L 2 SF 1542/23 EK AL

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 1542/23 EK AL
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zu den Anforderungen an eine Verzögerungsrüge unter Beachtung der BSG-Rechtsprechung.
2. Die sechsmonatige Wartefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG zwischen der Verzögerungsrüge und Erhebung der Entschädigungsklage war hier, nachdem das Verfahren schon vor Ablauf der Wartefrist erledigt worden war, im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken, dass in diesem Fall das Fristerfordernis keine Anwendung (mehr) findet (siehe BVerwG Urteil vom 26. Februar 2015 – 5 C 5/14 D – juris Rn. 18 ff.).
3. Wird die Verzögerungsrüge erstmalig zu einem Zeitpunkt erhoben, zudem ohnehin der Abschluss des Verfahrens unmittelbar bevorstand (hier eine Woche später durch Urteil ohne mündliche Verhandlung), ist es ausreichend, die Wiedergutmachung hinsichtlich der hier lediglich um zwei Monate unangemessen langen Verfahrensdauer auf andere Weise und zwar durch die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG vorzunehmen.

Die unangemessene Dauer des beim Landessozialgericht Baden-Württemberg unter dem Az. L 8 AL 738/21 geführten Berufungsverfahren wird festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu vier Fünftel und der Beklagte zu einem Fünftel zu tragen.

Der Streitwert wird auf 1.000 € festgesetzt.



Tatbestand

Die Klägerin macht einen Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) geltend. Sie stützt ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Höhe von 1.000,00 € auf das vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) anhängig gewesene Berufungsverfahren L 8 AL 738/21. In diesem war höheres Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) im Streit.

