Legt ein Insolvenzsschuldner gegen die Feststellung einer Erstattungsforderung nach § 50 SGB X, die ein Sozialleistungsträger im Insolvenzverfahren angemeldet hat, einen insolvenzrechtlichen Widerspruch ein, kann der Sozialleistungsträger eine Feststellungsklage zur Beseitigung des Widerspruchs erheben, § 184 Abs. 1 InsO. Für diese Klage ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, § 185 InsO.
Widerspricht der Leistungsempfänger im Insolvenzverfahren zugleich auch der Anmeldung des weiteren Forderungsgrundes der vorsätzlichen unerlaubten Handlung, ist auch für die Feststellungklage der Sozialbehörde zu diesem Forderungsgrund der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist zulässig sowohl für die Klage auf Feststellung der Erstattungsforderungen als auch für die Qualifizierung der Forderungen mit dem Forderungsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlungen.
G r ü n d e :
I.
Mit der Klage S 46 SO 452/19 wandte sich der Beklagte zu 1 (als vormaliger Kläger) gegen den Bescheid der Klägerin (vormalige Beklagte) vom 02.04.2019 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 06.08.2019, in dem die Klägerin Bewilligungen von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Krankenhilfe nach SGB XII gemäß § 45 SGB X zurücknahm und die Erstattung von ca. 50.000,- Euro an Leistungen der Grundsicherung und ca. 22.000,- Euro der Krankenhilfe gemäß § 50 SGB X forderte.
Mit Urteil vom 17.12.2021 wies das Sozialgericht die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Das Gericht hatte keine Kenntnis davon, dass bereits am 29.11.2021 über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Das Bayerische Landessozialgericht hob daraufhin das Urteil des Sozialgerichts auf und stellte fest, dass das Verfahren seit 29.11.2021 unterbrochen ist (§§ 240, 249 ZPO).
Die Klägerin meldete im Insolvenzverfahren die Forderungen auf Erstattung und für beide Forderungen den Forderungsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlung (künftig weiterer Forderungsgrund) zur Insolvenztabelle an. Die Forderungen wurden festgestellt, aber der Beklagte zu 1 widersprach als Insolvenzschuldner beiden Forderungen dem Grund und der Höhe nach und auch den weiteren Forderungsgründen. Die Klägerin erhob neben S 46 SO 542/19 eine weitere Klage gegen die beiden Beklagten auf Feststellung der beiden Erstattungsforderungen und auf Feststellung der beiden weiteren Forderungsgründen. Die Klägerin äußerte dabei Zweifel, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sei. Das Sozialgericht hat die ursprüngliche Klage und die neue Feststellungklage per Beschluss gemäß § 113 Abs. 1 SGG verbunden.
II.
1. Das Sozialgericht stellt vorab die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 3 GVG fest. Die Antwort auf die Frage, welcher Rechtsweg gegeben ist, wenn nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Behörde als Insolvenzgläubiger eine Feststellungsklage gegen die Widersprüche des Schuldners im Insolvenzverfahren erhebt bzw. eine unterbrochen Klage aufnimmt, ist unübersichtlich und es ist sinnvoll, diese Frage vorab durch anfechtbaren Beschluss zu klären.
2. Sowohl die Feststellung der Forderung als solcher als auch die Feststellung des weiteren Forderungsgrundes der vorsätzlichen unerlaubten Handlung gehört zur Sozialgerichtsbarkeit.
In Betracht kommen hier die Sozialgerichte oder die Zivilgerichte. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage des Rechtswegs, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung fehlt, die wahre Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitete wird, entscheidend. Ausgangspunkt ist die Frage, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist. Es geht darum, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird (z.B. BSG, Beschluss vom 06.09.2007, B 3 SF 1/07 R, dort Rn. 9).
a) Die Feststellungsklage der Behörde zur Feststellung der Forderung als solche erfolgt hier, weil der Insolvenzschuldner gegen die Anmeldung der Erstattungsforderungen als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle (§§ 174, 175 InsO) Widerspruch eingelegt hat. Der Widerspruch allein des Schuldners steht im Insolvenzverfahren einer Feststellung der Forderung nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO), verhindert aber eine Vollstreckung der Forderung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, § 201 Abs. 2 und 3 InsO. Deshalb kann ein Insolvenzgläubiger während des Insolvenzverfahrens gemäß § 184 Abs. 1 InsO eine Feststellungklage zur Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners durch ein feststellendes Urteil erheben bzw. einen bereits anhängigen Rechtsstreit aufnehmen.
