S 8 SF60/23 E

Sozialgericht
SG Münster (NRW)
1. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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2. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
 

Die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 1713,36 € festgesetzt.

 

 

 

Gründe

 

  1.  

 

Im Streit ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren.

 

In der Hauptsache war die Gewährung einer Erstausstattung gem. § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II streitig.

 

Die Kläger legten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 04.02.2021 am 10.03.2021 Berufung ein und beantragten die Bewilligung von PKH. Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 13.04.2021 begründet.

 

Den Klägern wurde mit Beschluss vom 26.07.2021 Prozesskostenhilfe ab dem 04.05.2021 (Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schlossberg bewilligt.

 

Der Rechtsanwalt hat die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) im Einzelnen folgende Gebühren beantragt:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG                                                                                                                                                                                       444,00 €

Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG                                                                                                                                                                                       133,20 €

Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG                                                                                                                                                                                                                    335,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG                                                                                                                   444,00 €

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG                                                                                                                                                                           20,00 €

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG                                                                                                                                                                                                                            33,60 €

Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG                                                                                                                                                                                         30,00 €

19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG                                                                                                                                                                        273,56 €

Gesamtbetrag                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    1713,56 €

 

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.11.2021 wie folgt festgesetzt:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG                                                                                                                                                                                       296,00 €

Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG                                                                                                                                                                                         88,80 €

Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG                                                                                                                                                                                                                    335,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG                                                                                                                   296,00 €

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG                                                                                                                                                                           20,00 €

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG                                                                                                                                                                                                                            33,60 €

Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG                                                                                                                                                                                         30,00 €

19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG                                                                                                                                                                         208,98 €

Gesamtbetrag                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    1308,29 €

 

Die Bedeutung der Angelegenheit sei als unterdurchschnittlich zu bewerten, da es lediglich um eine Beihilfe für eine Erstausstattung gegangen sei. Auch unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse der Kläger könne, auch gemessen an anderen sozialgerichtlichen Verfahren, keine durchschnittliche Bedeutung festgestellt werden. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit werde ebenfalls als unterdurchschnittlich eingestuft, da er erst ab Bewilligung der PKH berücksichtigt werden könne. Ab diesem Zeitpunkt habe der Anwalt nur noch einen kurzen Schriftsatz gefertigt und die Adresse einer Zeugin mitgeteilt.  Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei durchschnittlich gewesen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger seien als unterdurchschnittlich zu bewerten. Insgesamt seien die Kriterien des § 14 RVG als unterdurchschnittlich erfüllt anzusehen, so dass die Verfahrensgebühr in Höhe von 2/3 der mittelgebühr festzusetzen sei. Hiervon ausgehend sei die Gebühr nach VV 1006 RVG um 30 % zu erhöhen. Die Einigungsgebühr folge der Verfahrensgebühr.

 

Gegen diesen Beschluss wurde Erinnerung eingelegt, zu deren Begründung der Erinnerungsführer vorträgt, dass nicht auf den Zeitpunkt der Bewilligung von PKH abzustellen sei, sondern auf die gesamte entfaltete Tätigkeit. Ausgehend von der gesamten entfalteten Tätigkeit sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als durchschnittlich anzusehen.

 

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

 

 

II.

 

Die nach § 56 Abs. 1 RVG zulässige Erinnerung ist begründet. Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-  und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

 

Der Ansatz der Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr ist nicht zu beanstanden. Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normalfall als billige Gebühr zugrunde zu legen ist. Unter einem Normalfall ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R, juris, Rn. 24).

 

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich zu bewerten. Zu berücksichtigen ist die gesamte Tätigkeit des Bevollmächtigten und nicht nur diejenige ab dem Bewilligungszeitpunkt. Grund für die Einführung von § 48 Abs. 4 RVG mit dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts war, dass in der Rechtsprechung zum Teil der Aufwand, der im Verfahren über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsteht, bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Rahmengebühren nicht berücksichtigt wurde, weil nur die Tätigkeit ab der Bewilligung zu Grunde zu legen sei. Damit bestünde für den Rechtsuchenden eine Lücke für die kostenlose Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts, die dadurch geschlossen werden solle, dass auch die Tätigkeit im PKH – Bewilligungsverfahren von der bewilligten PKH erfasst werde. Werde der Antrag auf Bewilligung von PKH gleichzeitig mit der Einreichung der Klage gestellt, diene die Fertigung der Klageschrift auch der Begründung des PKH – Antrags und sei daher bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen. Auch die Tätigkeit im Klageverfahren nach Stellung des Antrags auf Gewährung von PKH bis zur Bewilligung solle grundsätzlich in die Bemessung der Gebühr einbezogen werden. Dem Gericht bleibe die Möglichkeit, im Bewilligungsbeschluss etwas Anderes zu bestimmen. Hierfür müsse jedoch ein besonderer rechtfertigender Grund vorliegen. Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten hierfür Anlass gegeben habe. In Verfahren mit Betragsrahmengebühren sei die gesamte Tätigkeit bei der Bestimmung der konkreten Gebühr innerhalb des Rahmens zu berücksichtigen (vgl. BT – Drs. 17/11471, S. 270). Hiervon ausgehend ist die gesamte Tätigkeit des Anwalts ab Einlegung der Berufung zu berücksichtigen. Gleichzeitig mit Einreichung der Berufung wurde der PKH – Antrag gestellt. Die Berufung wurde anschließend zeitnah begründet. Diese Begründung diente auch zur Begründung des PKH – Antrags. Zwar hat das Gericht PKH erst ab Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bewilligt. Hierin ist aber kein besonderer rechtfertigender Grund zu sehen, die anwaltliche Tätigkeit erst ab diesem Zeitpunkt bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen. Es ist durchaus üblich, die Klage bzw. die Berufung zunächst einzulegen und zu begründen und dann die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen.

 

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist ebenfalls als durchschnittlich zu bewerten.

 

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht als unterdurchschnittlich zu bewerten. Bei der Beurteilung ist auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit abzustellen. Dabei werden Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern, wie die Streitigkeiten über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in der Regel überdurchschnittlich Bedeutung beigemessen, unabhängig davon, ob die Leistung dem Grunde nach oder der Höhe nach umstritten ist (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R, juris, Rn. 37). Allenfalls monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen Zeitraum von längstens sechs Monaten können eine allenfalls durchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber haben (vgl. BSG, a.a.O.). Vorliegend ging es um die Gewährung einer Wohnungserstausstattung. Diese hatte keinesfalls wirtschaftlich nur eine untergeordnete Bedeutung für die Kläger.  Dies lässt sich zwanglos bereits aus dem Betrag ersehen (1000,00 €), auf den sich die Beteiligten vergleichsweise zur Abgeltung des Anspruchs auf eine Erstausstattung geeinigt haben. Der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit stehen die erheblichen unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse der Kläger, denen Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, gegenüber, so dass eine Kompensation dieser Kriterien eintritt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 38). Damit ist es gerechtfertigt, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse insgesamt ebenfalls als durchschnittlich zu bewerten.

 

Insgesamt ist die Verfahrensgebühr damit in Höhe der Mittelgebühr von 444,00 € festzusetzen. Hinzu kommt eine Erhöhung für zwei Auftraggeber um dreißig Prozent (133,20 €). Die Einigungsgebühr fällt in Höhe der Verfahrensgebühr an.

 

Damit waren die Gebühren und Auslagen wie vom Bevollmächtigten beantragt festzusetzen.

Rechtskraft
Aus
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