Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. April 2021 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme einer Garagenmiete in Höhe von monatlich 50,00 Euro ab dem 01.10.2020 streitig.
Der 1965 geborene Kläger bezieht laufend, auch in der Zeit seit 01.10.2020, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Aktenkundig sind diesbezüglich die Bewilligungsbescheide vom 27.08.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.11.2020 für die Zeit vom 01.09.2020 bis zum 01.08.2021 und vom 19.08.2021 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 18.11.2021 und vom 27.11.2021 für die Zeit vom 01.09.2021 bis zum 31.08.2022.
Der Kläger bewohnt eine in der G1-straße in K1 gelegene Mietwohnung und ist Eigentümer eines Pkw der Marke Peugeot, Modell 106, Baujahr Jahr 1997. Den PKW meldete er zum 02.10.2020 ab. Zum 01.10.2020 mietete er bei seinem Vermieter für diesen Pkw einen Tiefgaragenstellplatz an (Vertrags-Nr. xxx0). Aufgrund von Platzproblemen im Hinblick auf das nebenparkende Kfz endete der Mietvertrag zum 31.10.2020 und der Kläger mietete ab dem 01.11.2020 einen anderen Tiefgaragenplatz an (Vertrags-Nr. xxx6) (Bl. 14 SG).
Mit Email vom 01.10.2020 und erneut mit Schreiben vom 03.12.2020 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die angemietete Garage. Zur Begründung führte er sinngemäß im Wesentlichen aus, ein Verkauf des Pkw sei angesichts des Alters nicht sinnvoll. Aktuell benötige er den Pkw nicht, da der Pkw „kein Einkommen bringe“. Er warte ab bis zum beruflichen Vertragsschluss.
Mit Bescheid vom 18.12.2020 lehnte der Beklagte die Übernahme der Mietkosten für den Tiefgaragenplatz mit der Begründung ab, die Mietkosten für eine Garage oder einen Stellplatz gehörten nicht zu den Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II und könnten nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn die Anmietung der Garage oder des Stellplatzes zwingend im Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung stehe und der Mietpreis sich auch unter Berücksichtigung der Kosten für die Garage oder den Stellplatz innerhalb der angemessenen Kosten der Unterkunft bewege. Im Falle des Klägers bestehe keine zwingende Anmietung des Tiefgaragenstellplatzes im Zusammenhang mit der angemieteten Wohnung.
Zur Begründung seines hiergegen am 14.01.2021 per E-Mail und erneut durch am 18.01.2021 beim Beklagten eingegangenes Schreiben vom 13.01.2021 erhobenen Widerspruchs führte er im Wesentlichen aus, er habe eine Lehre in K1 absolviert, sei nicht übernommen worden und lebe jetzt in der absoluten Einkommenswüste. Davon habe auch der Beklagte profitiert und könne daher auch etwas großzügiger in seinem Falle sein. Er habe eine sparsamste Lebensführung und seinen Pkw pandemiebedingt außer Kraft gesetzt.
Ein u.a. hiergegen gerichtetes zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenes Eilverfahren blieb erfolglos (S 14 AS 3757/20 ER, Beschluss vom 18.01.2021).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2021 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Deswegen hat der Kläger am 21.02.2021 per E-Mail und erneut mit am 01.03.2021 eingegangenem Schreiben Klage zum SG erhoben, mit der er sein Begehren, die Übernahme der Garagenmiete durch den Beklagten ab dem 01.01.2020 weiterverfolgt. Zur weiteren Begründung hat er vorgetragen, die Gesamtmiete liege deutlich unter der Angemessenheitsgrenze. Er begehre daher die Miete in Höhe von 50,00 Euro für den Tiefgaragenstellplatz bis zum Wiedereintritt in das Berufsleben. Seiner Klage hat er eine Kopie der ersten Seite des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2021 beigefügt, auf der er handschriftlich „E: 30.01.21“ vermerkt hatte.
