L 12 AS 1422/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 86 AS 1566/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1422/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.08.2022 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern im Zeitraum vom 01.12.2019 bis zum 31.05.2020 zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung) sowie um die Höhe einer Erstattung der Leistungen nach endgültiger Festsetzung. Streitig ist insbesondere die Berücksichtigung einer der Klägerin zu 1) gewährten Corona-Hilfezahlung i.H.v. 9.000 € im Rahmen der Betriebsausgaben.

 

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 1) (im Folgenden: Klägerin) und ihr am 00.00.0000 geborener Sohn, der Kläger zu 2) (im Folgenden: Kläger), lebten im streitigen Zeitraum in einem Haushalt. Die Klägerin war als Nageldesignerin selbstständig tätig und bezog fortlaufend aufstockende Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Die Klägerin verfügt nach eigenen Angaben über ein Prepaid-Handy, das sie beruflich und privat nutzt. Der Kläger studierte im streitigen Zeitraum und bezog ergänzend Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) i.H.v. 168 € monatlich und Kindergeld in gesetzlicher Höhe von 204 € monatlich. Vermögen, das den Freibetrag nach § 12 SGB II übersteigt, war im streitigen Zeitraum nicht vorhanden.

 

Die Kosten der von den Klägern im streitigen Zeitpunkt bewohnten Mietwohnung beliefen sich laut Mietbescheinigung vom 02.08.2018 auf 435 € Grundmiete zzgl. 106,11 € Nebenkosten und 50,39 € Heizkostenvorauszahlung monatlich. Diese Wohnung bewohnten die Kläger seit einem Umzug im Jahr 2011, der ohne Zustimmung des Beklagten erfolgt war. Der Beklagte übernahm die Kosten der Unterkunft seither zunächst in Höhe der Kosten der vorherigen Wohnung (Bescheid vom 13.10.2011) und ab August 2015 in der jeweiligen Höhe der nach dem Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung angemessenen Kosten (Bescheid vom 06.08.2015). Im streitigen Zeitraum wies das Konzept des Beklagten, das im Wesentlichen auf den qualifizierten Mietspiegel der Stadt E. zurückgreift, für einen Zwei-Personen-Haushalt Kosten i.H.v. monatlich 379,53 € Grundmiete, 106,12 € Nebenkosten sowie die Heizkosten in tatsächlicher Höhe aus. Die Kläger haben hiergegen keine Einwendungen erhoben und die diesbezüglichen Bescheide nicht angefochten. Im vorliegenden Verfahren haben sie erklärt, auf die Einreichung von Nebenkostenabrechnungen für den streitigen Zeitraum ausdrücklich zu verzichten (Schreiben vom 20.11.2023). Auch in der mündlichen Verhandlung am 21.02.2024 haben die Kläger keine Einwände gegen das Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten sowie dessen Fortschreibung für den hier streitigen Zeitraum geltend gemacht.

 

Mit Schreiben vom 20.10.2019 stellten die Kläger einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum ab Dezember 2019. Mit Bescheid vom 12.12.2019 gewährte der Beklagte den Klägern vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020 unter Zugrundelegung der von der Klägerin eingereichten vorläufigen Anlage zum Einkommen Selbstständiger (EKS). Als Bedarf berücksichtigte der Beklagte die Regelbedarfe der Kläger sowie die jeweiligen Mehrbedarfe für die Bereitung von Warmwasser in gesetzlicher Höhe sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung mit monatlich 376,80 € Grundmiete, 50,40 € Heizkosten und 106,12 € Nebenkosten. Neben dem BAföG des Klägers sowie dem Kindergeld berücksichtigte der Beklagte bedarfsmindernd das (vorläufige) Einkommen der Klägerin mit 256,11 € monatlich abzüglich der gesetzlichen Freibeträge. Insgesamt ergab sich so ein Zahlbetrag für Dezember i.H.v. 879,98 € (613,36 € entfielen auf die Klägerin, 266,62 € auf den Kläger) sowie ab Januar 2020 ein Betrag von monatlich 894,31 € (621,77 € entfielen auf die Klägerin und 272,54 € auf den Kläger).

 

Am 20.03.2020 teilte die Klägerin telefonisch mit, dass sie eine Mitteilung der Stadt E. erhalten habe, wonach sie aufgrund der Corona Pandemie ab sofort ihren Betrieb schließen müsse. Sie bat um Neuberechnung der Ansprüche. Mit Änderungsbescheid vom 20.03.2020 änderte der Beklagte daraufhin die bewilligten Leistungen für den Zeitraum von März 2020 bis Mai 2020 (weiterhin vorläufig) ab und rechnete kein Erwerbseinkommen der Klägerin mehr an. Es ergab sich so ein monatlicher Zahlbetrag von insgesamt 1.019,20 €, wobei ein Betrag von 708,60 € auf die Klägerin und 310,60 € auf den Kläger entfielen.

 

Mit Bescheid vom 01.04.2020 bewilligte die Bezirksregierung P. der Klägerin auf ihren Antrag hin einen Billigkeitszuschuss aufgrund des Soforthilfeprogramms des Landes Nordrhein-Westfalen gem. § 53 Landeshaushaltsordnung i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Soloselbständige“ („Corona-Soforthilfe“) in Höhe von 9.000 €. Der Bescheid sah eine Zweckbindung der Zahlung zur Milderung finanzieller Notlagen des betroffenen Unternehmens für den Zeitraum von drei Monaten (April 2020 bis Juni 2020) vor. Die Zahlung diene insbesondere der Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 01.03.2020 im Zusammenhang mit der Corona Pandemie entstanden seien. Die Gutschrift auf dem Konto der Klägerin erfolgte am 02.04.2020.

 

Nach Aufforderung durch den Beklagten reichte die Klägerin im September 2020 eine abschließende EKS für den Zeitraum April 2020 bis Juli 2020 sowie diverse Quittungen ein. Am 07.10.2020 forderte der Beklagte die Klägerin erneut zur Einreichung der Anlage EKS mit abschließenden Angaben für den gesamten Bewilligungszeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 auf.

 

Nachdem die Klägerin der Aufforderung nicht nachgekommen ist, setzte der Beklagte mit Festsetzungsbescheid vom 05.11.2020 die Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020 auf 0 € fest. Mit Erstattungsbescheiden ebenfalls vom 05.11.2020 forderte er die Kläger jeweils zur Rückzahlung der gesamten im Streitzeitraum gezahlten Leistungen auf (i.H.v. 3.982,70 € zu Lasten der Klägerin und i.H.v. 1.743,50 € zu Lasten des Klägers).

 

Mit zwei Schreiben vom 10.11.2020 legten die Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 05.11.2020 ein. Sie erklärten, die Unterlagen vollständig eingereicht zu haben. Es könne sich bei den Bescheiden nur um ein Missverständnis handeln. Es sei zu berücksichtigen, dass die Corona-Soforthilfe lediglich für betriebliche Ausgaben habe verwendet werden dürfen. Die geforderte Rückzahlungssumme könnten die Kläger angesichts der finanziellen Verhältnisse unmöglich erbringen. Zugleich reichten die Kläger eine abschließende EKS für den Zeitraum von Oktober 2019 bis März 2020 zu den Akten.

