L 7 AS 3507/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 28 AS 2964/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3507/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 2021 abgeändert und der Beklagte verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018 den Klägern für den Januar 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung eines jeweiligen Regelbedarfs von 374 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind den Klägern auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs sowie von Mehrbedarfen.

Die 1966 bzw. 1967 geborenen, verheirateten Kläger wohnen jedenfalls schon seit dem Jahr 2009 in einer im Eigentum der Klägerin zu Ziff. 1 stehenden Eigentumswohnung mit ca. 50 m², welche noch mit einem Immobilienkredit belastet ist. Die Kläger, bei denen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt ist, sind selbständig tätig, erzielen hieraus – wie auch im Übrigen – jedoch nach eigenen Angaben jedenfalls seit Mai 2010 keine Einkünfte mehr. Sie stehen und standen auch im streitgegenständlichen Zeitraum im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II in Form von Arbeitslosengeld II.

Die Beklagte gewährte den Klägern auf deren Antrag vom 12. Januar 2017 mit dem Bescheid vom 23. Januar 2017 vorläufig Leistungen für den Zeitraum Februar 2017 bis Juli 2017 zunächst in einer Höhe von 1.294,03 EUR jeweils für die Monate Februar und Mai 2017 sowie im Übrigen in einer monatlichen Höhe von 947,03 EUR (Ersatzakte Bd. IV + V Verw.-Akte, unblattiert). Hierbei legte die Beklagte neben Bedarfen der Unterkunft und Heizung jeweils monatliche Regelbedarfe nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 368 EUR zugrunde, Mehrbedarfe berücksichtigte sie nicht. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 24. Februar 2017 Widerspruch ein, eine Begründung erfolgte nicht (Ersatzakte Bd. III Teil 6 Verw.-Akte, unblattiert)

Nachdem die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 28. März 2017 – aufgrund von Änderungen in den Bedarfen der Unterkunft und Heizung, unter anderem der Berücksichtigung eines Guthabens der Kläger bei ihrem Energieversorger – für den Zeitraum April bis Juli 2017 vorläufig Leistungen in einer monatlichen Gesamthöhe von 920,41 EUR bewilligte (Ersatzakte Bd. IV + V Verw.-Akte, unblattiert), wies sie den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2017 zurück (Ersatzakte Bd. III Teil 6 Verw.-Akte, unblattiert).

Mit Bescheid vom 1. August 2017 bewilligte die Beklagte den Klägern auf deren Antrag vom 11. Juli 2017 Leistungen für den Zeitraum August 2017 bis Januar 2018 vorläufig weiter, für den Monat August in einer Höhe von 1.254,41 EUR, für den September 2017 in einer Höhe von 919,41 EUR, für den November 2017 in einer Höhe von 1.277,03 EUR und im Übrigen in einer monatlichen Höhe von 942,03 EUR. Auch hier legte die Beklagte neben Bedarfen der Unterkunft und Heizung jeweils monatliche Regelbedarfe nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 368 EUR zugrunde und berücksichtigte keine Mehrbedarfe (Bd. VII Verw.-Akte, unblattiert).

Den Widerspruch der Kläger vom 1. September 2017, zu dem ebenfalls keine Begründung erfolgte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2018 zurück (Akte Bd. VI Teil 4 Quad 98/4 Verw.-Akte).

Gegen den Bescheid vom 23. Januar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 haben die Kläger am Montag, dem 29. Mai 2017 und gegen den Bescheid vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018 am 27. April 2018 (S 28 AS 2224/18) Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, jeweils mit dem Ziel der Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1 und eines Mehrbedarfs von zumindest 50 EUR monatlich für beide der Kläger sowie der Nichtberücksichtigung des Guthabens bei ihrem Energieversorger. Mit Beschluss vom 28. Juni 2016 hat das SG die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Kläger haben – unter Vorlage einer am 25. April 2017 gestempelten Kopie eines Briefumschlags der Beklagten (Bl. 16 SG-Akte zu S 28 AS 2964/17) – vorgetragen, der Widerspruchsbescheid vom 20. April 2017 sei ihnen erst am 28. April 2017 zugegangen. Das von der Beklagten berücksichtigte Guthaben bei ihrem Energieversorger sei nicht an sie ausbezahlt, sondern mit Forderungen verrechnet worden. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb zwei Personen in einer Bedarfsgemeinschaft Einsparungen haben sollten. Eine Kürzung auf 90 % beruhe auf veralteten Daten. Der Beleg und die Erläuterung der geltend gemachten Mehrbedarfe sei aufgrund der unvorhersehbaren Umstände des Einzelfalls als auch der gesamtgesellschaftlichen „Corona“-Katastrophe leider noch nicht möglich. Eine Konkretisierung der geltend gemachten Mehrbedarfe ist im Weiteren nicht erfolgt.

