L 2 SO 3252/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 2059/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3252/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zu den "Besonderheiten im Einzelfall" bei den Kosten der Unterkunft nach § 35 Abs. 2 SGB XII (a.F.) ,im Falle derer die tatsächlichen Aufwendungen über das abstrakte Maß hinaus angemessen sein können und dem Leistungsberechtigten einen Verbleib in der Wohnung ermöglichen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn S 9 SO 2059/21 vom 27. Oktober 2022 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern für die Zeit vom 1. Mai 2021 bis 31. Dezember 2021 weitere Grundsicherungsleistungen (höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung) von mehr als 189,36 € monatlich zu gewähren.
Die Klage der Kläger wird, soweit mit ihr über diesen Betrag hinaus weitere 10,00 € monatlich für diesen Zeitraum beantragt worden sind, abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn S 9 SO 2059/21 zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn S 9 SO 1470/22 vom 27. Oktober 2022 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern für die Zeit vom 1. Januar 2022 bis 30. April 2022 weitere Grundsicherungsleistungen (höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung) von mehr als 148,17 € monatlich zu gewähren.
Die Klage der Kläger wird, soweit mit ihr über diesen Betrag hinaus weitere 51,19 € monatlich für diesen Zeitraum beantragt worden sind, abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn S 9 SO 1470/22 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten auch für die Berufungsverfahren zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung (HK) für die Zeit vom 01.03.2020 bis 31.12.2022 streitig. Beim Sozialgericht (SG) Heilbronn waren diesbezüglich zwei Klageverfahren anhängig. Die gegen die jeweils erlassenen Urteile eingelegten Berufungen der Beklagten hat der Senat verbunden.

Die Kläger beziehen seit 01.03.2020 von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII; im Folgenden: Grundsicherungsleistungen).

Die Klägerin, geboren 1944, und der Kläger, geboren 1942, sind miteinander verheiratet. Sie haben vier erwachsene Kinder, von denen eines in H1 lebt. Die anderen Kinder leben nach Angaben der Kläger weiter weg (Bl. 1/14 VA I). Die Kläger beziehen beide eine gesetzliche Altersrente. Der Kläger bezieht außerdem eine private Altersrente. Beide Kläger sind privat kranken- und pflegeversichert (PKV, PPV) bei der H2 Krankenversicherung.

Die Klägerin leidet an Diabetes mellitus Typ 2, bei ihr wurde im Jahr 2012 ein Mamma-Karzinom diagnostiziert und sie wurde in den Jahren 2017 und 2018 an beiden Knien operiert und mit je einer Totalendoprothese (TEP) versorgt (vgl. Angaben der Klägerin, Bl. 11/7 VA III). Bei ihr war zunächst seit 07.10.2019 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt (Bescheid des Versorgungsamtes vom 25.06.2020, Bl. 11/11 VA III). Die Klägerin erlitt im Mai 2022 einen Schlaganfall mit linksbetonter Hemiparese, weshalb das Stehen und Gehen selbständig nur unsicher möglich ist, das Treppensteigen erfolgt im Nachstellschritt mit Festhalten am Handlauf und das Gehen in der Wohnung mit halten am Mobiliar; außerdem sind Gehstock und Unterarmgehhilfen vorhanden (vgl. Pflegegutachten M1 vom 04.09.2022, Bl. 143 ff. Senats-Akte). Laut Pflegegutachten liegen Störungen des Ganges und der Mobilität vor (Bl. 147/148 Senats-Akte). Seit 02.11.2022 ist bei der Klägerin ein GdB von 60 sowie das Merkzeichen G (Bescheid des Versorgungsamtes vom 10.03.2023, Bl. 185 f. Senats-Akte) aufgrund der Schlaganfallfolgen, Knie-TEP beidseits (2017 und 2018), einem Teilverlust der linken Brust, Diabetes mellitus und Polyneuropathie anerkannt. Zudem ist bei ihr seit 06.05.2022 Pflegegrad 3 festgestellt (Bl. 100, 153 Senats-Akte).

Der Kläger leidet seit vielen Jahren an Herzproblemen. Ihm wurde in den Jahren 2009 und 2015 ein Herz-Defibrillator implantiert (vgl. Angaben des Klägers, Bl. 11/7 VA III). Bei ihm war zunächst seit 01.03.2017 ein GdB von 60 anerkannt (Bescheid des Versorgungsamtes vom 09.05.2017, Bl. 11/11 VA III). Seit 14.01.2021 ist ein GdB von 100 sowie das Merkzeichen G (Bescheid des Versorgungsamtes vom 26.08.2021, Bl. 183 f. Senats-Akte) aufgrund von
Herzleistungsminderung, Kardioverter-Defibrillator, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, einer Herzmuskelerkrankung, koronarer Herzkrankheit, einer Nierenfunktionseinschränkung, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einem Schlafapnoe-Syndrom und Schwerhörigkeit beidseitig anerkannt.

Nach einer Auskunft der H2 Krankenversicherung vom Dezember 2020 (Bl. 11/11 VA III) litten der Kläger zu diesem Zeitpunkt u.a. an Schlafapnoe, einem Ödem, LWS-Syndrom, Vorhofflimmern, Kardiomyopathie, koronarer Herzkrankheit, Hypertonie und die Klägerin an einer Gonarthrose mit Knie-TEP beidseits, Coxarthrose, Venenverschluss, arteriosklerotischer Herzkrankheit, diabetischer Polyneuropathie, Diabetes Mellitus und einem Mamma-Karzinom.

Die Kläger wohnten bis Februar 2020 in einer im Eigentum des Sohnes stehenden Wohnung im W1weg in H3, dort im 1. Obergeschoss. Die Wohnung hatte eine Wohnfläche von 82 m² und sie zahlten hierfür monatlich eine Kaltmiete in Höhe von (i.H.v.) 420,00 € und Nebenkosten i.H.v. 130,00 € (Bl. 2/1 VA I).

Am 18.12.2019 sprachen die Kläger bei der Beklagten vor und ließen sich Antragsformulare für Grundsicherungsleistungen aushändigen (Bl. 1/3 und 1/6 VA I). Den Antragsunterlagen beigefügt war ein Hinweisblatt, in dem ausgeführt war: „Die Beklagte legt bei Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft derzeit folgende Werte zugrunde: Haushaltsgröße 2 Familienmitglieder 487 € Bruttokaltmiete, angemessene Wohnfläche 60 m²; im Falle eines Umzugs in eine angemessene Unterkunft können Sie die erforderlichen Wohnungsbeschaffungskosten beantragen. Für Fragen hinsichtlich der angemessenen Kosten der Unterkunft stehen wir ihnen zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass Sie nach § 35 Abs. 2 S. 3, 4 und 5 SGB XII vor Abschluss eines Vertrages für eine neue Unterkunft unsere Zustimmung einholen müssen.“

Am 20.12.2019 unterzeichneten die Kläger den Mietvertrag (Bl. 2/9 VA I) für die Wohnung unter der im Rubrum genannten Anschrift im H4 Osten (im Folgenden: streitgegenständliche Wohnung) mit Mietbeginn ab 01.03.2020. Die Wohnung hat eine Wohnfläche von 80 m² und befindet sich in einem Zweifamilienhaus im Erdgeschoss bzw. Parterre (zwei Stufen mit Handlauf führen hinauf zur Wohnungseingangstür, Bl. 1/23 VA I). Laut Mietvertrag schulden die Kläger für die Wohnung monatlich eine Kaltmiete i.H.v. 595,00 €, Nebenkosten (NK) i.H.v. 50,00 € und Heizkosten (HK) inkl. Warmwasser [WW] (vgl. auch Bl. 1/23 VA I) i.H.v. 130,00 €, mithin eine Gesamtmiete i.H.v. 775,00 €. Es erfolgt eine zentrale Warmwasseraufbereitung für das gesamte Gebäude, eine Trennung von den HK ist nicht möglich (Bl. 2/10 VA I). Der Wohnbereich befindet sich auf einer Ebene (Eingangsbereich, Wohn- und Essbereich, Küche, Schlafzimmer, separates Zimmer, Bad, separates WC). Das Badezimmer ist mit Rollator/Toilettenrollstuhl/Dusch-Schieberollstuhl befahrbar (vgl. Gutachten M1, Bl. 144 f. Senats-Akte).
Laut NK- und HK-Abrechnung für den Zeitraum 03/2020 bis 12/2020 (vorgelegt im Mai 2021, Bl. 12/6 VA III) setzte der Vermieter für das Jahr 2021 weiterhin 180,00 € monatlich als Vorauszahlungen an, wovon 130,00 € weiterhin auf die HK entfielen und 50,00 € auf die NK.
Laut NK- und HK-Abrechnung für das Jahr 2021 (vorgelegt im April 2022, Bl. 2/22, 2/24 VA II) schuldeten die Kläger eine Nebenkostennachzahlung i.H.v. 204,24 €. Laut Schreiben des Vermieters vom 05.04.2022 (Bl. 2/22 VA II) wurden die Vorauszahlungen „wegen der Erhöhung des Gaspreises“ ab 01.05.2022 um 50,00 € auf 230,00 € monatlich angehoben, mithin schuldeten die Kläger ab 01.05.2022 eine HK-Vorauszahlung i.H.v. 180,00 € monatlich und weiterhin eine NK-Vorauszahlung i.H.v. 50,00 € monatlich.

Am 08.01.2020 füllten die Kläger den ihnen von der Beklagten am 18.12.2019 ausgehändigten Formularantrag für Grundsicherungsleistungen aus, am 14.01.2020 ging dieser Antrag bei der Beklagten ein, zum 01.03.2020 bezogen die Kläger die neu angemietete Wohnung.