 

Aus den gesamten eingereichten Unterlagen ergaben sich folgende Einnahmen und Ausgaben der Klägerin für den Geschäftsbetrieb im streitigen Zeitraum:

 

Monate

Einnahmen

Ausgaben

Dezember 2019

710,40 €

642,81 €

Januar 2020

2.443,12 €

882,21 €

Februar 2020

1.775,81 €

579,38 €

März 2020

911,16 €

593,22 €

April 2020

2,62 €

1.245,13 €

Mai 2020

1.534,75 €

2.361,04 €

 

Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2020 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 unter Berücksichtigung der nunmehr eingereichten Unterlagen neu fest. Er legte den Regelbedarf sowie den Mehrbedarf für Warmwasser in gesetzlicher Höhe zzgl. der Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich 379,54 € Grundmiete, 106,12 € Nebenkosten sowie 50,40 € Heizkosten als Bedarf zu Grunde. Bedarfsmindernd berücksichtigte er das Einkommen des Klägers auf BAföG i.H.v. 168 € monatlich, bereinigt um den Grundfreibetrag von 100 € sowie das Kindergeld mit 204 € monatlich. Das Einkommen der Klägerin rechnete der Beklagte mit durchschnittlich monatlich 780,05 € abzüglich der Freibeträge von 236,01 € mit 544,04 € bedarfsmindernd an. Es ergab sich so ein Zahlbetrag von insgesamt 500,57 € für Dezember 2019 (dabei entfielen 336,29 € auf die Klägerin und 164,28 € auf den Kläger) sowie ab Januar 2020 ein Betrag von monatlich 514,90 € (dabei entfielen 345,22 € auf die Klägerin und 169,68 € auf den Kläger). Bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin legte der Beklagte die von ihr angegebenen Betriebseinnahmen vollständig zu Grunde. Bei den Betriebsausgaben erkannte er die Telefonkosten mit 50 % der veranschlagten Kosten an, da eine Trennung zwischen Geschäfts- und Privatanschluss der Klägerin nicht erkennbar sei. Die Corona-Soforthilfe rechnete der Beklagte auf Betriebsausgabenseite in den Monaten April 2020 bis Mai 2020 zur Deckung der in diesem Zeitraum entstandenen Betriebskosten an.

 

Die Erstattungssummen änderte der Beklagte entsprechend der geänderten endgültigen Festsetzung gegenüber der Klägerin auf einen Betrag i.H.v. 1.920,31 € und gegenüber dem Kläger auf einen Betrag i.H.v. 730,82 € ab (Bescheide vom 26.11.2020).

 

Die Kläger haben ihre Widersprüche aufrechterhalten. Das monatliche Einkommen sei mit 177,73 € zu beziffern. Die Corona-Soforthilfe sei nicht zu berücksichtigen. Es sei außerdem unzulässig, die Telefonkosten nur hälftig anzurechnen. Die Klägerin habe lediglich ein Prepaid-Handy. Einen Festnetz- oder Internetanschluss habe sie nicht. Ob der Corona-Zuschuss behalten werden dürfe, entscheide sich im Frühjahr, da dann eine Abrechnung erfolge.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2021, der nach einem Aktenvermerk des Beklagten am 26.03.2021 zur Post gegeben worden ist, wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück. Die Klägerin habe ein Durchschnittseinkommen von 780,05 € gehabt, wobei bis März 2020 alle Ausgaben bis auf die nur hälftig berücksichtigten Telefonkosten, für welche die Klägerin keine Nachweise über die konkrete Nutzungshöhe vorgelegt habe, berücksichtigt worden seien. Ab April 2020 seien aufgrund der Corona-Soforthilfe keine Ausgaben mehr zu berücksichtigen gewesen. In Anlehnung an § 3 Abs. 3 S. 4 und 5 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-VO, in der Fassung vom 28.05.2020, gültig ab 01.03.2020) i.V.m. § 13 SGB II könnten Ausgaben, die über Darlehen finanziert würden, nicht berücksichtigt werden, unabhängig von einer späteren Rückzahlungsverpflichtung.

 

Die Bezirksregierung P. setzte auf die Meldung der Klägerin vom 31.10.2021 hin die Höhe der Soforthilfe für die Monate April 2020 bis Juni 2020 auf 779 € fest und forderte den Restbetrag in Höhe von 8.221 € zurück (Bescheid vom 19.12.2021). Sie berücksichtigte dabei für den Monat April 2020 Betriebsausgaben in Höhe von 1.244 € und für den Monat Mai 2020 in Höhe von 2.360 €. Rechtsbehelfe gegen den Bescheid hat die Klägerin zunächst nicht eingelegt, dann jedoch ein Überprüfungsverfahren eingeleitet. Der bei dem zuständigen Verwaltungsgericht gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein sodann zu führendes Klageverfahren ist noch nicht beschieden.

 

Die Kläger haben am 29.04.2021 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren auf endgültig höhere Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 und Aufhebung der Erstattungsbescheide weiterverfolgt haben. Sie trugen vor, § 3 Abs. 3 S. 4 und 5 Alg II-VO sei nicht heranzuziehen, da die dort geregelte Lage mit derjenigen der Corona-Soforthilfe nicht vergleichbar sei. Die Corona-Soforthilfe sei eine außerordentliche Wirtschaftshilfe zur Abfederung von Einnahmeausfällen wegen vorübergehender Betriebsschließungen. Es handele sich nur um kurzfristig zur Verfügung gestellte Hilfen, die kurzfristig wieder rückzahlbar seien. Die Anwendung der Norm passe nicht, da es gerade keine SGB II-Leistung sei und es sonst zu einer verdeckten Einkommensanrechnung komme. Der Beklagte sei an den Vorbehalt des Gesetzes nach § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) gebunden, weshalb die Verordnung keine ausreichende Grundlage für eine Verpflichtung der Kläger zur Nutzung der Einnahmen für Betriebsausgaben darstelle, ohne dass diese geltend gemacht werden dürften. Zudem beziehe sich § 3 Abs. 3 Alg II-VO auf Darlehen, nicht auf Leistungen. Jedenfalls sei die Soforthilfe als privilegiertes Einkommen gerade auf Einkommensseite zu sehen und dabei müsse es verbleiben bzw. könne sie eben gerade nicht als Ausgabe angesehen werden. Eine terminologische Umbenennung helfe an dieser Stelle nicht weiter. Soweit der Beklagte auf die Ausführungen des wissenschaftlichen Dienstes verweise, gehe dies fehl, dort werde allenfalls der Meinungsstand diskutiert. Es handele sich jedenfalls nicht um eine Dienstanweisung und beinhalte u.a. die Meinung der Bundesagentur für Arbeit, sodass der Beklagte sich hier letztlich selbst zitiere. Es könne auch nicht zutreffend sein, dass die Klägerin die Corona-Soforthilfe erstatten und gleichzeitig die gewährten SGB II-Leistungen zurückzahlen müsse.

 

Die Kläger haben beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.11.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021 Leistungen   zur Sicherung des   Lebensunterhalts für den Bewilligungszeitraum Dezember 2019 bis 31. Mai 2020 in gesetzlicher Höhe zu zahlen,

 

den Erstattungsbescheid vom 05.11.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.11.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021 aufzuheben.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Er verwies auf die Ausführungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, WD 6-3000-067/20, wonach die Corona-Soforthilfen nicht als Betriebseinnahmen, wohl aber als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien, und als solche sei die Soforthilfe dann auch hier zu berücksichtigen. Aus den Ausführungen ergäben sich richtungsweisende Argumente, denen sich auch die Rechtsprechung schon mehrfach angeschlossen habe. Die Corona-Soforthilfe sei gerade zur Deckung der betrieblichen Ausgaben gewährt worden. Auch die Privilegierung nach § 11a SGB II werde so nicht umgangen, da Restbeträge der Soforthilfe, sofern nach Verrechnung mit den Ausgaben noch welche verblieben, nicht etwa als Einkommen angerechnet würden.