In dem ursprünglich beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe anhängigen Klageverfahren gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte die Klägerin im Rahmen der Gewährung von Arbeitslosengeld die Gewährung eines erweiterten Freibetrags nach § 155 Abs. 2 SGB III im Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitseinkommen neben dem Bezug von Arbeitslosengeld begehrt. Das SG hatte die am 11. Januar 2019 erhobene Klage mit Urteil vom 26. Januar 2021 abgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25. Februar 2021 zunächst zur Fristwahrung Berufung zum LSG (L 8 AL 738/21). Am 8. März 2021 erging an die Klägerin die Aufforderung die Berufung binnen vier Wochen zu begründen. Am 15. März 2021 gingen die Akten des SG samt einem Abdruck des Urteils beim LSG ein. Am 18. März 2021 ging die Berufungsbegründung der Klägerin zunächst per Fax und ohne Anlagen, am 22. März 2021 dann im Original samt 14 Anlagen beim LSG ein. Ebenfalls noch am 22. März 2021 veranlasste die Vertreterin der damals noch zuständigen Berichterstatterin - deren Abordnung an das LSG zum 31. März 2021 endete - die Übersendung der Berufungsbegründung samt Anlagen an die BA zur Berufungserwiderung binnen vier Wochen. Am 31. März 2021 ging beim LSG die Berufungserwiderung der BA ein und am 1. April 2021 folgte der Eingang der elektronischen Verwaltungsakte der BA.
Mit Wirkung zum 1. April 2021 war nunmehr der an das LSG abgeordnete Richter am SG R zum zuständigen Berichterstatter bestimmt worden.
Am 9. April 2021 übersandte das SG noch weitere Schreiben der Klägerin vom 12. bzw. 15. März 2021 zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 27. April 2021 kündigte der nunmehr zuständige Berichterstatter den Beteiligten an, dass beabsichtigt sei, einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchzuführen. Er forderte in dem Zusammenhang die BA auf, noch ergänzend zu dem vom SG vorgelegten Vorbringen der Klägerin zur Höhe des hier anzurechnenden Betrages (abzusetzende Werbungskosten) Stellung zu nehmen und übersandte darüber hinaus die Berufungserwiderung der BA an die Klägerin zur Kenntnis. Am 30. April übersandte die Klägerin einen weiteren Schriftsatz zunächst per Fax, am 4. Mai 2021 sodann im Original. Ebenfalls am 4. Mai 2021 verfügte der Berichterstatter die Ladung zum Erörterungstermin am 21. Mai 2021.
Am 6. Mai 2021 erfolgte eine ergänzende Stellungnahme der BA hinsichtlich noch von der Klägerin geltend gemachter Werbungskosten (Fahrtkosten) einschließlich einem entsprechendem Berechnungsblatt. Die BA erklärte sich in dem Zusammenhang auch hinsichtlich einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreites entsprechend dem Ergebnis der beigefügten Berechnung bereit.
Mit Verfügung vom 10. Mai 2021 übersandte der Berichterstatter das Schreiben der BA samt Berechnungsbogen an die Klägerin und bat um Mitteilung, ob auf Seiten der Klägerin ebenfalls eine vergleichsweise Lösung auf der Basis der Berechnung der Beklagten zu dem Freibetrag nach § 155 Abs. 1 SGB III in Betracht komme, wonach die Klägerin noch weiteres Alg in Höhe von 668,61 Euro erhalten würde. Das Gericht würde dann einen entsprechenden Vergleich vorschlagen; der Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 21. Mai 2021 könnte bei Zustimmung zu dem Vergleich kurzfristig aufgehoben werden.
Mit Faxschreiben vom 13. Mai 2021 machte die Klägerin nochmals umfangreichere Ausführungen zur Berücksichtigung der von ihr noch geltend gemachten Werbungskosten und mit in dem Zusammenhang stehende steuerrechtliche Problematiken. In dem Zusammenhang fragte die Klägerin noch an, ob weitere Berechnungen ihrerseits notwendig seien. Eine Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Erledigung wurde nicht erklärt.
Mit Verfügung vom 14. Mai 2021 wandte sich der Berichterstatter nochmals an die Klägerin und führte aus, sie habe sich erkundigt, ob sie noch eine weitere Kalkulation / Kostenaufstellung einreichen solle. Im Hinblick auf den damit für die Klägerin vermutlich verbundenen Aufwand und die wohl bestehende Möglichkeit, in dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage eine gütliche Einigung zu finden, könne diese Kalkulation aus Sicht des Berichterstatters zunächst zurückgestellt werden. Falls die Klägerin die weitere Kalkulation mit allen weiteren Kosten jedoch einreichen möchte, könne sie dies gerne tun.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2021 gewährte der Berichterstatter der BA eine Teilnahme am Erörterungstermin nach § 110a SGG im Wege einer Videokonferenz.
Am 20. Mai 2021 ging ein weiteres Schreiben der Klägerin mit einer weiteren Aufstellung ihrer Kosten ein.
Am 21. Mai 2021 fand der Erörterungstermin statt (Dauer 1 Stunde) im Rahmen dessen ausführlichst über die Werbungskosten, insbesondere die Fahrtkosten der Klägerin und deren Umfang gesprochen wurde.
Am 24. Mai 2021 ging ein weiteres Schreiben der Klägerin zu ihren Tätigkeiten und angefallenen Werbungskosten (in der Anlage) ein. Mit Schreiben vom 25. Mai 2021 legte die Klägerin im Nachgang zum Erörterungstermin noch weitere Unterlagen vor.
Mit Verfügung vom 26. Mai 2021 übersandte der Berichterstatter die klägerischen Schreiben samt Unterlagen an die BA zur Kenntnis.
Am 14. Juni 2021 verfügte der Berichterstatter die Übersendung des Protokolls an die Beteiligten.
Am 14. August 2021 ging ein weiterer Schriftsatz der Klägerin samt Anlage ein. Darin machte die Klägerin nochmals ergänzende Ausführungen im Nachgang zum Erörterungstermin vom 21. Mai 2021, insbesondere auch hinsichtlich vermeintlicher steuerrechtlicher Schwierigkeiten, den die Vertreterin des zuständigen Berichterstatters mit Verfügung vom 17. August 2021 an die BA zur Kenntnis weiterleitete.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 bat die Klägerin im Ergebnis um eine gerichtliche Bescheinigung gegenüber dem Finanzamt über die vorläufige Rechtseinschätzung für das anhängige Verfahren beim LSG. Mit Verfügung vom 21. Oktober 2021 teilte die Vertreterin des Berichterstatters mit, dass dieser derzeit arbeitsunfähig krank und im Übrigen die erbetene Stellungnahme gegenüber dem Finanzamt für ein anderes gerichtliches Verfahren hier nicht möglich sei.
Am 7. Januar 2022 fragte die Klägerin nach dem Sachstand der Berufung.
Mit Verfügung vom 18. Januar 2022 teilte der Berichterstatter der Klägerin mit, mit Faxschreiben vom 7. Januar 2022 habe sie sich zu Recht nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Nach zwischenzeitlicher Erkrankung und im Hinblick auf eine Vielzahl von anderen zu bearbeitenden Verfahren müsse erst wieder Zeit gefunden werden, um sich wieder in dieses Verfahren einarbeiten zu können. Er werde versuchen, der Klägerin alsbald eine Stellungnahme zukommen zu lassen. Vorsorglich wolle er darauf hinweisen, dass die von der Klägerin gewollte Korrektur des „jahresübergreifenden“ Leistungsnachweises der BA über das 2018/2019 bezogene Alg wohl nicht zulässigerweise Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem LSG sein könne. Hier dürfte wohl nur darüber zu entscheiden sein, in welcher Höhe sie Anspruch auf Alg ab dem 12. Juni 2018 bis 31. Januar 2019 gehabt habe. Damit verbunden wäre die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten im Berufungs- und insbesondere im Klageverfahren, da die Klägerin dort noch anwaltlich vertreten gewesen sei. Über die Höhe zu erstattender außergerichtlicher (Anwalts-)Kosten dürfte hier von dem LSG allerdings nicht zu entscheiden sein, sondern erst im Rahmen der Kostenfestsetzung durch das Sozialgericht nach Abschluss dieses Verfahrens. Die Möglichkeit, eine vergleichsweise Lösung über alle Kosten zu finden, bleibe davon selbstverständlich unberührt. Dies dürfte jedoch ein beiderseitiges Nachgeben auf Klägerseite wie auch auf Seiten der BA voraussetzen.
Am 25. Januar 2022 machte die Klägerin im Hinblick darauf nochmals Ausführungen unter anderem hinsichtlich eines ihr durch das Verhalten der BA entstandenen Steuerschadens.
Mit weiterer Verfügung vom 15. Februar 2022 erläuterte der zuständige Berichterstatter nochmals ausführlich, dass hier unter anderen nicht über Schadensersatzansprüche zu entscheiden sein dürfte und dass sich ein möglicher Vergleich realistischerweise nur auf den Streitgegenstand und damit die Höhe des Arbeitslosengeldes beziehen sollte.
Hierzu nahm die Klägerin nochmals mit Schreiben vom 21. Februar 2022 Stellung (samt einer Anlage zum negativen Progressionsvorbehalt).
Mit Verfügung vom 1. März 2022 teilte der Berichterstatter mit, dass er davon ausgehe, dass die Klägerin einen weiteren Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht wünsche. Im Hinblick auf eine Vielzahl noch zu bearbeitender Verfahren und einen anstehenden Wechsel des zuständigen Berichterstatters werde das Gericht voraussichtlich leider erst ab April 2022 eine Entscheidung zum weiteren Fortgang des Verfahrens treffen können.
Mit Schreiben vom 24. März 2022 machte die Klägerin noch weitere Ausführungen zum Verfahren (unter anderem auch zu noch hier erstmals geltend gemachten Kosten für ein Laptop) und erklärte außerdem ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Zum 1. April 2022 erfolgte nach dem Ende der Abordnung von Richter am SG R die Zuweisung des Richters am SG J als nunmehr zuständiger Berichterstatter.
Mit Verfügung vom 8. April 2022 wies der nunmehr zuständige Berichterstatter darauf hin, dass hinsichtlich noch geltend gemachter Anschaffungskosten für einen Laptop keinerlei Belege vorliegen würden und im Übrigen dies wohl auch nicht im Zusammenhang mit den Erwerbseinkünften stehen dürfte, die hier Gegenstand des Verfahrens seien. Hinsichtlich noch geltend gemachter „vorgerichtlicher Kosten“ wurde darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage die Klägerin erst ab Klageerhebung beim SG anwaltlich vertreten gewesen sei und diese Kosten auf jeden Fall Gegenstand einer von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidung nach § 193 SGG seien. Daneben wurde noch beim BA angefragt, ob ebenfalls einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt werden.
Mit Schreiben vom 14. April 2022 erklärte die BA ebenfalls ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Mit Schreiben vom 19. April 2022 wurde dies der Klägerin zur Kenntnis mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2023 bat die Klägerin um Mitteilung des Sachstandes. Seit der Mitteilung vom 19. April 2022, wonach keine mündliche Verhandlung erforderlich sei, seien keinerlei weiteren schriftlichen Erklärungen bereitgestellt worden, um den Sachstand abschließend zu klären. Erstmals habe sie sich an das LSG gewandt, als nach dem Erörterungstermin kein Schriftverkehr mehr erfolgt sei und ihr sei mit Schreiben vom 23. Oktober 2021 mitgeteilt worden, dass sich der zuständige Berichterstatter im Krankenstand befinde. Mit weiterem Schreiben vom 7. Januar 2022 habe sie sich erneut an das LSG gewandt, da der abschließende Verfahrensverlauf weiterhin ins Stocken geraten sei. Mit Gerichtschreiben vom 20. Januar 2022 sei ihr bestätigt worden, dass die Klärung alsbald bevorstehe. Leider sei bislang keine gänzliche Aufklärung erfolgt und bitte man deswegen um tatkräftige Unterstützung, um auch ein zeitnahes Ergebnis zu erreichen, weil das Verfahren schon so viele Jahre andauere und die Klägerin sich in ihren persönlichen und finanziellen Rechten daher sehr verletzt fühle.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2023 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass das Verfahren zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 20. Januar 2023 vorgesehen sei.

