L 9 AL 216/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 121/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 216/22
Datum
3. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
B 11 AL 19/23 AR
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 12.12.2022 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt einen Bildungsgutschein für eine Ausbildung zum Wagenmeister.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Speditionskaufmann und mit einer kleinen Spedition selbständig. Nach seinen Angaben erzielt er hieraus kein für die Bestreitung seines Lebensunterhalts ausreichendes Einkommen. Er erhielt von der Beklagten am 25.11.2019 einen Bildungsgutschein für eine Qualifizierung zum Triebwagenführer (Bewilligung von Lehrgangskosten und Fahrtkosten). Vorausgegangen war eine psychologische Eignungsuntersuchung der Fa. „B. GmbH“ gem. Triebfahrzeugführerscheinverordnung vom 22.10.2019, bei der dem Kläger die Eignung als Triebfahrzeugführer bescheinigt wurde. Der Maßnahmezeitraum war vom 08.02.2020 bis zum 08.01.2021 vorgesehen. Träger war die „B.“ Q.. Die konkrete Bewilligung erfolgte mit Bescheid vom 07.02.2020, ein Ausbildungsvertrag wurde abgeschlossen. In dieser Zeit wurde der Kläger durch den mittlerweile pensionierten Arbeitsvermittler P. betreut.

 

Mit Schreiben vom 02.07.2020 kündigte die B. den Ausbildungsvertrag fristlos aus wichtigem Grund wegen unentschuldigten Fehlens, Einschlafens, Beleidigungen, Unterstellung von Straftaten und Störung des Betriebsfriedens. Der Kläger bestritt diese Vorwürfe. Die Maßnahme wurde abgebrochen.

 

Der Kläger erhielt im August 2020 einen neuen Bildungsgutschein für die Qualifizierung zum Triebfahrzeugführer. Maßnahmeträger sollte jetzt die Fa. „R. GmbH“ D. sein, als Qualifizierungsort war T. vorgesehen. Die Maßnahmedauer sollte vom 12.10.2020 bis 02.08.2021 reichen. Diese Maßnahme wurde durch den Kläger im Mai 2021 abgebrochen. Auch der Bildungsträger hat die Maßnahme abgebrochen. Grund waren Mitteilungen der Ausbilder über die Ungeeignetheit des Klägers (Wissenslücken, Unbelehrbarkeit, Unvorbereitetheit). Eine integrierte Qualifizierung zum Rangierbegleiter hatte der Kläger bestanden.

 

Im Januar 2022 beantragte der Kläger nunmehr einen Bildungsgutschein für die Qualifizierung zum Wagenmeister. Dies sei mit dem Arbeitsvermittler P. so abgesprochen worden. Bildungsträger sollte die Fa. K. GmbH L. sein. Er verweigerte eine von der Beklagten geforderte berufspsychologische Untersuchung, denn er habe seine Tauglichkeit bei der Qualifizierungsmaßnahme zum Triebwagenführer unter Beweis gestellt, den theoretischen Teil gut bewerkstelligt und sei von der Psychologin J. für tauglich befunden worden. Das Aufzwingen eines neuen Gutachtens sei schikanös. Soweit ihm mitgeteilt worden sei, das Gutachten aus 2019 sei zu alt und müsse erneuert werden, sei dies eine „faule Begründung“, um ihm die beabsichtigte Ausbildung zu verwehren.

 

Mit Bescheid vom 14.03.2022 lehnte die Beklagte die Erteilung eines Bildungsgutscheins für die Qualifizierung zum Wagenmeister ab. Die Voraussetzungen von § 81 SGB III seien nicht nachgewiesen, die Eignung und Leistungsfähigkeit des Klägers müssten durch eine berufspsychologische Testung durch den berufspsychologischen Service (BPS) abgeklärt werden. Im Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger erneut darauf, der Bildungsgutschein sei ihm von Herrn P. mündlich zugesagt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2022 zurück. Wegen der Ablehnung einer Begutachtung durch den Kläger könnten seine Eignung und Leistungsfähigkeit für die Qualifizierung nicht festgestellt werden.

 

Hiergegen hat der Kläger am 10.04.2022 Klage erhoben. Seine Lernfähigkeit habe er bewiesen und sei nicht anzuzweifeln. Herr P. habe die Förderung befürwortet. Die Begründung der Fa. R. für den Maßnahmeabbruch sei falsch. Ein psychologisches Gutachten sei nicht erforderlich.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2022 zu verurteilen, ihm den beantragten Bildungsgutschein nebst Fahrtkosten und ggf. auswärtigen Unterbringungskosten zu bewilligen.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.

 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2022 abgewiesen. Der Kläger könne sich nicht auf eine Zusicherung durch Herrn P. berufen, da eine schriftliche Zusicherung iSd § 34 SGB X nicht erteilt worden sei. Die Eignung des Klägers für die Umschulung sei nicht nachgewiesen, nachdem der Kläger es abgelehnt habe, sich einer berufspsychologischen Untersuchung zu unterziehen.