 

Mit Urteil vom 23.08.2022, der Klägerin zugestellt am 30.09.2022, hat das SG die Klage abgewiesen. Sowohl der Festsetzungsbescheid als auch der Erstattungsbescheid seien rechtmäßig. Die Berechnung des Bedarfs der Kläger sei ebenso wenig zu beanstanden, wie die Berechnung und Berücksichtigung des Einkommens der Kläger. Insbesondere seien die von der Klägerin ab April 2020 geltend gemachten Betriebsausgaben durch die Corona-Soforthilfe gedeckt und mithin nicht auf Betriebsausgabenseite zu berücksichtigen gewesen. Auch die nur hälftige Berücksichtigung der Telefonkosten in dem Gesamtzeitraum sei rechtmäßig gewesen. Es handele sich bei den Einnahmen aus dem Gewerbe als Nageldesignerin um Einkommen aus selbstständiger Arbeit, so dass zur Berechnung der Einkünfte die aufgrund der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 SGB II erlassene Alg II-VO Anwendung finde. Es könnten hiernach nur solche Einnahmen als Betriebseinnahmen berücksichtigt werden, die einen objektiven Anknüpfungspunkt zu der selbstständigen Tätigkeit selbst haben und aus ihr heraus entspringen bzw. aus der konkret ausgeübten Tätigkeit herrühren würden. Die Corona-Soforthilfe sei keine Betriebseinnahme in diesem Sinne. Die Corona-Soforthilfe stamme nicht unmittelbar aus der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin, sondern sei ihr aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt worden. Die Berücksichtigung der Corona-Soforthilfe auf Betriebsausgabenseite sei demgegenüber rechtmäßig. Sie sei gerade zu dem Zweck gewährt worden, Verbindlichkeiten aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand zu decken. Gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-VO seien zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. § 3 Abs. 3 Alg II-VO nehme Einschränkungen vor, welche Ausgaben nicht abzusetzen seien. Das Geld sei zunächst in tatsächlicher Hinsicht der Klägerin ausgezahlt worden und habe ihr für die Deckung der betrieblichen Ausgaben im Zeitraum April und Mai 2020 zur Verfügung gestanden, sodass sie für die Betriebsausgaben keine eigenen finanziellen Mittel, die sie den betrieblichen Einnahmen hätte entnehmen müsse, habe nutzen müssen. Demgemäß seien die Einnahmen in der Folge nicht durch Ausgaben aus den Betriebseinnahmen geschmälert worden. Unabhängig davon, ob der zugrundeliegende Bescheid der Bezirksregierung P. rechtmäßig gewesen sei und ob die Zweckbestimmung auch zusätzlich die Deckung der Lebenserhaltungskosten beinhaltete habe, sei dort jedenfalls auch zur Deckung der Betriebsausgaben zum Zwecke des Erhalts des Betriebs geleistet worden. Der Beklagte habe zu Recht die Telefonkosten nur hälftig berücksichtigt. Die Telefonkosten seien nur in hälftiger Höhe anzuerkennen, weil nicht nachgewiesen worden sei, dass diese vollständig beruflich bedingt gewesen seien. Die Klägerin habe im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie das Telefon auch für private Zwecke genutzt habe. Da sie eine Flatrate habe, könne eine genauere Differenzierung zwischen betrieblicher und privater Nutzung auch im Nachhinein nicht erfolgen, sodass eine hälftige Berücksichtigung angemessen erscheine. Die Erstattungsbescheide seien in der Folge rechtmäßig. Rechenfehler seien nicht erkennbar.

 

Die Kläger haben am 11.10.2022 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Ziel auf Festsetzung höherer Leistungen nach dem SGB II und entsprechender Abänderung der Erstattungsforderung weiterverfolgen. Die Klägerin habe im Zeitraum April 2020 und Mai 2020 tatsächlich keine finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt. Die Bezirksregierung habe mit dem Bescheid vom 19.12.2021 eine Saldierung der Einnahmen und Ausgaben vorgenommen und die gewährte Coronahilfe im Übrigen zurückgefordert. Hierbei gehe die Bezirksregierung von einer anderen Berechnung aus als der Beklagte. Zahlungen Dritter, die dem Leistungsberechtigten nicht endgültig verbleiben würden, seien nicht anrechenbar. § 3 Alg II-VO enthalte keine Regelung, die auf den vorliegenden Fall exakt passe. Daher liege in dessen Anwendung auf die Corona-Soforthilfe ein Verstoß gegen § 31 SGB I (Gesetzesvorbehalt und Analogieverbot).

 

Die Kläger beantragen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.08.2022 zu ändern und ihnen unter Änderung des Bescheides vom 05.11.2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2019 bis 31.05.2020 endgültig nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie die Erstattungsbescheide vom 05.11.2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. § 3 Abs. 3 Alg II-VO sei anwendbar. Bei der Coronahilfe handele es sich um eine finanzielle Unterstützung mit Rückzahlungsverpflichtung. Dies entspreche der Gewährung eines zinslosen Darlehens. Soweit die Klägerin tatsächlich zur Rückzahlung der Coronahilfe verpflichtet sei, seien diese Zahlungen wiederum im Gegenzug bei den Betriebsausgaben abzusetzen.

 

Der Senat hat am 23.08.2023 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins Bezug genommen.

 

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat bei dem Beklagten das für den streitigen Zeitraum geltende Konzept zur Ermittlung der Kosten für Unterkunft und Heizung angefordert. Das Konzept der Stadt E. „zur Ermittlung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach den Bestimmungen des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII), Stand März 2019 und Aktualisierung der Anlage 2 Stand Dezember 2019, hat der Beklagte mit Schreiben vom 24.01.2024 übersandt.

 

In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 21.02.2024 hat die Klägerin erklärt, ihr Gewerbe als Nageldesignerin zunächst ruhend gestellt zu haben, dieses als Nebengewerbe nun aber seit einem Monat weiterzuführen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

 

A. Gegenstand der Berufung ist das Urteil des SG vom 23.08.2022 und der Bescheid vom 05.11.2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), mit dem der Beklagte die den Klägern zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2019 bis 31.05.2020 endgültig festgesetzt hat sowie die jeweils an die Kläger individualisiert ergangenen Erstattungsbescheide vom 05.11.2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021.

 

B. Die Berufung der Kläger ist zulässig.

 

I. Die Berufung ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes insgesamt 750 € übersteigt, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie eine Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin i.H.v.1.920,31 € sowie gegenüber dem Kläger i.H.v. 730,82 €.

 

Der Zulässigkeit der Berufung des Klägers steht nicht entgegen, dass die gegen ihn gerichtete Erstattungsforderung mit 730,82 € für sich betrachtet den Berufungsstreitwert nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Mehrere gemeinsam geltend gemachte Ansprüche sind nach § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammenzurechnen, außer wenn sie auf dasselbe wirtschaftliche Ziel gerichtet sind. Allein willkürlich oder rechtsmissbräuchlich mit dem Ziel der Erreichung des Beschwerdewertes zusammen geltend gemachte Ansprüche sind nicht statthaft. Dies kann dann angenommen werden, wenn der Antrag auf eine gesetzlich nicht vorgesehene Leistung(-sdauer) offenbar am Beschwerdewert orientiert ist. Eine Klagehäufung, die objektiv prozessökonomisch ist, dürfte bereits deshalb nie missbräuchlich mit Blick auf den Wert der Beschwer sein. Liegen innerhalb eines Klageverfahrens mehrere Streitgegenstände vor, ist hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung nach Ansicht des Bundessozialgerichts (BSG) danach zu differenzieren, ob die einzelnen Streitgegenstände vom Berufungsausschluss erfasst werden oder nicht (BSG Beschluss vom 18.04.2016, B 14 AS 150/15 BH, Rn. 5, juris). Die Klagehäufung mit einem Antrag, der nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, soll die Entscheidung nicht insgesamt berufungsfähig machen (vgl. Dr. Frank Schreiber in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 144 [Zulassung der Berufung], Rn. 20). Bei der Bestimmung des Beschwerdewertes sind bei subjektiver Klagehäufung die geltend gemachten Ansprüche jedenfalls dann gemäß § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 5 ZPO zu addieren, wenn Rücknahme- und Erstattungsentscheidungen gegenüber mehreren Personen in einem einheitlichen Bescheid erlassen werden (BSG Urteil vom 24.06.2020, B 4 AS 10/20 R, Rn. 18, juris).