Mit nur an den Kläger zu Ziff. 2 adressiertem Bescheid vom 15. Januar 2018 hat die Beklagte den Bescheid vom 23. Januar 2017 für endgültig erklärt, da sich bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs keine Veränderung zu den vorläufig erbrachten Leistungen ergeben hätten. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 15. Januar 2018 – einmal gerichtet an die Klägerin zu Ziff. 1, einmal an den Kläger zu Ziff. 2 – hat die Beklagte die Leistungsansprüche der jeweiligen Kläger für den Juli 2017 endgültig festgesetzt und die Erstattung einer sich danach aufgrund geringerer Schuldzinshöhe und insbesondere der Anrechnung eines Betriebskostenguthabens jeweils ergebenden Überzahlung von 190,96 EUR gefordert (Bl. 94 ff. SG-Akte zu S 28 AS 2964/17). Mit weiterem Bescheid vom 15. Januar 2018 hat die Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen für den Zeitraum Februar 2018 bis Juli 2018 gewährt. Gegen den erstgenannten Bescheid haben die Kläger mit Schreiben vom 13. Februar 2018 Widerspruch eingelegt (Akte Bd. VI Teil 3 Quad. 80 Verw.-Akte), gegen die auf den Juli 2017 bezogenen Erstattungsbescheide am 14. Februar 2018 und gegen den auf den Zeitraum Februar 2018 bis Juli 2018 bezogenen Bescheid bereits am 12. Februar 2018. Mit drei Abhilfebescheiden vom 4. Juli 2018 hat die Beklagte die drei Bescheide vom 15. Januar 2018 aufgehoben und dabei die Widersprüche vom 12. Februar 2018 (händisch geändert vom 13. Februar 2018) und 14. Februar 2018 benannt (Akte Bd. VIII Verw.-Akte, unblattiert). Den Bescheid vom 1. August 2017 hat die Beklagte mit dem – nur an den Kläger zu Ziff. 2 adressierten – Bescheid vom 17. Januar 2019 für endgültig erklärt (Akte Bd. XI Bl. 50 Verw.-Akte).

