L 10 U 2697/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4685/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2697/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung eines (weiteren) Gesundheitserstschadens im Streit.

Der 1968 geborene Kläger war als Baustellenhelfer bei der K1, R1, beschäftigt und bei der Beklagten unfallversichert. Am 19.12. 2017 rutschte er gegen 10 Uhr morgens auf einer Baustelle aus und ging dann nach vorne in die Knie (s. Ärztliche Unfallmeldung vom 19.12. 2017, Bl. 4 VA, s. Angaben des Klägers in der Unfallanzeige
[„… bin auf unbefestigter Erde … ausgerutscht. Dabei fiel ich mit meinem Knie auf den Boden…“], Bl. 50 VA, s. Angaben des Klägers gegenüber Sachverständigen C1, S. 54 Senatsakte). Er arbeitete anschließend bis ca. 18 Uhr weiter und stellte sich dann um 19.43 Uhr in der Notfallpraxis des M1hospitals S4 vor (Bl. 4 VA). Dort wurde eine Kniedistorsion links, eine Bänder- oder Meniskusläsion und eine Distorsion pedis links diagnostiziert. Anschließend begab er sich in Weiterbehandlung des S1 (Bl. 16 VA), der eine MRT des linken Kniegelenks veranlasste (Bl. 17 VA). Diese zeigte unverdächtige Knochenstrukturen, wenig Erguss, eine präpatellare Reizung/minimale Bursitis, eine kleinste Pes anserinus Zyste, eine großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus (Pars intermedia und Hinterhorn), einen unauffälligen Außenmeniskus, ein distal ansatznah deutlich signalangehobenes, ansonsten straff und unauffälliges vorderes Kreuzband (VKB) bei intaktem übrigem Bandapparat, keine Knorpelläsionen, eine normale patellofemorale Konfiguration und eine geringe Signalanhebung der proximalen Patellasehne ohne Hoffaitis (Beurteilung: großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus, geringe Bursitis präpatellaris, diskretes Patellaspitzensyndrom, ältere Distorsion des VKB gut möglich).

Die Beklagte zog daraufhin eine Mitglieds- und Vorerkrankungsbescheinigung der AOK bei, aus der sich ergab, dass der Kläger bereits vom 09.10.2017 bis 20.10.2017 wegen Kniegelenksschmerzen arbeitsunfähig war (Bl. 67 VA). Auch der den Kläger behandelnde W1 bestätigte eine Vorstellung des Klägers im Oktober 2017 wegen beidseitiger - links stärker als rechts - Knieschmerzen (Bl. 81 VA). Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des S2 vom 21.03.2018 ein (Bl. 90 f. VA), der zu der Einschätzung gelangte, dass sowohl die Knorpeldegenerationen, als auch der Gelenkerguss und die Meniskusdegeneration mit dem kleinen degenerativen Einriss degenerativer Art und somit unfallunabhängig seien. Nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme zur Dauer der Behandlungsbedürftigkeit bei dem S3 vom 27.03.2018 (Bl. 97 VA) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2018 das Ereignis vom 19.12.2017 als Arbeitsunfall mit einer Verdrehung des linken Sprunggelenkes und des linken Kniegelenkes sowie eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 21.01.2018 an, lehnte jedoch die Anerkennung der Rissbildung des Innenmeniskus sowie die Schleimbeutelentzündung im linken Kniegelenk als Unfallfolge ebenso ab wie die Gewährung von Heilbehandlung und die Zahlung von Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 22.01.2018. Den hiergegen erhobenen und ausschließlich auf die Anerkennung der großflächigen horizontalen Rissbildung des Innenmeniskus, der Schleimbeutelentzündung im linken Kniegelenk und des diskreten Patellaspitzensyndroms als Unfallfolge gerichteten Widerspruch (Bl. 102 und 106 VA) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2018 (Bl. 112 ff. VA) zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 04.09.2018 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat den den Kläger behandelnden S1 (schriftlich) als sachverständigen Zeugen befragt (Bl. 27 SG-Akte). Dieser hat mitgeteilt, der Kläger habe u.a. wegen einer Innenmeniskuläsion und einem patellofemoralen Knorpelschaden - jeweils am linken Kniegelenk - in seiner Behandlung gestanden. Zur Beantwortung der Frage, ob diese Beeinträchtigungen mit dem Unfall vom 19.12.2017 in Zusammenhang stehen, hat er auf die Einholung einer entsprechenden Zusammenhangsbeurteilung verwiesen.