Mit Urteil vom 13.04.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits wegen Verfristung unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Tiefgaragenstellplatz. Vielmehr sei es dem Kläger möglich gewesen, zum 01.11.2020 den zunächst angemieteten Stellplatz zu kündigen und einen neuen anzumieten, was im Fall einer zwingenden Mitvermietung des Stellplatzes nicht möglich gewesen wäre. Damit liege eine Abtrennbarkeit von Stellplatz und Wohnung und die Möglichkeit einer separaten Anmietung bzw. Kündigung des Stellplatzes, unabhängig von der Anmietung bzw. Kündigung der Wohnung vor. Weiter hat das SG ausgeführt, da der aktuelle Bewilligungszeitraum die Zeit bis August 2021 umfasse und dem Gericht kein neuer Bewilligungsbescheid vorliege (Bescheid vom 27.08.2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21.11.2020), könne der Kläger höchstens von Oktober 2020 bis August 2021 die Kosten für den Tiefgaragenstellplatz erhalten. Denn die Kosten des Stellplatzes seien unter bestimmten Voraussetzungen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) und müssten daher als Grundsicherungsleistungen für jeden Bewilligungszeitraum neu beantragt werden. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da der sich aus der Klage ergebende Gegenstandswert unter 750,00 Euro liege (10 x 50,00 Euro = 500,00 Euro) und Berufungszulassungsgründe nicht vorlägen. Das Urteil wurde dem Kläger am 21.05.2021 zugestellt.
Mit Schreiben vom 04.06.2021 hat der Kläger „Rechtsmittel“ zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und hat zur Begründung unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens ergänzend ausgeführt, der Pkw sei nach Ende eines Auftrags (T1, im Büro „L1" ausgeführt) abgemeldet und ordnungsgemäß eingestellt worden. Die moderaten Zahlungen in Höhe von 50,00 Euro seien lediglich im kritischen Zeitraum notwendig, der mit dem 01.10.20 begonnen habe und mindestens 24 Monate andauere.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. April 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2021 zu verurteilen, ihm monatlich weitere Leistungen in Höhe von 50,00 Euro für die Stellplatzmiete für mindestens 24 Monate zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten auf die Unzulässigkeit der Berufung hingewiesen und sie zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Der Senat legt das vom Kläger selbst als „Rechtsmittel“ bezeichnete Schreiben vom 04.06.2021 als Berufung und nicht als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG vom 13.04.2021 aus. Denn das aus dem Inhalt seines Vortrags erkennbare Begehren ist trotz zutreffender Rechtsmittelbelehrung in der erstinstanzlichen Entscheidung ausschließlich auf die Übernahme der Garagenmiete und nicht auf die Zulassung der Berufung gerichtet.
Der Senat konnte die Berufung des Klägers gem. § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss verwerfen, da die Berufung unzulässig ist, das SG durch Urteil und nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hatte (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 158 Rn. 6) und die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch gerichtliche Verfügung vom 29.11.2023, die dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 02.12.2023 zugestellt wurde, angehört wurden. Auch war die eingeräumte Äußerungsfrist bis zum 19.12.2023 ausreichend (vgl. BSG, Beschluss vom 12.02.2009 - B 5 R 386/07 B - juris, Rn. 15). Anlass, dem Kläger eine mit Fax vom 19.12.2023 beantragte Fristverlängerung bis zum 15.01.2024 zu gewähren, hat nicht bestanden, nachdem der Kläger keine nachvollziehbaren Gründe vorgetragen hat, aus denen er eine weitere Fristverlängerung benötigt.
Der Senat war auch nicht durch den Umstand, dass der Kläger in dem Fax vom 19.12.2023 wörtlich ausgeführt hat, „SG „S“ womöglich befangen“ gehindert, in der obenstehenden Besetzung zu entscheiden. Selbst wenn der Kläger mit dem SG „S“ das LSG Baden-Württemberg gemeint haben sollte, hätte er hiermit kein zulässiges Ablehnungsgesuch gegen die Richter des erkennenden Senats gestellt. Weder hat er hiermit ein hinreichend individualisiertes oder zumindest individualisierbares Ablehnungsgesuch gestellt, noch hat er einen Befangenheitsgrund genannt (vgl. hierzu Keller, in Meyer-Ladewig, SGG, 14. Aufl. 2023, § 60 Rn. 10b). In einem solchen Fall bedarf es keiner gesonderten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch (Keller, in Meyer-Ladewig, SGG, 14. Aufl. 2023, § 60 Rn. 10e mwN).
Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist.
