1. Ein einkommenssteuerrechtlicher Aufgabegewinn nach Betriebsaufgabe unterliegt bei einer freiwilligen Krankenversicherung der Beitragspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
2. Auch nach der Verbindung von Verfahren durch das Sozialgericht ist die Zulässigkeit der Berufung jeweils gesondert zu prüfen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 23. März 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen einer endgültigen Festsetzung von Beiträgen streitig, ob ein einkommenssteuerrechtlicher Aufgabegewinn nach Betriebsaufgabe der Beitragspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung unterliegt.
Der 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Oktober 2007 bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert. Er betrieb in den Räumen des zu gleichen Teilen in seinem und im Eigentum seiner Frau stehenden, ansonsten selbstbewohnten Einfamilienhauses bis zum 1. April 2016 hauptberuflich und danach bis zum 31. Dezember 2020 nebenberuflich eine selbstständige Tätigkeit (Entwicklungsbüro für Soft- und Hardwarelösungen; Aufgabe nach eigenen Angaben ab dem 1. Januar 2021). Bei den gewerblich genutzten Räumen handelte es sich um das Untergeschoss unter der Garage und um die Hälfte einer Doppelgarage des Einfamilienhauses. Seit dem 1. April 2016 bezieht der Kläger eine Altersrente (bis 30. Juni 2020 monatlich 814,34 €, ab dem 1. Juli 2020 monatlich 842,43 €; Rentenanpassungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung [DRV] Bund über die Rentenanpassung vom 1. Juli 2020) und ist seit April 2016 als Rentenbezieher in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten zu 1 pflichtversichert und entsprechend bei der Beklagten zu 2 sozial pflegeversichert.
Die Beklagte zu 1 setzte – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zunächst jeweils vorläufig aufgrund der Mindestbemessungsgrundlage fest. Am 18. Februar 2022 übersandte der Kläger den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes G2 vom 16. Februar 2022 für das Jahr 2020, aus dem hervorgeht, dass er neben Einkünften aus Gewerbebetrieb (Solaranlage) in Höhe von 623 € Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 30.980 € erzielte. Diese setzten sich aus Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von -3.320 € sowie Einkünften aus Veräußerungsgewinnen in Höhe von 79.300 € abzüglich eines Freibetrags für Veräußerungsgewinne in Höhe von 45.000 € zusammen. Nach seinen eigenen Angaben bezieht der Kläger neben seiner Altersrente Zinsen bzw. Entnahmen aus einer privaten Altersvorsorge in Höhe von ca. 325 € monatlich nebst 94 € aus Solarstromeinspeisung.
Mit Bescheid vom 4. März 2022 teilte die Beklagte zu 1 - zugleich im Namen der Beklagten zu 2 - mit, dass sich zum 1. Januar 2020 die Höhe seiner Beiträge geändert habe. Ab dem „01.07.2020“ seien die Einkommensarten inländische Rente und Arbeitseinkommen (Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit) hinterlegt. Auch aus Veräußerungsgewinnen aus selbstständiger Tätigkeit seien Beiträge zu entrichten. Unter Berücksichtigung der beitragspflichtigen Einnahmen (Arbeitseinkommen ohne Altersrente) i.H.v. monatlich 2.633,58 € ergebe sich ab dem „01.07.2020“ ein Monatsbeitrag i.H.v. 480,62 € bzw. ab dem 1. September 2020 i.H.v. 488,52 € (Krankenversicherung i.H.v. 384,50 € bei einem Beitragssatz von 14,6 % und einem Zusatzbeitrag i.H.v. 15,50 € bei einem Beitragssatz von 0,6 % bzw. [nach Erhöhung des Zusatzbeitrags] i.H.v. 23,70 € bei einem Beitragssatz von 0,9 % ab dem 1. September 2020, Pflegeversicherung i.H.v. 80,32 € bei einem Beitragssatz von 3,05 %). Es wurde außerdem mitgeteilt, dass zum 31. Dezember 2020 die Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung für selbst zu zahlende Beiträge ende. Durch die Neuberechnung der Beiträge ergebe sich eine Beitragsnachforderung i.H.v. 4.130,87 €. Dem Bescheid waren die (Berechnungs-)Anlagen zum Beitragszeitraum „01.01.2020 bis 31.12.2020“ beigefügt; hierauf wird Bezug genommen.
Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, der Veräußerungsgewinn nach Betriebsaufgabe sei nur ein fiktiver Gewinn (Übergang von Geschäftsanteil ins Private) und es seien weder Änderungen im Grundbuch vorgenommen noch sei ein Verkaufserlös erwirtschaftet worden, der zum Lebensunterhalt hätte verbraucht werden können. Darüber hinaus beantragte der Kläger mit Schreiben vom 24. Mai 2022 zu prüfen, ob ein Härtefall vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2022 wies der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) seien der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in einem ähnlich gelagerten Fall entscheiden (Bezugnahme auf Urteil vom 18. Januar 2018 - B 12 KR 22/16 R), dass der im Einkommensteuerbescheid festgestellte Aufgabegewinn als Arbeitseinkommen zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten zähle. Derartige Aufgabegewinne seien nach dem maßgeblichen untergesetzlichen Sozialversicherungsrecht beitragspflichtig. Eine Einordnung als Arbeitseinkommen scheide auch nicht etwa deshalb aus, weil es sich bei dem Aufgabegewinn um nachträgliche Einkünfte aus einem steuerrechtlich aufgegebenen Gewerbebetrieb gehandelt habe. Ein solcher Fall liege nicht vor, weil es vorliegend um einen an die Aufgabe als solche anknüpfenden Gewinn gehe, nicht um einen sonstigen, aus Zeiten vor Aufgabe mit dem Unternehmen erwirtschafteten Gewinn. Der im Einkommensteuerbescheid festgestellte Veräußerungsgewinn sei daher als Arbeitseinkommen zu bewerten und als solches beitragspflichtig. Es sei zwar keine Grundbuchänderung vorgenommen und kein Verkaufserlös erwirtschaftet worden. Es sei aber zu einem Vermögenszuwachs im Privatvermögen des Versicherten gekommen. Es liege auch kein Härtefall vor. Nach den eigenen Angaben des Klägers und seiner Ehefrau hätten ihnen im Jahr 2020 10.459,30 € zur Verfügung gestanden. Unterkunft und Heizung seien dabei schon berücksichtigt, ebenso Krankenversicherungsbeiträge und eine Nachzahlung in Höhe von 2.739,31 €. Geteilt durch zwölf Monate ergebe dies 871,61 €, die den Eheleuten monatlich zur Verfügung stünden. Dies sei mehr als der Regelbedarf von 808,00 € für beide Personen.