Mit Urteil vom 20. Januar 2023 hat das LSG die BA unter Abänderung des Urteils des SG wie auch der entsprechenden Bewilligungs- und Änderungsbescheide verpflichtet, der Klägerin noch weiteres Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 12. Juni 2018 bis 31. Januar 2019 in Höhe von 648,16 € zu gewähren, im Übrigen jedoch die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Das LSG hatte in dem Zusammenhang sich zunächst mit zwei unzulässigen Anträgen betreffend die Verzinsung eines eventuellen Nachzahlungsbetrages als auch die Verpflichtung der BA weiteres Arbeitslosengeld in der steuerrechtlichen Form eines negativen Progressionsvorbehalts zu gewähren, auseinandersetzen müssen. Im Weiteren hatte das LSG sich noch umfangreich mit der hier (ursprünglich) im Streit stehenden Freibetragsregelung in § 155 Abs. 2 SGB III wie auch der Berücksichtigung weiterer Werbungskosten nach § 155 Abs. 1 SGB III auseinanderzusetzen.
Das Urteil des LSG wurde der Klägerin am 4. Februar 2023 mit Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt. Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig.

Mit Fax-Schreiben vom 17. Mai 2023 hat die Klägerin Entschädigungsklage bezogen auf dieses Berufungsverfahren beim LSG erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, nach ihrer Klageerhebung und Vorlage der Begründung habe am 21. Mai 2021 ein Erörterungstermin stattgefunden, bei dem die Sach- und Rechtslage weitestgehend klar erörtert worden sei und nur noch geringfügige Abweichungen von beantragten Streitbeträgen der Klägerin durch das Gericht zu erfolgen gehabt hätten. Nachdem die Klägerin bis Oktober 2021 jedoch nichts mehr in dieser Angelegenheit von Seiten des Gerichts gehört habe, habe erstmals das dringende Bedürfnis bestanden, den Sachstand zu erfragen, weshalb die „abschließende Urteilsfindung noch nicht bearbeitet worden“ [sei]. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2021 sei ihr mitgeteilt worden, dass sich der Berichterstatter im Krankenstand befände.
Da jedoch danach bis zum 7. Januar 2022 abermals keine „Urteilsfindung“ des zuvor vollständig geklärten Verfahrens erfolgt sei, habe für die Klägerin eine erhebliche Besorgnis bestanden und sie sich abermals an das Gericht gewandt. Der Berichterstatter habe sich mit Schreiben vom 20. Januar 2022 für die zögerliche Bearbeitung und die Unannehmlichkeiten des langen Verfahrensverlaufs detailliert und höflich entschuldigt. Die Klägerin habe daraufhin weiterhin vergeblich auf ein Urteil gewartet, habe jedoch nicht aufdringlich wirken und schon nach sechs Monaten eine erneute Aufforderung schreiben wollen und deshalb ein weiteres Jahr zugewartet bis zur letztmaligen Rüge, die dann am 12. Januar 2023 erfolgt sei. In dem Zusammenhang habe sie umgehend am 13. Januar 2023 eine sofortige Rückmeldung erhalten, dass das Verfahren am 20. Januar 2023 zur Entscheidung vorgesehen sei.
Die Klägerin fühle sich mit dem aus ihrer Sicht überlangen Verfahren in ihren Rechten verletzt. Sie mache bei nach Abzug der rein rechnerisch mit zwölf Monaten eingeräumten Bearbeitungszeit eine Restzeit von zehn Monaten mit einer Entschädigung in Höhe von 1.000 € geltend.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1.000 € nach § 198 Abs. 2 GVG für die Verzögerung im Berufungsverfahren L 8 AL 738/21 zu zahlen.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer nicht vorliege. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Grundlagen für die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ergebe die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Umstände, dass die Dauer des Ausgangsverfahrens die äußerste Grenze des Angemessenen nicht überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit nicht verletzt habe, sodass auch dahinstehen könne, ob den Erklärungen der Klägerin im Ausgangsverfahren überhaupt die Qualität einer Verzögerungsrüge beigemessen werden könne.
Das beanstandete Berufungsverfahren sei am 25. Februar 2021 beim LSG eingegangen und dort im Referat IV des 8. Senats 23 Monate anhängig gewesen. Das Urteil in der Sache sei am 20. Januar 2023 ergangen und der Klägerin am 8. Februar 2023 (richtig 4. Februar 2023) zugestellt worden.
Das Referat IV sei im achten Senat für Richter vorgesehen, die zur Erprobung an das LSG abgeordnet würden. Der erforderliche Wechsel des Berichterstatters, der nach Ablauf der Regelerprobungszeit von einem Jahr (§ 37 Abs. 2 Deutsches Richtergesetz <DRiG>) von Verfassung wegen eintreten müsse, finde zum 1. April eines jeden Jahres statt, sodass im Ausgangsverfahren zwei dieser Berichterstatterwechsel stattgefunden hätten, die bei der Verfahrensdauer zu berücksichtigen seien.
Das Ausgangsverfahren sei unmittelbar nach seinem Eingang beim LSG am 25. Februar 2021 intensiv bearbeitet worden, wobei auch erforderliche Ermittlungen durchgeführt worden seien und eine neue Berechnung des Alg-Anspruchs bei der - dortigen Beklagten - Bundesagentur für Arbeit eingeholt worden sei. In weniger als drei Monaten nach Berufungseingang, nämlich am 21. Mai 2021, sei bereits ein Erörterungstermin mit einer Dauer von über einer Stunde durchgeführt worden. Dies zeige deutlich den Willen des am 1. April 2021 an das LSG abgeordneten neuen Berichterstatters, die Sache zügig zu bearbeiten. Im Erörterungstermin sei zusätzlicher Vortrag der Klägerin zu ihren Werbungskosten erfolgt. Der Berichterstatter sei dann in der Zeit vom 12. Oktober 2021 bis zum 5. November 2021 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die Klägerin habe sich nach dem Erörterungstermin - wie wohl in dem Termin besprochen - von sich aus bemüht, weitere Fragen zu ihren Werbungskosten zu klären, was gemäß einer Mitteilung an das Gericht vom 7. Januar 2022 nicht abschließend gelungen sei.
Daraufhin seien am 18. Januar 2022 und - nach weiterem Vortrag der Klägerin - am 15. Februar 2022 umfassende Aufklärungsverfügungen des wieder genesenen Berichterstatters an die Beteiligten erfolgt. Anschließend sei ein Hinweis des Berichterstatters auf den zum 1. April 2022 zu erwartenden erneuten Berichterstatterwechsel erfolgt.
Die Klägerin habe hierauf am 24. März 2022 unter anderem mit einer Zustimmung zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung („omV“ - schriftliches Verfahren nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) geantwortet. Soweit ersichtlich, sei diese Zustimmung eigeninitiativ erfolgt und nicht auf Nachfrage des Gerichts.
Die Einholung einer Zustimmung zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung geschähe teilweise schon im frühen Zeitpunkt eines Verfahrens, weil den Beteiligten hiermit auch signalisiert werden könne, dass die Sache ausgeschrieben sei und weitere Ermittlungen und weiterer Vortrag der Beteiligten nicht für erforderlich gehalten werde. Eine Zusicherung, dass alsbald über eine solche Berufung entschieden werde, könne hierin jedoch nicht gesehen werden, zumal die Anregung zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung wohl von der Klägerin selbst stamme.
Der zum 1. April 2022 zum Berichterstatter bestimmte neue Abordnungsrichter habe bereits am 8. April 2022 aktuelle rechtliche Hinweise gegeben und bei der Beklagten angefragt, ob diese ebenfalls einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimmen. Diese Zustimmung sei sodann am 14. April 2022 beim Gericht eingegangen.
Das Urteil ohne mündliche Verhandlung in der Sache sei am 20. Januar 2023 ergangen und der Klägerin am 8. Februar 2023 (richtig 4. Februar 2023) zugestellt worden, sodass ein Zeitraum von etwa neun Monaten bis zur Entscheidungsfindung festzustellen sei.
Hier sei zunächst zu erwähnen, dass dem ab dem 1. April 2022 zuständig gewordenen neuen Berichterstatter die übliche Zeit für die Einarbeitung und rechtliche Überlegung von sechs Monaten einzuräumen sei. Ferner sei nach ständiger Rechtsprechung des BSG den Ausgangsgerichten - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles - eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz zuzubilligen, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führe, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden könne (mit Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 4/21 R -, juris).
Hier habe das Ausgangsverfahren mehrere prozessuale und materielle-rechtliche Fragen aufgeworfen, die nicht einfach zu beurteilen gewesen seien. Auch durch den nicht immer verständlichen Vortrag der Klägerin, wechselnde Klagebegehren und durch eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sei das Verfahren aufwändig und zeitintensiv geworden. Darüber hinaus sei im achten Senat in den Jahren 2021 und 2022 eine Vielzahl von älteren Verfahren anhängig gewesen, wobei - auch pandemiebedingt - in einer besonders großen Anzahl von Verfahren omV-Zustimmungen der Beteiligten vorgelegen hätten. Bei der Zusammenstellung der Terminrolle werde grundsätzlich älteren Verfahren der Vorrang gegeben, allerdings auch zusätzlich berücksichtigt, ob es um existenzsichernde Leistungen wie Renten oder Verletztengeld gehe. Im Gegensatz hierzu sei der Fall der Klägerin ein jüngeres Verfahren gewesen, das zudem im Vergleich zu einer Rentengewährung eine geringere wirtschaftliche Bedeutung gehabt habe.
Nicht zuletzt hätten im streitigen Ausgangsverfahren im Zeitraum von April bis Dezember 2022 mehrere senatsinterne Besprechungen zu den nicht einfach zu beurteilenden prozessualen und materiellen-rechtlichen Problemen des Ausgangsverfahrens stattgefunden, sodass aufgrund des tatsächlichen Verlaufs der internen Beratung sowie der hierzu durchgeführten Recherchen frühestens im Dezember 2022 die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Senats nach § 124 Abs. 2 SGG vorgelegen hätten.
Zusammenfassend lasse sich festhalten, dass aufgrund der aufgeworfenen prozessualen und materiellen-rechtlichen Probleme, des von Verfassung wegen erforderlichen Berichterstatterwechsels, der mehrfach erteilten richterlichen Aufklärungsverfügungen, eines Erörterungstermins von über 1 Stunde Dauer und mehrerer senatsinterner Besprechungen die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des angemessenen nicht überschritten habe und somit der Klägerin kein Entschädigungsanspruch zustehe.
Nur höchst hilfsweise sei anzumerken, dass es vorliegend selbst bei der Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer in jedem Fall einer Geldentschädigung nicht bedürfte, sondern vielmehr die Feststellung einer Verfahrensüberlänge für die Wiedergutmachung ausreichend wäre (§ 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2023 hat die Klägerin daran festgehalten, dass sie nach wie vor von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgehe. Sie habe auch keineswegs durch ihr Verhalten das Verfahren verlängern wollen, sondern vielmehr durch die ergänzenden Schriftsätze als auch die Vorlage von Unterlagen das Verfahren fördern und eine baldige Entscheidung herbeiführen wollen.