Zeitraum 01/2020 bis 12/2020 und 01/2021 bis 12/2021 - Klageverfahren S 9 SO 2059/21 - Berufungsverfahren L 2 SO 3252/22:
Mit Bescheid vom 02.07.2020 (Bl. 9/3 VA I) bewilligte die Beklagte „auf den Antrag vom 18.12.2019“ Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 (01/2020 bis 02/2020: monatlich 931,82 €; 03/2020: 954,82 €; 04/2020: 916,89 €; 09/2020 bis 12/2020: monatlich 907,54 €). Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte sie neben den Regelbedarfen unter Anrechnung des zugeflossenen Einkommens für die Monate 01/2020 und 02/2020 die tatsächlichen KdU und HK, die die Kläger für diese Zeit noch für die alte Wohnung schuldeten und ab dem Monat 03/2020 (nur) eine Bruttokaltmiete i.H.v. 487,00 € nebst HK i.H.v. 62,00 € monatlich. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die tatsächlich geschuldeten KdU und HK unangemessen seien und die Kläger ohne Zustimmung der Beklagten in die neue Wohnung umgezogen seien.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Kläger ausschließlich die Gewährung der tatsächlich geschuldeten KdU und HK begehrten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2021 (WS 147/20; Bl. 11/18 VA III) zurück.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom 09.12.2020 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2020 (Bl. 9/5 VA I) Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2021 i.H.v. 809,21 € monatlich. Dabei legte sie der Bedarfsberechnung neben den Regelbedarfen unter Anrechnung des zugeflossenen Einkommens ebenfalls KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 62,00 € zugrunde.
Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 20.04.2021 (Bl. 9/6 VA I) nahm die Beklagte eine Neubewilligung der Leistungen für denselben Bewilligungszeitraum wegen einer Änderung des Renteneinkommens beider Kläger, einer Berücksichtigung der Kosten der Hausratversicherung und einer Änderung der Betriebskostenvorauszahlung ab 05/2021 (180,00 €; davon 98,64 € für HK/WW und 81,36 € für NK) vor (monatliche Bewilligung: 01/2021 bis 04/2021: 813,15 €; 05/2021 bis 08/2021: 849,79 €; 09/2021 bis 12/2021: 844,79 €). Die Beklagte legte der monatlichen Bedarfsberechnung für den Zeitraum 01/2021 bis 04/2021 KdU i.H.v 487,00 € und HK i.H.v. 62,00 € und für den Zeitraum 05/2021 bis 12/2021 KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 98,64 € zugrunde.

Die Beklagte holte die Stellungnahme der Amtsärztin im Gesundheitsamt V1 vom 17.05.2021 (Bl. 11/13 VA III) ein, nach der für die Kläger eine Wohnung im Erdgeschoss erforderlich sei, nicht jedoch mit einer Wohnfläche von 80 m². Die Klägerin leide an Diabetes mellitus mit Folgeschäden (Gefühlsstörungen der Beine und dadurch Gangunsicherheit), Herzkreislauferkrankungen, Brustkrebs mit strahlenbedingter Lungenschädigung, Gelenkarthrosen der Beine mit beidseitiger Knie-TEP und wiederkehrenden Schmerzen. Der Kläger leide an einer chronischen Herzerkrankung, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, einer Einschränkung der Herzfunktion und habe einen Herzschrittmacher mit Defibrillator implantiert. Durch ihre Erkrankungen seien beide Kläger in der Mobilität eingeschränkt. Da beide selbstversorgend seien, inklusive Einkaufen, Arztbesuchen und Behördengängen, wirke sich Treppensteigen auf die Bewältigung des Alltags deutlich einschränkend aus. Aus amtsärztlicher Sicht wirke sich der Umzug in eine Wohnung im Erdgeschoss zur Erhaltung der Selbständigkeit förderlich aus und sei somit gerechtfertigt. Auf Anfrage von V1 an die Kläger, teilten diese im Juni 2021 mit (vgl. Aktenvermerk, Bl. 11/14 VA III), dass sie bislang keinen Rollator oder Rollstuhl benötigten, die Klägerin aber evtl. in Zukunft wegen ihrer Gangunsicherheit hierauf angewiesen sein könnte.

Den gegen den Bescheid vom 22.12.2020 erhobenen Widerspruch, mit dem die Kläger ausschließlich die Gewährung der tatsächlich geschuldeten KdU und HK begehrten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2021 (WS 111/21, Bl. 12/9 VA III) zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die KdU der Kläger unangemessen seien, sie vor Unterzeichnung des Mietvertrages nicht ihre Zustimmung eingeholt hätten und daher nur Anspruch auf die Übernahme der angemessenen KdU bestehe.

Am 26.07.2021 haben die Kläger gegen diese Bescheide Klage zum SG (S 9 SO 2059/21) erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterhin ausdrücklich auf die Gewährung der tatsächlich geschuldeten KdU und HK beschränkt (Bl. 89 SG-Akte), diese zunächst für die Zeit vom 01.01.2020 bis 31.12.2021 geltend gemacht und nach richterlichem Hinweis auf die Zeit ab 01.02.2020 bis 31.12.2021 beschränkt haben (vgl. Protokoll, Bl. 254/258 SG-Akte).
Auch haben sie die Einkommensanrechnung sowie die Berücksichtigung der Absetzbeträge unstreitig gestellt (Bl. 91 SG-Akte).
Zur Begründung haben die Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass das schlüssige Konzept der Beklagten zu den abstrakt angemessenen KdU nicht den vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Anforderungen entspreche. Außerdem sei vor Erlass des Bescheides vom 02.07.2020 kein wirksamer Hinweis auf die abstrakt angemessene Höhe der KdU und HK erfolgt. Zudem sei ihre gesundheitliche Situation zu berücksichtigen: sie seien auf eine Wohnung im Erdgeschoss oder auf eine mit Aufzug erreichbare Wohnung angewiesen. Entsprechender Wohnraum sei in H4 nicht zu den Konditionen der Beklagten zu finden. Eine Kostensenkung durch einen Umzug sei ihnen aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar.

Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 09.09.2021 (Bl. 9/8 VA I, Bl. 71 SG-Akte) hat die Beklagte die Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 07/2021 bis 12/2021 wegen einer Änderung der Anerkennung des GdB 100 und des Merkzeichens G beim Kläger ab 26.08.2021 und einer Änderung der Beiträge zur PKV/PPV neu bewilligt (07/2021: 846,55 €; 08/2021: 860,18 €; 09/2021 bis 12/2021: monatlich 909,72 €). Der Bedarfsberechnung hat die Beklagte KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 98,64 € zugrunde gelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 09.11.2021 (Bl. 9/10 VA I) hat die Beklagte die Grundsicherungsleistungen für 12/2021 i.H.v. 911,67 € (Erhöhung wegen verminderter Rentenzahlung, KdU 487,00 €, HK 98,64 €) bewilligt.
Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 10.01.2022 (9/13 VA I) hat die Beklagte eine monatliche Neubewilligung für den Zeitraum 01/2021 bis 12/2021 (Berücksichtigung der Haftpflichtversicherung, der Hausratversicherung, Erhöhung Altersrente) vorgenommen (01/2021: 817,50 €; 02/2021 bis 04/2021: 814,18 €; 05/2021 bis 06/2021: 850,82 €; 07/2021: 847,58 €, 08/2021: 861,21 €; 09/2021 bis 11/2021: 916,19 €; 12/2021: 918,14 €). Der Bedarfsberechnung hat sie für die Monate 01/2021 bis 04/2021 KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 62,00 € und für die Monate 05/2021 bis 12/2021 KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v 98,64 € zugrunde gelegt.


Bei allen Bedarfsberechnungen ist das anrechenbare Einkommen beider Kläger stets geringer als ihr Regelbedarf gewesen, weshalb keine Anrechnung von Einkommen auf die KdU und HK erfolgt ist.

Mit Urteil vom 27.10.2022 (S 9 SO 2059/21) hat das SG auf die entsprechenden Anträge der Kläger in der mündlichen Verhandlung entschieden:
„Der Bescheid des Beklagten vom 2.7.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.6.2021, AZ WS147/20 wird abgeändert, der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2020 in der Fassung des Aufhebungs- und Bewilligungsbescheids vom 20.4.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2020 (Anm.: richtig 2021), AZ WS111/21 sowie die Änderungsbescheide vom 9.11.2021 und 10.1.2022 werden abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, den Klägern für Februar 2020 weitere Grundsicherung in Höhe von 15,- €, von 1.3.2020 bis 31.12.2020 weitere Grundsicherung in Höhe von 216,- € monatlich sowie von 1.1.2021 bis 30.4.2021 in Höhe von 216,- € und vom 1.5.2021 bis 31.12.2021 in Höhe von 199,36 € monatlich zu gewähren.
Die Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.“
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger hätten von Februar 2020 bis Dezember 2021 Anspruch auf ihre tatsächlichen KdU und HK. Ihnen stehe daher die Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten und den von der Beklagten als angemessen angesehenen und gezahlten Kosten zu.
Die Beklagte habe sich nicht von vornherein auf die - nach ihrer Auffassung - angemessenen Kosten beschränken können. Dies gelte für die HK beider Wohnungen bereits aus § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII. Das SG habe auch keine Anhaltspunkte, dass die zu zahlenden HK zu hoch seien. Das SG könne auch nicht nachvollziehen, wie die Beklagte die angesetzten 62,00 € monatlich errechne. Entsprechendes gelte für die NK-Vorauszahlung von 50,- € monatlich, die die Beklagte überhaupt nicht erwähnt oder gar je berücksichtigt habe. Da hier auch keine Kostensenkungsaufforderungen ergangen seien, seien diese in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei § 35 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII nicht anzuwenden, da die Kläger nicht während des Leistungsbezuges umgezogen seien, sondern bevor dieser eingesetzt sei.
Zwar spreche die Vorschrift etwas irreführend vom Leistungsberechtigten; nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch nach der herrschenden Meinung in der Literatur sei diese Vorschrift jedoch nur während des Leistungsbezuges anzuwenden. Bei den Klägern, die nicht während des Leistungsbezugs umgezogen seien, sondern bevor ihnen mit Bescheid vom 08.07.2020 (gemeint: 02.07.2020) Leistungen bewilligt worden seien, gelte demnach die grundsätzliche Regelung des § 42 Nr. 4 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB XII, wonach die tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen seien.
Das SG verkenne nicht, dass den Antragsunterlagen die allgemeine Tabelle des schlüssigen Konzepts, ein Hinweis auf den o.g. Paragraphen (ohne Text) und den Hinweis, zu beachten, dass vor Abschluss eines Vertrages für eine neue Unterkunft ihre Zustimmung einzuholen sei, beigelegen habe. Dieser pauschale Hinweis, der im Übrigen erst durch Blick ins Gesetz die fehlenden Folgen der Zustimmung erschließen lasse, sei weder eine Kostensenkungsaufforderung noch lasse er erkennen, welche Kosten die Beklagte im jeweiligen Einzelfall als angemessen ansehe.
Kostensenkungsaufforderungen, die für eine Absenkung erforderlich wären, seien durch die Beklagte (aus ihrer Sicht folgerichtig) nicht erfolgt, der alleinige Hinweis in Antrag und Bescheiden auf das - eigentlich für den SGB-II-Bereich entwickelte - sog. schlüssige Konzept mit den Standardbeträgen vermöge allein deshalb nicht auszureichen, weil § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf die Angemessenheit des Einzelfalls verweise, der im Rahmen des SGB XII auch Alter, Gesundheitszustand und Behinderung umfasse.
Eine Kostensenkungsaufforderung durch die Beklagte liege nicht vor, daher seien die tatsächlichen Kosten auch für die Zeit nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist (§ 35 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 SGB XII) zu übernehmen.
Darüber hinaus gelte für die Folgebewilligung des Jahres 2021 die „Corona-Regelung“ des § 141 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Die Bewilligung habe am 01.01.2021 und damit im Anwendungsbereich des Abs. 1 begonnen. Damit hätten die tatsächlichen Kosten nach § 141 Abs. 3 Satz 1 SGB XII für sechs Monate als angemessen gegolten. In der Folge hätten sich die sechs Monate des § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nach § 141 Abs. 3 Satz 2 SGB XII angeschlossen. Da im Bewilligungszeitraum 2020 die tatsächlichen und nicht die angemessenen Kosten hätten anerkannt werden müssen, trete der Ausschluss des § 141 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht ein.
Lediglich ergänzend weise das SG darauf hin, dass die Beklagte selbst bei Anwendung der Umzugsregelung hier die tatsächlichen Kosten hätte übernehmen müssen, da die Kosten im hier vorliegenden Einzelfall bei den weit über siebzigjährigen chronisch kranken Klägern mit deutlicher Einschränkung der Mobilität und nachvollziehbarem Umzug in den Innenstadtbereich und Bestätigung des Gesundheitsamts, dass eine Erdgeschoßwohnung notwendig gewesen sei, konkret angemessen gewesen wären.