Hiergegen erhob der Kläger am 17. Juni 2022 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG; Az.: S 8 KR 1459/22) und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, die von ihm gewerblich genutzten Räume seien steuerlich in den Betrieb eingegliedert gewesen und seien deswegen bei Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2020 als Veräußerungsgewinn mit dem aktuellen Wert angesetzt worden. Vorliegend fehle es an der Möglichkeit, den steuerlich ausgewiesenen Veräußerungsgewinn für den Lebensunterhalt verbrauchen zu können. Es handle sich um einen nicht abtrennbaren Teil des Wohnhauses, der weder veräußert noch belastet werden könne. Sein monatliches verfügbares Einkommen betrage 871,61 €. Ziehe man den Regelsatz i.H.v. 808 € hiervon ab, verbleibe eine Differenz von 63,61 € pro Monat. Die Beklagten würden aber monatlich mehr als 300 € nachfordern, sodass er bei einer Nachzahlung sozialhilfebedürftig werde. Sein privates Altersvorsorgevermögen umfasse ca. 50.000 €. Zur weiteren Begründung legte der Kläger unter anderem eine Aufstellung über Kapitalerträge im Jahr 2020 (Bl. 25 ff. der SG-Akte S 8 KR 1459/22) sowie eine eidesstattliche Versicherung (Bl. 36 a.a.O.) hinsichtlich seines Altersvorsorgevermögens, das 49.551,20 € betrage, vor.
Die Beklagten traten der Klage entgegen und verwiesen darauf, dass sich das verfügbare Einkommen des Klägers nach seinen eigenen Angaben auf monatlich 1.209,78 € belaufe (790,78 € Rente + 325 € Zinsen/Altersvorsorge + 94 € Stromeinspeisung).
Mit „Forderungsbescheid“ vom 24. Juni 2022 forderte die Beklagte zu 1 - zugleich im Namen der Beklagten zu 2 - vom Kläger die Zahlung von insgesamt 4.266,87 € (Beitragsforderungen i.H.v. 4.130,87 €, Säumniszuschläge i.H.v. 115,50 € und „Gebühr“ i.H.v. 20,50 €; auf die diesbezügliche Aufstellung in der Anlage des Bescheids wird Bezug genommen). Die Forderungen würden gemäß § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) förmlich festgesetzt werden. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Mit „Forderungsbescheid“ vom 26. Juli 2022 forderte die Beklagte zu 1 - zugleich im Namen der Beklagten zu 2 - wiederum unter Bezugnahme auf § 31 SGB X vom Kläger die Zahlung von nunmehr insgesamt 4.305,37 € (Gesamtrückstand zum 26. Juli 2022; auf die diesbezügliche Aufstellung in der Anlage des Bescheids wird Bezug genommen). Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Am 26. August 2022 erließ die Beklagte zu 1 erneut einen „Forderungsbescheid“ - zugleich im Namen der Beklagten zu 2 - und forderte wiederum unter Bezugnahme auf § 31 SGB X vom Kläger die Zahlung von nunmehr insgesamt 4.392,68 € (Gesamtrückstand zum 26. August 2022 inklusive „Auslagen“ für August 2022 i.H.v. 48,81 €); auf die diesbezügliche Aufstellung in der Anlage des Bescheids wird Bezug genommen). Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Darüber hinaus beantragte der Kläger beim SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutz (S 8 KR 1800/22 ER). Im Erörterungstermin am 30. August 2022 erklärten die Beteiligten das Eilverfahren für erledigt und verglichen sich dahingehend, dass die Beklagten die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. Juni 2022 anerkennen. Im Rahmen des Erörterungstermins gab der Kläger an, dass das betrieblich genutzte Arbeitszimmer über 25 Jahre steuerlich voll abgeschrieben worden sei. Seine Frau und er hätten das Büro immer an ihn vermietet, „also von privat an geschäftlich“; auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom „24.06.2022“ wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2022 zurück. Der rückständige Betrag setze sich wie folgt zusammen: Fällige Beiträge von Februar bis August 2020 in Höhe von monatlich jeweils 320,56 € und von September 2020 bis Januar 2021 in Höhe von jeweils 377,39 € (insgesamt 4.130,87 €). Seit April 2022 seien monatliche Säumniszuschläge i.H.v. 38,50 € angefallen, bis Juni 2022 mithin 115,50 €. Außerdem seien im April 2022 Mahngebühren i.H.v. 20,50 € fällig geworden.