Der Senat hat noch beim Beklagten die Stellungnahme des Präsidenten des Landessozialgerichts vom 27. Juli 2023 sowie die Stellungnahme des Vorsitzenden des 8. Senats vom 26. Juli 2023 beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die Akte L 8 AL 738/21 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.


Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage hat teilweise Erfolg.

II.

Die Entschädigungsklage der Klägerin ist zulässig.

1.
Das LSG ist für die erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG i.V.m. den §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

2.
Die Entschädigungsklage ist als allgemeine Leistungsklage auch statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; stRspr; z.B. BSG Urteil vom 9. März 2023 - B 10 ÜG 2/21 R -, juris Rn. 15 mit Hinweis auf Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/17 R - juris Rn. 22).

3.
Die Wartefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG, wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, ist zwar nicht gewahrt. Denn die Klägerin hat erstmals am 12. Januar 2023 eine überlange Verfahrensdauer gerügt, jedoch bereits am 17. Mai 2023 Klage vor dem LSG erhoben.

Dies steht aber letztlich hier einer zulässigen Klage nicht entgegen.

a.
Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat. Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist (§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG).

b.
Welche konkreten Anforderungen an eine Verzögerungsrüge zu stellen sind, hat der ÜGG-Gesetzgeber nicht normiert. Vielmehr stellt der Wortlaut des insoweit maßgeblichen § 198 Abs. 3 GVG keine besonderen Anforderungen an die Form oder den Mindestinhalt einer Verzögerungsrüge (BSG, Urteil vom 27. März 2020 - B 10 ÜG 4/19 R - juris Rn. 25 mit Hinweis auf: Bundesverfassungsgericht <BVerfG> <Kammer> Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 - juris Rn. 30; Bundesfinanzhof <BFH> Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12 - juris Rn. 27). Der Norm ist lediglich zu entnehmen, dass ein Verfahrensbeteiligter (§ 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG) nur dann eine Entschädigung erhält, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Satz 1). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist (Satz 2). Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen (Satz 3). Anderenfalls werden sie vom Entschädigungsgericht bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt (Satz 4). Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge (Satz 5).

An den Inhalt einer Verzögerungsrüge sind nach dem Willen des ÜGG-Gesetzgebers nur geringe Anforderungen zu stellen (vgl. BSG Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - juris Rn. 32). Ausweislich der Gesetzesmaterialien muss der Beteiligte lediglich zum Ausdruck bringen, dass er mit der Verfahrensdauer nicht einverstanden ist und eine Beschleunigung des Verfahrens verlangt (BT-Drucks 17/3802 S. 21 zu Abs. 3 Satz 3). Ist dies dem Inhalt einer Erklärung in Verbindung mit den Umständen, die für das Gericht offensichtlich sind, zu entnehmen, so wäre es eine bloße Förmelei, diese Erklärung allein deshalb nicht als Verzögerungsrüge anzusehen, weil sie nicht als solche ausdrücklich bezeichnet oder - insbesondere von nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten - unzulänglich formuliert ist (vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 - juris Rn. 31 f; BFH Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12 - juris Rn. 27; Wenner, SozSich 2014, 118, 120; Heine, MDR 2013, 1147, 1148).

Der die Verfahrensdauer rügende Beteiligte muss nicht begründen, woraus sich die Unangemessenheit der Verfahrensdauer ergibt und welche Alternativen zur Verfahrensgestaltung in Betracht kommen (anders im verfassungsgerichtlichen Verfahren, wonach nach § 97b Abs. 1 Satz 3   BVerfGG die Umstände, die die Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen, darzulegen sind). Vorbild für diese Gestaltung ist nach den Gesetzesmaterialien der Widerspruch im Verwaltungsverfahren, an dessen Inhalt keine hohen Anforderungen gestellt werden (BSG Urteil vom 27. März 2020 - B 10 ÜG 4/19 R - juris Rn. 29 mit Hinweis auf BT-Drucks 17/3802 S. 21 zu Abs. 3 Satz 3; Guckelberger, DÖV 2012, 291, 293; vgl. zum Widerspruch im Sozialverwaltungsverfahren B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 83 Rn. 2, wonach bei der Auslegung eine "großzügige Handhabung ratsam" sei). Unterlässt es der Rügende Umstände zu benennen, die für das Maß der gebotenen Zügigkeit wichtig, aber noch nicht in das Verfahren eingeführt sind, ordnet § 198 Abs. 3 Satz 4 GVG an, dass diese Aspekte bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht zu berücksichtigen sind. Aus der benannten Regelung kann indes nicht abgeleitet werden, dass eine Pflicht zur Begründung besteht, bei deren Fehlen der Verzögerungsrüge eben diese Rechtsnatur abgesprochen werden kann (vgl. BT-Drucks 17/3802 S. 21 zu Abs. 3 Satz 3, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags <6. Ausschuss> vom 28. September 2011, BT-Drucks 17/7217 S. 27). Eine Verletzung der Hinweispflicht des Rügenden nach § 198 Abs. 3 Satz 3 GVG kann gemäß § 198 Abs. 3 Satz 4 GVG somit lediglich zu einer Verkürzung der entschädigungsrelevanten Überlänge führen (vgl. BSG Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - juris Rn. 32, 34).
Die Verzögerungsrüge ist eine materielle Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch (BSG Beschluss vom 13. Juli 2017 - B 10 ÜG 2/17 B - juris Rn. 11; Beschluss vom 27. Juni 2013 - B 10 ÜG 9/13 B - juris Rn. 27; ebenso BFH Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12 - juris Rn. 24). Sie stellt als solche eine haftungsbegründende Obliegenheit des (späteren) Entschädigungsklägers dar (BT-Drucks 17/3802 S. 21 zu Abs. 3 Satz 3; Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 17/3802 S. 43 zu Nr. 18; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - juris Rn. 14; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl. 2016, § 4 Rn. 142; Söhngen in Hennig, SGG, § 202 Rn. 83, Stand der Einzelkommentierung: Februar 2016).
Die Verzögerungsrüge ist aber kein eigenständiger (präventiver) Rechtsbehelf (BT-Drucks 17/3802 S. 21 zu Abs. 3 Satz 3 und S. 43 zu Nr. 18). Bei ihr handelt es sich auch nicht um eine Prozesshandlung im engeren Sinne, weil sie auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten und dem Gericht im Ausgangsverfahren nicht unmittelbar rechtsgestaltend einwirkt (BFH Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12 - juris Rn. 28; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl. 2016, § 4 Rn. 143). Das BSG lies es in seinem Urteil vom 27. März 2020 (- B 10 ÜG 4/19 R - juris Rn. 31) dahinstehen, ob deshalb die an Prozesshandlungen zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Klarheit, Eindeutigkeit und Bedingungsfeindlichkeit derartiger Äußerungen für die Verzögerungsrüge nicht gelten (so aber BFH Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12 - juris Rn. 28). Jedenfalls weist die Verzögerungsrüge Elemente einer Prozesshandlung auf. So gelten für sie bestimmte Fristen (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG, Art 23 Satz 2 ÜGG). Vor allem aber soll sie dazu dienen, das Ausgangsverfahren zu beschleunigen, weshalb sie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich auch als "Beschleunigungsrüge" bezeichnet wird (BT-Drucks 17/3802 S. 21 zu Abs. 3 Satz 3). Sie soll im jeweiligen Einzelfall eine "konkret-präventive Beschleunigungswirkung" (so BT-Drucks 17/3802 S. 16 zu Nr. 4) auf das Ausgangsverfahren entfalten und nach der gesetzlichen Konzeption so dazu beitragen, dass es nicht zu einer (weiteren) entschädigungspflichtigen Verzögerung kommt (BT-Drucks 17/3802 S. 20 zu Abs. 3 Satz 1). Insbesondere diese prozessuale Beschleunigungsfunktion der Verzögerungsrüge rechtfertigt es, sie als "Prozesshandlung eigener Art" (so Loytved, jurisPR-SozR 19/2019 Anm. 4 C; Bader in GK-ArbGG, § 9 Rn. 63h, Stand der Einzelkommentierung: Juni 2016; Natter in Natter/Gross, ArbGG, 2. Aufl. 2013, Anhang zu § 9 Rn. 15) oder als "prozesshandlungsähnliches Rechtsinstitut" (so Frehse, Die Kompensation der verlorenen Zeit - Wenn Prozesse Pause machen, 2017, S. 1044) anzusehen.

Wegen des prozesshandlungsähnlichen Rechtscharakters sind im sozialgerichtlichen Verfahren für die Auslegung einer Erklärung als Verzögerungsrüge gleichwohl die für Prozesserklärungen geltenden Auslegungsgrundsätze entsprechend heranzuziehen (vgl. im Ergebnis auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 - juris Rn. 33 f). Hierbei ist die Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Willenserklärungen entsprechend anzuwenden (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 209; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 119). Maßstab der Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont (BSG Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 17/13 R - juris Rn. 18; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Stand: 26. November 2019, § 198 GVG Rn. 88 mwN). Dabei ist der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu beachten (vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 - juris Rn. 33; BFH Urteil vom 26. Oktober 2016 - X K 2/15 - juris Rn. 48).

Für die Frage, ob eine Erklärung eine Verzögerungsrüge darstellt und welchen Inhalt sie hat, ist demnach nicht der innere Wille des erklärenden Beteiligten maßgebend, sondern der erklärte Wille, wie ihn das Ausgangsgericht bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung aller erkennbarer Umstände des Einzelfalls zu verstehen hatte (vgl. BSG Urteil vom 27. März 2020 –- B 10 ÜG 4/19 R - juris Rn. 33 mit Hinweis auf Urteil vom 13. Dezember 2018 - B 10 ÜG 4/16 R - juris Rn. 17 zur Auslegung eines Klageantrags einer Entschädigungsklage; BSG Urteil vom 14. Juni 2018 - B 9 SB 2/16 R - juris Rn. 12 zur Auslegung eines Klageantrags im Schwerbehindertenverfahren; BVerwG Urteil vom 27. April 1990 - 8 C 70/88 - juris Rn. 23 zur Auslegung eines mehrdeutigen Schriftsatzes als Klageschrift; BSG Beschluss vom 12. Dezember 2019 - B 10 EG 3/19 B - juris Rn. 9 allgemein zur Auslegung von Prozesserklärungen). Dabei ist am Wortlaut anzusetzen, aber nicht buchstäblich daran zu haften, vielmehr tritt er hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist zugunsten des Erklärenden davon auszugehen, dass er diejenige Erklärung abgeben will, die seiner wohlverstandenen Interessenlage entspricht und eingelegt werden muss, um das erkennbar angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 - juris Rn. 33; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> Urteil vom 27. August 2008 - 6 C 32/07 - juris Rn. 23; BVerwG Urteil vom 12. Dezember 2001 - 8 C 17/01 - juris Rn. 8; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 119). Die Auslegung muss sich am Gesamtinhalt des aus den eingereichten Schriftsätzen erkennbaren Rechtsschutzbegehrens des Erklärenden ausrichten. Gegebenenfalls hat sie deshalb auch den Inhalt mehrerer zum Ausgangsverfahren ergangener Schriftsätze im Zusammenhang zu bewerten (vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 1 BvR 3164/13 - juris Rn. 37; BSG Urteil vom 13. Dezember 2018 - B 10 ÜG 4/16 R - juris Rn. 17; BSG Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 - juris Rn. 11; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Stand: 26. November 2019, § 198 GVG Rn. 88).

c.
Davon ausgehend handelt es sich bei dem Schreiben der Klägerin vom 12. Januar 2023 um eine diesen Kriterien entsprechende Verzögerungsrüge. Die Klägerin hat darin zwar zunächst nur um Mitteilung des Sachstandes gebeten, im Weiteren aber zum einen schon darauf abgestellt, dass seit April 2022 nach dem ihr die Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung der Beklagten zugegangen war, keinerlei weitere Post mehr zugegangen sei. Sie hat zum anderen im weiteren Verlauf auf Lücken auch schon in der Bearbeitung im Oktober 2021 bis Januar 2022 hingewiesen und schließlich auch ausgeführt, dass sie nunmehr um eine zeitnahe Entscheidung bitte, da das Verfahren schon so viele Jahre andauere und sie sich in ihren persönlichen und finanziellen Rechten verletzt fühle.
Hingegen hat die Klägerin weder mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 noch mit dem Schreiben vom 7. Januar 2022 eine Verzögerungsrüge erhoben. Im Schreiben vom 15. Oktober 2021 hat sie nur allgemeine Ausführungen hinsichtlich eines noch offenen Verfahrens beim Finanzamt gemacht und um eine Bestätigung zur Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht gebeten und mit Schreiben vom 7. Januar 2022 hat die Klägerin sich ausdrücklich nur nach dem Sachstand erkundigt und um weitere Mithilfe zur baldigen Klärung gebeten.

Damit aber bleibt festzustellen, dass die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 12. Januar 2023 eine wirksame Verzögerungsrüge erhoben hatte.
Zwar war damit im Hinblick auf die bereits am 17. Mai 2023 erhobene Entschädigungsklage - wie bereits oben erwähnt - das Fristerfordernis des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG, nämlich die sechsmonatige Wartefrist, formal nicht erfüllt. Da aber auf der anderen Seite das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechs-Monatsfrist, nämlich bereits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung am 20. Januar 2023 (zugestellt mit PZU am 4. Februar 2023) abgeschlossen worden war, war hier diese Frist im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass in diesem Fall das Fristerfordernis keine Anwendung (mehr) findet (siehe BVerwG Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 C 5/14 D - juris Rn. 18 ff.). Denn sofern das Verfahren schon vor Ablauf dieser Wartefrist erledigt worden ist, macht das Abwarten keinen Sinn mehr. Der Zweck, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen das Verfahren binnen dieser Wartefrist zu erledigen und eine schon vorzeitige Entschädigungsklage zu vermeiden, hat sich durch den bereits erfolgten Abschluss des Verfahrens erledigt.

4.
Die Klägerin hat des Weiteren auch die Klagefrist des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG eingehalten. Danach muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Verfahren wurde durch das Urteil ohne mündliche Verhandlung am 20. Januar 2023, zugestellt der Klägerin mit PZU am 4. Februar 2023, abgeschlossen. Das Urteil war damit nach Ablauf des 4. März 2023 rechtskräftig geworden.
Die von der Klägerin am 17. Mai 2023 erhobene Klage war damit innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt. Für die Wahrung der Frist von sechs Monaten für die Erhebung der Klage ist nur auf den Eingang der Klage beim Entschädigungsgericht abzustellen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 16). Unerheblich für die Einhaltung der Klagefrist ist dagegen der Eintritt der Rechtshängigkeit (BSG Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/17 R - juris Rn. 20; BFH Urteil vom 12. Juli 2017 - X K 3-7/16 u.a. - juris Rn. 25), die gemäß § 94 Satz 2 SGG erst mit der Zustellung der Klage beim Beklagten beginnt. Nach Einzahlung des Kostenvorschusses durch die Klägerin am 10. Juli 2023 war die Klage im Übrigen am 18. Juli 2023 an den Beklagten zugestellt und damit rechtshängig worden.

III.

Die Entschädigungsklage ist auch teilweise begründet.

1.
Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG).
Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung (Satz 3). Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (Satz 4).
Gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhält Entschädigung ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann gemäß Satz 2 erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen (Satz 3). Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt (Satz 4). Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge (Satz 5).
Wiedergutmachung ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus (Satz 2). Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind (Satz 3).

2.
Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Darüber hinaus ist auch die Verfahrensführung oder Prozessleitung durch das Ausgangsgericht in die Betrachtung mit einzubeziehen. Denn eine Verletzung des Rechts auf Rechtsschutz in angemessener Zeit hängt wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Ausgangsgerichts zur unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen (vgl § 200 GVG), also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (stRspr; BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 18 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris Rn. 38; BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 34).

Die Angemessenheit der Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 24 März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 19 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 12. Dezember 2019 - B 10 ÜG 3/19 R - juris Rn. 31 ff; BSG Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 3/16 R - juris Rn. 24 f; BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 9/13 R - juris Rn. 25 ff) in drei Schritten zu prüfen.

Den Ausgangspunkt und ersten Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs. 6 Nr .1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Kalendermonat (dazu unter a). In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs.1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen, bei denen es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt und die auch unter Heranziehung der Rechtsprechung des BVerfG sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auszulegen und zu vervollständigen sind (dazu unter b). Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (dazu unter c). Dabei ist davon auszugehen, dass vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die zwölf Kalendermonate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht (stRspr; BSG Urteil vom 24. März 2020 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 20; BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris R. 45; BSG Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 3/16 R - juris Rn. 25; BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 27, 46).

a.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im ersten Schritt der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen, dass das Ausgangsverfahren von der Erhebung der Berufung am 25. Februar 2021 bis zur Erledigung durch das Urteil ohne mündliche Verhandlung am 20. Januar 2023 gedauert hat. Das Ausgangsverfahren umfasste somit insgesamt 24 Kalendermonate.

b.
Im zweiten Prüfungsschritt ist nunmehr die Bedeutung und Schwierigkeit des Ausgangsverfahrens sowie das Verhalten der Beteiligten (aa.) und die Prozessleitung des Ausgangsgerichts (bb.) zu berücksichtigen.

aa.
Die von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannte Bedeutung eines Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten, zum anderen maßgeblich aus dem Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung. Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu (BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 23; BSG Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 3/16 R - juris Rn. 25; BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 9/13 R - juris Rn. 31).

