L 2 R 1204/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2079/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1204/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. März 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1971 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Industriemechaniker bzw. Techniker (Fachrichtung Maschinenbau) und ist seit 1997 als Konstrukteur versicherungspflichtig beschäftigt. Bis September 2020 arbeitete er diesem Beruf nach eigenen Angaben vollschichtig 7,2 Stunden (36 Stunden pro Woche). Nach einer längeren Arbeitsunfähigkeitsphase bis Januar 2022 aufgrund verschiedener Operationen, zunächst am Rücken und anschließend an der rechten Hüfte, fand dann eine stufenweise Wiedereingliederung statt. Der Kläger hat hierzu weiter angegeben, dass er die Arbeitszeit nur bis zu einem Umfang von täglich 5,4 Stunden habe steigern können. In diesem zeitlichen Umfang arbeitet der Kläger nach wie vor als Konstrukteur, zeitweise im Homeoffice. Auf den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 09.05.2023 (vgl. Bl. 16 ff. LSG-Akte) wird Bezug genommen. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung von 40 (vgl. Rehaentlassungsbericht vom 27.03.2024, Bl. 310 ff. LSG-Akte) festgestellt.

Der Kläger befand sich vom 15.09.2021 bis 06.10.2021 zur stationären orthopädischen Rehabilitation in der S1 Klinik B1. Im Rehaentlassungsbericht vom 06.10.2021 (Bl. 103 ff. VA) wurden folgende Diagnosen angegeben:
1. Zustand nach (Z.n.) dorsaler Verlängerungsspondylodese L3-S1 und intervertebraler Cagefusion L3/4 und L5/S1 am 01.02.2021
2. Z.n. Spondylodese L4-S1 und intervertebraler Cagefusion L4/5 am 18.09.2020
3. chronisches Schmerzsyndrom
4. femoroacetabuläres Impingement rechts (Cam-Impingement)
Die Ärzte der dortigen Klinik kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger leichte Tätigkeiten in einem ausgewogenen Wechsel aus Gehen, Stehen und Sitzen sowie gelegentlichem Heben und Tragen von leichten bis mittelschweren Gegenständen von bis zu 15 kg (maximal 50 % der Arbeitszeit) in rückengerechter Haltung sechs Stunden und mehr verrichten könne. Zu vermeiden seien längere wirbelsäulenflektierende Zwangshaltungen sowie Rotationsbelastungen der Wirbelsäule. Nach Abklingen der akuten Wirbelsäulensymptomatik könne der Kläger voraussichtlich den bisherigen Beruf wieder vollschichtig ausüben.

Am 26.10.2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 540 VA). Zur Begründung gab er u.a. an, dass er mehrmals an der Wirbelsäule und nun auch an der Hüfte operiert worden sei (Bl. 562 VA).

Nach Implantation einer zementfreien Hüfttotalendoprothese rechts am 27.10.2021 absolvierte der Kläger vom 11.11.2021 bis 01.12.2021 eine ganztätige ambulante Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum H1 C1. Im Rehaentlassungsbericht vom 01.12.2021 (Bl. 131 ff. VA) stellten die Ärzte folgende Diagnosen:
1. sekundäre Koxarthrose rechts
2. Implantation zementfreie H-TEP rechts 27.10.2021
In der Leistungsbeurteilung wurde ausgeführt, dass aufgrund der genannten frisch postoperativen orthopädischen Diagnose inkl. Funktionseinschränkung die Entlassung als arbeitsunfähig erfolge. Allein von den Einweisungsdiagnosen her gesehen, ergäben sich aus orthopädischer Sicht folgende Leistungseinschränkungen: Häufige Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung wie kauernder oder vornübergebeugter Haltung, häufige Arbeiten mit Rumpftorsionen, häufige Arbeiten über Kopf oder in Armvorhalte sowie häufiges Ersteigen von Leitern, Treppen oder Gerüsten sowie häufige Arbeiten mit erhöhter Anforderung an Stand- und Gangsicherheit ebenso wie häufige Arbeiten mit erhöhter axialer Stoßbelastung oder erhöhter Vibration sollten dem Kläger nicht zugemutet werden. Man sehe aktuell insgesamt eine drei- bis sechsstündige Leistungsfähigkeit für die letzte berufliche Tätigkeit sowie ein Restleistungsvermögen von drei bis sechs Stunden pro Tag für den allgemeinen Arbeitsmarkt aus orthopädischer Sicht. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollten individuell (z. B. aufgrund des Alters und der Vorgeschichte des Klägers) geprüft werden.