Hiergegen erhob der Kläger am 8. September 2022 Klage beim SG (Az.: S 8 KR 2050/22). Mit Beschluss vom 24. November 2022 verband das SG die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 8 KR 1459/22.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2023 wies das SG „die Klage“ (gemeint: die Klagen) ab und nahm zur Begründung hinsichtlich der Beitragsfestsetzung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2022 Bezug. Der Veräußerungsgewinn nach Betriebsaufgabe unterliege der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung und sei von der Beklagten zu 1 zutreffend festgesetzt worden. Auch eine besondere Härte liege nicht vor. Durch die Verweisung in § 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei eine vollständige Übereinstimmung des Arbeitseinkommens im sozialversicherungsrechtlichen Sinne mit dem Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts hergestellt worden. Es sei eine dynamische Anbindung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an den von den Finanzbehörden festgestellten Gewinn aus solcher Tätigkeit für alle Zweige der Sozialversicherung hergestellt worden. Im Wesentlichen werde daher auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgestellt. Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit seien in der Regel dann anzunehmen, wenn der Erwerbstätige mit Gewinnerzielungsabsicht nachhaltig auf eigene Rechnung und Gefahr am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Bei den Einkünften aus einer selbständigen Tätigkeit seien auch die im Katalog des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten Einkünften gleichgestellten Einkünfte. Ob im Einzelfall Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit vorlägen, ergebe sich aus den §§ 13 bis 18 und §§ 20 bis 24 EStG. Für die Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit könne auf die steuerrechtliche Behandlung zurückgegriffen werden. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählten nach § 16 EStG auch die bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebes oder eines Teilbetriebes erzielten Einkünfte. Zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zählten nach § 18 Abs. 3 EStG auch Gewinne aus einer Veräußerung des Vermögens, das der selbstständigen Tätigkeit diene. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit seien mit Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit gleichzusetzen. Grundsätzlich seien im Steuerrecht gegebene Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten für das Beitragsrecht wegen der mit § 15 SGB IV angestrebten Parallelität von Einkommensteuer- und Beitragsrecht zu übernehmen. Auch soweit bestimmte Einkünfte erst nach Aufgabe des Betriebes anfielen, ordne man sie gleichwohl - wie das Steuerrecht - der selbstständigen Tätigkeit zu. Im Hinblick auf die Erlöse aus der Praxisaufgabe sei auch zu berücksichtigen, dass darin gerade eine Verwertung des bisherigen Arbeitseinsatzes des Praxisinhabers erfolge und der Veräußerungsgewinn daher gerade auch ein Ausdruck der Arbeitsleistung sei. Soweit die Beklagten den steuerrechtlichen Freibetrag in Höhe von 45.000,00 € berücksichtigt hätten, werde dies teilweise in der Literatur nicht für erforderlich gehalten. In § 18 Abs. 3 EStG komme zum Ausdruck, dass Veräußerungsgewinne, die im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit stünden, zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zählten und ein entsprechender Gewinn nach dem EStG zu versteuern sei. Auch die mit Bescheid vom 24. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 festgesetzten Säumniszuschläge und Mahngebühren seien demnach zu Recht erhoben. Auch insoweit verwies das SG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Im Übrigen habe sich der Kläger nicht gegen die Berechnung der Säumniszuschläge und Mahngebühren gewandt.
Hiergegen richtet sich die am 18. April 2023 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, das SG habe die Besonderheit des vorliegenden Falles nicht beachtet, dass der steuerrechtlich ausgewiesene Aufgabegewinn weder für den Lebensunterhalt verbraucht worden sei noch hätte dafür verbraucht werden können. Er habe seine bis zum 1. April 2016 hauptberuflich und danach bis zum „31. März 2020“ nebenberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit in Räumen des zu gleichen Teilen in seinem und im Eigentum seiner Frau stehenden, ansonsten selbstbewohnten Einfamilienhauses ausgeübt. Bei diesen Räumen handle sich um das Untergeschoss unter der Garage und der Hälfte der Doppelgarage. Diese Räume seien steuerlich in den Betrieb eingegliedert gewesen und seien entsprechend den einkommensteuerrechtlichen Regelungen bei Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2020 als Veräußerungsgewinn mit dem aktuellen Wert als Einnahme angesetzt worden. Eine tatsächliche Veräußerung oder Belastung habe jedoch nicht stattgefunden und sei auch aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen. Bei den betrieblich genutzten Räumen handle es sich um einen nicht abtrennbaren Teil des Wohnhauses, der weder selbstständig veräußert noch selbstständig belastet werden könne. Im Gegensatz zum Sachverhalt, der der Entscheidung des BSG (B 12 KR 22/16 R) zugrunde gelegen habe, sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Räumlichkeiten zu veräußern und so die stillen Reserven in Geld zu erlösen (im dortigen Fall sei dies bei einer Gaststätte der Fall gewesen). Da dies bei ihm nicht möglich sei, unterliege der Aufgabegewinn nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Deswegen seien auch keine Säumniszuschläge zu erheben. Im Übrigen scheide die gesonderte Vermietung der Garage aus, da über diese ungehindert das Büro im Keller betreten werden könne und von dort aus die Wohnräume ungehindert erreichbar seien. Das Büro könne nur über die Garage oder über die Wohnung betreten werden. Dies stehe einer gesonderten Vermietung des Büros entgegen. Darüber hinaus verfüge das Büro