Die Beklagte hat am 18.11.2022 gegen das - ihr gegen elektronisches Empfangsbekenntnis am 28.10.2022 zugestellte - Urteil Berufung (L 2 SO 3252/22) zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Sie hat zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vorgetragen, dass die Kläger entgegen der Ansicht des SG keinen Anspruch auf die tatsächlichen, sondern nur auf die angemessenen KdU hätten, da § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII (in der bis 31.12.2022 geltenden Fassung) anwendbar sei. Denn nach der Rechtsprechung des BSG sei für die Eröffnung dessen Anwendungsbereichs die Antragstellung ausreichend. Den Klägern sei mit Aushändigung der Antragsunterlagen am 18.12.19 bekannt gewesen, dass die neue Wohnung nach den von der Beklagten aufgeführten Werten unangemessen groß und unangemessen teuer sei.

Die abstrakt angemessenen KdU (Brutto-Kaltmiete) würden im Streitzeitraum 03/2020 bis 12/2021 für einen Zwei-Personen-Haushalt 487,00 € monatlich betragen. Für den Zeitraum 03/2020 bis 08/2020 ergebe sich dies aus dem bis 31.08.2020 gültigem schlüssigem Konzept der Stadt H4 („Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft - Methodenbericht August 2016“, Bl. 105 ff. SG-Akte und „Fortschreibung 2018 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarf für Unterkunft - August 2018“, Bl. 157 ff. SG-Akte). Dieses schlüssige Konzept sei wirksam, wie u.a. vom LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 21.07.2021 - L 3 AS 1027/19 für einen Zwei-Personen-Haushalt bestätigt. Für die Zeit von 09/2020 bis 12/2021 ergäben sich die angemessenen KdU i.H.v. 487,00 € aus dem ab 01.09.2020 gültigen schlüssigen Konzept der Beklagten mit dem Titel „Festlegung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt H4 - Juni 2020“ (Bl. 173 ff., Bl. 193 f. SG-Akte). Zwar betrage die angemessene Bruttokaltmiete für den Zwei-Personen-Haushalt der Kläger nach diesem schlüssigen Konzept „nur“ 485,00 € pro Monat. Von der Beklagten sei allerdings entschieden worden, dass die Verwaltung bei der Umsetzung dieses Konzepts für den Zwei-Personen-Haushalt aus Gleichbehandlungsgründen und zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes die Werte aus dem bisherigen, o. g., bis zum 31.08.2020 gültigen schlüssigen Konzept auch weiterhin anerkenne (vgl. Gemeinderatsdrucksache 067/2020, Bl. 189 ff. SG-Akte).
Die KdU i.H.v. 487,00 € seien auch im konkreten Einzelfall angemessen. Selbst die Notwendigkeit des Umzugs in eine Wohnung im Erdgeschoss rechtfertige nicht die Anmietung einer derart großen und teuren Wohnung; dies erst recht nicht, wenn eine Suche nach einer den Angemessenheitswerten der Beklagten entsprechende Erdgeschosswohnung, wie hier, von den Klägern offensichtlich gar nicht erfolgt sei. Denn insofern dürfe zu berücksichtigen sein, dass den Klägern die Angemessenheitswerte der Beklagten ja erstmals bei Antragstellung am 18.12.2019 bekannt geworden sein dürften. Wenn die Kläger aber, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 27.10.2022 mitgeteilt hätten, die von ihnen zum 01.03.2020 neu angemietete Wohnung zunächst besichtigt und nach entsprechender Zusage durch den Vermieter am 20.12.2019 sofort „zugegriffen“, d. h. den Mietvertrag sofort unterschrieben hätten, als ihnen die Wohnung zur Anmietung angeboten worden sei, werde deutlich, dass eine Suche der Kläger nach einer den Angemessenheitskriterien der Beklagten entsprechende Erdgeschosswohnung gar nicht stattgefunden haben könne. Auch sei weder dargelegt noch ersichtlich, wo und wie die Kläger gesucht hätten, insbesondere welche Kriterien sie bei ihrer Suche über die Eigenschaft einer Erdgeschosswohnung hinaus angesetzt hätten. Zudem würden diesbezüglich auch jegliche Nachweise fehlen. Entgegen der Auffassung des SG finde für die Folgebewilligung des Jahres 2021 die Corona-Regelung des § 141 Abs. 3 Satz 1 SGB XII keine Anwendung.
Zudem hat die Beklagte vorgetragen, dass das SG zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Kläger Anspruch auf die tatsächlichen HK für den Zeitraum 03/2020 bis 12/2021 hätten. Die Auszahlung der Differenz zwischen den tatsächlichen HK und den bislang bewilligten HK sei in Teilumsetzung des Urteils erfolgt (vgl. Bl. 20 Senats-Akte; Bl. 11/13 VA II).

Die Beklagte beantragt (Bl. 18 Senats-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2022 (S 9 SO 2059/21) insoweit aufzuheben, als dass der Bescheid vom 2. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2021 (WS 147/20), der Bescheid vom 22. Dezember 2020 in der Fassung des Aufhebungs- und Bewilligungsbescheides vom 20. April 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2021 (WS 111/21) sowie die Änderungsbescheide vom 9. November 2021 und 10. Januar 2022 abgeändert worden sind und die Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern vom 01.03.2020 bis 31.12.2020 weitere Grundsicherung i.H.v. über 68,00 € monatlich sowie vom 01.01.2021 bis 30.04.2021 i.H.v. über 68,00 € monatlich und vom 01.05.2021 bis 31.12.2021 i.H.v. über 31,36 € monatlich zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen und
das Urteil auch insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Verfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn von mehr als 1/4 verurteilt worden ist.

Die Kläger beantragen,

            die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



Zeitraum 01/2022 bis 12/2022 - Klageverfahren S 9 SO 1470/22 - Berufungsverfahren L 2 SO 3253/22
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 16.12.2021 (Bl. 9/12 VA I) Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.01.2022 bis 31.12.2022 i.H.v. monatlich 914,86 €. Der Bedarfsberechnung legte sie monatlich neben den Regelbedarfen unter Anrechnung des bereinigten Einkommens KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 98,64 € zugrunde.
Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 11.01.2022 (Bl. 9/14 VA I) nahm die Beklagte eine Neubewilligung der Grundsicherungsleisten für den Zeitraum 01.01.2022 bis 31.12.2022 wegen der Berücksichtigung weiterer Absetzbeträge vom Einkommen für die Monate 01/2022 bis 08/2022 vor (01/2022 bis 08/2022: monatlich 924,65 €; 09/2022 bis 12/2022 wie zuvor monatlich 914,86 €). Bei der Bedarfsberechnung berücksichtige sie unverändert KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 98,64€.
Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 20.01.2022 (Bl. 9/15 VA I) nahm die Beklagte eine Neubewilligung der Grundsicherungsleisten für den Zeitraum 01.02.2022 bis 31.12.2022 wegen der Änderung der privaten Altersrente vor (02/2022 bis 08/2022: monatlich 924,56 €; 09/2022 bis 12/2022 monatlich 914,77 €). Bei der Bedarfsberechnung berücksichtige sie unverändert KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 98,64 €.
Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 20.04.2022 (Bl. 9/16 VA II) nahm die Beklagte eine Neubewilligung der Grundsicherungsleisten für den Zeitraum 01.05.2022 bis 31.12.2022 wegen der Berücksichtigung einer Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung vom April 2022 (205,24 €) sowie höherer HK-Abschläge (139,83 €) ab Mai 2022 vor (monatliche Bewilligung: 05/2022: 1.170,99 €; 6/2022 bis 08/2022: 965,75 €; 09/2022 bis 12/2022: 955,96 €; davon KdU 487,00 €, HK 139,83 €).


Bei allen Bedarfsberechnungen war das anrechenbare Einkommen beider Kläger stets geringer als ihr Regelbedarf, weshalb keine Anrechnung von Einkommen auf die KdU und HK erfolgte.

Den gegen den Bescheid vom 16.12.2021 erhobenen Widerspruch, mit dem die Kläger die tatsächlich geschuldeten KdU und HK begehrten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2022 (Bl. 13/9 VA III) zurück.

Hiergegen haben die Kläger am 07.06.2022 Klage zum SG (S 9 SO 1470/22) erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung der tatsächlich geschuldeten KdU und HK weiterverfolgt haben.

Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 29.08.2022 (Bl. 9/18 VA II) hat die Beklagte eine Neubewilligung der Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.09.2022 bis 31.12.2022 wegen einer Änderung der Absetzbeträge vom Einkommen vorgenommen und monatlich 902,31 € bewilligt. Als KdU hat sie weiterhin 487,00 € und für HK 139,83 € berücksichtigt.
Mit Aufhebungs- Bewilligungsbescheid vom 07.09.2022 (Bl. 9/19 VA II) hat der Beklagte eine Neubewilligung für den Zeitraum 01.01.2022 bis 31.12.2022 (monatlich: 01/2022: 965,84 €, 02/2022 bis 04/2022: 965,75 €; 05/2022: 1.170,99 €; 06/2022: 965,75 €; 07/2022: 904,79 €; 08/2022: 903,68 €; 09/2022 bis 12/2022: 947,31 €) wegen einer Anpassung der Rentenerhöhung ab 07/2022 und einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen der KdU ab 09/2022 vorgenommen. Im Zeitraum 01/2022 bis 08/22 hat die Beklagte KdU i.H.v. 487,00 € und HK i.H.v. 139,83 €, in 05/2022: KdU und HK in derselben Höhe nebst der 205,24 € aus der NK-Nachzahlung sowie von 09/2022 bis 12/2022 KdU i.H.v. 532,00 € und HK i.H.v. 139,83 € als Bedarf anerkannt.