 

So verhält es sich hier. Neben der einheitlichen Entscheidung über die Erstattungsansprüche in dem Widerspruchsbescheid vom 25.03.2021 sind die endgültige Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II und die daraus resultierende Erstattungsforderung miteinander als Einheit verknüpft. Die Kläger wenden sich nicht nur gegen die Erstattungsforderung, sondern begehren darüber hinaus die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach. Dabei ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass in der Addition der beiden Begehren der Streitwert von 750 € auch individualisiert für den Kläger überschritten wird. Schätzungen sind insoweit und in dem von § 3 ZPO eröffneten Rahmen der Ermessensausübung zulässig (vgl. Dr. Frank Schreiber in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 144 [Zulassung der Berufung], Rn. 19).

 

II. Weiterhin haben die Kläger die Berufung auch fristgerecht eingelegt (Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils am 30.09.2022, Eingang der Berufung am 11.10.2022, § 151 Abs. 1 SGG).

 

C. Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

 

I. Die Klage ist zulässig.

 

1. Gegen die streitgegenständlichen Bescheide wenden sich die Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG i.V.m. § 56 SGG; BSG Urteil vom 11.11.2021, B 14 AS 41/20 R, Rn. 11, juris).

 

In allen Konstellationen ist die Klage zulässigerweise gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 S. 1 SGG) im Höhenstreit (zur kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage BSG Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, Rn.12, juris). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit ist eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird (vgl. BSG Urteil vom 16.04.2013, B 14 AS 81/12 R, Rn. 10 m.w.N., juris). Diese Voraussetzungen liegen vor. Ausgehend vom Vortrag der Kläger kommen in jedem streitbefangenen Monat von Dezember 2019 bis Mai 2020 höhere Leistungen als abschließend festgestellt in Betracht mit der Folge, dass auch die Erstattungsforderung entsprechend zu reduzieren wäre.

 

2. Die Klagefrist nach § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG ist gewahrt. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 25.03.2021, den der Beklagte ausweislich des Aktenvermerks am 26.03.2021 zur Post gegeben hat, haben die Kläger am 29.04.2021 Klage erhoben.

 

Gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen gelten die Widerspruchsbescheide nach den allgemeinen Regeln der Fristberechnung (§§ 187,188 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) am 29.03.2021 als zugegangen. Die Klagefrist beginnt am 30.03.2021 zu laufen und endet am 29.04.2021. Die Klage ist demnach fristgerecht erhoben worden.

 

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Bescheide des Beklagten vom 05.11.2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021, mit denen der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2019 bis 31.05.2020 endgültig festgesetzt und die Erstattung der überzahlten Leistungen verlangt hat, sind rechtmäßig. Die Kläger sind i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG nicht in ihren Rechten verletzt. Insbesondere hat der Beklagte die der Klägerin gewährte Corona-Soforthilfe zutreffend zur Deckung der Betriebsausgaben im Zeitraum von April bis Mai 2020 berücksichtigt.

 

1. Rechtsgrundlage für die endgültige Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 ist § 41a Abs. 3 SGB II (i.d.F. vom 29.06.2016, gültig bis zum 31.03.2021). Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden hiernach abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand. Nach der Rechtsprechung des BSG normiert § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II allerdings keine materielle Ausschlussfrist, so dass Unterlagen, die nach Fristablauf oder auch erstmals im Klage- oder Berufungsverfahren vorgelegt werden, weiterhin bei der ggf. abzuändernden endgültigen Festsetzung berücksichtigt werden müssen (BSG Urteil vom 29.11.2022, B 4 AS 64/21 R, Rn. 24ff, juris).

 

Die Voraussetzungen für eine abschließende Leistungsfestsetzung liegen vor. Die Kläger sind dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II, § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. §§ 7, 7a, 8, 9 SGB II. Die Kläger hatten im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Sie waren im streitigen Zeitraum erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II. Die Kläger hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und lebten im streitigen Zeitraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Die Kläger bilden gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Sie waren im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Vermögen, das den Freibetrag nach § 12 SGB II übersteigt, lag nicht vor. Das Einkommen der Kläger war – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – nicht bedarfsdeckend.

 

2. Der Beklagte hat aufgrund des schwankenden Einkommens der Klägerin zunächst zutreffend mit Bescheid vom 12.12.2019 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.03.2020 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2019 bis Mai 2020 vorläufig nach § 41a Abs. 1 SGB II bewilligt. Für Dezember 2019 hat die Klägerin demnach 613,36 €, der Kläger 266,62 €, für die Monate Januar und Februar 2020 monatlich 621,77 € die Klägerin und 272,54 € der Kläger und in den Monaten April und Mai 2020 monatlich 708,60 € die Klägerin und 310,60 € der Kläger erhalten.

 

3. Die Leistungen waren mit Ablauf des Bewilligungszeitraumes endgültig festzusetzen, weil die Leistungshöhe nach Maßgabe der tatsächlich erzielten Einnahmen von der vorläufigen Bewilligung abweicht. Unter Berücksichtigung der eingereichten Unterlagen ist der den Klägern endgültig zustehende Leistungsanspruch geringer als vorläufig zuerkannt.

 

a. Der Bedarf der Kläger setzt sich zunächst aus dem Regelbedarf in gesetzlicher Höhe nach § 20 SGB II sowie dem Mehrbedarf für die Bereitung von Warmwasser nach § 21 Abs. 7 SGB II zusammen. Der Regelbedarf betrug im Dezember 2019 424 € für die Klägerin zzgl. 9,75 € Mehrbedarf und 339 € für den Kläger zzgl. eines Mehrbedarfs von 7,80 €. Ab Januar 2020 betrug der Regelbedarf monatlich 432 € für die Klägerin zzgl. eines Mehrbedarfs i.H.v. 9,94 € sowie monatlich 345 € für den Kläger zzgl. eines Mehrbedarfs von 7,94 € monatlich.

 

b. Des Weiteren haben die Kläger Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 SGB II (i.d.F. vom 17.07.2017 gültig bis zum 30.06.2022) werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

 

Hiernach zutreffend – und von den Klägern auch nicht in Frage gestellt – werden von dem Beklagten im streitigen Zeitraum nicht die tatsächlichen Bedarfe der Unterkunft und Heizung der Kläger berücksichtigt, sondern nur die nach dem Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten in E. als angemessen anzusehenden Bedarfe.

 

Die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten können die Kläger nur dann beanspruchen, wenn diese Kosten angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind. Die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Wohnung ist nach der Rechtsprechung des BSG in mehreren Schritten zu prüfen (BSG Urteile vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rn. 15, juris, und vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 16, juris). Zunächst ist die Größe der Wohnung des oder der Hilfebedürftigen festzustellen und zu prüfen, ob diese angemessen ist. Dabei erfolgt die Bemessung der angemessenen Größe nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG). Des Weiteren ist der Vergleichsraum zu bestimmen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 18, juris). Angemessen ist eine Wohnung ferner nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt es jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessenen Mietobergrenzen nicht überschreitet (BSG Urteil vom 17.12.2009 a.a.O.). Zu ermitteln ist somit zunächst die abstrakte Angemessenheit der Wohnkosten bestehend aus Wohnungsgröße, Grundmiete und kalten Betriebskosten (ohne Heizkosten), sodann ist in einem zweiten Schritt im Rahmen der konkreten Angemessenheit zu prüfen, ob es dem Betroffenen aufgrund seiner individuellen Verhältnisse möglich und zumutbar war, die Wohnung zu wechseln, und sodann ist in einem dritten Schritt zu ermitteln, ob die als abstrakt angemessenen Wohnungen am Wohnungsmarkt auch konkret verfügbar waren. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II). Eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten kommt somit nur dann in Betracht, wenn der Umzug zum einen erforderlich oder aus sonstigen Gründen notwendig gewesen ist und zum anderen die Kosten der angemieteten Wohnung angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind.

 

Die Kläger sind im Jahr 2011 ohne Zustimmung des Beklagten und ohne, dass der Umzug erforderlich gewesen wäre, in die im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung gezogen. Einen wichtigen Grund, der den Umzug in eine teurere als die zuvor bewohnte Wohnung rechtfertigen könnte, haben die Kläger nicht vorgetragen. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit des Umzuges im Jahr 2011 in eine teurere Wohnung, die zu weiteren diesbezüglichen Ermittlungen Anlass geben könnten, sieht der Senat nicht. Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hat der Beklagte die Kosten von Beginn an zu Recht nicht in tatsächlicher, sondern zunächst nur in bisheriger Höhe und sodann – im streitigen Zeitraum – nur in der nach den geltenden Richtlinien jeweils als angemessen erachteten Höhe übernommen.

 

Die von den Klägern im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung ist nicht angemessen i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.

 

Der Beklagte hat die in seinem Zuständigkeitsbereich als angemessen anzusehenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne eines schlüssigen Konzeptes ermittelt, so dass als angemessene Bedarfe der Unterkunft die von dem Beklagten im Zeitraum vom 01.12.2019 bis 31.05.2020 zuerkannten Kosten i.H.v. monatlich 379,54 € Grundmiete zzgl. 106,12 € Nebenkosten und die tatsächlichen Heizkosten mit 50,40 € Berücksichtigung gefunden haben.

 

Das hier angewendete Konzept der Stadt E. zur Ermittlung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach den Bestimmungen des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII), Stand März 2019 und Dezember 2019, welches aus dem qualifizierten Mietspiegel der Stadt E. entwickelt worden ist, entspricht dem Grunde nach den von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Kriterien (u.a. BSG Urteile vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rn. 15, juris, und vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 16, juris). Dies gilt auch im Hinblick auf die für den streitigen Zeitraum geltende Fortschreibung des Konzepts. Schlüssige Konzepte für angemessene Unterkunftskosten im SGB II sind regelmäßig nach Ablauf einer Zweijahresfrist nach Datenerhebung, Datenauswertung und deren Inkraftsetzen zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben (BSG Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R, Rn. 18, juris). Nach diesen Vorgaben liegt jedenfalls bezogen auf den hier streitigen Zeitraum eine zulässige Fortschreibung des Konzepts vor. Das Ausgangskonzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung beruht auf den Daten des qualifizierten Mietspiegels der Stadt E. des Jahres 2017. Die hierbei zu Grunde gelegte Datenerhebung endete zum 23.09.2016. Zur Fortschreibung dieses Konzeptes hat der Beklagte sodann die Daten bezogen auf den Zeitraum von Oktober 2016 bis September 2018 und damit in zulässiger Weise bezogen auf einen Zweijahreszeitraum anhand des Verbraucherpreisindexes fortentwickelt und diese Zahlen dem fortgeschriebenen Konzept zu Grunde gelegt. Der Umstand, dass das Konzept entgegen der Rechtsprechung des BSG nicht innerhalb eines Zweijahreszeitraums (also im Oktober 2018), sondern erst im März 2019 in Kraft getreten ist, ist für den streitgegenständlichen Zeitraum, der erst im Dezember 2019 beginnt, unschädlich. Denn jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020 lag eine hinreichend aktuelle Datengrundlage zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten vor, die den Zweijahreszeitraum nicht überschritten hat.

 

Das Konzept zur Ermittlung der Unterkunftskosten ist bei der hier gebotenen Prüfungsdichte auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich nach den Werten, die im Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) vom 08.12.2009 und in dem mit Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 erlassenen Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) festgelegt worden sind. Für die Bewilligung von geförderten Wohnraum sind ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich (BSG Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R, Rn. 17 ff., juris). Für einen Zwei-Personen-Haushalt ist demnach eine Wohnfläche von bis zu 65 m² als angemessen anzusehen. Dieser Wert wird in dem Konzept des Beklagten zutreffend zu Grunde gelegt. Eine Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße ist jedoch grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus Wohnungsgröße und Wohnungsstandard ausgedrückt in der Höhe des Mietpreises gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wäre (BSG Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rn. 17, juris). Die Wohnung muss hierbei nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und darf keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen. Zu ermitteln ist die zu übernehmende Miete im räumlichen Vergleichsraum begrenzt auf die angemessene Mietobergrenze (BSG a.a.O., Rn. 20 ff., juris.). Des Weiteren ist sodann die angemessene Miete für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, das heißt die Referenzmiete in dem angegebenen Vergleichsraum. Der Begriff der Angemessenheit stellt hierbei einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der von den Gerichten voll überprüfbar ist. Der angemessene Mietpreis soll dabei die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraumes abbilden und gewährleisten, dass der Hilfebedürftige durch die Grundsicherungsleistungen das elementare Grundbedürfnis „Wohnen“ zu grundsicherungsrechtlich angemessenen Bedingungen befriedigen kann (BSG Urteile vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, Rn. 21, juris, und vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, Rn. 25, juris). Grundlage für die Ermittlung der Mietobergrenze bildet nach ständiger Rechtsprechung des BSG das so genannte schlüssige Konzept, welches grundsätzlich von dem Grundsicherungsträger vorzulegen ist, der im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dem Gericht eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen hat. Kommt der Grundsicherungsträger dieser Verpflichtung nicht nach, ist es zunächst im Sinne einer nachvollziehenden Kontrolle Aufgabe der Gerichte dem Grundsicherungsträger die Möglichkeit zu geben, durch eine Nachbesserung des Konzepts die Schlüssigkeit des Konzepts herzustellen. Erst im Falle eines Ermittlungsausfalls kann hilfsweise auf die Werte des § 12 WoGG (unter Einschluss eines Zuschlages von 10 %) zurückgegriffen werden (BSG Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 41/18 R, Rn. 29, juris).

 

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist das Konzept des Beklagten für den hier streitigen Zeitraum schlüssig.

 

Ein schlüssiges Konzept erfordert ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (vgl. BSG Urteil vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, Rn. 27, juris). Dies ist der Fall, wenn die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgt (keine Ghettobildung), eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung (zum Beispiel welche Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgrößen) vorliegt, die Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zum Beispiel Mietspiegel) festgelegt sind, die Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten gewährleistet ist, die Validität der Datenerhebung gewährleistet ist, anerkannte mathematische statistische Grundsätze der Datenauswertung eingehalten worden sind und Angaben über die gezogenen Schlüsse (zum Beispiel Spannoberwert oder Kappungsgrenze) enthalten sind (grundlegend BSG Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19, juris; BSG Urteile vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, Rn. 32, juris, und vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, Rn. 28, juris).

 

Das Konzept des Beklagten Stand März 2019 und aktualisierter Anlage 2 Stand Dezember 2019 erfüllt diese Voraussetzungen. Sowohl der Vergleichsraum (hierzu BSG Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, Rn. 22, juris), der Gegenstand der Beobachtung, die Angaben über den Beobachtungszeitraum und die Einhaltung mathematisch statistischer Grundsätze der Datenerhebung als auch die Frage der Repräsentativität/Validität der erhobenen Daten werden in dem Konzept benannt, dargestellt und schlüssig erläutert. Hierbei ist zu beachten, dass die Frage nach der Repräsentativität/Validität der Daten bzw. nach der „sachgemäßen“ Auswertung derselben grundsätzlich nur mit Sachverständigenwissen beantwortet werden kann, und daher Zurückhaltung bei der Prüfung durch die Gerichte geboten sein sollte. Einwände der Kläger hinsichtlich des Prüfgegenstandes sind daher genauestens dahingehend zu prüfen, ob sie tatsächlich geeignet sind, den Beweiswert des Verwaltungsgutachtens insoweit zu erschüttern, dass und ggf. in welcher „Tiefe“ Beweis zu erheben ist. Erst wenn das Argument mit nachvollziehbaren Zahlen untermauert wird, sollte dies Anlass zu weiterer Ermittlung sein (vgl. BSG Urteil vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, Rn. 30, juris). Da die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft auf einem Verwaltungsgutachten und nicht auf einem Parteigutachten (Privatgutachten) basiert, gibt es ohne konkrete Hinweise keinen Anlass zu glauben, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts der Bundesrepublik Deutschland den Ersteller zur Übervorteilung der Leistungsempfänger gedrängt hat. Ausgangspunkt der Beweiswürdigung sollte vielmehr sein, dass eine deutsche Behörde regelmäßig versucht, die ihr übertragenen Aufgaben getreu den gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Das zu überprüfende „schlüssige Konzept“ erhebt keinen Anspruch auf allumfassende und andere Möglichkeiten der Ermittlung ausschließende Richtigkeit. Das führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass das Konzept unbrauchbar also „nicht schlüssig“ ist. Denn jedes Konzept ermittelt nur einen Näherungswert, der tatsächliche Preis für die teuerste angemessene Wohnung kann auch durch das beste Konzept nicht ermittelt werden, bzw. eine „Punktlandung“ ist auch bei einem solchen allenfalls zufällig. Das bringt das Prinzip der statistischen Auswertung von Grunddaten mit sich (vgl. Urteil des Senats vom 06.07.2022, L 12 AS 1048/18, Rn. 70, juris). Anhaltspunkte, die zwingend gegen eine Repräsentativität der Daten sprechen, bestehen im vorliegenden Fall nicht und werden von den Klägern, die keine Einwände gegen die Höhe der von dem Beklagten übernommenen Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum erheben und auf die Geltendmachung weiterer Nebenkosten ausdrücklich verzichtet haben, auch nicht dargelegt.

 

Vor diesem Hintergrund sieht sich der Senat zu keinen weiteren Ermittlungen gedrängt. Dies entspricht dem Grundsatz, dass die Gerichte bei der Überprüfung schlüssiger Konzepte nur eine nachvollziehende Kontrolle ausüben und die Auswahl der Methode selbst den Grundsicherungsträgern überlassen bleibt (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 41/18 R, Rn. 25, juris). Das Konzept des Beklagten folgt den von dem BSG aufgestellten Richtlinien. Dass auch eine andere Methode oder die Wahl eines anderen Vergleichsraums möglich gewesen wäre, führt nicht zur Unschlüssigkeit der von dem Beklagten gewählten Methode, die keinen Anspruch auf alleinige Richtigkeit erhebt. Es ergibt sich so eine angemessene abstrakte Grundmiete im streitigen Zeitraum von 379,54 €.

 

Auch die als angemessen zu übernehmenden Nebenkosten hat der Beklagte zutreffend ermittelt. Maßgeblich für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit ist nicht allein die Nettokaltmiete. Entscheidend ist vielmehr das Produkt aus Grundmiete und kalten Betriebskosten (Nebenkosten ohne Heizkosten; BSG Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 28, juris). Anhaltspunkte dafür, dass die in Bezug auf den Vergleichsraum erhobenen Daten zu den Betriebskosten entgegen der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, Rn. 41, juris) ausgewertet worden wären, sieht der Senat nicht. Diesbezügliche Anhaltspunkte wurden von den Klägern ebenso nicht vorgetragen, so dass der Senat sich nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen musste (s. oben). Es ergeben sich so Betriebskosten i.H.v. insgesamt 106,12 € bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt.

 

Die Verfügbarkeit von Wohnungen zu dem als angemessen ermittelten Wert ist Teil der Ermittlung der abstrakten Angemessenheit der ermittelten Werte auf dem Wohnungsmarkt (BSG Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 34/19 R, Rn. 37, juris). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob im konkreten Einzelfall die Anmietung einer Wohnung zum festgelegten Angemessenheitswert möglich ist. Dies ist eine Frage der konkreten Angemessenheit.

 

Anhaltspunkte dafür, dass Wohnungen mit Unterkunftskosten zu dem von dem Beklagten ermittelten Wert im streitigen Zeitraum nicht verfügbar gewesen wären, sieht der Senat nicht. Insbesondere, da in dem Konzept des Beklagten die aus dem qualifizierten Mietspiegel der Stadt E. erhobenen Werte mit den tatsächlichen Angebotsmieten abgeglichen werden, ist gewährleistet, dass Wohnungen zu dem als angemessen erachteten Mietpreis und in angemessener Größe tatsächlich vorhanden gewesen sind. Gegenteiliges wird von den Klägern, die ihrerseits eine Wohnungssuche nicht dokumentiert haben, auch nicht vorgetragen.

 

c. Die tatsächlichen Heizkosten laut Mietbescheinigung vom 02.08.2018 entsprechen den vom Beklagten in der endgültigen Festsetzung anerkannten Heizkosten (50,40 €).

 

d. Der Bedarf der Kläger im Monat Dezember 2019 belief sich somit auf insgesamt 1.316,61 €, wobei ein Betrag von 701,78 € auf die Klägerin und ein Betrag von 614,83 € auf den Kläger entfällt. Der monatliche Bedarf der Kläger von Januar 2020 bis Mai 2020 beläuft sich demnach auf insgesamt 1.330,94 €, wobei ein Betrag von 709,97 € auf die Klägerin und ein Betrag von 620,97 € auf den Kläger entfällt.

 

4. Auf den so errechneten Bedarf der Kläger ist das zur Verfügung stehende Einkommen bedarfsmindernd anzurechnen.

 

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Als Einkommen sind nach §§ 11 Abs. 1 S. 1, 11a SGB II Einnahmen in Geld oder Geldwert zu berücksichtigen mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Vom Einkommen sind nach näherer Maßgabe des § 11b SGB II Absetzungen für Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, bestimmte Versicherungsbeiträge sowie Altersvorsorgebeiträge, Werbungskosten und einen Freibetrag im Sinne von § 11b Abs. 3 SGB II vorzunehmen.

 

a. Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen verfügte der Kläger im streitigen Zeitraum über monatliche Einnahmen nach dem BAföG i.H.v. 168 €, die gemäß § 11b Abs. 2 S. 5 SGB II um einen Pauschalbetrag von 100 € zu bereinigen waren, sowie über Kindergeld i.H.v. 204 € monatlich.