nicht über sanitäre Einrichtungen, was wegen der Raumhöhe von 2,28 m auch nicht nachgerüstet werden könne. Darüber hinaus sei der steuerrechtliche Veräußerungsgewinn mit zwei Freibeträgen entlastet worden, nämlich 45.000 € Altersgrundfreibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und Steuersatzvergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG, sodass letztlich keinerlei Einkommensteuer hierauf zu zahlen gewesen sei. Der Kläger hat zur weiteren Begründung eine Aufstellung über die Entwicklung des Anlagevermögens vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 (betrieblicher Gebäudeanteil: 46.370,69 €), einen Grundriss und eine Draufsicht bezüglich des Untergeschosses (Unterkellerung Garage mit freiem Durchgang von Wohnraum zum Büro), eine Aufstellung des Finanzamtes G1 zur Ermittlung der Jahresrohmiete (Stand 1. Januar 1994; Untergeschoss, betriebliche/eigengewerbliche Nutzung, 62 qm) sowie zwei Lichtbilder (Garagenansicht und Zugang ins Büro vom Haus) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 23. März 2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2022, soweit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge über den Mindestbeiträgen festgesetzt werden, und die Bescheide der Beklagten vom 24. Juni 2022, 26. Juli 2022 und 26. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2022 aufzuheben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Schreiben vom 1. August 2023 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass er (der Kläger), soweit er sich auf einen Härtefall stütze, einen entsprechenden Nachweis nicht vorgelegt habe. Ein Nachweis über den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit im Rahmen des § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) könne jedoch in der Regel ohne großen Aufwand durch eine Bedarfsbescheinigung des örtlich für diese Leistung zuständigen Trägers erbracht werden. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen entsprechenden Nachweis nicht vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn der Kläger wendet sich mit seinen beiden Klagen gegen die Festsetzung und Forderung von Beiträgen inklusive Säumniszuschlägen und Mahngebühren i.H.v. jeweils mehr als 750 €. Hierbei ist zu beachten, dass auch nach einer (hier vom SG beschlossenen) Verbindung nach § 113 SGG prozessrechtlich jedes Verfahren selbstständig bleibt und die Sachentscheidungsvoraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind. Somit bleibt auch nach der Verbindung von Verfahren die Zulässigkeit der Berufung jeweils gesondert zu prüfen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. März 2021 – L 5 AS 401/19 – juris, Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Februar 2020 – L 3 AS 4066/19 – juris, Rn. 21). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die Berufung hinsichtlich beider Verfahren statthaft, da mit den jeweils streitgegenständlichen Verwaltungsakten (s. hierzu unter 2) jeweils Beitragsforderungen i.H.v. mehr 750 € festgesetzt und festgestellt worden sind.
2. Streitbefangen ist der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2022 (§ 95 SGG), soweit mit diesem die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 über den Mindestbeiträgen festgesetzt wurden. Mit diesem Bescheid setzten die Beklagten die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 1. Januar bis zum 31. Dezember 2020 endgültig in geänderter Höhe fest. Auch wenn im weiteren Text des Bescheids Gesamtbeiträge „ab 01.07.2020“ genannt werden, ergibt sich bereits aus dem zuvor in Fettdruck genannten Regelungssatz („Zum 01.01.2020 hat sich die Höhe Ihrer Beiträge geändert.“) aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch), dass die neue Beitragsfestsetzung bereits ab dem 1. Januar 2020 erfolgen sollte. Auch in den dem Bescheid beigefügten Berechnungsanlagen wird stets als Beitragszeitraum der Zeitraum vom „01.01.2020 bis 31.12.20“ genannt. Zum 1. Juli 2020 erhöhte sich lediglich die Regelaltersrente des Klägers, was sich aus der Rentenanpassungsmitteilung der DRV Bund zum 1. Juli 2020 ergibt. Auswirkungen auf die hier streitige Beitragshöhe hat dies allerdings nicht, zumal die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2020 hierdurch nicht überschritten wird (s. hierzu 3 b) aa)).
Zudem sind (aufgrund des Verbindungsbeschlusses des SG gemäß § 113 Abs. 1 SGG) die Bescheide der Beklagten vom 24. Juni 2022, 26. Juli 2022 und 26. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2022 (§ 95 SGG) streitbefangen. Als den Bescheid vom 24. Juni 2022 insoweit abändernden Bescheid wurden die Bescheide vom 26. Juli 2022 und 26. August 2022 nach § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens. Auch wenn die Beklagten über diese im Widerspruchsbescheid vom 26. August 2022 nicht ausdrücklich entschieden haben, sind sie gleichwohl auch Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden. Denn eine bewusste Beschränkung auf die vom Bescheid vom 24. Juni 2022 geltend gemachte Forderung i.S. einer Teilentscheidung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Juni 2021 – L 4 KR 2341/20 – juris, Rn. 32) wurde im Widerspruchsbescheid nicht getroffen. Bei den - von den Beklagten selbst als solche bezeichneten - Forderungsbescheiden vom 24. Juni 2022, 26. Juli 2022 und 26. August 2022 handelt es sich auch nicht lediglich um Zahlungserinnerungen ohne Regelungsabsicht (s. hierzu BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 KR 5/20 R – juris, Rn. 29). Denn die Beklagten haben bereits aufgrund der Verwendung typischer charakterisierender Merkmale (Bezeichnung als Forderungsbescheid, Bezugnahme auf § 31 SGB X, Rechtsbehelfsbelehrung) erkennen lassen, dass sie jeweils eine Regelung treffen wollten. Die genannten Forderungsbescheide betreffen die Beitragsfeststellung für den Zeitraum Februar 2020 bis Januar 2021 und die Geltendmachung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren für den Zeitraum April bis August 2022.