In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 28.12.2021 (Bl. 200-201 VA) führte der  S2 u.a. aus, dass die Leistungsbeurteilung des Rehaentlassungsberichts vom 06.10.2021 plausibel sei, der Beurteilung im Rehaentlassbericht vom 01.12.2021 könne allerdings nicht gefolgt werden. Der Kläger arbeite leicht und überwiegend sitzend. Eine solche Tätigkeit sollte er nach einer Rehabilitation und Rekonvaleszenz von ca. drei bis vier Monaten erreichen können.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 11.01.2022 ab (Bl. 601 VA). Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Denn der Kläger könne nach der medizinischen Beurteilung der Beklagten noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch erhob (Bl. 615/ Bl. 625 ff. VA), wurde er am 03.05.2022 im Auftrag der Beklagten von S2 ambulant untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 12.05.2022 (Bl. 210 ff. VA) folgende Diagnosen:
1. Chronische Lumboischialgie bei Zustand nach Spondylodese L4/L5 mit Cage-Einlage 9/2020, Verlängerungsspondylodese L3/S1, 3 Cages 2/2021, keine radikuiäre Symptomatik
2. Coxarthrose beidseitig, Zustand nach Implantation einer Hüfttotalprothese rechts 10/2021 mit geringen Funktionseinschränkungen
3. Funktionseinschränkung beider Schultergelenke nach arthroskopischer Operation mit subakromialer Dekompression und Resektion des lateralen Clavicuaendes rechts 2008, links 2014
4. Gastroösophageale Refluxerkrankung
Das Leistungsvermögen des Klägers sei auf orthopädischem Fachgebiet noch eingeschränkt, er könne noch leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen vollschichtig verrichten. Es sollten keine Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und keine Arbeiten im Knien oder Hocken verlangt werden.
Ebenso sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Konstrukteur/ Industriemechaniker noch vollschichtig möglich. Der Kläger sei arbeitsunfähig erkrankt durch Operation im September 2020 gewesen und habe bis 28.03.2022 eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell durchgeführt. Seither arbeite er bei seinem bisherigen Arbeitgeber 5,4 Stunden täglich. Es handele sich um eine Tätigkeit überwiegend im Sitzen und Stehen, gelegentlich auch gehend. Eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung der Gehstrecke bestehe ebenfalls nicht. Der Kläger gebe an, noch einen Kilometer zu Fuß zurücklegen zu können. Er sei auch mit eigenem Pkw mobil, er sei heute selbst angereist. Er habe durch den Arbeitgeber einen Parkplatz bekommen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers daraufhin unter Bezugnahme auf das Gutachten von S2, den vom 15.09.2021 bis 06.10.2021 und vom 11.11.2021 bis 01.12.2021 durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2022 (Bl. 648 VA bzw. Bl. 2 SG-Akte) als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Dem Kläger seien noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen, überwiegend im Sitzen, in Tagesschicht und in Früh-/Spätschicht, ohne regelmäßige Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne häufiges Knien oder Hocken regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.

Hiergegen hat der Kläger am 17.08.2022 zum Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erheben lassen. Zur Begründung ist nach Darstellung des Krankheitsverlaufs des Klägers vorgetragen worden (Bl. 45 ff. SG-Akte), dass der Kläger wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es sei der Beurteilung des Leistungsvermögens in dem Rehaentlassungsbericht vom 01.12.2021 zu folgen. Bisher habe sich keine erträgliche Beschwerdefreiheit eingestellt. Dem Gutachten des S2 könne nicht gefolgt werden. Der Kläger hat außerdem den Arztbrief des R1, Klinikum C1, vom 28.10.2022 (in dem folgende Diagnosen genannt werden: Außenmeniskusriss bei 3-4° fem-pat. Gonarthrose links; Therapie: ASK, AM-Teilresektion, Entfernung Osteophyten an der Notch) vorgelegt (vgl. Bl. 56 SG-Akte).