Bei allen Bedarfsberechnungen ist das anrechenbare Einkommen beider Kläger stets geringer als ihr Regelbedarf gewesen, weshalb keine Anrechnung von Einkommen auf die KdU und HK erfolgt ist.

Mit Urteil vom 27.10.2022 (S 9 SO 1470/22) hat das SG auf die entsprechenden Anträge der Kläger in der mündlichen Verhandlung entschieden:
„Der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2021 in der Fassung der Aufhebungs- und Bewilligungsbescheide vom 11.1.2022, 20.1.2022 und 20.4.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.5.2022 und die Änderungsbescheide vom 29.8.2022 und 7.9.2022 werden abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, den Klägern vom 1.1.2022 bis 30.4.2022 weitere Grundsicherung in Höhe von 199,36 €, vom 1.5.2022 bis 31.8.2022 in Höhe von 148,77 € und vom 1.9.- 31.12.2022 in Höhe von 103,77 € monatlich zu gewähren.
Die Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.“
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Anspruch sei auch hier § 42 Nr. 4 i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
Darüber hinaus gelte für die Folgebewilligung des Jahres 2022 die „Corona-Regelung“ des § 141 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Die Bewilligung habe am 01.01.2022 und damit im Anwendungsbereich des Abs. 1 begonnen. Damit würden die tatsächlichen Kosten nach § 141 Abs. 3 Satz 1 für sechs Monate als angemessen gelten. In der Folge hätten sich die sechs Monate des § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nach § 141 Abs. 3 Satz 2 SGB XII angeschlossen. Da im Bewilligungszeitraum 2020 und 2021 die tatsächlichen und nicht die angemessenen Kosten hätten anerkannt werden müssen waren, trete der Ausschluss des § 141 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht ein. Lediglich ergänzend werde darauf hingewiesen, dass selbst bei Nichtanwendung der „Corona-Regelung“ die Beklagte hier die tatsächlichen Kosten hätte übernehmen müssen, da die Kosten im hier vorliegenden Einzelfall bei den weit über siebzigjährigen chronisch kranken Klägern mit deutlicher Einschränkung der Mobilität und nachvollziehbarem Umzug in den Innenstadtbereich und Bestätigung des Gesundheitsamts, dass eine Erdgeschoßwohnung notwendig sei, konkret angemessen gewesen wären. Nach alledem könne dahinstehen, ob das schlüssige Konzept der Stadt H4, dessen Werte zum 01.09.2022 für den Zwei-Personenhaushalt auf 532,00 € erhöht worden seien, als schlüssig anzusehen sei.

Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 07.11.2022 (Bl. 9/20 VA II) hat die Beklagte eine Neubewilligung für 12/2022 (947,24 €) wegen einer Rentenerhöhung vorgenommen. Die KdU wurden weiterhin i.H.v. 532,00 €, die HK weiterhin i.H.v. 139,83 € berücksichtigt.

Die Beklagte hat am 21.11.2022 gegen das - ihr gegen elektronisches Empfangsbekenntnis am 02.11.2022 zugestellte - Urteil Berufung (L 2 SO 3253/22) zum LSG eingelegt.

Die Beklagte hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass die Kläger auch für diesen Streitzeitraum aus den zuvor genannten Gründen nur Anspruch auf die angemessenen KdU hätten. Für den Zeitraum 01/2022 bis 08/2022 ergebe sich die Angemessenheit der KdU i.H.v. 487,00 € aus dem ab 01.09.2020 geltenden schlüssigen Konzept der Stadt H4. Ab 01.09.2022 ergebe sich die Angemessenheit (Bruttokaltmiete) für einen Zwei-Personen-Haushalt i.H.v. 532,00 € pro Monat aus der Fortschreibung des genannten schlüssigen Konzepts der Beklagten vom 29.07.2022 mit dem Titel „Festlegung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt H4 2022“ (Bl. 163 ff. SG-Akte).
Zudem hat die Beklagte vorgetragen, dass das SG zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Kläger Anspruch auf die tatsächlichen HK für den Zeitraum 01/2022 bis 12/2022 hätten. Indes habe das SG nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Klägern für den Zeitraum 01/2022 bis 04/2022 bereits mit Bescheid vom 07.09.2022 HK i.H.v. 139,83 € bewilligt habe und damit mehr als tatsächliche HK (130,00 €) angefallen seien. Die Verurteilung zur Gewährung weiterer HK für diesen Zeitraum sei daher rechtswidrig. Für den Zeitraum 05/2022 bis 12/2022 hingegen gehe die Beklagte mit dem SG davon aus, dass die Kläger einen Anspruch auf die tatsächlichen HK haben, weshalb in Teilumsetzung des Urteils die Auszahlung der Differenz zwischen den tatsächlichen HK und den bislang bewilligten HK erfolgt sei (vgl. Bl. 22, 97 Senats-Akte L 2 SO 3253/22).

Die Beklagte beantragt (Bl. 19 Senats-Akte, teilweise sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2022 (S 9 SO 1470/22) insoweit aufzuheben, als dass der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2021 in der Fassung der Aufhebungs- und Bewilligungsbescheide vom 11. Januar 2022, 20. Januar 2022 und 20. April 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2022 sowie der Änderungsbescheide vom 29. August 2022 und 7. September 2022 abgeändert worden sind und die Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern vom 01.01.2022 bis 30.04.2022 weitere Grundsicherung i.H.v. 199,36 €, vom 01.05.2022 bis 31.08.2022 i.H.v. über 40,17 € und vom 01.09.2022 bis 31.12.2022 i.H.v. über 40,17 € monatlich zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen und
das Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, außergerichtliche Kosten für das Verfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn von mehr als 1/5 zu erstatten.

Die Kläger beantragen,

            die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger berufen sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidungen.

III. Verbindung
Mit Beschluss vom 07.12.2023 hat der Senat die Verfahren
L 2 SO 3252/22 und L 3253/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. L 2 SO 3252/22 verbunden.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 17.01.2024 (Protokoll, Bl. 176 ff. Senats-Akte L 2 SO 3252/22) haben die Kläger vorgetragen, sie hätten sich bereits im August 2019 auf die Suche nach einer ebenerdigen Wohnung bzw. einer Wohnung im Parterre oder einer solchen mit Aufzug gemacht. Sie hätten über inserierte Zeitungsannoncen Wohnungen gesucht und sich auf die Suche nach Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen konzentriert in einem preislichen Rahmen zwischen 500,00 bis 550,00 €, da sie sich die neue Wohnung ja auch hätten leisten können müssen. Sie hätten dann festgestellt, dass die von ihnen jetzt bewohnte Drei-Zimmer-Wohnung vom Mietpreis her sogar günstiger sei als Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen.
Sie hätten Wohnungen im H4 Raum gesucht, auch da ihre Kinder alle im H4 Raum wohnten und sie, wenn sie Hilfe bräuchten, auf sie angewiesen seien. Sie hätten auch z.B. eine Wohnungsannonce in Ö1 gesehen. Das sei ihnen aber angesichts der Tatsache, dass die Kinder im H4 Raum lebten, von diesen zu weit weg gewesen.
Die Wohnungen, die sie in den Zeitungsannoncen ausfindig gemacht hätten, hätten sie alle abtelefoniert. Sie hätten aber nur Absagen erhalten. Es sei gefragt worden, wie alt sie seien und ob sie berufstätig seien. Teilweise sei mit den ebenerdigen Wohnungen bzw. Parterrewohnungen Gartenarbeit verbunden gewesen, die sie nicht hätten leisten wollen und können.
Ein Bekannter ihres Sohnes sei Immobilienmakler, den habe der Sohn am 29.10.2019 mit der Wohnungssuche beauftragt - hierzu haben sie eine entsprechende schriftliche Bestätigung des Immobilienmaklers vorgelegt (Bl. 180 Senats-Akte L 2 SO 3252/22) - und dieser habe dann die streitgegenständliche Wohnung gefunden. Am 05.12.2019 hätten sie die Wohnungsbesichtigung unternommen. Das sei eine Gruppenbesichtigung gewesen. Die Zusage vom Makler bzw. vom Vermieter sei am 13.12.2019 gekommen, mehr oder weniger Hals über Kopf. Sie hätten damit nach der Wohnungsbesichtigung, da dort mehrere Menschen die Wohnung besichtigt hätten, nicht gerechnet. Sie seien dann am 20.12.2019 zusammen mit dem Makler zur Unterschrift zu den Vermietern gefahren.

Sie seien am 11.12.2019 bei der Diakonie (H5) gewesen und hätten sich beraten lassen. Dies, weil ihre Ersparnisse dem Ende zugegangen seien und sie nicht weitergewusst hätten. Sie hätten zu dieser Zeit noch ca. 10.000,00 € an Ersparnissen gehabt.  H5 habe dann zu ihnen gesagt, sie sollten doch einfach mal einen Antrag vom Amt holen. Diesen hätten sie dann auch am 18.12.2019 geholt, wobei für sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Veranlassung bestanden habe, einen Antrag zu stellen, da sie noch Ersparnisse gehabt hätten. Sie hätten das angesparte Geld bis zum erstmaligen Geldzufluss von der Beklagten, der erst später erfolgt sei, abgelebt (Beiträge zur privaten Krankenversicherung, Lebensmittel, vorherige Miete).
Die Klägerin hat erklärt, dass sie wegen der Folgen des Schlaganfalls auf der linken Körperseite nicht mit einem Rollator klarkomme. Ihr linker Arm funktioniere nicht so, wie ihr Kopf es wolle; sie könne u.a. nicht vernünftig zugreifen; außerdem habe sie einen Linksdrall. Sie benutze eine Unterarmgehhilfe mit der rechten Hand und sei allein außerhalb der Wohnung nicht mobil und komme nur mit Hilfe Dritter zurecht. In der Wohnung komme sie weitestgehend mit Unterarmgehhilfe und Festhalten an Gegenständen zurecht.
Die Kläger haben Zeitungsannoncen vorgelegt (Bl. 187 ff. Senats-Akte).

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten (drei Band Papierakten) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

Die (verbundenen) Berufungen der Beklagten sind auch (und zugleich nur) im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen sind sie unbegründet.


