Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. November 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat zutreffend die Beiordnung des Rechtsanwaltes F. auf dessen Antrag aufgehoben.
Nach § 48 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann der gemäß § 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG dem Beteiligten im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen.
Hierfür sind konkrete Umstände vorzutragen und gegebenenfalls nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt, aufgrund dessen zu besorgen ist, dass die Rechtsverfolgung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (vgl. Oberlandesgericht [OLG] Hamm, Beschluss vom 4. Oktober 2022 – 11 WF 159/22 – juris Rn. 16).
Bei der Entscheidung über die Entpflichtung sind neben dem Interesse des bedürftigen Beteiligten und dem Interesse des beigeordneten Rechtsanwalts auch das öffentliche Interesse an einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Interesse des Antragstellers an einer zügigen Erledigung des Verfahrens zu beachten. Sinn und Zweck des § 48 Abs. 2 BRAO ist, bei einmal erfolgter Beiordnung die anwaltliche Vertretung auch weiterhin sicherzustellen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 17). Die Beschränkung der Entpflichtungsmöglichkeit auf wichtige Gründe soll verhindern, dass mit der Beendigung der Vertretung verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, insbesondere eine Verfahrensverzögerung etwa durch Niederlegung des Mandats. Die Entscheidung über die Entpflichtung ist daher im jeweiligen Einzelfall unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu treffen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 17).
Wichtige Gründe im Sinne von § 48 Abs. 2 BRAO sind in der Regel das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 45 – 47 BRAO sowie schwere Krankheit des Anwalts und die unbehebbare Störung des Vertrauensverhältnisses (Nöker in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 48 Rn. 19a). Eine solche unbehebbare Störung liegt vor, wenn die Zusammenarbeit im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht mehr gewährleistet ist, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tiefgreifend gestört ist (Nöker a.a.O.). Allerdings ist nicht jede Differenz mit dem Mandanten ausreichend. Vielmehr muss der Anwalt in gewissem Umfang sogar unsachliche Kritik des Mandanten hinnehmen (Vorwerk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 48 Nr. 9).
Die mehrfache Missachtung der anwaltlichen Aufforderung, eigene Eingaben bei Gericht zu unterlassen, kann zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses führen, wenn der Anwalt aufgrund dieses Verhaltens außerstande ist, die ihm im Rahmen des Mandatsverhältnisses obliegenden Pflichten zur sachgerechten Vertretung der Interessen des Mandanten zu genügen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Dezember 2017 – II-2 WF 204/17 - juris Rn. 12). Ebenso ist die Forderung der Partei, allein die von ihr entworfenen Schriftsätze einzureichen, ein wichtiger Grund, der eine Aufhebung der Beiordnung rechtfertigen würde (vgl. Landgericht [LG] Stade, Beschluss vom 26. Mai 2021 – 4 O 73/21 – juris Rn. 5).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist das SG Oldenburg zutreffend vom Vorliegen eines wichtigen Grundes gem. § 48 Abs. 2 BRAO ausgegangen.
Zunächst hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 12. September 2022 dem beigeordneten Rechtsanwalt konkrete Vorgaben zur Ausübung des Mandates erteilt und damit dessen Handlungsbefugnisse ganz maßgeblich eingeschränkt. Hierzu gehört, dass der beigeordnete Rechtsanwalt keine Schreiben ohne die Genehmigung bzw. Freigabe durch den Kläger an das zuständige Gericht oder den Beklagten senden darf. Er dürfe „keine eigenständigen Willenserklärungen“ im Namen des Klägers abgeben und solle „nur noch als stiller Rechtsberater“ für den Kläger tätig werden. Diese Beschränkungen der regelmäßig von einem Rechtsanwalt für seine Mandantschaft ausgeübten Handlungen sind ganz offensichtlich Ausdruck des fehlenden Vertrauens des Klägers gegenüber dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt. Im Übrigen ist die sachgerechte Vertretung des Klägers durch den beigeordneten Rechtsanwalt mit diesen Handlungsbeschränkungen schlichtweg nicht möglich.