Das SG hat sodann Beweis erhoben durch die Befragung des behandelnden R1 als sachverständigen Zeugen. Dieser hat in seiner Auskunft vom 05.01.2023 (vgl. Bl. 71 ff. SG-Akte) folgende Diagnosen genannt: Z.n. langstreckiger Spondylodese L3-S1 2020/21, Z.n. zementfreier Hüft-TEP rechts 2021, III. bis IV.°Femoropatellararthrose Knie links, Z.n. Innenmeniskusteilresektion Knie links, Z.n. vorderer Kreuzbandplastik Knie links, AC-Gelenkarthrose rechts und Z.n. AC-Gelenkdebridement links 2008. Er behandle den Kläger etwa alle drei Monate und dieser könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gefährdung seiner Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit über sechs Stunden täglich verrichten.

Das SG hat die Klage sodann nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 17.03.2023 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens - insbesondere unter Berücksichtigung des Rehaentlassungsberichts vom 06.10.2021, des im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachtens des S2, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet werde, sowie der Auskunft des R1 an das SG - seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kläger eine leidensgerechte leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Zunächst sei zu beachten, dass der Kläger gemäß seinen Angaben gegenüber dem Gutachter S2 inzwischen wieder in seiner alten Firma in einem zeitlichen Umfang von 5,4 Stunden täglich tätig sei. Diese Tätigkeit erfolge nach Angaben des S2 auch nicht auf Kosten der Restgesundheit. Die bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers im Bereich der Wirbelsäule und der Hüft- und der Schultergelenke bedingten qualitative Einschränkungen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen verrichten. Nicht zumutbar seien Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, das Heben und Tragen von Lasten mit einem Gewicht über 10 kg sowie Arbeiten im Knien oder Hocken. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne der Kläger eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden verrichten.
Aus den genannten qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens ergebe sich weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Eine Einschränkung der rentenrelevanten Wegefähigkeit liege bereits deswegen nicht vor, weil der Kläger einen Führerschein besitze und ihm ein PKW zur Verfügung stehe (vgl. Gutachten des S2).
Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht notwendig. So habe zum einen der behandelnde R1 entgegen den Ausführungen des Klägers bei seiner Leistungseinschätzung nicht nur die Hüftgelenksproblematik berücksichtigt. Dies ergebe sich schon aus den von ihm genannten Diagnosen, die bei Beweisfrage 2 wie folgt aufgeführt worden seien: „- Z.n. langstreckiger Spondylodese L3-S1 2020/21 - Z.n. zementfreier Hüft-TEP rechts 2021 - III. bis IV.° Femoropatellararthrose Knie links - Z.n. Innenmeniskusteilresektion Knie links - Z.n. vorderer Kreuzbandplastik Knie links - AC-Gelenkarthrose rechts - Z.n. AC-Gelenkdebridement links 2008“.
Soweit sich der Kläger insbesondere auf den Rehaentlassungsbericht vom 01.12.2021 stütze, sei diese Beurteilung für das Gericht nicht überzeugend. Es werde darin nicht dargelegt, weshalb über die genannten qualitativen Einschränkungen hinaus das Leistungsvermögen für eine leidensgerechte Tätigkeit nur drei bis unter sechs Stunden betragen solle. Der Sachverhalt sei hinreichend aufgeklärt; weitere Beweiserhebungen seien von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Der Kläger hat gegen den seiner Bevollmächtigten am 23.03.2023 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid am 24.04.2023, einem Montag, Berufung zu Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erheben lassen. Zur Begründung sind zunächst erneut ausführlich der aktuelle Gesundheitszustand und die erfolgten Behandlungen dargelegt worden (vgl. Bl. 20 ff. LSG-Akte). Weiter ist vorgetragen worden, dass man im SG-Verfahren beantragt habe, den behandelnden R1 nochmals zu befragen, was nicht erfolgt sei.