II.
Gegenstand der Berufungsverfahren sind das Urteil des SG Heilbronn (S 9 SO 2059/21) vom 27.10.2022 und - betreffend den Bewilligungszeitraum 03/2020 bis 12/2020; eine Anfechtung hinsichtlich des Monats 02/2020 wird von der Beklagten ausdrücklich nicht begehrt (vgl. Bl. 19 Senats-Akte L 2 SO 3252/22) - der Bescheid der Beklagten vom 02.07.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2021 (WS 147/20) sowie - betreffend den Bewilligungszeitraum 01/2021 bis 12/2021 - der Bescheid vom 22.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2021 (WS 111/21) in der Fassung der Aufhebungs- und Bewilligungsbescheide vom 09.09.2021, vom 09.11.2021 und vom 10.01.2022 (§ 96 SGG) sowie das Urteil des SG Heilbronn (S 9 SO 1470/22) vom 27.10.2022 und - betreffend den Bewilligungszeitraum 01/2022 bis 12/2022 - der Bescheid vom 16.12.2021 in der Fassung der Aufhebungs- und Bewilligungsbescheide vom 11.01.2022, vom 20.01.2022 und vom 20.04.2022 (§ 86 SGG) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2022 in der Fassung der Aufhebungs- und Bewilligungsbescheide vom 29.08.2022, vom 07.09.2022 und vom 07.11.2022 (§ 96 SGG).

Der Bescheid vom 09.09.2021, mit dem Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 07/2021 bis 12/2021 teilweise aufgehoben und neu bewilligt worden sind und den das SG im Urteil zum Verfahren S 9 SO 2059/21 nicht berücksichtigt hat, ist gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 9 SO 2059/21 geworden.

Der Bescheid vom 07.11.2022, mit dem Grundsicherungsleistungen für den Monat 12/2022 teilweise aufgehoben und neu bewilligt worden sind, ist - entgegen der Rechtsmittelbelehrung im Bescheid („Widerspruch“) - ebenfalls Gegenstand des Verfahrens geworden. Da der Bescheid erst nach Erlass des Urteils im Klageverfahren S 9 SO 1470/22 und vor Einlegung der Berufung L 2 SO 3253/22 bekanntgegeben worden ist, ist er gem. § 96 SGG noch Gegenstand des Klageverfahrens geworden (vgl. dazu Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGG, § 96 [Stand 16.01.2024] Rn. 93). Mit Einlegung der Berufung ist dieser Bescheid - aufgrund der Suspensiv- und Devolutivwirkung des Rechtsmittels - auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Der Streitgegenstand ist hinsichtlich des Regelungsgegenstandes der Bescheide auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkt, denn auf diesen abtrennbaren Verfügungsteil der Bescheide haben die Kläger ihre zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) von vornherein beschränkt (vgl. Bl. 89 ff. SG-Akte S 9 SO 2059/21 und Bl. 20 ff. SG-Akte S 9 SO 1470/22; zur Zulässigkeit der Beschränkung: BSG Urteil vom 02.09.2021 - B 8 SO 13/19 R -, juris Rn. 11; Urteil vom 14.04.2011 - B 8 SO 18/09 R -, juris Rn. 10 sowie grundlegend Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris Rn. 18 ff.). Soweit das SG die Beklagte zur Gewährung weiterer „Grundsicherung“ verurteilt hat, beinhaltet diese Grundsicherungsleistung - wie auch den Gründen der Urteile des SG zu entnehmen - ausschließlich die KdU und HK.

Zwar liegt zwischen den Bedarfen für die KdU und jenen der HK kein abtrennbarer Verfügungsteil vor (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris Rn. 22), indes hat die Beklagte unstreitig gestellt (Bl. 19 f. Senats-Akte L 2 SO 3252/22 und Bl. 21 f. Senats-Akte L 2 SO 3253/22), dass die Kläger einen Anspruch auf die tatsächlichen HK-Vorauszahlungen haben und auch in Teilumsetzung der Urteile des SG bereits weitere Zahlungen für HK für den Zeitraum 03/2020 bis 12/2021 und 05/2022 bis 12/2022 an die Kläger geleistet. Jedoch macht die Beklagte für den Zeitraum 01/2022 bis 04/2022 bzgl. der HK geltend, dass das SG fehlerhaft einen weiteren Nachzahlungsanspruch der Kläger tenoriert habe, da den Klägern bereits höhere HK bewilligt worden seien, als ihnen tatsächlich entstanden (dazu unter III.2.a).

III.
Die Klagen sind teilweise begründet, da die Kläger - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - Anspruch auf ihre tatsächlichen KdU und HK und daher einen Anspruch auf höhere Leistungen hierfür haben als sie von der Beklagten bislang bewilligt wurden (dazu unter 1.).
Indes hat das SG in den angefochtenen Urteilen die weitere, von der Beklagten zu zahlende „Grundsicherung“ in Form der KdU und HK in der Höhe falsch tenoriert, weshalb die Urteile (lediglich) insoweit teilweise aufzuheben waren (dazu unter 2.). Darüberhinausgehend sind die Berufungen der Beklagten unbegründet.


Rechtsgrundlage für höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung sind § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 41 Abs. 1 und 2 SGB XII (in den hier jeweils für die streitgegenständlichen Zeiträume geltenden Fassungen bis 31.12.2022, alte Fassung - a.F. -) und § 42 Nr. 4 Hs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a.F.

Gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 41 Abs. 1 und 2 SGB XII a.F. sind leistungsberechtigt auf Antrag u.a. Personen, die vor dem 01.01.1947 geboren sind, das 65. Lebensjahr vollendet haben, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen oder Vermögen bestreiten können. Der Senat stellt fest, dass die Kläger entsprechende Anträge für die jeweiligen Bewilligungszeiträume gestellt und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten und dass sie ihren Lebensunterhalt in den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen nicht ausreichend aus dem ihnen zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen bestreiten konnten, so dass sie während des Streitzeitraums hilfebedürftig waren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Nach § 42 Nr. 4 Hs. 1 SGB XII a.F. umfassen die Leistungen der Grundsicherung (außerhalb von stationären Einrichtungen) die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a.F., auf den § 42 Nr. 4 Hs. 1 SGB XII a.F. in erster Linie Bezug nimmt, werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zur Bestimmung des angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist mithin von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 17 unter Verweis auf Urteil vom 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R -, juris Rn. 12). Übersteigen diese den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Abs. 2 SGB XII a.F. zu berücksichtigen ist, anzuerkennen (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII a.F.); dies gilt so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII a.F.). Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft haben Leistungsberechtigte den dort zuständigen Träger der Sozialhilfe über die nach den in § 35 Abs. 2 Sätzen 1 und 2 SGB XII a.F. genannten maßgeblichen Umstände in Kenntnis zu setzen (§ 35 Abs. 2 Satz 3 SGB XII a.F.). Sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft unangemessen hoch, ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet, es sei denn, er hat den darüberhinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt (§ 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII a.F.).
Eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (§ 35 Abs. 2 Satz 6 SGB XII a.F.).


a)
Die Kläger hatten im Zeitraum von 03/2020 bis 12/2022 monatlich tatsächliche Aufwendungen für die Nettokaltmiete i.H.v. 595,00 € und für die NK i.H.v. 50,00 € (vgl. Bl. 2/9 VA I). Für die HK-Vorauszahlungen hatten die Kläger von 03/2020 bis 04/2022 tatsächliche Aufwendungen i.H.v. 130,00 € (vgl. Bl. 2/9 VA I, Bl. 12/6 VA III) und von 05/2022 bis 12/2022 i.H.v. 180,00 € monatlich (vgl. Bl. 2/22 und 2/24 VA II).
b)
Ob sich der Anspruch auf die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung - wie das SG meint zumindest für die Bewilligungszeiträume 2021 und 2022 - bereits aus der Übergangsregelung aus Anlas der Covid-19-Pandemie gem. § 141 SGB XII (in den Fassungen vom 27.03.2020, 09.12.2020, 10.03.2021, 22.11.2021) ergibt, kann der Senat offenlassen.

Nach § 141 Abs. 1 SGB XII gilt, dass Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 30.06.2020 (verlängert bis 31.03.2021, dann bis 31.12.2021, dann bis 31.03.2022) beginnen, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 erbracht werden. Nach § 141 Abs. 3 Satz 1 SGB XII gelten abweichend von § 35 und § 42a Abs. 1 SGB XII die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen (unwiderlegbare gesetzliche Fiktion).

Von § 141 Abs. 1 SGB XII nicht erfasst sind Bewilligungszeiträume, die am 01.03.2020 bereits liefen, selbst wenn das entsprechende Verwaltungsverfahren Anfang März 2020 noch nicht abgeschlossen war (vgl. Kirchhoff in: Hauck/Noftz SGB XII, 6. EL 2023, § 141 Rn. 12;
Thie in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 141 Rn. 8; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider/Busse, SGB XII, 21. Aufl. 2023, § 141 Rn. 71).
Vorliegend begann der erste Bewilligungszeitraum für die Grundsicherungsleistungen der Kläger nicht in der Zeit ab 01.03.2020, sondern bereits am 01.01.2020 (vgl. Bescheid vom 02.07.2020), so dass der Anwendungsbereich von § 141 Abs. 1 SGB XII für den (ersten) Bewilligungszeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 jedenfalls nicht eröffnet ist.

§ 141 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 SGB X II gilt nicht nur für Erstbewilligungen, sondern umfasst auch in der in § 141 Abs. 1 SGB X II genannten Zeit beginnende Weiterbewilligungszeiträume (vgl. Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 141 [Stand: 30.05.2022], Rn. 17, 29; Kirchhoff in: Hauck/Noftz SGB XII, 6. EL 2023, § 141 Rn. 25; Decker in Beck Online Kommentar, SGB XII, 98.EL Dezember 2022, § 141 Rn. 11, 24).
Folglich wäre der zeitliche Anwendungsbereich des § 141 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB XII hier für die Weiterbewilligungszeiträume 01/2021 bis 12/2021 und ab 01/2022 bis 03/2022 (Zeitraumende nach § 141 Abs. 1 SGB XII) grundsätzlich eröffnet.
Ob der Anspruch nach § 141 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SGB XII auf die tatsächlichen KdU/HK indes durch die Vorschrift des § 141 Abs. 3 Satz 3 SGB XII auch dann ausgeschlossen ist („Satz 1 gilt nicht in den Fällen, in denen im vorangegangenen Bewilligungszeitraum die angemessenen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkannt wurden.“), wenn der Leistungsträger in Fällen wie hier die KdU/HK zwar durch Bescheid für den vorangegangenen Bewilligungszeitraum abgesenkt hat (hier der Bescheid vom 02.07.2020), aber dieser Bescheid noch nicht bestandskräftig ist (bejahend Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 141 [Stand: 30.05.2022] Rn. 33.1; Kirchhoff in: Hauck/Noftz SGB XII, 6. EL 2023, § 141 Rn. 26; Burkiczak in NJW 2020, 1180, 1181; verneinend: Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider/Busse, SGB XII, 21. Aufl. 2023, § 141 Rn. 76) und der Bescheid im Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren überprüft wird (Kirchhoff in: Hauck/Noftz SGB XII, 6. EL 2023, § 141 Rn. 26: durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sei die Kostensenkung noch nicht wirksam i.S.d. § 141 Abs. 3 Satz 3 SGB XII erfolgt), kann der Senat hier zumindest offenlassen.

c)
Denn die Absenkung der tatsächlichen KdU auf die nur von der Beklagten als abstrakt angemessen angesehenen KdU von 03/2020 an (Einzug in die streitgegenständliche Wohnung) war nicht vom Gesetz gedeckt. Vielmehr haben die Kläger von Beginn des Einzugs in die streitgegenständliche Wohnung und damit für den gesamten Streitzeitraum 03/2020 bis 12/2022 einen Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen KdU und HK, der unmittelbar aus § 42 Nr. 4 Hs. 1 SGB XII
 a.F. i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a.F. folgt. Dies weil die Kläger zur Überzeugung des Senats aufgrund ihrer krankheitsbedingten Mobilitätseinschränkungen auf eine ebenerdige bzw. parterre liegende Wohnung zum Zeitpunkt des Umzugs und während des gesamten streitigen Zeitraums angewiesen waren (sie - auch wenn nicht streitgegenständlich - weiterhin bei unveränderter Sachlage sind), daher für sie bei der Suche nach einer solchen Wohnung erhebliche Zugangshindernisse zum Wohnungsmarkt vorlagen (und immer noch vorliegen) und die streitgegenständliche Wohnung sowie die mit ihr verbundenen KdU daher für die Kläger konkret angemessen waren und sind.