Das Interesse der Klägerin am Ausgang des Verfahrens ist nach Überzeugung des Senates allenfalls als durchschnittlich einzustufen. Das Ausgangsverfahren betraf nur mittelbar die Gewährung existenzsichernder Leistungen (siehe dazu BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 24; BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 9/13 R - juris Rn. 32). Ausgangspunkt ist zwar das der Klägerin gewährte Arbeitslosengeld, bei dem es sich auch grundsätzlich um eine existenzsichernde Leistung handelt. Im Streit hier steht aber nicht die Gewährung bzw. Versagung von Arbeitslosengeld als solches, sondern lediglich die Frage, inwieweit noch weitere von der Klägerin im Zusammenhang mit einer von ihr ausgeübten Nebentätigkeit Werbungskosten bei der Anrechnung dieses Einkommens auf das ihr unstreitig gewährte Arbeitslosengeld zu berücksichtigen sind. Dies zeigt sich gerade auch daran, dass hier letztlich nur ein noch weitergehender Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten/Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 648,16 € für einen Zeitraum von siebeneinhalb Monaten vom für die Berufung zuständigen 8. Senat letztlich bestätigt wurde.

Zur rechtlichen Bedeutung ist zunächst festzustellen, dass im Ausgangspunkt nur die Frage streitig war, ob der Klägerin anstelle des bereits anerkannten Freibetrags nach § 155 Abs. 1 SGB III der höhere Freibetrag nach § 155 Abs. 2 SGB III zusteht. Letztlich führten auch lediglich noch weitere vom zuständigen Berufungssenat anerkannte Werbungskosten nach § 155 Abs. 1 SGB III zu einem geringeren anzurechnenden Einkommen.
Rechtlich verkompliziert wurde das Verfahren und die Bearbeitung für den Berichterstatter bzw. den Berufungssenat allerdings durch die im Verfahren von der Klägerin mehrfach vorgelegten zum Teil auch umfangreicheren - teilweise auch nur schwer verständlichen - Schriftsätze mit immer wieder neuen Einlassungen und Erklärungen und die letztlich noch geltend gemachten Begehren, das der Klägerin zu gewährende Arbeitslosengeld in der steuerrechtlichen Form eines negativen Progressionsvorbehalts zu gewähren sowie den von der Beklagten nachzuzahlenden Betrag mit 4 % zu verzinsen.
Insofern ist festzustellen, dass zwar bei dem Verfahren von einer durchschnittlichen Bedeutung, aber aufgrund der oben dargestellten Umstände von einer mehr als durchschnittlichen Schwierigkeit und Komplexität des Verfahrens auszugehen ist.

Ein Verhalten der Klägerin, mit dem sie etwa das Verfahren verzögert hätte (so etwa durch mehrfache Befangenheitsanträge, Beschwerden, Terminsverlegungsanträge und ähnliches), ist allerdings nicht festzustellen.

bb.
Im nächsten Schritt ist nunmehr die Prozessführung des Ausgangsgerichts, wobei hier ein weiter Überprüfungsmaßstab für das Handeln des Ausgangsgerichts zugrunde zu legen ist, zu berücksichtigen.

Dazu ist nun festzustellen, dass bezogen auf die Gesamtverfahrensdauer von 24 Monaten zunächst in den Monaten Juli, September, November und Dezember 2021 und Mai bis Dezember 2022 keinerlei Aktivität auf Seiten des Gerichtes vorliegt, hinzu kommen noch der August 2021, in dem die Vertreterin des Berichterstatters lediglich einen Schriftsatz der Klägerin an die Beklagte zur Kenntnis weitergeleitet hat, sowie der Oktober 2021, in dem die Vertreterin des Berichterstatters auf ein Schreiben der Klägerin zwar geantwortet hatte, dies aber nur eine von der Klägerin angeforderte Erklärung von Seiten des Gerichts für das Finanzamt betraf, nicht aber das Weiterbetreiben des Verfahrens. Damit ist eine Inaktivität des Gerichtes für insgesamt 14 Monate festzustellen.

c.
Bei der Gesamtabwägung aller für die Entscheidung erheblichen Umstände (dritter Schritt der Angemessenheitsprüfung der Verfahrensdauer) waren nunmehr von den festgestellten 14 Monaten der Inaktivität zwölf Monate als Vorbereitungs- und Bedenkzeit für den Berufungssenat abzusetzen (dazu unter aa), nicht jedoch - entgegen der Auffassung des Beklagten - weitere Monate im Hinblick auf die Berichterstatterwechsel der aktiven Zeit hinzuzurechnen bzw. die Zwölf-Monatsfrist entsprechend zu verlängern (dazu unter bb).

aa.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist den Ausgangsgerichten - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls - eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz zuzubilligen, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt und nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss (BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 33; BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 45; BSG Urteil vom 7. September 2017 - B 10 ÜG 3/16 R - juris Rn. 25; BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 27, 46). Dies hat das BSG aus der Struktur und Gestaltung des sozialgerichtlichen Verfahrens abgeleitet (grundlegend BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 45 ff). Das BSG trägt damit dem Umstand Rechnung, dass grundsätzlich jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bedenkzeit zur Verfügung stehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren, die bei einem Gericht anhängig oder einem Richter zugewiesen sind, ist schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Sie wird auch von Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht verlangt (vgl. auch BGH Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - juris Rn. 33 mwN). Aus dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit folgt kein Recht auf sofortige Befassung des Gerichts mit jedem Rechtsschutzbegehren und dessen unverzügliche Erledigung. Vielmehr sind Rechtsschutzsuchenden je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels und abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits sowie von ihrem Verhalten gewisse Wartezeiten zuzumuten. Ebenso sind Gerichte - unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes - berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen, rechtlichen, persönlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als dringlicher anzusehen als die Entscheidung anderer Fragen, auch wenn eine solche zeitliche "Bevorzugung" einzelner Verfahren jeweils zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt (BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 33; BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 44 mwN).
An dieser Rechtsprechung hält das BSG nach wie vor fest (siehe BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 34). Die Zwölfmonatsregel sorgt - wie vom 10. Senat des BSG bezweckt (BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 45) - in der sozialgerichtlichen Praxis für Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit. Sie gibt nicht nur den Entschädigungsgerichten, sondern schon den Ausgangsgerichten eine einfache und praktikable Beurteilungsgrundlage an die Hand. Sie ermöglicht einerseits einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessenlagen der Akteure des Sozialgerichtsprozesses bezogen auf die Verfahrensdauer für den Regelfall, schließt aber andererseits auch eine abweichende Beurteilung bei Besonderheiten im Einzelfall nicht aus (Söhngen in Hennig, SGG, § 202 Rn. 79, Stand der Einzelkommentierung Februar 2016). Die Rechtsprechung des BSG ist nicht zuletzt deshalb in der sozialgerichtlichen Praxis einhellig auf Zustimmung gestoßen. Die Landessozialgerichte als Entschädigungsgerichte (so auch der erkennende Senat) legen sie ihren Entscheidungen bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer regelmäßig zugrunde (z.B. Hessisches LSG Urteil vom 12. Mai 2021 - L 6 SF 23/18 EK SF - juris Rn. 44 f; LSG Mecklenburg-Vorpommern Beschluss vom 12. Februar 2020 - L 12 SF 8/19 EK EG - juris Rn. 31 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 29. März 2017 - L 11 SF 70/16 EK - juris Rn. 31).