Mit Schreiben vom 18.08.2023 hat der Kläger aktuelle Befundberichte seiner behandelnden Ärzte und Therapeuten vorgelegt.

Der E1 hat in einem psychodiagnostischen Befundbericht vom 18.07.2023 (Bl. 38 bis 45 LSG-Akte) u.a. ausgeführt, dass die neurokognitiven Beeinträchtigungen beim Kläger in der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit und des Grades der Behinderung berücksichtigt werden sollten. Bislang seien die neuromentalen Funktionen und Fertigkeiten nicht in Zusammenhang mit dem chronischen Schmerzsyndrom betrachtet worden. Das hier gezeigte Leistungsbild stehe jedoch in Einklang mit veröffentlichten Studien zum Einfluss von chronischen Schmerzen auf die kognitiven Funktionen, insbesondere Aufmerksamkeit, exekutiven Funktionen und Gedächtnis. Diese kognitiven Beeinträchtigungen sollten bei der Beurteilung der sozialen und beruflichen Teilhabe mitberücksichtigt werden.

Der R2 hat am 20.07.2023 (Bl. 46 f. LSG-Akte) erklärt, dass sich insgesamt schwere Erkrankungen auf dem orthopädischen Fachgebiet, mit deutlicher Einschränkung der Mobilität und Beweglichkeit zeigten, was zu einer deutlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Privaten und im Arbeitsleben führe. Der Kläger sei nur in der Lage, selbst leichte Tätigkeiten im Zeitrahmen von unter sechs Stunden, auszuführen.

Der S3 (Bl. 48-50 LSG-Akte) hat in seinem Bericht vom 09.08.2023 ausgeführt, dass er den Kläger einmalig am 05.07.2023 untersucht habe. Dieser sei aus schmerztherapeutischer Sicht nahezu austherapiert. Weitere therapeutische Maßnahmen führten lediglich zur einer minimalen Modulation seiner Schmerzintensität und aktuellen Schmerzstabilisation, aber nicht mehr zur völligen Genesung. Daher könne auch in Zukunft nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich durch irgendeine therapeutische Maßnahme sich vollständig erhole und in seinem Beruf wieder einsetzbar sein werde.

Die C2 hat am 10.08.2023 mitgeteilt (Bl. 51-52 LSG-Akte), dass der Kläger seit 07.06.2023 bei ihr in Behandlung sei. Er sei in der Verrichtung seiner täglichen Aufgaben deutlich eingeschränkt. Die Teilhabe am Arbeits- sowie Sozialleben sei bereits nicht in vollem Umfang möglich.

Die ursprünglich zuständige Berichterstatterin des 4. Senats hat mit den Beteiligten am 22.08.2023 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Hier hat der Kläger u.a. erklärt, dass er derzeit täglich zwischen 5 und 5,4 Stunden arbeite. Er sei in der Konstruktion von Maschinen für die Pharmazie tätig, dort im Bereich von Spritzen. Er sei immer wieder einzelne Tage krankgeschrieben; es sei aber nicht so, dass er für einen längeren Zeitraum krankgeschrieben gewesen wäre, aber immer wieder einzelne Tage. Es sei durchaus so, dass er Angst habe, den Arbeitsplatz zu verlieren. Er habe zum Glück einen sehr guten Arbeitgeber, der ihm alle möglichen Hilfsmittel zur Verfügung stelle wie beispielsweise einen höhenverstellbaren Schreibtisch, eine ergonomische Maus, ein Headset u.ä. Daheim sei er auch dementsprechend mit Unterstützung des Arbeitgebers ausgestattet. Die Arbeit mache ihm sehr großen Spaß. Er würde sehr gerne so, wie es jetzt sei, weiterarbeiten. Es stünden aber weitere Eingriffe an und er müsse Schmerzmittel nehmen. Er sei inzwischen auch im Alltag auf Unterstützung angewiesen. Es sei ein Pflegegrad 1 festgestellt worden. Er würde daher gerne eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bekommen. Die Klägervertreterin hat in diesem Termin zudem darauf hingewiesen, dass durch das SG Heilbronn in einem Verfahren gegen das Versorgungsamt Gutachten bei R3 und N1 in S4 in Auftrag gegeben worden seien.