Auf Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG sodann ein Sachverständigengutachten bei dem D1 eingeholt (Bl. 60 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 17.09.2019). Der Sachverständige hat eine Funktionseinschränkung am linken Kniegelenk beschrieben und die Auffassung vertreten, dass das Unfallereignis vom 19.12.2017 ein adäquates Trauma zur Entstehung dieser Beeinträchtigung darstelle. Hierbei ist er davon ausgegangen, dass beim Kläger lediglich ein „stummer Vorbefund“ vorgelegen habe, da „nach der Aktenlage und den Aussagen des Klägers“ die Anamnese leer sei und weder diagnostische noch therapeutische Maßnahmen erforderlich gewesen seien. Die Kniegelenksbeschwerden stellten eine „arbeitsbedingte Erkrankung“ dar, die durch die Bedingungen der ausgeübten Tätigkeit „zumindest teilverursacht“ worden sei.

Die Beklagte hat daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des H1 vorgelegt (Bl. 80 f. SG-Akte). Darin hat H1 ausgeführt, dass eine unfallbedingte Meniskusläsion nur dann möglich sei, wenn die physiologischen Bewegungs- und Belastungsgrenzen überschritten worden seien. Dies setze auch eine (Mit-)Schädigung der schützenden Strukturen wie den Kapselbandapparat voraus. Die Wertung einer isolierten Meniskusverletzung als Unfallfolge setze aufgrund der Mechanik des Kniegelenkes einen ganz bestimmten Bewegungsablauf voraus. Ein geeigneter Unfallmechanismus für eine isolierte Meniskusverletzung sei nur der wuchtige Drehsturz bei fixiertem Unterschenkel, bei der die physiologische Schlussrotation nicht mehr stattfinden könne. Ein solches Unfallereignis sei hier nicht dokumentiert. Überdies sei die vorliegende horizontale Rissbildung in aller Regel degenerativer Natur, zumal in den MRT-Befunden keine Hinweise für Verletzungen/Ödeme oder Hämatome im Bereich des Innenbandes oder für ein Knochenmarködem/Bone bruise gefunden worden seien. Auch seien die vorhandenen Knorpelschädigungen degenerativer Natur. H1 hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass - entgegen der Annahme des D1 - beim Kläger laut dem beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis und der Auskunft des W1 schon vor dem stattgehabten Unfall Beschwerden im Bereich der Kniegelenke aufgetreten seien.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es - in erster Linie gestützt auf den MRT-Befund vom 21.12.2017, die beratungsärztlichen Stellungnahmen der S2 und H1 und die aktuellen Untersuchungsbefunde von D1 -  ausgeführt, dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen durch den von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall verursacht worden seien. S2 gelange in der Auswertung des MRT-Befundes vom 21.12.2017 zu der Einschätzung, dass weder eine vertikale Rissbildung im Innenmeniskus, noch ein traumatischer Knorpelschaden oder ein Knochenmarködem und auch keine Verletzung der ligamentären Bandstrukturen vorliege, weshalb er nachvollziehbar von einer degenerativen unfallunabhängigen Schädigung des linken Kniegelenks ausgehe. Diese Einschätzung werde durch die - u.a. auf die unfallmedizinische Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, 2017, S. 655 ff.) gestützte - beratungsärztliche Stellungnahme des H1 bestätigt. Demgegenüber überzeugten die Ausführungen des Sachverständigen D1 nicht. Der Sachverständige habe weder die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen bezeichnet, noch eine genaue Beschreibung der - seiner Meinung nach - durch das Unfallereignis hervorgerufenen und verursachten Gesundheitsstörungen abgegeben. Im Übrigen sei der Sachverständige lediglich zu der Einschätzung gelangt, dass aufgrund der - von ihm ebenfalls als nicht aussagekräftig angesehenen - Unfallschilderung und unter Hinweis auf fehlende weitergehende Befunde, da beim Kläger keine Untersuchung unter Narkose und keine operative Behandlung erfolgt sei, nur die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen Meniskusriss und Unfallereignis bestehe, was für die begehrte Feststellung von Unfallfolgen jedoch nicht ausreiche.