Wie bereits oben ausgeführt, werden gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a.F. Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, allerdings nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 SGB XII a.F. regelmäßig nur soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungs-berechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die tatsächlichen Kosten sind für Grundsicherungsberechtigte danach nur dauerhaft zu übernehmen, wenn sie angemessen sind (§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII a.F.). Trotz des von § 22 Abs. 1 SGB II abweichenden Wortlauts entspricht der Begriff der Angemessenheit in § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII a.F. demjenigen aus dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 19; Urteil vom 02.09.2021 - B 8 SO 13/19 R -, juris Rn. 16).

Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen einschließlich eines Umzugs (ständige Rechtsprechung seit 2006, BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 20; zusammenfassend auch BSG Urteil vom 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R -, juris Rn. 13). Die Prüfung der Angemessenheit setzt dabei eine im Streitfall gerichtlich voll zu überprüfende Einzelfallentscheidung voraus (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, a.a.O.).

Abstrakte Angemessenheit
Kernstück der Prüfung ist die auf Grundlage der sog. Produkttheorie erfolgte Festlegung einer abstrakt angemessenen Mietobergrenze, d.h. des im Vergleichsraum zur Existenzsicherung ausreichenden Referenzwerts, die eine Auswertung der vorliegenden Daten über die marktüblichen Wohnungsmieten zur Bestimmung des zur Existenzsicherung ausreichenden Betrags im Wege eines planmäßigen Vorgehens des Trägers erfordert (sog. "schlüssiges Konzept"; BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 21; Urteil vom 02.09.2021 - B 8 SO 13/19 R -, juris Rn. 17; grundlegend Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris). Der Bestimmung der abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft muss ein Konzept zugrunde liegen, das sich auf die regionalen Besonderheiten des Vergleichsraums bezieht (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 21, Urteil vom 02.09.2021 - B 8 SO 13/19 R -, juris Rn. 18). Im vorliegenden Fall bildet die Stadt H4 den Vergleichsraum.

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen: Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (BSG Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R -, juris Rn. 16 ff.; Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R -, juris Rn. 14; Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris Rn. 18; Urteil vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R -, juris Rn. 14 f.; Urteil vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R -, juris Rn. 20; Urteil vom 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R -, juris Rn. 13 f.). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (vgl. nur BSG Urteil vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R -, juris Rn. 15 m.w.N.; BSG Urteil vom 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R -, juris Rn. 25).
Das Produkt aus Wohnfläche und -standard muss eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete") ergeben (BSG Urteil vom 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R -, juris Rn. 20).

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen. Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich damit grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.09.2001 (BGBl. I 2379) festgelegt haben (BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R -, juris Rn. 18). Nachdem in Baden-Württemberg ein eigenes Landeswohnraumförderungsgesetz (LWoFG) besteht, das allerdings keine nach Personenzahl differenzierende Quadratmeter-Größen für angemessenen Wohnraum enthält, sind vorliegend die Durchführungshinweise des Wirtschaftsministeriums zum Landeswohnraumförderungsgesetz (DH-LWoFG) maßgeblich. Hiernach ist nach Teil 3 Nr. 3 der DH-LWoFG für zwei Personen eine Wohnungsgröße von bis zu 60 m² angemessen (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.07.2021 - L 3 AS 1027/19 -, juris Rn. 39; im Ergebnis ebenso: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.04.2021 - L 7 AS 4054/18 -, juris Rn. 30 unter Berufung auf die außer Kraft getretene VwV-SozWo). Vorliegend überschreitet die Wohnungsgröße der Kläger mit 80 m² die abstrakt angemessene Wohnfläche damit um 20 m², weshalb die Wohnung der Kläger somit für diese grundsätzlich (abstrakt) unangemessen wäre. Ggf. zu berücksichtigende persönliche Lebensumstände sind nach der Rechtsprechung des BSG zur Ermittlung der Wohnflächen für die abstrakt angemessene Referenzmiete nicht zu berücksichtigen. Dies erfolgt erst im Rahmen der Prüfung der konkreten Angemessenheit (Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 35 [Stand: 25.05.2021], Rn. 91)

Der Senat kann hier letztlich offenlassen, ob die Beklagte zur Ermittlung dieser Referenzmietwerte für den Streitzeitraum Konzepte (03/2020 bis 08/2020: „Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft - Methodenbericht August 2016“ [Bl. 105 ff. SG-Akte] und „Fortschreibung 2018 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarf für Unterkunft - August 2018“ [Bl. 157 ff. SG-Akte]; 09/2020 bis 08/2022 „Festlegung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt H4 – Juni 2020“ [Bl. 173 ff., Bl. 193 f. SG-Akte, Gemeinderatsdrucksache 067/2020, Bl. 189 ff. SG-Akte]; 09/2022 bis 12/2022: „Festlegung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt H4 2022“ [Bl. 163 ff. SG-Akte]) vorgelegt hat, die den vom BSG aufgestellten Anforderungen an das sog. Schlüssige Konzept genügen (zur bejahten Schlüssigkeit des „Konzept(s) zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft - Methodenbericht August 2016“ der Stadt H4: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.07.2021 - L 3 AS 1027/19 - [Zwei-Personen-Haushalt], juris; Urteil vom 21.07.2021 - L 3 AS 28/12/19 - [Ein-Personen-Haushalt]; zur bejahten Schlüssigkeit des „Konzept(s) zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft - Methodenbericht August 2016“ und der „Fortschreibung 2018 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarf für Unterkunft - August 2018“ der Stadt H4: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.11.2022 - L 3 AS 2705/20 - [Ein-Personen-Haushalt], Urteil vom 21.07.2021 - L 3 AS 2813/19 - [Ein-Personen-Haushalt], Beschlüsse vom 20.05.2022 - L 9 AS 3974/21 - und - L 9 AS 16/22 -
[Vier-Personen-Haushalt]) und somit die von der Beklagten für eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 m² zugrunde gelegten Werte einer Bruttokaltmiete in den jeweiligen Zeiträumen (03/2020 bis 08/2022: monatlich 487,00 €; 09/2022 bis 12/2022: monatlich 532,00 €) abstrakt angemessen sind.

Konkrete Angemessenheit
Denn selbst dies unterstellt, müssten neben der daraus folgenden abstrakten Unangemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft letztere auch konkret unangemessen sein bzw.- mit anderen Worten - müssten die von der Beklagten ermittelten abstrakt angemessenen Unterkunftsaufwendungen auch im Einzelfall der Kläger konkret angemessen sein, um eine Beschränkung auf die Übernahme lediglich angemessener Kosten zu rechtfertigen.

Zur Überzeugung des Senats sind indes die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft über das abstrakte Maß hinaus konkret angemessen, weil relevante Besonderheiten ihres Einzelfalls vorliegen und sie individuelle Zugangshindernisse zum Wohnungsmarkt hatten und im Übrigen auch immer noch haben.

Wie § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII a.F. zeigt, kommt es darauf an, ob die Aufwendungen den die "Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang" übersteigen. Deshalb ist zu prüfen, ob und inwieweit Aufwendungen konkret angemessen sein können, weil relevante Besonderheiten des Einzelfalls vorliegen. Dies betrifft den Wohnflächenbedarf, den Vergleichsraum und den Wohnungsstandard sowie die Referenzgruppe. Zu berücksichtigen sind besondere Umstände wie u.a. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, soweit diese Faktoren nach den Umständen des Einzelfalls Auswirkungen auf den Unterkunftsbedarf haben
(vgl. zum Ganzen: Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl. 2024, § 35 Rn. 37 f. und zur Parallelvorschrift im SGB II: Luik in Eicher/Luik/ Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021 § 22 Rn. 106 ff. m. w. N.).

Liegen solche Besonderheiten vor, können tatsächliche Aufwendungen über das abstrakte Maß hinaus im Rahmen des § 35 Abs. 2 SGB XII a.F. angemessen sein und dem Leistungsberechtigten einen Verbleib in der Wohnung ermöglichen (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R - juris Rn. 25, Urteil vom 21.07.2021 - B 14 AS 31/20 R -, juris Rn. 36). Das BSG hat zwar zum inhaltsgleichen § 22 SGB II entschieden, dass eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu einem nach einem schlüssigen Konzept angemessenen Quadratmeterpreis zu finden - abgesehen von Ausnahmefällen - grundsätzlich nicht besteht (hierauf weist auch der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 06.10.2022, a.a.O. unter Verweis auf das Urteil des 14. Senats des BSG vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R -, juris Rn. 30, hin). Dies gilt aber dann nicht uneingeschränkt, wenn Leistungsberechtigte individuelle Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt aufweisen (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 25; Lauterbach in Beck Online Großkommentar, SGB II, Stand 89. EL Februar 2023, § 22 Rn. 64; Luthe in Hauck/Noftz SGB II, 1. EL 2024, § 22 Rn. 162 ff.).


Ob hier bereits ein erhöhter Wohnflächen(mehr)bedarf aufgrund der Gehbehinderungen der Kläger gerechtfertigt ist, solange die Kläger wie im hier streitgegenständlichen Zeitraum und nach ihren eigenen Angaben im Erörterungstermin vom 17.01.2024 tatsächlich keinen Rollator und keinen Rollstuhl nutzen (vgl. zu einem größeren Wohnflächenbedarf im Einzelfall: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.06.2023 - L 2 SO 2864/21 -, Dauber in: Mergler/ Zink, SGB XII, 59. EL Juni 2023, § 35 Rn. 32 ff.), kann der Senat offen lassen.