3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat „die Klage“ (gemeint: die Klagen) zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 zu Recht endgültig neu (dazu a) und in zutreffender Höhe festgesetzt (dazu b). Die Beklagten haben hierbei zu Recht den im Einkommenssteuerbescheid vom 16. Februar 2022 festgesetzten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn als Arbeitseinkommen berücksichtigt. Insoweit sind auch die Bescheide der Beklagten vom 24. Juni 2022, 26. Juli 2022 und 26. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2022 rechtmäßig (dazu c).
a) Die Beklagte zu 1 durfte – auch im Namen der Beklagten zu 2 – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung endgültig neu festsetzen.
aa) Die Beklagte zu 1 war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2 auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung [Pflege-Weiterentwicklungsgesetz] vom 28. Mai 2008, BGBl. I, S. 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die – wie vorliegend – ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1 in den angefochtenen Bescheiden gegeben.
bb) Für die Neufestsetzung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung bedurfte es keiner Aufhebung oder Rücknahme der vorangegangenen Beitragsfestsetzung für den streitbefangenen Zeitraum.
Zuletzt war die Höhe der für den streitbefangenen Zeitraum zu zahlenden Beiträge des Klägers (vorliegend als Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, s. hierzu unter b) vorläufig nach §§ 237 Satz 4, 226 Abs. 2 Satz 3 (in der ab 20. Juli 2021 anzuwenden Fassung), 240 Abs. 4a Satz 1 SGB V i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (in der hier anzuwendenden Fassung vom 20. Juli 2021) festgesetzt worden. Solche vorläufigen Festsetzungen entfalten keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung, sondern erledigen sich i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X mit der formellen endgültigen Festsetzung (BSG, Urteil vom 30. März 2011 – B 12 KR 18/09 R – juris, Rn. 18; Senatsurteil vom 25. September 2023 – L 4 KR 1768/20 – juris, Rn. 27 m.w.N.).
b) Die im Einkommensteuerbescheid vom 16. Februar 2022 für das Jahr 2020 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbetrieb und selbstständiger Tätigkeit i.H.v. 30.980 € sind bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen.
aa) Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel der Krankenversicherung und Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Die Beiträge werden nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 2 Satz 1 SGB XI nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Der Umfang der Beitragspflicht beurteilt sich nach dem Versichertenstatus des Klägers in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden, vorliegend als Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V. Nach § 237 Satz 1 SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 1), der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr. 2) und das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt (Nr. 3). Erreicht der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht - wie vorliegend - die Beitragsbemessungsgrenze, werden nacheinander der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen des Mitglieds bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt (§ 238 SGB V).
§ 237 Satz 4 SGB V bestimmt, dass die Regelungen des § 226 Abs. 2 SGB V entsprechend gelten, sodass nach Abs. 2 Satz 3 für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen § 240 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gilt. Nach § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der GKV einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt. Diesem Regelungsauftrag ist der SpVBdKK durch Erlass der BeitrVerfGrsSz vom 27. Oktober 2008 (zuletzt geändert am 23. Juni 2021) grundsätzlich im Einklang mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 KR 11/20 R – juris, Rn. 11) nachgekommen. Für die Bemessung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung bei Mitgliedern der Pflegeversicherung, die - wie der Kläger - in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (in der hier anzuwendenden Fassung vom 20. Juli 2021) die § 226 Abs. 1, 2 Satz 1 und 3, Abs. 3 und 4 sowie die §§ 227 bis 232a, 233 bis 238 und § 244 SGB V entsprechend. Diese Fassung des § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI bleibt unverändert anwendbar, da der Gesetzgeber die Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. April 2022 (1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17, BGBl. I, S. 1023) in § 55 Abs. 3 SGB XI (in der ab 1. Juli 2023 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege [Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG] vom 19. Juni 2023, BGBl. I, Nr. 155) umgesetzt hat. Die Beitragsbemessung folgt daher - mit Ausnahme der Freibetragsregelung des § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V - den gleichen Regeln wie in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeitrVerfGrsSz werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen, wobei die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen hat. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Arbeitseinkommen ist dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheids zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen (vgl. § 5 Abs. 2 BeitrVerfGrsSz).
Arbeitseinkommen ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (Satz 2). Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der selbstständigen Tätigkeit ist weiter als derjenige des Steuerrechts. Der daraus erzielte Gewinn erfasst die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG und damit u.a. auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der das Arbeitseinkommen bestimmende und nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts festzustellende Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen oder der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 EStG).
Durch diese Verweisung in § 15 Abs. 1 SGB IV wird eine vollständige Übereinstimmung des Arbeitseinkommens im sozialversicherungsrechtlichen Sinne mit dem Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts hergestellt (Senatsurteil vom 25. September 2023 – L 4 KR 1768/20 –, Rn. 32 m.w.N.; Schudmann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, Stand Januar 2022, § 82 SGB VII, Rn. 61). Denn nach der Intention des Gesetzgebers soll eine individuelle Ermittlung des Gewinns unabhängig vom Steuerrecht unterbleiben, um im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die gleichmäßige Ermittlung des Einkommens Selbständiger im Steuer- und Sozialleistungsrecht zu gewährleisten (BT-Drs 12/5700, S. 92). Das Arbeitseinkommen der selbstständig Erwerbstätigen bildet das Gegenstück zum Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) der abhängig Beschäftigten. Beide Begriffe sollen Einnahmen aus Erwerbstätigkeit für das Sozialversicherungsrecht handhabbar machen. Mit der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 SGB IV wurde eine für die Sozialversicherungsträger praktikable dynamische Anbindung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an den von den Finanzbehörden festgestellten Gewinn aus solcher Tätigkeit für alle Zweige der Sozialversicherung und die Arbeitsförderung hergestellt (Fischer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand Juli 2022, § 15 SGB IV, Rn. 21). Damit sollte eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht werden (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 – B 3 KS 3/18 R – juris, Rn. 26; Urteil vom 16. Mai 2001 – B 5 RJ 46/00 R – juris, Rn. 15).