Nach § 143 SGG findet die Berufung gegen Urteile des Sozialgerichts an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG gilt das nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen ist, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl. 2023, SGG, § 144 Rn. 14). Die durch § 144 Abs. 1 SGG normierte Berufungsbeschränkung knüpft an das Begehren (ursprüngliches Klageziel) des Berufungsklägers an, soweit dieses im Berufungsverfahren weiterverfolgt wird. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Berufungseinlegung. Unter dem so verstandenen Klageanspruch ist der prozessuale, nicht der materiell-rechtliche (tatsächlich bestehende) Anspruch zu verstehen. Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) ist das Begehren (Klageantrag) auf einen rechtskräftigen Ausspruch bestimmter Rechtsfolgen, die sich nach Meinung des Klägers aus einem zugrunde liegenden (Lebens-)Sachverhalt (Klagegrund) ergeben (BSG, Urteil vom 30.06.2021 - B 4 AS 70/20 R -, juris Rn. 14).
Vorliegend betrifft die Berufung des Klägers einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt mit einem Wert des Beschwerdegegenstandes von unter 750,00 Euro. Sein Begehren ist auf die Übernahme der Garagenmiete in Höhe von monatlich 50,00 Euro gerichtet. In zeitlicher Hinsicht ist der prozessuale Anspruch auf den Bewilligungszeitraum im Sinne des § 41 Abs. 3 SGB II beschränkt. Denn im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die jeweiligen Bewilligungsabschnitte unterschiedliche Streitgegenstände. Das Ende des Bewilligungszeitraums stellt eine zeitliche Zäsur dar, die den jeweiligen Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht umschreibt (BSG Urteil vom 30.06.2021 a.a.O., Rn. 23). Vorliegend hat der zugrundeliegende Bewilligungszeitraum die Zeit vom 01.09.2020 bis zum 01.08.2021 umfasst. Während dieses Bewilligungszeitraums hat der Kläger die Garagenmiete erst mit seinem Antrag vom 01.10.2020 ab Oktober 2020 geltend gemacht, nachdem er im ersten Monat des Bewilligungszeitraums die Garage noch nicht angemietet hatte. Damit erstreckt sich sein Begehren in diesem Bewilligungszeitraum auf die Garagenmiete für elf Monate. Rechtlich hat er mit der Beantragung der Übernahme der Garagenmiete ab Oktober 2020 eine Überprüfung des laufenden Bewilligungsbescheides wegen Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs. 1 SGB X ab 01.10.2008 beantragt (vgl. BSG, Urteil vom 22.02.2010 - B 4 AS 62/09 R - juris, Rn. 12). Demgemäß hatte der Bescheid vom 18.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2021, mit dem der Beklagte die Übernahme der Gargenmiete abgelehnt hatte, die Ablehnung der Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 27.08.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.11.2020 zum Inhalt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. 06.2010 - L 7 AS 699/09 NZB - juris, Rn. 9). Wertmäßig hat die Ablehnung einen Betrag von 550,00 Euro betroffen (11 x 50,00 Euro). Hierauf ist der prozessuale Anspruch, der für die Bemessung des Beschwerdewertes maßgeblich ist, beschränkt.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger vorgetragen hat, er begehre die Garagenübernahme für mindestens 24 Monate. Insbesondere führt dieser Vortrag nicht dazu, dass die Ausnahmevorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zum Tragen käme, nach der im Falle von wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr die Berufung auch bei einem Beschwerdewert unterhalb von 750 Euro zulässig ist. Denn der auf den 31.08.2021 folgende Bewilligungszeitraum stellt einen eigenen prozessualen Anspruch dar, der nicht zu dem hier streitigen Bezugszeitraum hinzuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 30.06.2021 - B 4 AS 70/20 R -, juris Rn. 26).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gemäß § 145 SGG keinen Erfolg gehabt hätte. Denn Zulassungsgründe im Sinne von § 145 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar. Insbesondere weist die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGG auf, nachdem das BSG bereits durch Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 10/06 R) geklärt hatte, unter welchen Voraussetzungen eine Garagenmiete vom Grundsicherungsträger zu übernehmen ist. Hiervon weicht die erstinstanzliche Entscheidung nicht ab. Ebensowenig hat der Kläger einen Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend gemacht, auf dem das Urteil des SG beruhen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorlagen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 492/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2640/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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