Nach klägerseitiger Annahme eines Teilanerkenntnisses der Beklagten hinsichtlich der streitigen Anrechnung eines Nebenkostenguthabens und diesbezüglicher Gewährung weiterer Leistungen sowie nachfolgender Beschränkung der Klage auf die Bewilligung höherer Leistungen „auf Basis eines Regelsatzes der Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 409,00 [EUR]“ und von Mehrbedarfen in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2021 hat das SG die Klage mit Urteil vom selben Tag im verbliebenen Umfang abgewiesen. Die Kläger hätten die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 20. April 2017 fristgerecht erhoben. Die Kläger hätten den konkreten Zugangszeitpunkt (28. April 2017) benannt sowie zum Nachweis des Zugangs den Briefumschlag, mit welchem der Bescheid versendet worden sei, vorgelegt, welcher am 25. April 2017 als bei der Post eingegangen abgestempelt worden sei. Die Frist habe am 29. April 2017 begonnen und mit Ablauf des 29. Mai 2017 geendet, da es sich bei dem 28. Mai 2017 um einen Sonntag gehandelt habe.
Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II. Die Leistungshöhe sei seitens des Beklagten ordnungsgemäß bestimmt worden. Die Höhe der Regelbedarfsleistung bestimme sich nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sowie der Anlage zu § 28 SGB XII. Letztere habe für das Jahr 2017 eine Regelbedarfsleistung pro Monat und Bedarfsgemeinschaftsmitglied in Höhe von 368,00 EUR pro Person für die Regelbedarfsstufe 2 – anzuwenden für jede erwachsene Person, sofern sie in einer Wohnung mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebe – vorgesehen. Somit ergebe sich ein Regelbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 736,00 EUR. Die Festsetzung dieses Betrags begegne insbesondere auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgebe, beschränke sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien (Hinweis auf BVerfGE, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09). Der Gesetzgeber sei durch Berücksichtigung der im September 2015 veröffentlichten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) aus dem Jahr 2013 seiner Pflicht zur Aktualisierung der Leistungsbeträge nachgekommen. Dabei stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungs- und Überprüfungsrecht zu, welches unter anderem eine verzögerte Berücksichtigung der Zahlen rechtfertige. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass auch in den Jahren, in welchen eine neue EVS nicht veröffentlicht worden sei, fortlaufend eine Anpassung der Regelbedarfsleistungen erfolge. Auch die geringere Bemessung der Regelbedarfsleistung in der Regelbedarfsstufe 2 begegne keinerlei verfassungsrechtlicher Bedenken. Die Abweichung beruhe auf marktanalytischen Erhebungen, nach welchen für einen Einzelpersonenhaushalt höhere Pro-Kopf-Kosten entstünden, als für einen Mehrpersonenhaushalt. Den Klägern stehe auch kein Anspruch auf Mehrbedarfe zu. Zwar sei die Möglichkeit eines höheren Anspruchs aufgrund von Mehrbedarfen dem Regelungssystem des SGB II immanent, jedoch lägen dem Gericht keinerlei Anhaltspunkte vor, woraus sich ein Mehrbedarf der Kläger ergeben solle. Auch der letztlich von den Klägern genannte Betrag in Höhe von 50 EUR pro Person, vermöge daran nichts zu ändern. Dem Vorbringen der Kläger lasse sich weder entnehmen, aus welchen Lebensumständen sich der Mehrbedarf ergebe, ob aus diesen Umständen den Klägern tatsächlich auch höhere Kosten entstünden, noch wie sich die von den Klägern vorgebrachte Summe konkret zusammensetze.

Gegen dieses am 15. Oktober 2021 zugestellte Urteil haben die Kläger am 15. November 2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie tragen vor, die Entscheidung des SG sei unzutreffend und verletze darüber hinaus ihre Grundrechte, insbesondere hinsichtlich Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 3 Abs. 1 GG sowie das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Es würden Mehrbedarfe insbesondere für u.a. Medikamente geltend gemacht. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls hätten die notwendigen Nachweise noch nicht erbracht werden können. Die Kläger hätten in den letzten anderthalb Jahren ganz besondere Schicksalsschläge erlitten und die Beklagte habe in den letzten zwölf Monaten sechs gerichtliche Eilverfahren erforderlich gemacht. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus den Jahren 2010 und 2014 hinsichtlich der Bedarfsstufen der Regelsatzleistungen sei durch die EVS 2018 und durch die Entscheidung des BVerfG vom 19. Oktober 2022 – 1 BvL 3/21 – faktisch überholt. Hinsichtlich der Regelsatzhöhe ergebe sich aus der EVS 2018, dass Paare in Haushalten von Arbeitslosen Mehrkosten gegenüber einem Single hätten und keine Einsparungen. Es werde hinsichtlich der bewilligten Regelsatzstufe 2 anstatt der begehrten Regelsatzstufe 1 eine Diskriminierung von Ehepaaren und Familien geltend gemacht.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 2021 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 und den Bescheid vom 17. Januar 2019 abzuändern und den Klägern für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von jeweils einem monatlichen Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 sowie Mehrbedarfen in Höhe von zumindest jeweils 50,00 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG vom 28. September 2021 ist gemäß § 143 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere liegen Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG nicht vor. Denn die Kläger begehren die Gewährung höherer Geldleistungen mit einem Wert von mehr als 750 EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), indem sie für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 die Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs sowie von monatlichen Mehrbedarfen von jeweils zumindest 50 EUR erstreiten wollen, wobei diese (wirtschaftlich nicht identischen) Ansprüche der Kläger als Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammenzurechnen sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2006 – L 8 AS 4314/05 – juris Rdnr. 18; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 144 Rdnr. 16).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, neben der erstinstanzlichen Entscheidung, die Bescheide der Beklagten vom 23. Januar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 (§ 95 SGG) sowie vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018 in der Fassung des Bescheides vom 17. Januar 2019, mit denen die Beklagte den Klägern für die Bewilligungszeiträume vom 1. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 und vom 1. August 2018 bis zum 31. Januar 2018 zunächst vorläufig Leistungen gewährt und diese Gewährung im Weiteren (teilweise) für endgültig erklärt hat. Hierbei kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Bescheid vom 17. Januar 2019, den die Beklagte einzig an den Kläger zu Ziff. 2 gerichtet hat, nur im Verhältnis zwischen dem Kläger zu Ziff. 2 und der Beklagten Rechtswirkungen entfaltet oder ob dieser dahingehend ausgelegt (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) werden kann, dass er auch die Klägerin zu Ziff. 1 erfasst. Denn im ersten Fall gelten vorliegend die mit dem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018 gewährten Leistungen nach Ablauf eines Jahres nach dem Ende des Bewilligungszeitraums, hier nach dem 31. Januar 2018, gemäß § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung ebenfalls als endgültig festgesetzt. Dies gilt vorliegend ebenso für die mit dem Bescheid vom 23. Januar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 gewährten Leistungen. Der ebenfalls nur an den Kläger zu Ziff. 2 adressierte Bescheid vom 15. Januar 2018, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 23. Januar 2107 für endgültig erklärt hat, ist dagegen kein Gegenstand des Verfahrens (mehr), da ihn die Beklagte mit dem Abhilfebescheid vom 4. Juli 2018 auf den Widerspruch der Kläger aufgehoben hat. Insgesamt hat die Beklagte am 15. Januar 2018 vier Bescheide erlassen, mit den Abhilfebescheiden vom 4. Juli 2018 nur drei wieder aufgehoben und in keinem der Abhilfebescheide den gegen den vorgenannten endgültigen Festsetzungsbescheid eingelegten Widerspruch vom 13. Februar 2018 bezeichnet oder diesen Bescheid als Gegenstand der Abhilfe anderweitig eindeutig identifiziert. Der dritte Abhilfebescheid, neben den beiden den Erstattungsbescheiden vom 15. Januar 2018 zuzuordnenden Abhilfebescheiden, ist jedoch von der Warte eines verständigen, objektiven Empfängers (vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch
<SGB X> – Stand: 7. Oktober 2021 – Rdnr. 26 ff.) aufgrund der heranzuziehenden, ihn begleitenden Gesamtumstände als auf den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 15. Januar 2018 bezogen auszulegen. Zwar ist darin ein Widerspruch vom 12. Februar 2018 benannt und richtete sich der so datierte Widerspruch der Kläger gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum Februar 2018 bis Juli 2018, jedoch ist davon auszugehen, dass es sich bei der darin handschriftlich vorgenommenen Abänderung der Widerspruchsbezeichnung vom 13. Februar 2018 auf den 12. Februar 2018 um ein bloßes Schreibversehen handelt. Dies ergibt sich maßgeblich daraus, dass der fragliche Bescheid eine vollständige Abhilfe aussprechen soll, eine solche jedoch bei bloßen Aufhebung einer vorläufigen Leistungsbewilligung ohne neue, insbesondere höhere Bewilligung nicht angenommen werden kann, aber ohne Weiteres bei der Aufhebung eines Bescheides, dessen gesamter Regelungsgehalt sich in der Endgültigerklärung eines anderen Bescheides erschöpft. Schließlich ist – nach klägerseitiger Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten bezüglich der Berücksichtigung eines Guthabens der Kläger bei ihrem Energieversorger im Rahmen der Leistungsgewährung in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2021 – das Begehren der Kläger bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens zuletzt dahingehend auszulegen, dass diese sich nur noch gegen die Bemessung des Regelbedarfs nebst der Berücksichtigung von Mehrbedarfen in den vorgenannten Bewilligungszeiträumen als abtrennbaren Streitgegenständen richten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2012 – L 3 AS 4252/11 – juris Rdnr. 15, entsprechend zu Kosten der Unterkunft und Heizung vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 37/14 R –, SozR 4-4200 § 27 Nr. 2, SozR 4-4200 § 11b Nr. 7, juris Rdnr. 12 m.w.N.). Soweit die Kläger durch ihren Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Leistungen unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen sowie eines jeweiligen monatlichen Regelbedarfs von 409 EUR beantragt haben, ist letzteres sachgerecht dahingehend auszulegen, dass eine Berücksichtigung des jeweils gültigen Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1 begehren, welche für das Jahr 2017 einem Betrag von 409 EUR entsprochen hat, jedoch für das Jahr 2018 auf 416 EUR angehoben worden ist.
 
3. Die Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) der Kläger ist zwar zulässig, insbesondere auch hinsichtlich des Bescheides vom 23. Januar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 fristgemäß – wozu der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 28. September 2021 gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt und sich zu eigen macht – erhoben. Sie ist jedoch lediglich insoweit begründet, als die Beklagte den Klägern mit dem Bescheid vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018 in der Fassung des Bescheides vom 17. Januar 2019 für den Januar 2018 Leistungen nur unter Berücksichtigung eines jeweiligen Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 2 in der für das Jahr 2017 und nicht in der für das Jahr 2018 geltenden Höhe bewilligt hat.

Die im örtlichen Zuständigkeitsbereich der sachlich zuständigen Beklagten wohnhaften Kläger haben für die Bewilligungszeiträume vom 1. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 und vom 1. August 2017 bis zum 31. Januar 2018 dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 und 3 SGB II, da sie die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, bei ihnen keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit (vgl. § 8 Abs. 1 SGB II) festgestellt ist und sie hilfebedürftig sind (vgl. § 9 SGB II), insbesondere verfügten sie auch in den hier maßgeblichen Zeiträumen nicht über zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausreichendes Einkommen oder Vermögen.

Die Beklagte hat den Klägern Arbeitslosengeld II für die Zeit von Februar 2017 bis einschließlich Dezember 2017 auch in zutreffender Höhe unter Berücksichtigung eines jeweiligen Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 2 von monatlich 368 EUR nach § 20 Abs. 1, 1a und Abs. 4 SGB II in Verbindung mit § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sowie der Anlage zu § 28 SGB XII gewährt; für den Januar 2018 ist jedoch der jeweilige monatliche Regelbedarf der Kläger entsprechend der Anlage zu § 28 SGB XII nach der Regelbedarfsstufe 2 mit 374 EUR zu bemessen und der Bescheid vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018 in der Fassung des Bescheides vom 17. Januar 2019 entsprechend abzuändern.

Der von der Beklagten vorgenommene Ansatz der Regelbedarfsstufe 2 und nicht der Regelbedarfsstufe 1 zur Bemessung des Leistungsanspruchs der Kläger ist dabei zutreffend erfolgt. Denn nach § 20 Abs. 4 SGB II ist, wenn zwei Partner einer Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen. Diese Voraussetzungen sind bei den 1966 und 1967 geborenen, verheirateten und in einer im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung zu Ziff. 1 zusammenlebenden Klägern erfüllt. Ein Anspruch auf die Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 steht den Klägern dagegen nicht zu, da dieser bei Personen anzuerkennen ist, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Soweit die Kläger annehmen, dass die Einordnung zusammenlebender Paare in die Regelbedarfsstufe 2 verfassungswidrig sei, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Wie das BVerfG klargestellt hat, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Regelbedarf bei Einpersonenhaushalten und damit die Regelbedarfsstufe 1 als Ausgangswert für die Festlegung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf auch derjenigen Erwachsenen nutzt, die mit anderen ebenfalls leistungsberechtigten Erwachsenen einen gemeinsamen Haushalt führen, also die Regelbedarfsstufe 2 für zwei erwachsene leistungsberechtigte Personen als Ehegattin und -gatte, Lebenspartnerinnen oder -partner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft. Das BVerfG hat zu dieser Frage der Bedarfsgemeinschaften bereits entschieden, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Höhe von 80 % von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf, da die Erhebung nach Haushalten geeignet ist, den tatsächlichen Bedarf auch für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Dementsprechend ist die Bestimmung des Regelbedarfs zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34-103, juris Rdnr. 100). Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen im Vergleich geringeren finanziellen Mindestbedarf haben als zwei alleinwirtschaftende Personen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, BVerfGE 125, 175-260, juris Rdnr. 154). Anhaltspunkte dafür, dass sich diesbezüglich wesentliche Änderungen ergeben hätten, sind nicht ersichtlich und folgen insbesondere nicht schon daraus, dass – wie die Kläger anführen – Hintergrund statistische Erhebungen aus den 80er Jahren seien. Entsprechende tragfähige Anhaltspunkte ergeben sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aus der EVS 2018, nach welcher Paare in Haushalten von Arbeitslosen höhere private Konsumausgaben haben, insbesondere bei Außerachtlassung von Ausgaben für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung, als entsprechende Alleinlebende. Denn aus dem Umstand höherer getätigter Ausgaben lässt sich noch kein höherer Bedarf ableiten. Es ist auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher Bedingungen ein solcher höherer Bedarf bestehen sollte. Ebenso ergibt sich keine andere Bewertung der vorliegenden Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Beschlusses vom 19. Oktober 2022 (1 BvL 3/21), mit welchem das BVerfG § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in der Fassung vom 13. August 2019 insoweit für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hat, soweit für eine alleinstehende erwachsene Person ein Regelbedarf lediglich in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird. Denn das BVerfG hat mit dieser Entscheidung gerade nicht die Stichhaltigkeit und Rechtmäßigkeit der auch für Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG in der vorgenannten Fassung heranzuziehenden Regelbedarfsstufe 2 nach § 28 SGB XII in Verbindung mit der Anlage zu § 28 SGB XII bemängelt, sondern (einzig) deren Heranziehung für die Leistungen an alleinstehende erwachsene Personen in Gemeinschaftsunterkünften. Hierzu hat das BVerfG ausgeführt, dass der Gesetzgeber nicht als Regelfall habe unterstellen können, dass Alleinstehende in Sammelunterkünften mit anderen Bewohnern gemeinsam wirtschafteten und dies ausdrücklich von Paarhaushalten abgegrenzt (vgl. BVerfG a.a.O. juris Rdnr. 73). Insofern erachtet es der Senat auch unter Berücksichtigung des aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden besonderen Schutzes von Ehe und Familie für – wie das BVerfG mit Nichtannahmebeschluss vom 3. Juli 2006 ausgeführt hat – verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber die Konsequenz aus der Erfahrung des täglichen Lebens zieht, dass in einer Haushaltsgemeinschaft umfassend "aus einem Topf" gewirtschaftet wird mit der Folge, dass zwei zusammenlebende Ehegatten einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (BVerfG a.a.O. – 1 BvR 2383/04 – BVerfGK 8, 338-343, juris Rdnr. 14 m.w.N.).