§ 185 InsO bestimmt, dass, wenn für die Feststellung der Forderung nicht die ordentlichen Gerichte zuständig sind, die Feststellung bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben ist. Gemeint ist damit, dass es bei den Zuständigkeiten verbleibt, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gegeben wären (Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 10. Auflage 2020. § 185 InsO Rn. 1). Es bleibt also, wenn zuvor für die Forderung als solche gemäß § 51 SGG der Sozialrechtsweg gegeben ist, beim Sozialrechtsweg (Kübler u.a., Kommentar zur Insolvenzordnung, 2023, § 185 Rn. 4; Graf-Schlicker, Insolvenzordnung, 2022, § 185 Rn. 1). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den strittigen Erstattungsforderungen um Erstattungsansprüche nach Rücknahme der Bewilligungen von Sozialhilfeleistungen und daraus resultierenden Erstattungen gemäß §§ 45, 50 SGB X. Es handelt sich um Angelegenheiten der Sozialhilfe nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG und damit ist für die Feststellung der Forderung als solche der Sozialrechtsweg gegeben.
b) Die Anmeldung des weiteren Forderungsgrundes der vorsätzlichen unerlaubten Handlung (§ 174 Abs. 2 InsO) soll die vom Insolvenzschuldner angestrebte Restschuldbefreiung in Bezug auf diese Forderung verhindern, § 302 Nr. 1 InsO. Der dagegen erhobene Widerspruch des Insolvenzschuldners soll die Restschuldbefreiung wieder ermöglichen. Behörden können außerhalb des Insolvenzverfahrens bei einer Rückabwicklung von Sozialleistungen regelmäßig nicht ergänzend aus § 823 BGB gegen einen Leistungsempfänger vorgehen, weil sie auf die verwaltungsrechtlichen Befugnisse beschränkt sind (Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 50 Rn. 19).
Auch in dieser Situation kann der Insolvenzgläubiger entsprechend § 184 Abs. 1 InsO gegen den Schuldner eine Feststellungklage wegen des weiteren Forderungsgrundes erheben.
aa) Wenn der Schuldner nur diesem weiteren Forderungsgrund widerspricht, ist die Forderung als solche unbestritten (Graf-Schlicker, a.a.O., § 184 Rn. 5). Dann geht es in dieser Feststellungklage nur um die Frage, ob eine vorsätzliche unerlaubte Handlung nach §§ 823 ff BGB vorliegt. In diesen Fällen bejahen die Gerichte deshalb eine ausschließliche Zuständigkeit der Zivilgerichte (BGH, Beschluss vom 02.12.2010, IX ZB 271/09, bei unstrittiger Forderung aus dem Unterhaltsvorschussgesetz; BVerwG, Beschluss vom 12.04.2013, 9 B 37/12, bei unstrittiger Steuerforderung; BSG, Beschluss vom 14.07.2014, B 11 SF 1/14 R, bei unstrittiger Forderung der Bundesagentur für Arbeit).
bb) Anders stellt sich die Situation dar, wenn sowohl Widerspruch gegen die Forderung als solche als auch gegen den weiteren Forderungsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung eingelegt wurde. In diesem Fall ist das Fachgericht für beide Feststellungklagen zuständig.
Der Streit zur Feststellung der Forderung als solche gehört - siehe oben - zum Rechtsweg zu den Sozialgerichten. Der Streit kann nicht in die Frage, ob die Forderung überhaupt besteht, und in die Frage, ob auch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gegeben ist, aufgespalten werden. Wenn die Forderung insgesamt nicht bestehen würde, käme es auf die Deliktseigenschaft nicht mehr an (Küber u.a., a.a.O., § 185 Rn. 9). Eine Behörde, deren Forderung nur auf verwaltungsrechtlichen Befugnissen beruhen kann, kann, wenn die verwaltungsrechtliche Forderung nicht feststeht, im Insolvenzverfahren nicht losgelöst davon Rechte aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung geltend machen.
Auch § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG spricht für dieses Ergebnis. Danach hat das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Dies bedeutet, dass ein und derselbe Streitgegenstand nicht auf mehrere Rechtswege verteilt werden darf, auch wenn der Klageanspruch auf Grundlagen aus verschiedenen Rechtswegen gestützt wird. Sofern der beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund zulässig ist, besteht eine umfassende Entscheidungskompetenz des angerufenen Gerichts (Lückemann in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 17 GVG Rn. 4, 5).
Es spricht viel dafür, dass die Feststellung der Forderung als solche und der weitere Forderungsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung ein einheitlicher prozessualer Anspruch sind. Die Klägerin will aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts, des Leistungsbezugs, den sie als unrechtmäßig qualifiziert und deshalb die Erstattung der Leistungen begründe, die Erstattungsforderungen von ca. 50.000,- Euro und ca. 22.000,- Euro durchsetzen. Die Frage, ob diese Forderungen, mangels Behördenbefugnis theoretisch, auch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen könnten, ist, wenn auch die Forderung als solche strittig ist, kein eigenständiger Streitgegenstand. Dann führt § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG dazu, dass die Sozialgerichte auch für den weiteren Forderungsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung zuständig sind.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei.