Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Beklagten für die Monate Juli 2017 bis einschließlich März 2018.
Der 1997 geborene Kläger zu 1 stand gemeinsam mit seinen Eltern, der 1961 geborenen Klägerin zu 2 und dem 1958 geborenen Kläger zu 3, beim Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnten im streitbefangenen Zeitraum gemeinsam mit der 1995 geborenen Tochter bzw. Schwester der Kläger zu 1 bis 3, der I., eine Wohnung in der J.. Die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung betrugen monatlich für die Grundmiete 600 €, für den Heizkostenabschlag bis November 2017 89 €, ab Januar 2018 116 €, für die Nebenkostenvorauszahlungen bis November 2017 113,79 € (davon Wasser 45 € und für die Entwässerung 51 €), ab Januar 2018 137,79 (davon Wasser 54 € und Entwässerung 66 €). Darüber hinaus war im Januar 2018 die Nachzahlung aus der Jahresrechnung des Energieversorgers swb Vertrieb Bremen GmbH (swb) vom 19. Dezember 2017 für Gas, Wasser und Entwässerung i. H. v. 462,71 € fällig. Die Aufbereitung des Warmwassers erfolgte dezentral.
Die Klägerin zu 2 war im streitbefangenen Zeitraum als Aushilfe bei der zwischenzeitlich verstorbenen K. tätig, woraus ihr eine Vergütung i. H. v. 68 € monatlich zufloss. Darüber hinaus floss ihr im November 2017 aus einer geringfügigen Beschäftigung bei ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütung i. H. v. 171,60 € brutto bzw. 165,25 € netto und im Dezember 2017 eine weitere Vergütung i. H. v. 162,07 brutto bzw. 156,07 € netto (Abrechnung für November 2017) zu. Der Kläger zu 1 studierte seit dem 1. September 2016 an der L. Maschinenbau. Er erhielt Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) i. H. v. 451 € monatlich bzw. ab Februar 2018 i. H. v. 649 € monatlich und Kindergeld (monatlich 192 € bzw. ab Januar 2018 monatlich 194 €). Darüber hinaus erzielte er aus einer Beschäftigung bei der M. (Arbeitsvertrag vom 12. September 2017, beginnend am 18. September 2017 befristet bis zum 17. März 2018), über die der Beklagte erst durch einen Datenabgleich nach § 52 Drittes Buch Sozialgesetzbuch Kenntnis erlangt hatte, Einkommen in wechselnder Höhe. Der I. flossen ebenfalls Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung (Juli 2017: 450 brutto/432,68 netto, August 2017 bis Januar 2017 monatlich: 376,06 brutto/361,59 netto, Februar 2018: 479,40 brutto/462,49 netto, März 2018: 454,97 € brutto/444,59 netto) sowie Kindergeld (monatlich 192 € bzw. ab Januar 2019 monatlich 194 €) und BAföG (424 € monatlich) zu.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2018 teilte der Kläger zu 1 dem Beklagten mit, dass er beabsichtige zu einem Freund zu ziehen. Bereits am 20. Mai 2017 beantragte die Klägerin zu 2 für ihre Bedarfsgemeinschaft die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 1. Juli 2017. Dabei gab sie an, in ihrem Haushalt würden neben ihr drei weitere Personen leben. Nach einem Vermerk des Beklagten hatte die Klägerin zu 2 am 15. Mai 2017 über ihre Arbeitgeberin, N. mitteilen lassen, dass ihre Tochter O. am 1. Juni 2017 ausziehen werde. Mit Änderungsbescheid vom 23. Mai 2017 gewährte der Beklagte den Klägern daraufhin für Juni 2017 Leistungen nach dem SGB II i. H. v. 1.347,24 € statt der zuvor mit Änderungsbescheid vom 15. Februar 2017 bewilligten 954,54 €. Der Beklagte führte als Begründung im Änderungsbescheid vom 23. Mai 2017 folgendes aus:
„Es sind folgende Änderungen eingetreten:
Berücksichtigung des Auszuges von P. aus der Bedarfsgemeinschaft zum 01.06.2017“.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2017 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1 bis 3 für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. November 2017 und den Klägern zu 2 und 3 darüber hinaus für die Monate Dezember 2017 bis Juni 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (für Juli bis November 2017 monatlich insgesamt 1.347,24 €, für Dezember 2017 den Klägern zu 2 und 3 insgesamt 1.162,22 € und für Januar bis Juni 2018 den Klägern zu 2 und 3 insgesamt 1.160,22 € monatlich). Das den Bedarf des Klägers zu 1 übersteigende Einkommen rechnete der Beklagte bei der Klägerin zu 2 als Einkommen aus Kindergeld an. Die I. war - im Gegensatz zu den bisherigen Bescheiden – nicht mehr in den Berechnungsbögen des Bescheides aufgeführt. Den gegen den Bescheid vom 30. Mai 2017 wegen einer behaupteten fehlerhaften Einkommensanrechnung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2017 zurück. In der Begründung führte er folgendes aus:
„Kindergeld für zur BG gehörende Kinder ist dem Kind als Einkommen zuzuordnen, soweit es für die Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28 benötigt wird. Das Kindergeld ist in der tatsächlich gezahlten Höhe dem jeweiligen Kind zuzuordnen. Ein den Bedarf des Kindes (ohne Bedarfe für Bildung und Teilhabe) übersteigender Betrag (z.B. durch das Zusammentreffen mit Unterhaltsleistungen und/oder weiterem eigenen Einkommen) ist dem Kindergeldberechtigten als Einkommen zuzuordnen.“
Der Beklagte hatte bereits im Widerspruchsverfahren zum vorhergehenden Bewilligungszeitraum mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2017 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das den Bedarf eines Kindes (dort der Kinder Q.) übersteigende Kindergeld bei der kindergeldberechtigten Klägerin zu 2 anzurechnen sei.
Mit Datum vom 25. November 2017 erließ der Beklagte aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe einen Änderungsbescheid und bewilligte den Klägern zu 1 bis 3 nunmehr für die Monate Januar bis Juni 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 1.177,63 € monatlich (Kläger zu 1: 0,57 €, Kläger zu 2 und 3 je 588,53 €). Mit Sanktionsbescheid vom 17. November 2017 minderte der Beklagte den ALG II Anspruch der Klägerin zu 2 für die Monate Dezember 2017 bis Februar 2018 um 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs (36,80 €). Mit Datum vom 2. Februar 2018 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid unter Berücksichtigung der ab Januar 2018 geänderten Abschläge für Wasser und Erdgas und der im Januar 2018 fälligen Nachzahlung aus der Jahresrechnung der swb i. H. v. 462,71 €. Er gewährte den Klägern zu 1 bis 3 nunmehr für Januar bis Juni 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1.839,58 € für den Monat Januar 2018 (Kläger zu 1: 233,48 €, Klägerin zu 2: 784,64 €, Kläger zu 3: 821,44 €), in Höhe von 1.376,84 € für den Monat Februar 2018 (Kläger zu 1: 79,24 €, Klägerin zu 2: 630,40 €, Kläger zu 3: 667,20 € und in Höhe von 1.413,64 € monatlich für März bis Juni 2018 (Kläger zu 1: 79,24 €, Kläger zu 2 und 3: je 667,20 €). Mit drei bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 6. März 2018 hob der Beklagte aufgrund der Tätigkeit der Klägerin zu 2 für den Prozessbevollmächtigten die den Klägern gewährten Leistungen nach dem SGB II gegenüber den Klägern zu 2 und 3 für die Monate November und Dezember 2017 (November jeweils 50,23 € und Dezember 2017 jeweils 48,91 €) und gegenüber dem Kläger zu 1 für den Monat November 2017 (4,61 €) teilweise auf und verlangte die Beträge erstattet.
Am 9. März 2018 rief die Klägerin zu 2 beim Beklagten an und teilte mit, dass ihre Tochter O. durchgehend bei ihr gewohnt habe, allerdings der Kläger zu 1 am 1. Februar 2018 ausgezogen sei. Daraufhin stellte der Beklagte zunächst die Leistungsgewährung vorläufig ein und forderte die Klägerin zu 2 mit Schreiben vom selben Tag auf, eine Meldebescheinigung ihrer Tochter und ihres Sohnes – des Klägers zu 1 – vorzulegen. Mit weiterer Mitwirkungsaufforderung vom 9. März 2018 und Erinnerung vom 27. März 2018 gab der Beklagte der Klägerin zu 2 außerdem u.a. auf, das Einkommen des Klägers zu 1 für die Monate September 2017, Oktober 2017, Januar 2018 und Februar 2018 nebst Zuflussnachweisen vorzulegen. In einem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren erklärte die I. im April 2018 dass sie niemals ausgezogen sei und noch immer bei ihren Eltern wohne. Mit weiterem Bescheid vom 27. April 2018 hob der Beklagte die Bescheide vom 30. Mai 2017, 25. November 2017 und 2. Februar 2018 ab dem 1. April 2014 ganz auf und gewährte den Klägern zu 2 und 3 mit weiterem Bescheid vom 27. April 2018 für die Monate April bis September 2018 vorläufig Leistungen nach dem SGB II. Im Juni 2018 legte der Kläger zu 1 über seinen Prozessbevollmächtigten eine Meldebestätigung vor, wonach er sich am 25. Mai 2018 rückwirkend zum 1. Februar 2018 umgemeldet hatte.
Mit Schreiben vom 16. November 2018 hörte der Beklagte den Kläger zu 1 wegen einer Überzahlung an. Mit der Schwester des Klägers sei zum 1. Juni 2018 eine weitere Person zur Haushaltsgemeinschaft hinzugekommen. Ab diesem Zeitpunkt verringere sich der Anteil der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Es sei beabsichtigt die bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Juli 2017 bis März 2018 in Höhe von insgesamt 558,07 € aufzuheben und zur Erstattung zu verlangen. Mit weiteren Schreiben vom 16. November 2018 hörte der Beklagte auch die Kläger zu 2 und 3 wegen desselben Sachverhalts zu einer Überzahlung an. Auf die Anhörungen meldeten sich die Kläger nicht.
Mit drei Bescheiden vom 27. März 2019 hob der Beklagte sodann die den Klägern zu 1-3 bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 31. März 2018 in Höhe von 558,07 € (gegenüber dem Kläger zu 1), in Höhe von 1.524,77 € (gegenüber der Klägerin zu 2) und in Höhe von 1.525,77 € (gegenüber dem Kläger zu 3) auf und verlangte die jeweiligen Beträge erstattet. Die Kläger legten mit 3 Schreiben jeweils Widerspruch gegen die Bescheide vom 27. März 2019 ein. Sie begründeten ihre Widersprüche damit, dass I. einen Bedarf von ca. 530 € bis 550 € monatlich gehabt habe, hingegen ein anrechenbares Einkommen i. H. von durchgehend über 600 € monatlich. Sie sei nicht hilfebedürftig gewesen und habe deshalb nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Ihr Einkommen dürfe insoweit nicht angerechnet werden.
Der Beklagte wies die Widersprüche mit drei Widerspruchsbescheiden vom 11. Juli 2019 mit der Begründung zurück, dass die Schwester des Klägers zu 1 in den Monaten Juli 2017 bis März 2018 Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei und Einkommen aus einer Beschäftigung sowie aus dem Bezug von Kindergeld erzielt habe. Das von ihr erzielte Einkommen habe ihren Bedarf überstiegen, sodass der übersteigende Betrag bei den Eltern in voller Höhe anzurechnen gewesen sei
Die Kläger haben zunächst am 15. August 2019 unter den Aktenzeichen S 34 AS 1561/19, S 34 AS 1565/19 und S 34 AS 1567/19 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben, die das SG mit Beschluss vom 19. Juli 2021 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Zur Klagebegründung haben die Kläger auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen. Der Beklagte hat auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Mit Gerichtsbescheid vom 24. September 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die streitbefangenen Aufhebung- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 27. März 2019 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2019 rechtmäßig seien. Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 30. Mai 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25. November 2017 und vom 2. Februar 2018 sei § 45 Abs. 2 Satz 3 Nummer 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nummer 3 SGB II und § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Tatbestand sei erfüllt, da den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den streitbefangenen Zeitraum bewilligt worden seien, ohne zu berücksichtigen, dass die Schwester des Klägers zu 1 bzw. die Tochter der Kläger zu 2 und 3 im Bewilligungszeitraum weiterhin und durchgängig mit den Klägern zusammengewohnt und eine Haushaltsgemeinschaft gebildet habe. Auf Vertrauensschutz könnten die Kläger sich nicht berufen. Es sei für die Kläger ohne weiteres ersichtlich gewesen, dass der Beklagte ihnen Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt habe, ohne die Schwester des Klägers zu 1 bzw. die Tochter der Klägerin zu 2 und 3 als Mitglied der Haushaltsgemeinschaft zu berücksichtigen. Dies habe den Klägern Anlass geben müssen, dem Beklagten mitzuteilen, dass auch I. (Name der Schwester) weiterhin mit Ihnen zusammengewohnt habe, zumal im Weiterbewilligungsantrag vom 22. Mai 2017 noch ausdrücklich von den Klägern erklärt worden sei, dass insgesamt 4 Personen im Haushalt leben würden.
Die Kläger haben gegen den ihnen am 30. September 2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 1. November 2021 (einem Montag) Berufung eingelegt, die sie damit begründet haben, dass das Kindergeld zwar eine steuerliche Leistung für einen bestimmten Elternteil sei und nicht etwa eine Leistung für das betreffende Kind. Es sei aber nicht grob fahrlässig, wenn ein Leistungsempfänger das nicht wisse. Es bestehe ein jahrelanger Irrtum vieler Rechtssuchender dahingehend, Kindergeld sei eine staatliche Leistung für Kinder. Dies hänge zweifellos damit zusammen, dass bereits mit dem offiziell rechtlichen Begriff Kindergeld suggeriert werde, es sei Geld für Kinder. Wenn aber bereits der Gesetzgeber selbst mit dem gewählten Begriff Kindergeld ein Irrtum befeuere, könne nicht von Leistungsempfängern erwartet werden, dass sie diesen in der Gesetzessprache angelegten Irrtum durchschauten. Eine grobe Fahrlässigkeit der Kläger liege daher nicht vor.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 24. September 2021 und die Aufhebung- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 27. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon in der Entscheidung des SG Berücksichtigung gefunden hätten. Soweit in der Berufungsbegründung vorgetragen werde, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Leistungsbescheide nicht hätte erkennen können, so habe das SG eine Entscheidung vom 24. September 2021 auch diesbezüglich ausführlich begründet und erläutert.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2023 hat der Senat die Entscheidung über die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen.
In der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2023 hat die Kläger zu 2 erstmals erklärt, dass die weitere Tochter der Kläger zu 2 und 3, die R., die Leistungsbescheide für den streitbefangenen Zeitraum geprüft und keine Auffälligkeiten festgestellt habe. Darüber hinaus sei die Klägerin zu 2 nicht in der Lage die lateinische Schrift zu lesen. Sie sei als Kind niemals zur Schule gegangen. In Deutschland habe sie ca. anderthalb Jahre einen Deutschkurs absolviert. Die Kläger haben außerdem beantragt, S. als Zeugin zu der Frage zu vernehmen, dass diese den Leistungsbescheid des Beklagten vom 30. Mai 2017 mit der Klägerin zu 2 durchgesprochen und keine Auffälligkeiten festgestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet aufgrund des Übertragungsbeschlusses nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 31. Mai 2023 durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 24. September 2021 ist statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des SG vom 24. September 2021 die drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagte vom 27. März 2019 in Gestalt der drei Widerspruchsbescheide vom 11. Juli 2019, mit denen der Beklagte seinen Bescheid vom 30. Mai 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25. November 2017 und 2. Februar 2018 ganz (im Verhältnis zum Kläger zu 1 für die Monate Juli bis November 2017) und im Übrigen teilweise aufgehoben und die für die Monate Juli 2017 bis März 2018 bereits erbrachten Leistungen nach dem SGB II i. H. v. 558,07 € gegenüber dem Kläger zu 1 und i. H. v. jeweils 1.525,77 € gegenüber den Klägern zu 2 und 3 erstattet verlangt hat. Die Kläger verfolgen ihr Begehren auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen in Gestalt der Widerspruchsbescheide zutreffend im Wege der isolierten Anfechtungsklage. In der Sache besteht der geltend gemachte Anspruch nicht, denn die Bescheide des Beklagten vom 27. März 2017 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Juli 2019 erweisen sich im Ergebnis als rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 30. Mai 2017, 25. November 2017 und 2. Februar 2018 ist - wie vom SG zutreffend ausgeführt und entgegen der Auffassung des Beklagten - § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III i. V. m. § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X. Der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsverfügungen fehlerhaft auf § 48 SGB X gestützt hat, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide. Stützt die Behörde ihre Entscheidung auf eine falsche Rechtsgrundlage, sind aber für den Erlass des Verwaltungsaktes die Voraussetzungen der zutreffenden Rechtsgrundlage erfüllt, handelt es sich bei gebundenen Verwaltungsakten lediglich um eine unzutreffende Begründung des Verwaltungsaktes. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das "Auswechseln" dieser Rechtsgrundlagen durch das Gericht grundsätzlich zulässig (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom – B 4 AS 46/20 R – juris Rn. 21 m. w. N.). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Nr. 3 SGB X kann sich der Begünstigte dabei nicht auf sein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts berufen, wenn dieser auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der begünstigende Verwaltungsakt ist dann nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass insoweit Ermessen eingeräumt wäre.
Die angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere ist jeweils eine ordnungsgemäße Anhörung der Kläger vorausgegangen. Nach § 24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Davon umfasst sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, d.h. auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 89/12 R – juris Rn. 14 m. w. N.). Der Beklagte hat die Kläger jeweils mit Schreiben vom 16. November 2018 zu der Aufnahme der I. als weitere Person in die Haushaltsgemeinschaft ab 1. Juni 2017 und der daraus resultierenden Verringerung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angehört. Er hat ihnen vorgehalten, eine Überzahlung verursacht zu haben, indem sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt haben. Außerdem dürfte ihnen – so der Beklagte weiter – die fehlerhafte Bewilligung bekannt gewesen sein, bzw. hätten sie erkennen können, dass ihnen die Leistungen nicht in dieser Höhe zugestanden hätten. Die Entscheidung sei deshalb wegen Kenntnis beziehungsweise grobfahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit zurückzunehmen. Schließlich umfassten die Anhörungsschreiben vom 16. November 2018 nach Monaten aufgeschlüsselt die individuellen Erstattungsforderungen. Hiermit eröffnete der Beklagte den Klägern in hinreichendem Umfang die Möglichkeit zum entscheidungserheblichen Sachverhalt Stellung zu nehmen und zwar zu den objektiven und subjektiven Merkmalen der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Aufhebungsentscheidung. Damit hatten die Kläger Gelegenheit, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen umfassend zu äußern.
Die Rücknahme- und Erstattungsverwaltungsakte sind auch materiell rechtmäßig. Die Kläger waren im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 30. Mai 2017 sowie der Änderungsbescheide vom 25. November 2017 und 2. Februar 2018 nicht in der ursprünglich festgesetzten Höhe anspruchsberechtigt nach dem SGB II, da sich ihre Hilfebedürftigkeit aufgrund des Verbleibs der I. in der Haushaltsgemeinschaft tatsächlich geringer darstellte. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, gilt im Rahmen des § 22 SGB II grundsätzlich das sogenannte Kopfteilprinzip. Das BSG hat sich in seinem Urteil vom 14. Februar 2018 (B 14 AS 17/17 R - juris Rn. 13 ff.) dazu wie folgt geäußert: "Das Kopfteilprinzip zielt bei der gemeinsamen Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen auf die grundsicherungsrechtliche Zuweisung individueller Bedarfe für alle Personen. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht nur für Personen anerkannt, soweit diese zu Zahlungen für Unterkunft und Heizung schuldrechtlich gegenüber Dritten verpflichtet sind, während für rechtlich hierzu nicht Verpflichtete keine Bedarfe anerkannt werden. Vielmehr soll durch die Aufteilung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen für alle gemeinsam eine Wohnung nutzenden Personen die Zuweisung eines individuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung in grundsätzlich gleicher Höhe erreicht werden. Diese bedarfsbezogene Herleitung ist prägend für die Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des Kopfteilprinzips im SGB II wie auch zu dessen Ausnahmen. Danach sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ohne Rücksicht darauf, wen insoweit die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen treffen, im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt, und es gilt dies unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Die individuelle Bedarfszuweisung nach Kopfteilen ist verwaltungspraktikabel und folgt der Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt." Bei Anwendung des Kopfteilprinzips wären die Kosten der Unterkunft und Heizung auf vier statt auf drei Personen aufzuteilen gewesen, bei den Klägern wären also nur 1/4 dieser Kosten als Bedarf zu berücksichtigen gewesen. Unerheblich ist dabei entsprechend der obigen Ausführungen, dass die I. nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört hat, da sie – insoweit unstreitig zwischen den Beteiligten – über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt hat. Das BSG hat schließlich bereits mit Urteil vom 27. Februar 2008 (B 14/11b AS 55/06 R – juris Rn. 19) entschieden, dass auch dann keine Ausnahme vom Kopfteilprinzip geboten ist, wenn ein BAföG-Berechtigter bei seinen Eltern lebt. Darüber hinaus wäre auch das Kindergeld der I. bei der kindergeldberechtigten Klägerin zu 2 als Einkommen einzustellen gewesen, soweit dieses nicht für die Bedarfsdeckung der Tochter benötigt wurde. In jeder Hinsicht zutreffend hat das SG unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG auf die Regelungen des § 11 Abs. 1 S. 5, 6 SGB II verwiesen, wonach das sog. übersteigende Kindergeld grundsätzlich in die Verteilung einzustellen und dann bei den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist. Der Senat macht sich die Ausführungen des SG insoweit nach eigner Prüfung zu eigen.
Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Voraussetzungen für die zwingende Rücknahme der Leistungsbewilligungen mit Wirkung für die Vergangenheit auch insoweit gegeben, als die Klägerin zu 2 die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte vom 30. Mai 2017, 25. November 2017 und 2. Februar 2018 jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG, Urteil vom 6. März 1997 – 7 RAr 40/96 – juris Rn. 26). Dabei ist nicht ein objektiver Maßstab anzulegen, sondern auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen. Entscheidend sind danach stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (BSG, Urteil vom 31. August 1976 – 7 RAr 112/74 – juris Rn. 19). Eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der vorgenannten Definition ist auch dann ausschlaggebend, wenn der Fehler einer Leistungsbewilligung im Verantwortungsbereich der Behörde lag. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes; also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung, auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar ("augenfällig") sind (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R). Eine grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts liegt deshalb vor, wenn es dem Betroffenen aufgrund der ihm bekannten Umstände möglich war, die fehlende Übereinstimmung des Verwaltungsakts mit dem geltenden Recht zu erkennen. Grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheids ist dem Begünstigten vorzuwerfen, wenn er wissen musste, dass die Bewilligung vom geltenden Recht nicht gedeckt ist. Nimmt die Behörde einen fehlerhaften Sachverhalt an, ist die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon dann relevant, wenn der Begünstigte daraus erkennen musste, dass die Behörde aufgrund des falschen Sachverhalts auch eine rechtswidrige Schlussfolgerung gezogen hat, ihm mithin die Begünstigung nicht zusteht. Von einem Laien kann nach Auffassung des Senats wohlmöglich nicht verlangt werden, dass er komplizierte Berechnungen in Bescheiden zur Grundsicherung vollständig nachvollziehen kann. Verlangt werden kann allerdings, dass er sich die Berechnung durchliest und eventuelle Fehler bei den eingestellten Daten (z.B. Anzahl der Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft, Höhe des erzielten Einkommens, Höhe der zu zahlenden Miete usw.) beachtet (vgl. zum ganzen Padé in: jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 45 SGB X (Stand: 12. Oktober 2023, Rn. 94). Darüber hinaus besteht aus Sicht des Senats Veranlassung, bei der Behörde nachzufragen, wenn mit einem Änderungsbescheid ohne Veränderung in den tatsächlichen Gegebenheiten in einem Monat deutlich höhere Leistungen bewilligt werden als in den Monaten zuvor.
Vorliegend hat die Klägerin zu 2 zumindest grob fahrlässig verkannt, dass die Leistungsbewilligungen vom 30. Mai 2017, 25. November 2017 und 2. Februar 2018 nicht mit dem geltenden Recht in Einklang steht. Insbesondere hätte sie unter Zugrundelegung ihrer Erkenntnismöglichkeiten ohne weitere Anstrengungen feststellen können, dass ihre Tochter I. – entgegen der bisherigen langjährigen Praxis - nicht mehr in den Berechnungsbögen der Bescheide vom 30. Mai 2017, 25. November 2017 und 2. Februar 2018 aufgeführt gewesen ist. Selbst wenn sie tatsächlich – wie erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 12. Oktober 2023 behauptet – kaum in der Lage gewesen sein sollte, die lateinische Schrift zu lesen, wäre auch bei einem Nebeneinanderlegen der Bescheide vor bzw. nach dem vom Beklagten angenommenen Auszug erkennbar gewesen, dass in der Berechnung eine Spalte – nämlich die von I. – fehlte. Hinzu kommt, dass die Klägerin zu 2 allein aufgrund der ab Juni 2017 erfolgten deutlich höheren Leistungsbewilligung (+ 392,70 €) Anlass gehabt hätte beim Beklagten vorzusprechen und nachzufragen, ob die Berechnung korrekt ist. Denn eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die eine Erklärung für die deutlich höhere Leistungsgewährung hätte bieten können, ist nicht erfolgt. I. hat durchgehend im Haushalt der Kläger gelebt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu würdigen, dass der Beklagte den Änderungsbescheid vom 23. Mai 2017, der den Monat Juni 2017 neu geregelt hat und mit dem die deutlich höheren Leistungen im Verhältnis zu den Vormonaten erstmals gewährt worden sind, ausdrücklich mit dem Auszug von T. begründet hat. Danach war der fehlerhafte Sachverhalt, der der höheren Leistungsbewilligung zugrunde gelegen hat, bei einfachsten naheliegenden Überlegungen auch für die Klägerin zu 2 erkennbar. Soweit die Kläger meinen, dass für sie die Anrechnungsmodalitäten des Kindergeldes nicht nachvollziehbar gewesen seien, argumentieren sie damit am Kern der Problematik vorbei. Denn Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der grobfahrlässigen Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der streitbefangenen Leistungsbewilligungen ist nicht die fehlerhafte Kindergeldanrechnung, sondern vielmehr die Offensichtlichkeit der vom Beklagten rechtswidrig erfolgten Umsetzung eines tatsächlich nicht erfolgten Auszugs, der zu einer deutlich höheren Leistungsbewilligung geführt hat. Dass I. tatsächlich nicht ausgezogen war, war der Klägerin zu 2 – gleichermaßen wie den Klägerin zu 1 und 3 – bekannt. Alleine aufgrund dieser Begründung wären die Kläger verpflichtet gewesen, zumindest beim Beklagten vorzusprechen und – sofern sie die genannten Gründe nicht erfasst haben - zumindest aufgrund der deutlich höheren Leistungsbewilligung nachzufragen. Der Annahme einer groben Fahrlässigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin zu 2 sich darauf beruft, dass sie sich der Unterstützung ihrer Tochter U. bedient und sich auf diese verlassen habe. Zwar kann grobe Fahrlässigkeit, insbesondere bei einem rechtlich nicht gewandten Antragsteller, ausgeschlossen sein, wenn er sich auf die hinreichende Sachkenntnis und die erschöpfende und unmissverständliche Befragung zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen eines von ihm für sachkundig gehaltenen Dritten verlässt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 - 10 RKg 21/83 - juris Rn. 13 betreffend die Hinzuziehung eines Gemeindebediensteten beim Ausfüllen eines Antrags auf Gewährung von Kindergeld). Zwingend ist ein derartiger Ausschluss eigener grober Fahrlässigkeit aber nicht, weil es insoweit auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt. Vorliegend hätte sich die Klägerin zu 2 – auch ohne Übersetzung bzw. Prüfung der Bescheide durch Dritte – bereits aufgrund der deutlich höheren Leistungsgewährung veranlasst sehen müssen, beim Beklagten vorzusprechen. Hinzu kommt, dass der Beklagte in dem bereits angesprochenen Änderungsbescheid vom 23. Mai 2017 die höhere Leistungsbewilligung gerade mit dem Auszug von I. begründet hat. Auch bei einer Prüfung und Erläuterung der Bescheide durch die Tochter U. hat sich deshalb eine Vorsprache und Offenlegung des tatsächlich nicht erfolgten Auszugs aufgedrängt. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der R. war nach alledem nicht nachzugehen, denn auch bei unterstellter Richtigkeit der Rolle der Tochter als Prüferin und Übersetzerin der Leistungsbescheide ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin zu 2 auszugehen.