Soweit die Kläger daneben die Berücksichtigung jeweiliger monatlicher Mehrbedarfe von (zumindest) 50 EUR begehren, besteht auch dieser Anspruch nicht. Mehrbedarfe umfassen nach § 21 Abs. 1 SGB II Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7 (beispielsweise bei Schwangerschaft oder für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen), die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. Die Kläger haben jedoch im Verlauf des seit 2017 laufenden Verwaltungs- und anschließenden Gerichtsverfahrens keine Angaben dazu gemacht, weswegen bei ihnen Mehrbedarfe zu berücksichtigen sein sollten. Diese sind von ihnen zwar der Höhe nach
mit jeweils ca. 50 EUR beziffert worden, jedoch ist von ihnen diesbezüglich keine Substantiierung erfolgt und eine tatsächliche Grundlage für die Annahme von Mehrbedarfen der Kläger auch im Übrigen nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der zuletzt erfolgten, jedoch gänzlich unkonkret gebliebenen und insbesondere für die Veranlassung von Tatsachenermittlungen unzureichenden Benennung von „u.a. Medikamente[n]“ als Grund etwaiger Mehrbedarfe. Soweit die Kläger vortragen, ihnen sei eine konkrete Benennung der im Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 angeblich entstandenen Mehrbedarfe insbesondere aufgrund von in den letzten anderthalb Jahren aufgetretenen Schicksalsschlägen – hier dem Tod naher Angehöriger – sowie dem Erfordernis der Führung von sechs gerichtlichen Eilverfahren im letzten Jahr nicht möglich gewesen, ist dies vor dem Hintergrund des Zeitablaufs in Gänze und der anwaltlichen Vertretung der Kläger in keiner Weise nachvollziehbar.

Soweit die Kläger schließlich mit der Berufung eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleicher Rechte, insbesondere aus Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG rügen, ist von ihnen diesbezüglich kein konkreter Vortrag erfolgt und insoweit auch im Übrigen nichts ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenaufteilung war trotz des teilweisen Obsiegens der Kläger nicht vorzunehmen, da dieses nur einen geringfügigen Teil des Streitgegenstandes betrifft.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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