Denn die Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls der Kläger liegen zur Überzeugung des Senats darin, dass die Kläger aufgrund ihrer - bereits vor der Aushändigung der Antragsunterlagen im Dezember 2019 vorhandenen - Erkrankungen und Gehbehinderungen (Herzerkrankung, Knie-TEP, Polyneuropathie, vgl. Erklärungen der Kläger zur ihrem Krankheitsverlauf, Bl. 11/7  VA III, Bescheide des Versorgungsamtes vom 09.05.2017 und 25.06.2020, Bl. 11/11 VA III, Auskunft H2 PKV, Bl. 11/11 VA III) in ihrer Mobilität eingeschränkt waren und die zuvor von ihnen bewohnte und nur über viele Treppenstufen erreichbare Wohnung im 1. Obergeschoss, verlassen mussten. Sie waren aus diesen Gründen auf eine ebenerdig bzw. parterre liegende Wohnung angewiesen. Dies hat die Amtsärztin des Gesundheitsamtes der Stadt H4 V1 in ihrer Stellungnahme vom 17.05.2021 ausdrücklich und für den Senat unter Berücksichtigung der von der Amtsärztin bestätigten ärztlichen Befunde nachvollziehbar dargelegt und wird letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Überdies haben sich die Erkrankungen der Kläger im weiteren Verlauf erheblich verschlechtert (Schlaganfall mit Halbseitenlähmung und deren Folgen bei der Klägerin, Herzinsuffizienz beim Kläger, vgl. Bescheide des Versorgungsamtes vom 26.08.2021 und vom 10.03.2023, Bl. 183 ff. Senats-Akte L 2 SO 3252/22), wodurch die Mobilität der Kläger weitere Einschränkungen erfahren hat und sogar die Merkzeichen G anerkannt worden sind (vgl. die zuvor genannten Bescheide des Versorgungsamtes sowie das Pflegegutachten von M1).

Die Beschränkung auf Wohnungen im Erdgeschoss oder Parterre bedeutete von Anfang - und weiterhin - jedoch ein erhebliches individuelles Zugangshindernis zum Wohnungsmarkt für die Kläger im Allgemeinen, überdies aber auch im Besonderen unter zusätzlicher Berücksichtigung der von der Beklagten als abstrakt angemessen ermittelten Referenzmiete von 487,00 € bzw. (seit 09/2022) 532,00 €, da somit ein Teil der Wohnungen (Lage ab 1. Obergeschoss) im Vergleichsraum der Stadt H4 im Allgemeinen und im Besonderen (unter Berücksichtigung der Referenzmietwerte der Beklagten) für die Kläger rein faktisch von vornherein bei der Wohnungssuche im Jahr 2019 schon gar nicht in Betracht kam (und auch bei einer erneuten Wohnungssuche nicht in Betracht käme). Gleiches dürfte im Übrigen auch angesichts des fortgeschrittenen Alters der Kläger gegolten haben. Wie die Kläger im Erörterungstermin am 17.01.2024 glaubwürdig vorgetragen haben, telefonierten sie während ihrer Wohnungssuche, die bereits ab August 2019 begann und sich auf ebenerdige bzw. parterre liegende Wohnung bezog, diverse Zeitungsannoncen ab und erhielten, nachdem sie nach Alter und Berufstätigkeit befragt wurden, direkt telefonische Absagen, weshalb es auch zu keinerlei Besichtigungen gekommen war. Auch kamen Wohnungen in Erdgeschosslage wegen vorhandener und zu pflegender Gärten für die Kläger nach ihren für den Senat nachvollziehbaren Angaben nicht für sie in Betracht, da sie gesundheitlich nicht mehr zur Gartenarbeit in der Lage waren. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass die Kläger aufgrund des Umstandes, dass ihnen die Referenzmietwerte/Angemessenheitswerte erst ab Aushändigung der Antragsunterlagen und dem Hinweis auf diese Werte am 18.12.2019 bekannt gewesen sein dürften und eine Suche nach Wohnungen im Rahmen dieser Angemessenheitswerte daher zuvor gar nicht habe stattfinden können (Bl. 28 Senats-Akte L 2 SO 3252/22), ist dies vollkommen zutreffend. Indes ändert dieser Umstand nichts daran, dass den Klägern dennoch und auch ohne Fokussierung auf Wohnungen zu den von der Beklagten ermittelten Referenzmietwerten der Zugang zum Wohnungsmarkt aufgrund ihrer krankheitsbedingten Mobilitätseinschränkungen erheblich erschwert war. Dass die Kläger nach ihrem Vortrag sofort „zugegriffen“ haben, als sie die Zusage vom Makler für die streitgegenständliche Wohnung erhielten, spricht ebenfalls nicht gegen sie, sondern lässt sich vielmehr in Einklang mit ihrem Vortrag bringen, dass sie zuvor bereits Wohnungen in der preislichen Größenordnung ihrer vorherigen Wohnung gesucht und gerade nicht gefunden haben. Soweit die Beklagte eingewandt hat, dass sich ihr „nicht erschließt, warum der Umzug ausgerechnet in diese Wohngegend erfolgt sein muss“ (Bl. 29 Senats-Akte L 2 SO 3252/22), verkennt sie, dass der Vergleichsraum - auch für die Referenzmietwerte der Beklagten selbst - das gesamte Stadtgebiet der Beklagten ist. Den Klägern stand und steht es daher vollkommen frei, in welchem Stadtteil des Stadtgebiets H4 sie sich eine Wohnung such(t)en.

Führen - wie hier - die Beeinträchtigungen zu einer erheblichen Einschränkung oder sogar Verschlossenheit des Wohnungsmarkts, ist regelmäßig eine individuelle Hilfestellung des Leistungsträgers geboten, um eine Wohnung zu finden (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 28; Luthe in Hauck/Noftz SGB II, 1. EL 2024, § 22 Rn. 176). Kommt der Leistungsträger dieser Obliegenheit nicht nach, ist grundsätzlich von der konkreten Angemessenheit der Wohnung auszugehen. Konkrete Suchaktivitäten müssen die Betroffenen dann nicht nachweisen (BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 -, a.a.O.).

Die weitere Besonderheit des hier zu entscheidenden Einzelfalls ist der Umstand, dass die Kläger bereits vor Beginn des Leistungsbezugs (Januar 2020) und darüber hinaus auch vor der Aushändigung der Antragsunterlagen am 18.12.2019 seit August 2019 (so ihre Angaben im Erörterungstermin mit der Berichterstatterin) bzw. Oktober 2019 (so der Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren (Bl. 11/11 VA III) auf der Wohnungssuche waren, mithin in einem Zeitraum, in dem weder sie noch die Beklagte (mit entsprechenden Verpflichtungen und Obliegenheiten gegenüber den Klägern) den Regelungen des SGB XII unterlagen. Vor diesem Hintergrund hatte die Beklagte in diesem Zeitraum, da sie von der Wohnungssuche der Kläger keine Kenntnisse hatte, auch (noch) keine Obliegenheit, die Kläger bei der Suche nach einer abstrakt angemessenen Wohnung zu unterstützen. Jedoch traf sie diese Obliegenheit zumindest ab dem Beginn des Leistungsbezugs der Kläger. Es hätte also an der Beklagten gelegen, die Kläger ab diesem Zeitpunkt beim erneuten Suchen und Finden nach einer ihren Mobilitätseinschränkungen Rechnung tragenden Wohnung, die zugleich der von der Beklagten ermittelten Referenzmiete entspricht, durch individuelle Hilfestellung zu unterstützen. Dieser Obliegenheit ist die Beklagte nicht nachgekommen, weshalb auch aus diesem Grund in der Folgezeit bis zuletzt und aktuell von der konkreten Angemessenheit der streitgegenständlichen Wohnung auszugehen ist.

Auch wenn es vorliegend - aufgrund der konkreten Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft im Einzelfall der Kläger (hierzu zuvor) - nicht darauf ankommt: eine Leistungsbegrenzung auf die lediglich von der Beklagten als angemessen erachteten KdU nach § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII a.F. kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum einen, weil sie aus den zuvor dargelegten Gründen jedenfalls nicht auch konkret, d.h. im Einzelfall der Kläger angemessen sind. Zum anderen, weil die Kläger vor bzw. bei Abschluss des Mietvertrages noch keinen Antrag gestellt hatten und jedenfalls aus diesem Grund schon nicht Leistungsberechtigte im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 3 SGB XII a.F. waren.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Kläger bereits am 18.12.2019 - und nicht erst im Januar 2020 - den Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt hätten, folgt der Senat dem im konkreten Einzelfall der Kläger nicht. Zwar wurden den Klägern am 18.12.2019 die Antragsunterlagen ausgehändigt. Dies ergibt sich sowohl aus dem, auf den Antragsunterlagen von der Beklagten notierten Datum als auch aus dem Vortrag der Kläger im Erörterungstermin, wonach sie sich nach Beratung durch die Diakonie die Antragsunterlagen zunächst am 18.12.2019 haben aushändigen lassen, weil sie sich im Unklaren waren, ob sie überhaupt einen Antrag stellen woll(t)en und ob sie Leistungen bekämen und sich daher informieren wollten. Indes haben die Kläger zur Überzeugung des Senats zu diesem Zeitpunkt (noch) keinen Antrag gestellt, sondern erst im Januar 2020, als sie die Antragsunterlagen ausfüllten und bei der Beklagten abgaben. Hiervon ist zunächst und ganz offensichtlich auch die Beklagte ausgegangen, denn andernfalls - ausgehend von einer Antragstellung am 18.12.2019 - hätte sie selbst konsequenterweise entsprechend § 44 Abs. 1 und 2 SGB XII a.F. (Rückwirkung des Antrags auf Grundsicherungsleistungen auf den Ersten des Kalendermonats, in dem er gestellt wird) bereits ab 01.12.2019 Grundsicherungsleistungen bewilligt. Letzteres ist aber gerade nicht der Fall. Grundsicherungsleistungen bewilligte sie erstmals ab 01.01.2020 (Bescheid 02.07.2020).
Nur durch den Antrag bzw. mit Leistungsbeginn begibt sich ein Hilfebedürftiger in das System des SGB XII, 4. Kapitel und auch nur nach der Antragstellung bzw. mit Leistungsbeginn unterliegt er dessen Regeln (vgl. zu den ebenfalls antragsabhängigen Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II: BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R -, juris Rn. 19). Da einen Hilfebedürftigen, der außerhalb des Systems des SGB XII steht, auch nicht die Obliegenheiten dieses Leistungssystems treffen, folgt hieraus, dass nur dem sich im Leistungsbezug befindlichen Hilfebedürftigen vor einem Umzug die Einholung einer Zusicherung des Grundsicherungsträgers obliegt (zu § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II: BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - a.a.O.). Deswegen ist es auch unbestritten, dass derjenige, der „zum Zeitpunkt der Erstantragstellung bzw. zu Leistungsbeginn“ bereits eine Wohnung gemietet hatte, auch hinsichtlich der Kosten dieser Wohnung dem System des SGB XII unterworfen wird, ohne dass er sogleich mit der Übernahme der nur angemessenen Mietkosten rechnen müsste (zum SGB II: BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R -, a.a.O.).
Zwar gilt auch, dass wenn bösgläubig, also zurechenbar sowohl in Kenntnis des zu erwartenden SGB XII-Leistungsbezugs als auch unangemessener tatsächlicher KdU beispielsweise ein Mietvertrag über eine "Luxuswohnung" abgeschlossen wird, die unangemessenen Kosten je nach Lage des Einzelfalls nicht oder jedenfalls nicht für sechs Monate vom Leistungsträger übernommen zu werden brauchen (vgl. zum SGB II: BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R -, juris Rn. 17). Und zwar haben die Kläger die Antragsunterlagen einschließlich des - nach Auffassung des Senats - hinreichenden Hinweises auf die sog. Mietobergrenze von 487,00 € für einen Zwei-Personen-Haushalt am 18.12.202019 und damit vor Unterzeichnung des Mietvertrages am 20.12.2019 und vor Beginn des Leistungsbezugs ab 01.01.2020 erhalten, so dass sie zumindest bei pflichtgemäßem Durchlesen der Unterlagen hätten wissen müssen, dass die von ihnen angemietete Wohnung nach Auffassung der Beklagten unangemessen teuer ist. Indes ändert auch dies wiederum nichts an der Tatsache, dass sie nach den Umständen des Einzelfalls - aus zuvor dargelegten Gründen - konkret angemessen ist, weshalb eine Begrenzung der übernahmefähigen Unterkunftskosten auf die lediglich abstrakt angemessenen Unterkunftskosten ausgeschlossen ist.