Hierfür spricht auch, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 17. Oktober 2022 an das SG Oldenburg selbst die Vertrauenswürdigkeit des ihm beigeordneten Rechtsanwaltes in Frage stellt, den er im Übrigen als „externen Dienstleister“ bezeichnet. Zudem unterstellt der Kläger dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt, er habe durch seine bisherige inaktive Position den Ausgang des Verfahrens zum Nachteil des Klägers verändert. Seit der Beiordnung sei keine rechtliche Beratung und keine taktische Betreuung erfolgt. Eine ordnungsgemäße Vertretung habe bisher nicht stattgefunden. Mit diesen Behauptungen stellt der Kläger die Arbeit des ihm beigeordneten Rechtsanwaltes insgesamt in Frage, so dass auch das zugrundeliegende Vertrauensverhältnis erheblich in Frage gestellt wird. Der Bereich der noch hinzunehmenden Kritik ist hier jedenfalls überschritten. Auch die weiteren von dem Kläger in seinem Schreiben vom 17. Oktober 2022 behaupteten Pflichtverletzungen („Peinlichkeiten“) zeigen, dass das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt nachhaltig gestört ist.
Zudem belegt der Umstand, dass sich der Kläger in seinem Schreiben vom 12. September 2022 vorbehält, entgegen der Aufforderung durch den beigeordneten Rechtsanwalt vom 29. August 2022 „so viele Schriftstücke und so oft wie nötig“ bei Gericht einzureichen dafür, dass seinerseits kein Vertrauen in die ordnungsgemäße Vertretung seiner Interessen durch den beigeordneten Rechtsanwalt besteht.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 17. Oktober 2022 ausführt, weiterhin auf einer Zusammenarbeit mit dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt zu bestehen und ihm „gnädiger Weise eine zweite Chance“ einzuräumen. Denn unter Berücksichtigung der zahlreichen Vorwürfe, die der Kläger in dem gleichen Schreiben gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt erhebt, und den erteilten Handlungsbeschränkungen ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit umgesetzt werden soll. Im Übrigen setzt sich der Kläger in Widerspruch zu dieser Vertrauensbekundung, wenn er in demselben Schreiben mitteilt, dass er keine Möglichkeit sehe, dem „externen Dienstleister Zugang zum PKH-Budget zu ermöglichen“.
Schließlich zeigt der Umstand, dass der Kläger von seinem beigeordneten Rechtsanwalt eine nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Abrechnung direkt mit dem Beklagten verlangt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beiden nicht möglich ist.
Soweit der Kläger anführt, dass eine von ihm unterschriebene Prozessvollmacht für den beigeordneten Rechtsanwalt nicht vorliege, da ihm dieser keinen entsprechenden Vordruck zur Unterschrift übersandt habe, führt dies vorliegend nicht dazu, dass der Beiordnungsbeschluss nicht aufgehoben werden kann. Denn auch wenn die Beiordnung nicht die Erteilung einer Prozessvollmacht ersetzt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 16. Juli 2003 – B 13 RJ 83/02 B - juris Rn. 9), kann in der Benennung des beizuordnenden Rechtsanwaltes vor der Beiordnung die schlüssige Erklärung zur Erteilung der Vollmacht gesehen werden (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 73a Rn. 13e).
Die vom Kläger in seiner Beschwerde genannten klärungsbedürftigen Aspekte waren vorliegend nicht weiter zu erörtern, da sich die Vorgaben für die Aufhebung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes allein aus § 48 Abs. 2 BRAO ergeben. Diese Vorgaben sind jedoch, wie oben ausgeführt, vorliegend erfüllt.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwaltes besteht, wenn das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten zerstört worden ist und dadurch die Entpflichtung des beigeordneten Anwalts nach § 48 Abs. 2 BRAO verursacht wurde (vgl. OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 21).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
C. D. Dr. E.