 

b. Die Klägerin verfügte über Einnahmen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit. Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft ist gemäß § 3 Alg II-VO (i.d.F. vom 26.07.2016 gültig bis zum 29.02.2020) von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen. Wird eine Erwerbstätigkeit nach Satz 1 nur während eines Teils des Bewilligungszeitraums ausgeübt, ist das Einkommen nur für diesen Zeitraum zu berechnen. Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Alg II-VO). Tatsächliche Ausgaben sollen nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Nachgewiesene Einnahmen können bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht. Ausgaben sind ferner nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem SGB II erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. Dies gilt auch für Ausgaben, soweit zu deren Finanzierung andere Darlehen verwandt werden (§ 3 Abs. 3 Alg II-VO). Für jeden Monat ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Im Fall des Abs. 1 S. 3 gilt als monatliches Einkommen derjenige Teil des Einkommens, der der Anzahl der in den in Abs. 1 S. 3 genannten Zeitraum fallenden Monate entspricht. Von dem Einkommen sind die Beträge nach § 11b SGB II abzusetzen (§ 3 Abs. 4 Alg II-VO).

 

(1) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen zutreffend hat der Beklagte zunächst die gesamten von der Klägerin in der abschließenden EKS angegebenen Einnahmen im Zeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020 zugrunde gelegt. Dies ist ein Betrag von 7.377,86 €, monatsdurchschnittlich damit 1.229,64 €.

 

Die Corona-Soforthilfe ist keine Betriebseinnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 2 Alg II-VO. Betriebseinnahmen zeichnen sich gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 Alg II-VO dadurch aus, dass sie einen Bezug zur selbstständigen Tätigkeit des Betroffenen haben, was bedeutet, dass nur solche Einnahmen als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen sind, die einen objektiven Anknüpfungspunkt zu der selbstständigen Tätigkeit selbst haben und aus ihr heraus entspringen bzw. aus der konkret ausgeübten Tätigkeit herrühren.

 

Dies trifft auf die Corona-Soforthilfe nicht zu. Sie wird vielmehr aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften unabhängig von dem jeweiligen Gewerbebetrieb gewährt. Aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften werden Leistungen dann erbracht, wenn diese einen Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung zur Leistung ermächtigen oder verpflichten, wobei unerheblich ist, ob die Leistungen aufgrund von Gesetzen, Verordnungen, Satzungen oder Verwaltungs- oder Förderrichtlinien gewährt werden. Privilegiert ist nur solches Einkommen, dessen Leistungszweck außerhalb der in § 1 SGB II definierten Ziele des SGB II liegt. Dabei muss der Zweck ausdrücklich benannt sein, wobei es ausreichend sein kann, dass sich dieser aus dem Bescheid selbst oder der Begründung der Vorschrift ergibt (Schmidt/Lange in Luik/Harich, 6. Auflage 2024, SGB II, § 11a Rn. 20). Die Zweckbestimmung kann auch aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgen, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt (vgl. BSG Urteil vom 23.03.2010, B 8 SO 17/09 R, Rn. 24, juris). Die Gewährung der Corona-Soforthilfe i.H.v. 9.000 € fand ihre Grundlage im Rahmen der Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Corona Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind („NRW-Soforthilfe 2020“). Dabei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Vorschrift i.S.v. § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II. Die Soforthilfe bezweckte die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und die Überbrückung von Liquiditätsengpässen, nicht aber die Sicherung der Kosten des privaten Lebensunterhalts (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.09.2021, L 18 AS 884/21, Rn. 19, juris; Sächsisches LSG Beschluss vom 26.01.2021, L 8 AS 748/20 B ER; SG Berlin Urteil vom 04.07.2022, S 123 AS 8864/20, Rn. 25, juris).

 

(2) Die Betriebsausgaben hat der Beklagte dem Grunde nach in voller Höhe mit Ausnahme der von der Klägerin geltend gemachten Telefonkosten anerkannt. Diese hat der Beklagte zutreffend nur mit der Hälfte der tatsächlich angefallenen Kosten berücksichtigt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 23.08.2022, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen Nachweis für eine Aufteilung der beruflich veranlassten und der privat veranlassten Telefonkosten vorgelegt. Als Betriebsausgaben können jedoch nach Maßgabe des § 3 Alg II-VO nur die betrieblich veranlassten Kosten berücksichtigt werden. Mangels anderer Anhaltspunkte ist eine Schätzung der Telefonkosten mit 50% der tatsächlich entstandenen Kosten nicht zu beanstanden (zu der Einordnung von gemischten Aufwendungen: BSG Urteil vom 19.06.2012, B 4 AS 163/11 R, Rn. 21, juris; LSG NRW Urteil vom 26.05.2021, L 2 AS 425/20, Rn 76, juris).

 

(3) Auch die Berücksichtigung der im April 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfe zur Deckung der in den Monaten April und Mai 2020 entstandenen Betriebskosten ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-VO sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. § 3 Abs. 3 Alg II-VO nimmt Einschränkungen vor, welche Ausgaben nicht abzusetzen sind. Die Corona-Soforthilfe wurde gerade zu dem Zweck gewährt, Verbindlichkeiten aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand zu decken (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.09.2021, L 18 AS 884/21, Rn. 21, juris; Sächsisches LSG Beschluss vom 26.01.2021, L 8 AS 748/20 B ER, Rn. 27, juris; SG Berlin Urteil vom 04.07.2022, S 123 AS 8864/20, Rn. 25, juris). Nach der Zweckbestimmung der Soforthilfe soll ein betrieblicher Liquiditätsengpass überbrückt werden. Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen sind höhere Betriebsausgaben in den Monaten April und Mai 2020 nach § 3 Abs. 2 Alg II-VO nicht abzusetzen. Nach § 3 Abs. 2 Alg II-VO sind nur diejenigen Ausgaben als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, die im Bewilligungsabschnitt tatsächlich angefallen sind. Für die Monate April und Mai 2020 sind aber – auch nach den Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren – gar keine Aufwendungen angefallen, weil diese mittels der Corona-Soforthilfe gezahlt worden sind. Damit ergibt sich bereits aus der Anwendung des im Bereich der Grundsicherungsleistungen durchgehend geltenden Grundsatzes, dass nur ein gegenwärtiger Bedarf gedeckt werden kann und muss, dass die von der Klägerin in den Monaten April und Mai 2020 geltend gemachten Betriebsausgaben bereits nicht angefallen sind. Mit der Corona-Soforthilfe stand der Klägerin ein zur Deckung eventueller betrieblich veranlasster Aufwendungen vorhandenes bereites Mittel zur Verfügung (vgl. zum tatsächlichen Zufluss: BSG Urteil vom 08.05.2019, B 14 AS 15/18 R, Rn. 14, juris; Zufluss bereiter Mittel: BSG Urteil vom 28.10.2014, B 14 AS 36/13 R, Rn. 16, juris; tatsächlich geleistete Betriebsausgaben: BSG Urteil vom 01.12.2016, B 14 AS 34/15 R, Rn. 17, juris). Die Berücksichtigung der tatsächlichen Betriebskosten steht im Zusammenhang mit dem konkret zu bewertenden Bewilligungszeitraum. In diesem standen die Beträge aus der Corona-Soforthilfe ab April 2020 uneingeschränkt zur Verfügung. Dass diese möglicherweise später in einem zum Zeitpunkt des Bewilligungszeitraums noch unbekannten Umfang ggf. zurückzuzahlen sein würden, bleibt aufgrund des maßgeblichen Bezugszeitraums für die Leistungen nach dem SGB II außer Betracht (vgl. BSG Urteil vom 22.08.2013, B 14 AS 1/13 R, Rn. 24, juris). Die geltend gemachten Betriebsausgaben waren daher bereits dem Grunde nach nicht geeignet, die Einnahmen der Monate April und Mai 2020 zu verringern.