Ausgehend hiervon zählen zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers insbesondere die im Einkommensteuerbescheid für 2020 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit, die als Arbeitseinkommen beitragspflichtig sind (vgl. BSG, Urteile vom 23. September 1999 – B 12 KR 12/98 R – juris, Rn. 13 ff. m.w.N., vom 27. Januar 2010 – B 12 KR 28/08 R – juris, Rn. 15 f., vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – juris, Rn. 18 ff.). Die Beklagten haben daher zu Recht Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 623 € und aus selbstständiger Tätigkeit i.H.v. 30.980 € (insgesamt 31.603 €) berücksichtigt. Ein Zwölftel hiervon beträgt 2.633,58 €. Diesen Betrag haben die Beklagten für das Jahr 2020 zutreffend bei der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Die Beitragsbemessungsgrenze von 4.687,50 € monatlich im Jahr 2020 hat der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Altersrente damit nicht überschritten. Der Gesamtbetrag belief sich im Jahr 2020 auf 3.476,01 € (814,34 € bzw. ab dem 1. Juli 2020 monatlich 842,43 € Altersrente und 2.633,58 € Arbeitseinkommen).
Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem im Einkommensteuerbescheid vom 16. Februar 2022 ausgewiesenen Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i.H.v. 34.300 € (79.300 € abzüglich des auch von den Beklagten anerkannten Freibetrags i.H.v. 45.000 €) um Einkünfte im Sinne des EStG, die im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinne aus selbständiger Tätigkeit sind.
Der im Einkommensteuerbescheid für 2020 festgestellte Aufgabegewinn zählt als Arbeitseinkommen zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers. Zwar erwähnt der Einkommensteuerbescheid ausdrücklich bloß Einkünfte „aus Veräußerungsgewinnen“. Der Kläger hat aber - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht tatsächlich einen Aufgabegewinn im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG erzielt. Derartige Aufgabegewinne sind nach dem maßgeblichen untergesetzlichen Sozialversicherungsrecht beitragspflichtig (BSG, Urteil vom 18. Januar 2018 – B 12 KR 22/16 R – juris, Rn. 11 ff.). Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG zählen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch Gewinne aus der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs. Die Aufgabe des Gewerbebetriebs, die der Kläger spätestens am 31. Dezember 2020 vorgenommen hat, gilt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG wiederum als Veräußerung in diesem Sinne (BSG, a.a.O.). Eine Einordnung als Arbeitseinkommen scheidet auch nicht etwa deshalb aus, weil es sich bei dem Aufgabegewinn um nachträgliche Einkünfte aus einem steuerrechtlich aufgegebenen Gewerbebetrieb handelte. Ein solcher Fall liegt nicht vor, weil es vorliegend um einen an die Aufgabe als solche anknüpfenden Gewinn geht, nicht um sonstigen, aus Zeiten vor Aufgabe mit dem Unternehmen erwirtschafteten Gewinn. Worauf das BSG (a.a.O.) bereits hingewiesen hat, sieht § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einen Abzug von Veräußerungsgewinnen nicht (mehr) vor. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Rechtsauffassung des BSG (a.a.O.) an. Danach verstößt eine Zuordnung des Aufgabegewinns zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers nicht gegen höherrangiges Recht. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs sowie eines Anteils im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3. Werden - wie hier - die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist der gemeine Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG). Die Aufgabe des Gewerbebetriebs ist durch § 16 Abs. 3 EStG der Veräußerung gleichgestellt; in den steuerrechtlichen Auswirkungen bestehen insoweit auch keine Unterschiede (Schallmoser, in: Brandis/Heuermann, EStG, Stand August 2021, § 16 Rn. 450). Diese steuerrechtlichen Gewinne können für die Beitragsfestsetzung in der Höhe herangezogen werden, wie sie im Einkommensteuerbescheid unter Berücksichtigung der Freibeträge ausgewiesen werden (vgl. nur Gerlach in: Hauck/Noftz SGB V, 7. Ergänzungslieferung 2023, § 240 SGB 5, Rn. 59). Damit steht fest, dass Aufgabegewinne generell beitragspflichtig sind (ebenso Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, Stand Dezember 2023, § 240 SGB V, Rn. 31; Fischer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand Juli 2022, § 15 SGB IV, Rn. 35; Schmidt, in: Remmert/Gokel, GKV-Kommentar SGB V, Stand November 2023, d) Arbeitseinkommen, Rn. 35). Die Beitragspflicht scheidet auch nicht deshalb aus, wenn der maßgebliche Einkommensteuerbescheid - wie hier - erst nach der Betriebsaufgabe und damit zu einer Zeit ergeht, zu der keine selbständige Tätigkeit mehr ausgeübt wird (BSG, a.a.O.; Sieben, in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, Stand Mai 2023, 5. Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Gesamteinkommen, Einnahmen zum Lebensunterhalt und beitragspflichtige Einnahmen, S. 106.1).