 

Gegen den ihm am 15.12.2022 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 19.12.2022.  Die Erteilung des Bildungsgutscheins sei ihm vom Arbeitsvermittler P. zugesagt worden, lediglich coronabedingt sei es nicht zur Aushändigung gekommen. Eine psychologische Untersuchung sei nicht erforderlich. Zweimal sei seine Eignung zum Triebwagenführer berufspsychologisch bestätigt worden, deshalb stehe auch seine Eignung zum Wagenmeister fest. Der Konflikt bei der Fa. HSL liege nicht an ihm und lasse keinen Schluss auf eine notwendige psychologische Untersuchung zu.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 12.12.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.03.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2022 zu verurteilen, ihm einen Bildungsgutschein für eine Weiterbildung zum Wagenmeister zu erteilen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält eine erneute berufspsychologische Testung für erforderlich. Bei positivem Ergebnis könne ein Bildungsgutschein für Wagenmeister in Aussicht gestellt werden. Der BPS sei zuverlässig und unterliege einem Qualitätsmanagement.

 

Das Angebot der Beklagten, die Begutachtung durch einen BPS außerhalb des eigentlich für den Kläger zuständigen BPS in E. durchzuführen, hat der Kläger nicht angenommen. Er hatte Akteneinsicht in die Gerichts- und Verwaltungsakten genommen und die Aufzeichnung des Protokolls über den Erörterungstermin am 30.03.2023 angehört. Ein Ablehnungsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden hat der Senat ohne Beteiligung des abgelehnten Richters mit Beschluss vom 02.11.2021 zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 06.11.2023, auf dessen näheren Inhalt verwiesen wird, hat der Kläger die Aufhebung des Verhandlungstermins am 09.11.2023 wegen behaupteter Manipulationen des Akteninhalts durch den Senatsvorsitzenden beantragt. Den Antrag hat der Vorsitzende des Senats mit Verfügung vom 06.11.2023 abgelehnt. Die Geschäftsstelle des Senats hat mehrfach erfolglos versucht, dem Kläger die Verfügung unter der von ihm angegebenen Faxnummer zu übermitteln. Die Verfügung ist dem Kläger zudem per einfacher Post übersandt worden. Der Kläger ist zum Verhandlungstermin nicht erschienen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und einen erheblichen Grund für eine Terminsaufhebung (§§ 202 SGG, 227 ZPO) nicht vorgetragen hat (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger ist vom Senatsvorsitzenden vorab von der Durchführung des Termins unterrichtet worden, dass ihn diese Verfügung möglicherweise wegen einer fehlerhaften, von ihm selbst mitgeteilten Faxnummer nicht erreicht hat, stellt keinen erheblichen Grund für eine Vertagung der Verhandlung dar.

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Bildungsgutschein und auch nicht auf eine Neubescheidung wegen eines evtl. Ermessensfehlers, weil die Voraussetzungen für einen Bildungsgutschein nicht nachgewiesen sind.

 

Gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB III wird der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung bescheinigt (Bildungsgutschein). Die Voraussetzungen für eine Förderung richten sich nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Hiernach können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn

1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden,

2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und

3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

 

Die Voraussetzungen der Nr. 2 und 3 liegen vor und werden von der Beklagten nicht bestritten, vielmehr hat diese erklärt, dass ein Bildungsgutschein für die Umschulung zum Wagenmeister erteilt wird, wenn eine psychologische Testung erfolgreich verläuft.

 

Nicht nachgewiesen ist jedoch, dass die Maßnahme notwendig ist, um den Kläger beruflich einzugliedern oder eine bei ihm drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden. Inzidentes Merkmal dieser Voraussetzung ist, dass der Betroffene für die angestrebte Maßnahme körperlich, geistig und intellektuell geeignet ist. Eine Maßnahme, die in einen Beruf führt, für den der Betroffene nicht geeignet ist, ist keine notwendige Maßnahme iSd § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 12.11.2015 – L 7 AS 5471/13 mit Nachweisen auf weitere Rechtsprechung).

 

Im vorliegenden Fall bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine berufspsychologische Testung zur Feststellung der Eignung des Klägers für den angestrebten Beruf erneut erforderlich ist. Dem Kläger ist zwar dahingehend Recht zu geben, dass seine rein intellektuelle Fähigkeit, diese Ausbildung zu durchlaufen, durch die Testungen nachgewiesen ist, die zu der ursprünglichen Erteilung des Bildungsgutscheins zum Lokführer geführt haben, denn der Beruf des Wagenmeisters verlangt nur geringere intellektuelle Fähigkeiten, als der des Lokführers. Zu der Weiterbildungsbefähigung gehören aber auch andere psychische Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale, wie Durchhaltevermögen, Verantwortungsbewusstsein, Frustrationstoleranz und Konfliktfähigkeit. Aufgrund des Verlaufs der beiden abgebrochenen Maßnahmen zur Qualifikation zum Lokführer bestehen deutliche Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger an diesen Fähigkeiten mangeln könnte. Dies lässt sich nur durch eine Begutachtung klären, für die der Kläger gem. § 62 SGB I mitwirkungspflichtig ist. Solange der Kläger eine solche verweigert, sind die Voraussetzungen des § 81 SGB III nicht nachgewiesen, was zu Lasten des geltend gemachten Anspruchs geht.

 

Da bereits die Voraussetzungen für die Bewilligung der Bildungsmaßnahme nicht gegeben sind, kommt es auf die Frage, ob dem Kläger der Bildungsgutschein durch den Arbeitsvermittler P. mündlich zugesagt worden ist und ob dies einen im Rahmen der Ermessensbetätigung relevanten Umstand darstellt, nicht an. Ebenso konnte der Senat die Frage offenlassen, ob es sich angesichts der Vorqualifikation des Klägers tatsächlich um eine Weiterbildung handelt und ob der Kläger zumutbar auf den Beruf des Rangierbegleiters verwiesen werden kann.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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