderung des Versicherten bis zum 30.11.2020 nicht nachgewiesen ist.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht im streitigen Zeitraum schon deshalb nicht, weil der Versicherte 1975 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren ist.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenprivilegierung der Klägerinnen ergibt sich daraus, dass das Berufungsverfahren bereits zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten anhängig war, so dass das Verfahren für die Klägerinnen als Erbinnen für diese Instanz gem. § 183 Satz 2 SGG kostenfrei ist. Die Klägerin zu 1 ist darüber hinaus als Sonderrechtsnachfolgerin im gleichen Umfang gemäß § 183 Satz 1 SGG gerichtskostenfrei wie der ursprüngliche Berechtigte, hier der Versicherte.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2014/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1355/23
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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