Gegen den - seinen Prozessbevollmächtigten am 31.07.2020 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.08.2020 beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er unter Verweis auf das Sachverständigengutachten des D1 ausgeführt, dass das Trauma vom 19.12.2017 zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung der vorbestsehenden beginnenden Arthrose des Kniegelenkes geführt habe. Ohne das eingetretene Schadensereignis könne nicht davon ausgegangen werden, dass etwa zur gleichen Zeit der gleiche Schaden eingetreten wäre. Demgegenüber habe der Beratungsarzt H1 den Kläger nicht untersucht und die am Knie bestehenden Vorschäden nicht berücksichtigt. Überdies lasse H1 außer Acht, dass der Kläger in dem körperlichen Zustand geschützt sei, in dem er sich zu dem Zeitpunkt befunden habe, als der Unfall geschehen sei.

Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),      

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.07.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2018 zu verpflichten, eine großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus, eine Schleimbeutelentzündung und ein diskretes Patellaspitzensyndrom im linken Kniegelenk als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.12.2017 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Bescheide sowie die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Senat hat W1 (schriftlich) als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat mitgeteilt, dass sich der Kläger zweimal wegen beidseitigen Kniegelenksschmerzen - nämlich am 09.10. und am 13.10.2017 - bei ihm vorgestellt habe (S. 44 f. Senatsakte). Anhand der körperlichen Untersuchung sei von einem Knorpelschaden oder anderen degenerativen Veränderungen auszugehen gewesen. Er habe damals eine Schmerzsalbe und entzündungshemmende Schmerztablette verordnet und für den Zeitraum 09.10. bis 20.10.2017 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt.

Außerdem hat der Senat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei dem C1 eingeholt (S. 53 ff. Senatsakte, Untersuchungstag: 02.03.2021). Als Unfallfolgen hat der Sachverständige eine folgenlos abgeheilte Knieprellung links diagnostiziert. Die aktuell bestehenden Beeinträchtigungen im Bereich des linken Knies - namentlich Druckschmerz am inneren und äußeren Kniegelenkspalt, Schmerz bei endgradiger Beugung und Streckung sowie endgradig eingeschränkte Streckfähigkeit - seien nicht mit Wahrscheinlichkeit durch das in Rede stehende Ereignis verursacht oder verschlimmert worden. Vielmehr habe der Kläger bereits vor dem Ereignis Beschwerden im Bereich der Kniegelenke gehabt. Überdies sei weder der Unfallmechanismus - namentlich eine Beugung des Kniegelenks - geeignet, einen traumatischen Meniskusriss hervorzurufen, noch ließe sich aus den zeitnah zum Unfall gefertigten MRT-Aufnahmen eine unfallbedingte Verursachung ableiten, da nur wenig Erguss und eine auf eine degenerative Veränderung hinweisende großflächige horizontale Rissbildung in der Pars intermedia und im Hinterhorn des Innenmeniskus beschrieben worden seien und sämtliche bei einer traumatisch verursachten Meniskusläsion zu erwartenden Hinweise auf eine Mitbeteiligung des Kapsel-Bandapparates fehlten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.


Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2018 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2018, allerdings - aufgrund einer Beschränkung des Streitgegenstandes durch den Kläger bereits im Rahmen des Widerspruchsverfahrens - nur insoweit, als die Beklagte darin lediglich eine Verdrehung des linken Sprunggelenkes und des linken Kniegelenkes als „Unfallfolge“ anerkannt und die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Knies abgelehnt hat. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid das Ereignis vom 19.12.2017 als Arbeitsunfall mit einer Verdrehung des linken Sprunggelenkes und des linken Kniegelenkes anerkannt hat, hat ihn der Kläger - da für ihn günstig - bereits gar nicht angefochten, weshalb er insoweit bestandskräftig geworden ist (§ 77 SGG).