Besondere Umstände des Einzelfalles, vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG können es gebieten, von der Regel einer zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit abzuweichen und ausnahmsweise einen kürzeren Zeitraum anzusetzen (siehe BSG Urteil vom 9. März 2023 - B 10 ÜG 2/21 R - juris Rn. 29 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 38)
Besonderheiten, die eine Abweichung nach unten rechtfertigen würden, können hier nicht festgestellt werden. Vielmehr ist - wie oben bereits und auch ausdrücklich in der Stellungnahme des Präsidenten des LSG bzw. des Vorsitzenden des betroffenen Berufungssenates ausgeführt - im Hinblick auf die Prozessführung der Klägerin und ihre Begehren eher ein über dem üblichen Gesprächs- und Beratungsbedarf beim Gericht entstanden, der die Zugrundelegung der Zwölf-Monatsfrist für die Vorbereitungs- und Bedenkzeit in vollem Umfang gerechtfertigt.

bb.
Soweit allerdings der Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf die Berichterstatterwechsel jeweils weitere sechs Monate Einarbeitungszeit (als aktive Zeit) berücksichtigt werden müssten, kann der Senat dem nicht folgen.
Denn bei den Berichterstatterwechseln (zum 1. April 2021 und zum 1. April 2022) ist zu beachten, dass es sich bei den damit verbundenen Zeiträumen nach der Rechtsprechung des BSG nicht um Zeiten aktiver Verfahrensförderung durch das Ausgangsgericht handelt (BSG Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R - juris Rn. 47); sie fallen ggf. in die grundsätzlich zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit, die jeder Instanz zuzubilligen ist (vgl. BSG Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 1/13 R - juris Rn. 31 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris Rn. 45 f).
Eine Verfahrensdauer, welche die regelmäßig und auch hier im Falle der Klägerin anzusetzende zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit übersteigt, muss auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruhen, soweit sie nicht maßgeblich durch das Verhalten der Beteiligten oder Dritter bedingt wird.

d.
Damit ist im Ergebnis eine überlange Verfahrensdauer in einem Umfang von zwei Monaten festzustellen.
Ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 GVG in Höhe von 100 € pro Monat (insgesamt 200 €) kommt jedoch nicht in Betracht. Im vorliegenden Fall reicht vielmehr eine Wiedergutmachung auf andere Weise, nämlich durch die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer, gemäß § 198 Abs. 4 GVG aus.

Dies stützt sich darauf, dass die Klägerin erst am 13. Januar 2023 die Verzögerungsrüge erhoben hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung am 20. Januar 2023 bereits vorbereitet war und dann auch erfolgte.

Eine im Ausgangsverfahren zu einem späten Zeitpunkt erhobene Verzögerungsrüge kann ausnahmsweise im Einzelfall (auch) unwirksam sein, wenn sie sich nach Würdigung aller Gesamtumstände als rechtsmissbräuchlich erweist. Eine Verzögerungsrüge ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig und unwirksam, wenn sie von einem Beteiligten im Ausgangsverfahren aus sach- oder verfahrensfremden Zwecken erhoben wird (siehe hierzu BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 25 ff). Rechtsmissbrauch in diesem Sinne wird in der Rechtsprechung insbesondere angenommen, wenn die Rüge so spät erhoben wird, dass eine verfahrensbeschleunigende Reaktion des Richters gar nicht mehr möglich ist (BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 27 mwN; siehe hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 26. März 2020 - L 37 SF 218/19 EK AS - juris). Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs der Verzögerungsrüge ist allerdings nach Auffassung des BSG vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlautes, der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie des Zwecks der Verzögerungsrüge eng zu fassen (siehe BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 28ff.).
Auch wenn das Gesetz für das Erheben einer Verzögerungsrüge keinen Endtermin bestimmt und einer zu einem späten Zeitpunkt im Ausgangsverfahren eingelegten Rüge grundsätzlich keine anspruchsbegrenzende oder -ausschließende Wirkung beigemessen hat, geht der Gesetzgeber davon aus, dass mit der Rügeerhebung nicht beliebig lange folgenlos zugewartet werden darf (BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 35; ebenso BGH Urteil vom 26. November 2020 - III ZR 61/20 - juris Rn. 29). Allerdings soll nach seinen Vorstellungen selbst ein Verhalten im Ausgangsverfahren, das bei Würdigung der Gesamtumstände "eher ein (unzulässiges) Dulde und Liquidiere" darstellt, nicht zwingend schon zu einer Unwirksamkeit der Verzögerungsrüge wegen Rechtsmissbrauchs führen. Vielmehr kann nach den Gesetzesmaterialien ein solches Verhalten vom Entschädigungsgericht (auch) in verschiedenen Stadien der Prüfung von Tatbestand und Rechtsfolgen des Entschädigungsanspruchs berücksichtigt werden, etwa bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 GVG, bei der Frage, ob Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreicht oder bei der Prüfung nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG, ob eine Reduzierung der Entschädigung geboten ist, weil der volle Pauschbetrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist (BSG Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 1/19 R - juris Rn. 35 mit Hinweis auf BT-Drucks 17/3802 S. 21 und S. 41).

Davon ausgehend ist zur Überzeugung des Senates auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin selbst in ihrer Verzögerungsrüge vom 12. Januar 2023 nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Fall auszugehen. Auf der anderen Seite aber ist es im Hinblick darauf, dass die Rüge erst zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, zu dem ohnehin der Abschluss des Verfahrens unmittelbar bevorstand (nur eine Woche später), ausreichend, die Wiedergutmachung hinsichtlich der um zwei Monate unangemessen langen Verfahrensdauer auf andere Weise und zwar durch die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG vorzunehmen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 201 Abs. 4 GVG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin gemessen an ihrem Begehren, nämlich einer Entschädigungszahlung in Höhe von 1.000 € nur zu einem geringen Teil erfolgreich war, weshalb hier aus Sicht des Senates eine Quotelung hinsichtlich der Kostentragung von vier Fünftel zulasten der Klägerin und einem Fünftel zulasten des Beklagten vorzunehmen war.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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