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz die Auffassung vertritt, der steuerrechtliche Aufgabegewinn könne nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts herangezogen werden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die genannte Regelung stützt das Begehren des Klägers nicht. Zum einen bezieht sich der Passus „die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können“ in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeitrVerfGrsSz bereits nach dem Wortlaut allein auf die in der Regelung unmittelbar zuvor genannten (sonstigen) „Einnahmen und Geldmittel“ und nicht auf das hier vorliegende Arbeitseinkommen, das grundsätzlich der Beitragspflicht unterliegt. Zum anderen erfordert die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen (sonstigen) Einnahmen zwar regelmäßig eine wertende Entscheidung dazu, ob sie dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ausnahmsweise eine besondere eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 KR 11/20 R – juris, Rn. 12 m.w.N.; z.B. nicht beitragspflichtige pflegebezogene Zuwendungen, deren besondere Zweckbestimmung - vergleichbar der früheren Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz - ausschließlich in der Kompensation der konkreten Auswirkungen der Pflegebedürftigkeit liegt, hierzu BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 24/12 R – juris, Rn. 22). Die Regelung nimmt damit lediglich eine vom Sinn und Zweck des § 240 SGB V geforderte Abgrenzung von solchen Geldmitteln vor, die ihrer Zweckbestimmung nach dem allgemeinen Lebensunterhalt dienen, von denjenigen, die eine besondere eigenständige Zweckbestimmung aufweisen und deshalb nicht der Beitragspflicht unterliegen. Das BSG hat jedoch - in enger Auslegung der Regelung - nur zwei Gruppen von Einnahmen von der Beitragspflicht ausgenommen. Das sind zum einen (Sozial-) Leistungen, die der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ nicht für den „allgemeinen“ Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen (vgl. z.B. zum speziellen Pflegebedarf beim Aufenthalt in einer stationären Einrichtung BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 47). Zum anderen sind nicht zu verbeitragen Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 10/12 R – juris, Rn. 21 m.w.N.; s. auch Senatsurteil vom 25. September 2023 – L 4 KR 1768/20 – juris, Rn. 29). Hierzu gehören die Einkünfte aus einem Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn bei Betriebsaufgabe (mangels besonderer eigenständiger Zweckbestimmung) nicht.
Auch der Einwand des Klägers, im Gegensatz zum Sachverhalt, der der Entscheidung des BSG vom 18. Januar 2018 (a.a.O.) zugrunde gelegen habe (dort: Aufgabe einer Gaststätte), bestehe bei ihm die Besonderheit, dass die zuvor betrieblich genutzten Büroräume wirtschaftlich und tatsächlich nicht verwertet werden könnten, überzeugt nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die zuvor (gegenüber dem Finanzamt auch stets als solche bezeichnete und behandelten) Betriebsräume nunmehr in das Privatvermögen des Klägers übergegangen sind und er hierdurch eine wirtschaftliche Besserstellung erfahren hat. Eine Grundbuchänderung ist hierfür nicht notwendig. Dabei ist zu beachten, dass als Anschaffung auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe gilt (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dass der Kläger die betrieblich genutzten Büroräume gegenüber dem Finanzamt auch stets als gesonderte betriebliche Gebäudeteile bezeichnet hat und diese auch dementsprechend steuerrechtlich behandeln ließ, ergibt sich aus seiner bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Anlage „Entwicklung des Anlagevermögens“ vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 („betrieblicher Gebäudeanteil“; „AHK 46.370,69 €“) und den Angaben gegenüber dem Finanzamt G2 für die Ermittlung der Jahresrohmiete 1994 („62qm“; „Büro-Anteil“; „Jahresmiete je qm in DM: 34,20). Auch hat er ausweislich des Protokolls vom Erörterungstermin am 30. August 2022 erklärt, dass das betrieblich genutzte Arbeitszimmer über 25 Jahre steuerlich voll abgeschrieben worden sei und er und seine Frau das Büro immer an ihn, „also von privat an geschäftlich“ vermietet hätten. Durch die Betriebsaufgabe sind diese Räume für ihn wieder privat nutzbar. Dass der Kläger den formalen Wertzuwachs aus tatsächlichen Gründen am Markt nicht realisieren kann oder will, weil es sich um Gebäudebestandteile seines Wohnhauses handelt und die Doppelgarage einen Zugang zum Wohnhaus hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn abzustellen ist allein darauf, dass ein Wertzuwachs im Privatvermögen stattgefunden hat. Denn anderenfalls wären die Beklagten gezwungen, in jedem Einzelfall individuelle Verwertungshindernisse zu berücksichtigen. Dafür gibt der Wortlaut von § 15 Abs. 1 SGB IV aber keinen Anhalt. Dies entspricht auch nicht der gesetzgeberischen Intention, wonach eine individuelle Ermittlung des Gewinns unabhängig vom Steuerrecht unterbleiben soll (BT-Drs 12/5700, S. 92).
Der Aufgabegewinn ist den einzelnen Monaten des Streitzeitraums mit monatlich einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen (BSG, Urteil vom 18. Januar 2018 – B 12 KR 22/16 R – juris, Rn. 19 f.). Dies haben die Beklagten - wie bereits dargelegt - berücksichtigt.
bb) Soweit sich der Kläger auf das Vorliegen eines Härtefalls stützt, überzeugt auch dies nicht. Das BSG (a.a.O., Rn. 25) hat hierbei den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 2 SGB I herangezogen. Der Kläger hat danach nachzuweisen, dass er durch die erhöhten Sozialversicherungsbeiträge hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird. Der von § 51 Abs. 2 SGB I geforderte Nachweis der Hilfebedürftigkeit ist durch den Kläger zu erbringen. Diesen trifft eine Obliegenheit im Sinne einer verstärkten Mitwirkungspflicht. Die schlichte Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist dabei für die Beweisführung grundsätzlich nicht ausreichend (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 12. Januar 2021 – L 5 R 282/20 – juris, Rn. 33 m.w.N.). Der Nachweis über den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit kann im Rahmen des § 51 SGB I in der Regel ohne großen Aufwand durch eine Bedarfsbescheinigung des örtlich für diese Leistung zuständigen Trägers geführt werden. Der Kläger hat trotz schriftlichen Hinweises des Senats einen solchen Nachweis nicht vorgelegt. Nach den von ihm zu seinen Vermögensverhältnissen bislang gemachten Angaben bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Hilfebedürftigkeit. Zum einen hat er angegeben, Miteigentümer eines vollständig abbezahlten Hauses zu sein, zum anderen über ein Aktiendepot und Bargeld zu verfügen, und dass sein privates Altersvorsorgevermögen ca. 50.000 € umfasst.
Die festgesetzte Beitragshöhe ist nicht zu beanstanden. Unter zutreffender Berücksichtigung von 2.633,58 € monatlich als Arbeitseinkommen ergeben sich folgende Beiträge: Krankenversicherung i.H.v. 384,50 € bei einem Beitragssatz von 14,6 % und einem Zusatzbeitrag i.H.v. 15,50 € bei einem Beitragssatz von 0,6 % bzw. i.H.v. 23,70 € bei einem Beitragssatz von 0,9 % ab dem 1. September 2020 sowie Pflegeversicherung i.H.v. 80,32 € bei einem Beitragssatz von 3,05 %. Der Beitragssatz in der Pflegeversicherung beträgt für Versicherte, die wie der Kläger das Elternmerkmal erfüllen, ab 1. Januar 2020 3,05 % (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung des Art. 1 Fünftes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Beitragssatzanpassung vom 17. Dezember 2018, BGBl. I, S. 2587). Diese Vorschrift war bis zur – zum 1. Juli 2023 getroffenen – Neuregelung weiter anzuwenden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 – 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17, BGBl. I, S. 1023).
c) Die Bescheide der Beklagten vom 24. Juni 2022, 26. Juli 2022 und 26. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2022 sind ebenfalls rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
aa) Die mit den genannten Bescheiden festgestellten Beiträge beginnen zutreffend mit Februar 2020 und enden mit dem Monat Januar 2021. Denn nach § 23 Abs. 1 Satz 5 SGB IV i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 BeitrVerfGrsSz sind sie bis zum 15. des dem Beitragsmonat folgenden Monats (Fälligkeitstag) zu zahlen. Von Februar bis Juli 2020 waren nach den unangegriffenen Angaben der Beklagten Beiträge i.H.v. monatlich 320,56 € und von August 2020 bis Januar 2021 i.H.v. monatlich 377,39 € (insgesamt 4.130,87 €) offen.
bb) Die von den Beklagten geltend gemachten Säumniszuschläge sind entstanden und fällig geworden. Die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Säumniszuschlägen ergibt sich aus § 24 Abs. 1 SGB IV. Danach ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, kraft Gesetzes für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Bei einem rückständigen Betrag unter 100 € ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert schriftlich anzufordern wäre. Die Beiträge aus Arbeitseinkommen nach § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 226 Abs. 2, 240 Abs. 1 SGB V werden - wie bereits dargelegt - nach § 23 Abs. 1 Satz 5 SGB IV i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 BeitrVerfGrsSz als „sonstige Beiträge“ spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den sie zu entrichten sind. Da die vorliegend auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 entfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung jedoch erstmals mit Bescheid vom 4. März 2022 festgesetzt wurden, ist eine Fälligkeit am 15. April 2022 zugrunde zu legen, so dass der Kläger mangels Zahlung der Beiträge ab dem 16. April 2022 mit der Beitragszahlung säumig war. Säumniszuschläge fallen daher von Gesetzes wegen ab dem Monat April 2022 an. Der Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 4. März 2022 hatte gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Aufgrund des Vergleichs vom 30. August 2022 in dem Verfahren S 8 KR 1800/22 ER haben die Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache eine aufschiebende Wirkung der Klage anerkannt und keine weiteren Säumniszuschläge erhoben. Vor diesem Hintergrund sind Säumniszuschläge für fünf Monate von April bis August 2022 festzusetzen gewesen. Bei der Berechnung von Säumniszuschlägen sind alle Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige bis zum Ablauf des Fälligkeitstages nicht gezahlt hat, zu addieren, bevor der sich daraus ergebende rückständige Gesamtbetrag auf 50 € nach unten abgerundet wird (BSG, a.a.O., Rn. 11 ff.). Die von den Beklagten zugrunde gelegte Höhe - die vom Kläger im Übrigen nicht angegriffen wird - i.H.v. insgesamt 192,50 € (= 38,50 € x 5) liegt unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Säumniszuschlags von 41 € (1% von [abgerundet] 4.100 €). Die Erhebung von Säumniszuschlägen unterliegt im Übrigen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, a.a.O., Rn. 19).
cc) Die von den Beklagten geltend gemachten Mahngebühren i.H.v. 20,50 € und 48,81 € hat der Kläger nach § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X i.V.m. §§ 14, 31 Abs. 1 und 2 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz zu tragen, da die Beklagte zu 1 eine landesunmittelbare Krankenkasse ist, die sich nicht über mehr als ein Bundesland erstreckt (§ 66 Abs. 3 Satz 3 SGB X), weshalb die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren gelten (vgl. zu den Mahngebühren nach §§ 3 Abs. 3, 19 Abs. 2 S. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 54/10 R – juris, Rn. 14; Urteil vom 23. November 1992 – 12 RK 23/90 – juris, Rn. 15; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Juni 2022 – L 5 KR 581/21 – juris, Rn. 57).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.