Unter Zugrundelegung dessen ist das Begehren des Klägers darauf gerichtet, dass er von der Beklagten die Anerkennung verlangt, dass der Arbeitsunfall vom 19.12.2017 nicht nur zu einer Verdrehung des linken Sprunggelenkes und des linken Kniegelenkes, sondern darüber hinaus zu den im MRT-Bericht vom 21.12.2017 aufgeführten Diagnosen, namentlich
die großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus, die Schleimbeutelentzündung und das diskrete Patellaspitzensyndrom geführt hat.

Dieses Begehren ist richtigerweise - und bei entsprechend sachgerechter Auslegung (§ 123 SGG) auch von Anfang an - nicht auf die Anerkennung (durch die Beklagte) dieser Kniebinnenveränderungen links als Unfallfolge gerichtet gewesen, sondern vielmehr auf die Anerkennung dieser Anomalien als weiteren Erstschaden (sog. Primärschaden) des Arbeitsunfalls selbst, zumal der Kläger stets der Sache nach angebracht hat, sein Sturz im Rahmen des Ereignisses vom 19.12.2017 habe nicht (nur) zu einer Verdrehung des linken Sprung- und Kniegelenks geführt, sondern zu den in der MRT vom 21.12.2017 sichtbar gewordenen Knieschäden
(vgl. dazu Senatsurteil vom 15.11.2021, L 10 U 490/18, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Denn diese Anomalien wären - einen ursächlichen Zusammenhang unterstellt - nicht Folgen des Unfalls, sondern dem Begriff des Unfalls immanente Primär- bzw. Gesundheitserstschäden (s. zur Unterscheidung nur Bundessozialgericht - BSG - 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris; Senatsurteil a.a.O.). Es erschlösse sich auch nicht, inwiefern die geltend gemachten Veränderungen eine Wirkung des von der Beklagten anerkannten und als ausgeheilt qualifizierten (Behandlungsbedürftigkeit nur bis zum 21.01.2018 bestandskräftig anerkannt) Erstschadens in Gestalt einer linksseitigen Sprung- und Kniegelenksverdrehung sein sollten (vgl. BSG 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, auch zum Vorstehenden) und dies hat der Kläger eben auch gar nicht geltend gemacht, sondern gerade, dass die großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus, die Schleimbeutelentzündung und das diskrete Patellaspitzensyndrom im linken Kniegelenk unmittelbar im Rahmen des Sturzereignisses am 19.12.2017 entstanden seien.

Dieses Begehren verfolgt der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten sowie - an Stelle der gerichtlichen Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG - die Verurteilung der Beklagten, als (weitere) Gesundheitserstschäden des Arbeitsunfalls vom 19.12.2017 die großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus, die Schleimbeutelentzündung und das diskrete Patellaspitzensyndrom im linken Kniegelenk anzuerkennen („festzustellen“). Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung von Unfallfolgen als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, , mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage). Nachdem das BSG die Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG auf die Feststellung von Gesundheitserstschäden erweitert hat (BSG 24.07.2012, B 2 U 23/11), bestehen keine prozessualen Bedenken gegen das Begehren des Klägers, die Beklagte im Wege der Verpflichtungsklage zur Anerkennung (weiterer) Gesundheitserstschäden zu verurteilen.

Das SG hat die so verstandene Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 05.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids  vom 08.08.2018 - soweit angefochten (s.o.) - ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte über den seitens der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden bereits festgestellten Gesundheitserstschaden hinaus keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Gesundheitserstschäden in Form einer großflächigen horizontalen Rissbildung des Innenmeniskus, einer Schleimbeutelentzündung und einem diskreten Patellaspitzensyndrom im linken Kniegelenk. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung weiterer (der Sache nach) Gesundheitserstschäden abgelehnt.