 

(4) Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Corona-Soforthilfe – wofür einige Aspekte sprechen – auch nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Alg II-VO, weil sie einem Darlehen nach Sinn und Zweck zumindest gleichzusetzen ist, auf Betriebsausgabenseite wie eine mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastete Zuwendung zur Deckung der Betriebskosten zu behandeln ist.

 

Nach Nr. 5.3 der Richtlinie „NRW-Soforthilfe 2020“ ist jeder Leistungsempfänger und jede Leistungsempfängerin verpflichtet, am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums mit dem vorgeschriebenem Vordruck eine Abrechnung über die ihm beziehungsweise ihr zustehende Soforthilfe anzufertigen und ihr Ergebnis (Höhe des Liquiditätsengpasses) bei der Bewilligungsbehörde digital einzureichen. Die Soforthilfe wird maximal in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt. Der Liquiditätsengpass ergibt sich aus der Differenz zwischen den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlichen laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben (ohne Personalaufwand) unter Berücksichtigung eingesparter Kosten im Erfassungszeitraum. Sofern die Soforthilfe nicht oder nur teilweise zur Deckung des Liquiditätsengpasses verwendet wurde, ist eine Rückzahlung des nicht vom Liquiditätsengpass abgedeckten Betrages an das Land NRW zu veranlassen. Die Rückzahlung muss am Ende des im Bewilligungsbescheid bezeichneten dreimonatigen Bewilligungszeitraums, spätestens jedoch am Ende des Erfassungszeitraums erfolgen.

 

Damit ist klargestellt, dass die Soforthilfe von Beginn an – ebenso wie ein Darlehen – mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Einzig die genaue Höhe der Rückzahlungsverpflichtung und damit die Feststellung, welcher Teil der Soforthilfe (nachträglich) als Beihilfe gewährt wird, steht erst nach Ablauf des dreimonatigen Zeitraums und des endgültig feststellbaren Liquiditätsengpasses fest. Damit kann man die Corona-Soforthilfe auch nicht als „aufschiebend bedingte Schenkung“ statt als Darlehen ansehen. Denn als solche wäre die aufschiebende Bedingung nicht bestimmt genug und damit unwirksam. Im Zeitpunkt der Gewährung der Soforthilfe wäre in keiner Weise klar, in welcher Höhe die (vermeintliche) Schenkung sich in ein Darlehen „umwandelt“. Dieses Problem stellt sich hingegen nicht, wenn die Soforthilfe als dem Grunde nach von Beginn an mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet angesehen wird, die – je nach endgültigem Liquiditätsengpass – zu Gunsten des Betroffenen in eine Beihilfe umgewandelt werden kann.

 

(5) Soweit die Klägerin einwendet, die Berechnung der ihr zustehenden Coronahilfe durch die Bezirksregierung weiche von der Berechnungsart des Beklagten ab, so führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Systemverschiedenheiten unterschiedlicher Leistungssysteme sind grundsätzlich hinzunehmen (BSG Urteil vom 22.08.2013, B 14 AS 1/13 R, Rn. 24, juris, zur unterschiedlichen Berücksichtigung der Umsatzsteuer im System des SGB II und des Steuerrechts) und rechtfertigen es nicht, die Corona-Soforthilfe anders zu behandeln als andere betriebliche Darlehen. Faktisch standen die Einnahmen der Monate April und Mai 2020 in voller Höhe zur Verfügung, da die Ausgaben rein tatsächlich gedeckt waren. Soweit die Klägerin die Corona-Soforthilfe zurückzahlen muss, werden – wie der Beklagte bereits zugestanden hat – die hierfür anfallenden Aufwendungen bei der Berechnung der Betriebsausgaben im Fälligkeitszeitpunkt zu berücksichtigen sein und im Bewilligungszeitraum der tatsächlichen Erstattung der Corona-Soforthilfe die vorhandenen Einnahmen entsprechend reduzieren.

 

(6) Nach Abzug der gewährten Hilfe verbleiben für die Monate April und Mai 2020 keine berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben. Als Ausgaben zu berücksichtigen sind mithin insgesamt 2.697,62 € (Ausgaben der Monate Dezember 2019 bis März 2020), durchschnittlich bezogen auf den Bewilligungszeitraum monatlich somit 449,60 €. Von dem sich so errechnenden Einkommen sind die gesetzlichen Freibeträge aus § 11b SGB II von insgesamt 236,01 € (100 € Grundfreibetrag sowie 20% des Betrages, der 100 € übersteigt und nicht mehr als 1.000 € beträgt, mithin 136,01 €, vgl. § 11b Abs. 2. S. 1 und Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II) in Abzug zu bringen. Ausgehend hiervon hat der Beklagte die Bedarfe der Kläger für den streitigen Zeitraum zutreffend errechnet. Auf den Änderungsbescheid vom 26.11.2020 wird insoweit Bezug genommen.

 

6. Auch die Erstattungsbescheide sind nicht zu beanstanden. Nach Abänderung der endgültigen Festsetzung hat der Beklagte mit Bescheiden vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2021 die Erstattungsforderungen entsprechend reduziert.

 

a. Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die Kläger vor Erlass der ursprünglichen Erstattungsbescheide vom 05.11.2020 ordnungsgemäß nach § 24 SGB X angehört hat oder eine solche Anhörung im Rahmen der Erstattungsentscheidung nach § 41a Abs. 6 SGB II generell entbehrlich ist, denn jedenfalls wäre eine unterlassene Anhörung unbeachtlich, wenn sie gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden ist, d.h. wenn sie nachgeholt worden ist. Dies ist hier jedenfalls durch die Möglichkeit der Kläger, sich vor Erlass des Änderungsbescheides vom 26.11.2020, geschehen (BSG Urteil vom 09.11.2010, B 4 AS 37/09 R, Rn. 17, juris).

 

b. Die Bescheide sind hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Hinreichend bestimmt ist ein Bescheid dann, wenn der Betroffene aus dem Verfügungssatz, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Begründung, klar und unzweifelhaft entnehmen kann, was die Behörde von ihm verlangt (vgl. BSG Urteil vom 25.10.2017, B 14 AS 9/17 R, Rn. 17, juris). Dies ist hier der Fall.

 

c. Die Bescheide vom 05.11.2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.03.2021 sind auch materiell rechtmäßig.

 

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 41a Abs. 6 SGB II. Hiernach sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

 

Im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für den streitigen Zeitraum hat der Beklagte insgesamt 5.726,20 € (3.982,70 € für die Klägerin und 1.743,50 € für den Kläger) gezahlt. Die Differenz zu den endgültig festgesetzten Leistungen – mithin 2.651,13 € – sind zu erstatten, wobei ein Betrag von 1.920,31 € auf die Klägerin und ein Betrag von 730,82 € auf den Kläger entfällt. Dies entspricht den mit den angefochtenen Erstattungsbescheiden festgesetzten Beträgen.

 

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

V. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG. Auch wenn höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem konkreten Fall der Anrechenbarkeit einer Corona-Soforthilfe im Rahmen der endgültigen Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II nicht vorliegt, lässt sich die Streitfrage über die unmittelbare Anwendung des § 3 Abs. 2 Alg II-VO anhand der gesetzlichen Regelungen und über die Rechtsprechung des BSG zu der Berücksichtigungsfähigkeit nur solcher Einnahmen und Ausgaben, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich angefallen sind, und zwar unabhängig von einer Berücksichtigungsfähigkeit in anderen Leistungssystemen, lösen.

 

Rechtskraft
Aus
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