Das Kennenmüssen der Klägerin zu 2 von der Unrichtigkeit der Leistungsbewilligung müssen sich die Kläger zu 1 und 3 zurechnen lassen. Unabhängig davon, ob sich eine solche Zurechnung bereits aus § 38 SGB II ergibt (verneinend BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 144/10 R - juris Rn 16), hat die Klägerin zu 2 als Vertreterin der Kläger zu 1 und 3 - zumindest im Rahmen einer sog. Duldungsvollmacht - gehandelt (§ 13 Abs. 1 SGB X). Die Klägerin zu 2 hat sämtliche Leistungsangelegenheiten für ihren Ehemann, dem Kläger zu 3, und für ihren Sohn, dem Kläger zu 2, gegenüber dem Beklagten geregelt und auch für diese Erklärungen abgegeben. Beides war den Klägern zu 1 und 3 hinlänglich bekannt. Auch hat die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass sie die Bescheide allesamt unter Hinzuziehung ihrer anderen Tochter, S., geprüft habe. Wer es duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hätte – was vorliegend nicht behauptet wird und auch nicht ersichtlich ist (BSG, Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 KR 4/01 R - juris Rn 18; vgl. auch BSG, Urteil vom 15. November 2016 - B 2 U 19/15 R – juris Rn 15; BSG, Urteil vom 8. August 2019 - B 3 KR 18/18 R - juris Rn. 31). Das Handeln des Vertreters ist dem Vertretenen dann nach § 164 Abs. 1, § 166 Abs. 1, § 278 Bürgerliches Gesetzbuch zuzurechnen (vgl. Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 38 Rn. 36; A. Loose in Hohm, GK-SGB II, Sand Juni 2021, § 38 Rn. 31, zur Zurechnung des Handelns des gesetzlichen Vertreters BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 - B 4 AS 10/20 R – juris Rn. 32). Es besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt.
Die Verpflichtung zur Erstattung der überzahlten Leistungen für die Monate Juli 2017 bis März 2018 folgt aus § 50 Abs. 1 SGB X. Berechnungsfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Senat konnte sich nach Anhörung des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung auch nicht die Überzeugung bilden, dass dieser bereits zum 1. Februar 2018 ausgezogen ist. Dazu befragt teilte der Kläger zu 1 mit, dass er sich nach Ablauf von sechs Jahren nicht mehr genau erinnern könne, wann er tatsächlich ausgezogen sei. Gegen den im Verfahren mitgeteilten Auszug zum 1. Februar 2018 spricht insbesondere der Umstand, dass er noch mit Schreiben vom 6. Februar 2018 dem Beklagten mitgeteilt hat, dass er beabsichtige zu einem Freund zu ziehen. Eine mitgeteilte Auszugsabsicht steht allerdings der Annahme eines tatsächlichen Auszugs entgegen. Einen plausiblen Grund für die noch im Februar 2018 erfolgte Absichtserklärung, konnte der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geben. Damit ist nicht erwiesen, dass er tatsächlich zum 1. Februar 2018 zu einem Freund gezogen ist. Der Senat ist vielmehr aufgrund der schriftlichen Erklärung vom 6. Februar 2018 überzeugt, dass der Kläger zu 1 weiterhin im Haushalt seiner Eltern gewohnt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.