Nicht zuletzt hätte die Beklagte - für den Fall, dass die Kläger vor Abschluss des Mietvertrages den Leistungsantrag gestellt und die Beklagte in Kenntnis desselben gesetzt hätten - gem. § 35 Abs. 2 Satz 6 SGB XII a.F. wohl ihre Zustimmung zum Umzug erteilen sollen/müssen, da der Umzug/Auszug aus der alten Wohnung aus den oben dargestellten Gründen der krankheitsbedingten eingeschränkten Mobilität der Kläger notwendig war und ohnehin - ungeachtet der Angemessenheitskriterien der Beklagten - aufgrund der oben dargestellten Zugangshindernisse zum Wohnungsmarkt nicht in einem angemessenen Zeitraum gefunden werden konnte und wurde.

Nach alledem haben die Kläger Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen KdU für die Nettokaltmiete i.H.v. 595,00 € zzgl. der NK-Vorauszahlung i.H.v. 50,00 € monatlich (= 645,00 € Bruttokaltmiete) für den hier in den Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum 03/2020 bis 12/2022. Auch haben die Kläger aus den zuvor dargelegten Gründen - und im Ergebnis von der Beklagten insoweit auch nicht mehr im Berufungsverfahren bestritten - Anspruch auf die Übernahme ihrer tatsächlichen HK i.H.v. 130,00 € monatlich für den Streitzeitraum 03/2020 bis 04/2022 und i.H.v. 180,00 € monatlich für den Streitzeitraum 05/2022 bis 12/2022.

Soweit die Beklagte der Auffassung sein sollte, dass die Kläger ihre KdU für die Zukunft senken müssen, was vorliegend allein durch einen erneuten Umzug möglich sein dürfte, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Beklagte die Obliegenheit trifft, den Klägern individuell zu helfen, eine nach Auffassung der Beklagten abstrakt angemessene und den Mobilitätseinschränkungen der Kläger gerecht werdende Wohnung zu finden (vgl. BSG Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R -, juris Rn. 28).

2.
Nach alledem ergeben sich folgender Differenzbeträge zwischen den tatsächlichen KdU und HK und den von der Beklagten bewilligten KdU und HK:

a)
tatsächliche KdU und HK monatlich:
03/2020 bis 04/2022: [595,00 € + 50,00 €=] 645,00 € + 130,00 € = 775,00 €
05/2022 bis 12/2022: [595,00 € + 50,00 € =] 645,00 € + 180,00 € = 825,00 €

bewilligte KdU und HK monatlich:
03/2020 bis 12/2020: 487,00 € + 62,00 € = 549,00 €
01/2021 bis 04/2021: 487,00 € + 62,00 € = 549,00 €
05/2021 bis 12/2021: 487,00 € + 98,64 € = 585,64 €
01/2022 bis 08/2022: 487,00 € + 139,83 € = 626,83 €
09/2022 bis 12/2022: 532,00 € + 139,83 € = 671,83 €

Differenz zwischen tatsächlichen und bewilligten KdU/HK monatlich:
03/2020 bis 12/2020: [775,00 € ./. 549,00 €=] 226,00 € (x 10 Monate)
01/2021 bis 04/2021: [775,00 € ./. 549,00 €=] 226,00 € (x 4 Monate)
05/2021 bis 12/2021: [775,00 € ./. 585,64 €=] 189,36 € (x 8 Monate)
01/2022 bis 04/2022: [775,00 € ./. 626,83 €=] 148,17 € (x 4 Monate)
05/2022 bis 08/2022: [825,00 € ./. 626,83 €=] 198,17 € (x 8 Monate)
09/2022 bis 12/2022: [825,00 € ./. 671,83 €=] 153,17 € (x 4 Monate)


b)
Das SG hat die Beklagte in seinen Urteilen vom 27.10.2022 zur Gewährung „weiterer Grundsicherung“ (also KdU und HK, s.o. unter II.) monatlich wie folgt verurteilt:

03/2020 bis 12/2020: 216,00 €
01/2021 bis 04/2021: 216,00 €
05/2021 bis 12/2021: 199,36 €
01/2022 bis 04/2022: 199,36 €
05/2022 bis 08/2022: 148,77 €
09/2022 bis 12/2022: 103,77 €,

wobei die Berechnungsgrundlagen und die Berechnung selbst den Urteilen des SG nicht entnommen werden können.

Mithin hat das SG im Urteil S 9 SO 2059/21 für den Zeitraum von 05/2021 bis 12/2021 eine um 10,00 € monatlich zu hohe und im Urteil S 9 SO 1470/22 für den Zeitraum 01/2022 bis 04/2022 eine um 51,19 € monatlich zu hohe Leistungsverpflichtung der Beklagten (05/2021 bis 12/2021: Anspruch 189,36 € - Tenor SG 199,36 €; 01/2022 bis 04/2022: Anspruch 148,17 € - Tenor SG 199,36 €) tenoriert. Allein insoweit haben die Berufungen der Beklagten Erfolg und allein insoweit sind die Urteile vom 27.10.2022 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Soweit das SG in seinen Urteilen die Beklagte bezüglich der übrigen Leistungszeiträume 03/2020 bis 12/2020, 01/2021 bis 04/2021 und 05/2022 bis 12/2022 zu geringeren Leistungen als in der zuvor dargestellten Anspruchshöhe für KdU und HK verurteilt hat, sind die Berufungen der Beklagten unbegründet und waren die Klagen begründet.
Die Urteile des SG sind von den Klägern, soweit sie für diese eine Beschwer enthalten (03/2020 bis 12/2020 und 01/2021 bis 04/2021: Beklagte um 10,00 € monatlich zu geringe KdU/HK verurteilt, 05/2022 bis 12/2022: Beklagte um 49,40 € monatlich zu geringe KdU/HK verurteilt) von diesen nicht mit Anschlussberufungen angefochten, weshalb die Urteile des SG insoweit nicht vom Senat abgeändert werden können.
c)
Nachdem die Beklagte den Klägern in Teilumsetzung der Urteile des SG für den mit den Berufungen streitbefangenen Zeitraum folgende Auszahlungen an die Kläger geleistet hat (vgl. Erklärung der Beklagten, Bl. 19 f. Senats-Akte L 2 SO 3252/22 und Bl. 22, 97 Senats-Akte L 2 SO 3253/22):

03/2020 bis 12/2020: 68 € monatlich      (x 10 Monate = 680,00 €)
01/2021 bis 04/2021: 68 € monatlich      (x 4 Monate = 272,00 €)
05/2021 bis 12/2021: 31,36 € monatlich (x 8 Monate = 250,88 €)
01/2022 bis 04/2022: 0,00 € monatlich
05/2022 bis 12/2022: 40,17 € monatlich (x 8 Monate = 321,36 €),

haben die Kläger nun im Zeitpunkt der Senatsentscheidung - unter Berücksichtigung der vom SG für die Zeiträume 03/2020 bis 12/2020, 01/2021 bis 04/2021, sowie 05/2022 bis 12/2022 zu Lasten der Kläger, aber insoweit rechtskräftig ausgeurteilten (da von den Klägern nicht angefochten, vgl. dazu zuvor) weiteren KdU und HK sowie unter Berücksichtigung der mit teilweisen Erfolg von der Beklagten angefochtenen Urteile des SG betreffend die Zeiträume 05/2021 bis 04/2022 noch folgende monatliche Auszahlungsansprüche:

03/2020 bis 12/2020: [216,00 € ./. 68,00 € =] 148,00 €           (x 10 Monate = 1.480,00 €)
01/2021 bis 04/2021: [216,00 € ./. 68,00 € =] 148,00 €           (x 4 Monate = 592,00 €)
05/2021 bis 12/2021: [189,36 € ./. 31,36 € =] 158,00 €           (x 8 Monate = 1.264,00 €)
01/2022 bis 04/2022: [148,17 € ./. 0,00 € =] 148,17 € (x 4 Monate = 592,68 €)
05/2022 bis 08/2022: [148,77 € ./. 40,17 € =] 108,60 €           (x 4 Monate = 434,40 €)
09/2022 bis 12/2022: [103,77 € ./. 40,17 € =] 63,60 € (x 4 Monate = 254,40 €).

Damit besteht zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung noch ein Auszahlungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte für die Zeit von 03/2020 bis 12/2022 i.H.v. insgesamt 3.137,48 €.

3.
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 193 SGG. Eine Kostenquotelung hält der Senat angesichts des nur geringen Teilerfolges der Beklagten nicht für angemessen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.    


 

Rechtskraft
Aus
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