Der Senat nimmt auf die zutreffenden, im Wesentlichen auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen der S2 und H1 gestützten Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid Bezug, sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den insoweitigen Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die weitere medizinische Sachaufklärung im Berufungsverfahren hat die sachlich-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestätigt und das Rechtsmittelvorbringen rechtfertigt auch keine andere Beurteilung.

Zwar sind beim Kläger in der MRT vom 21.12.2017 die von ihm zur Anerkennung gestellten Gesundheitsstörungen sichtbar geworden. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass diese auf den stattgehabten Unfall vom 19.12.2017 zurückzuführen sind.


Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt nämlich wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsprüfung hat somit nach dieser zweistufigen Prüfung zu erfolgen.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Primärschädigung - oder auch als Unfallfolge - geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSG 20.12.2016, B 2 U 16/15 R; 30.04.1985, 2 RU 43/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Vorliegend bestehen bereits durchgreifende Zweifel daran, dass der Sturz am 19.12.2017 in einem naturwissenschaftlichen Zusammenhang mit den zur Anerkennung gestellten Gesundheitsstörungen steht.


C1 hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass sich bereits aus den zeitnah zum Unfallereignis erhobenen kernspintomografischen Befunden (MRT vom 21.12.2017) eine unfallbedingte Schädigung des linken Kniegelenks nicht ableiten lässt, da zum einen nur ein geringer Erguss beschrieben worden ist, zum anderen die dokumentierte großflächige horizontale Rissbildung in der Pars intermedia und im Hinterhorn des Innenmeniskus - auch nach der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 656) - typischerweise degenerativ verursacht wird und in aller Regel für eine vorbestehende Texturstörung spricht sowie sämtliche Hinweise auf eine Mitbeteiligung des Kapsel-Bandapparates, die bei einer traumatisch verursachten Meniskusläsion zu erwarten sind, fehlen. Der Sachverständige hat damit ausdrücklich die beratungsärztlichen Stellungnahmen der S2 und H1 bestätigt. Ebenfalls überzeugend hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass auch der Umstand, dass der Kläger bereits - wie von W1 in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft ausdrücklich bestätigt - ca. zwei Monate vor dem stattgehabten Ereignis und somit entgegen der Annahme des Sachverständigen D1, beim Kläger seien vor dem stattgehabten Ereignis zu keinem Zeitpunkt diagnostische oder therapeutische Maßnahmen erforderlich gewesen, wegen beidseitiger Kniegelenksschmerzen in ärztlicher Behandlung gestanden hat und sogar arbeitsunfähig gewesen ist, bestätigt, dass die im MRT vom 21.12.2017 sichtbaren Befunde degenerativer Art sind. Beim Kläger hat zum Unfallzeitpunkt also entgegen der Behauptung des D1 in seinem Gutachten gerade kein „stummer Vorschaden“ vorgelegen, der durch den Unfall „richtungsweisend verschlimmert“ worden ist.

Vor diesem Hintergrund hält es der Senat schon nicht für hinreichend wahrscheinlich, sondern vielmehr für nahezu ausgeschlossen, dass ohne den stattgehabten Unfall am 19.12.2017 die zur Anerkennung gestellten Gesundheitsschäden entfielen, der Unfall also ursächlich für diesen Gesundheitsschaden gewesen ist (conditio sine qua non). Somit liegt bereits ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen dem am 19.12.2017 stattgehabten Unfall und den vom Kläger zur Anerkennung gestellten Gesundheitsschäden nicht vor.

Ob zudem der Unfallhergang - Ausrutschen und Sturz mit dem linken Knie auf den Boden - überhaupt geeignet gewesen ist, die geltend gemachten Gesundheitsstörungen - insbesondere die großflächige horizontale Rissbildung des Innenmeniskus - hervorzurufen oder hierfür ein („wuchtiger“) Drehsturz erforderlich gewesen wäre, ist daher nicht entscheidungserheblich und kann dahinstehen.


Somit stehen die vom Kläger zur Anerkennung gestellten Veränderungen im Bereich des linken Knies in keinem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vom 19.12.2017, so dass kein Anspruch des Klägers auf Verurteilung der Beklagten besteht, diese als Gesundheitserstschäden anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

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