Der vormals zuständige 4. Senat hat sodann den R3 und den N1, beide R4 Kliniken, S4, mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt (Bl. 76 und 79 LSG-Akte ) und beide Ärzte gebeten, hierbei die bereits im Rahmen der ambulanten Untersuchung des Klägers im laufenden Verfahrens vor dem SG Heilbronn gegen das Land Baden-Württemberg (- S 15 SB 2141/21 -) erhobenen Befunde zu berücksichtigen.

N1, der den Kläger am 22.09.2023 für die Begutachtung im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens untersucht hat, hat in seinem Rentengutachten vom 09.11.2023 folgende Diagnosen gestellt:
1. Dorsalgie (Rückenschmerz) mit leichter funktioneller Einschränkung ohne radikuläre Symptomatik bei deutlicher Spondylosis deformans (Ansatzverkalkung an den Wirbelkörpern) ventral und rechts lateral betont der Brustwirbelkörper (BWK) 6 bis 12 bei vermehrter Vorwärtskrümmung der mittleren Brustwirbelsäule von 52° und dezenter Rotationsseitverbiegung von 6' im Bereich der oberen Brustwirbelsäule.
2. Lumboischialgie (Lenden-Bein-Schmerz) beidseits mit deutlicher funktioneller Einschränkung ohne Hinweise für eine radikuläre Symptomatik bei Zustand nach Spondylodese (Versteifungsoperation) der Segmente LWK 3 bis SWK 1 mit einem Stab-Schrauben-System von dorsal und Implantation von MetallCages in den Zwischenwirbelräumen LWK 3/4, LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 im September 2020 und Februar 2021 aufgrund einer Osteochondrose LWK 4/5 und Anschlussdegeneration LWK 3/4 sowie einer lumbosakralen Übergangsstörung mit Teilsakralisierung des Querfortsatzes LWK 5 links und Ausbildung eines Gelenkes zwischen dem Querfortsatz und dem Kreuzbein sowie einer leichten Anschlussdegeneration mit Bandscheibenvorwölbungen und mäßigen Spondylarthrosen (Abnutzungen der kleinen Wirbelgelenke) in den Segmenten LWK 1/2 und LWK 2/3 ohne Kompression von Nervenwurzeln sowie Berühren der dorsalen Dornfortsätze LWK 2/3 (Morbus Baastrup) bei Fehlhaltung mit vermehrter Rückwärtskrümmung und dezenter Seitverbiegung der oberen Lendenwirbelsäule.
3. Omalgien (Schultergelenkschmerzen) beidseits mit dezenter funktioneller Einschränkung bei Zustand nach Dekompressions-Operation mit Entfernung des äußeren Anteils des Schlüsselbeines beidseits 2008 und 2015 aufgrund fortgeschrittener Schultereckgelenkarthrosen beidseits mit noch leichtgradiger Ansatztendinose (Texturstörung der Sehne) des oberen Schultergrätenmuskels und der langen Bizepssehne rechts mit aktueller Reizung der langen Bizepssehne rechts und degenerativer Veränderung des Ansatzes an der Gelenklippe.
4. Durchbaute Mittelhandfraktur des 4. Strahles rechts nach Unfall und Operation in den Anfang 2000-er Jahren ohne funktionelle Einschränkung.
5. Stabiles ellenseitiges Seitenband des Daumengrundgelenkes rechts nach Operation in 10/2012 ohne funktionelle Einschränkungen.
6. Koxalgie (Hüftgelenksschmerz) rechts bei Zustand nach Implantation einer zementfreien Hüft-Totalendoprothese rechts 10/2021 ohne Hinweise auf eine Lockerung oder Ansatzverkalkungen mit bestmöglichem funktionellem Ergebnis.
7. Koxalgie (Hüftgelenksschmerz) links mit leichter funktioneller Einschränkung bei beginnender Koxarthrose Grad I bis II nach Kellgren und Lawrence (Abnutzung des Hüftgelenkes) bei Cam-Impingement (Einklemmsymptomatik zwischen Schenkelhals und Gelenkpfanne) sowie Tendinopathie (Texturstörung der Sehne) am Ansatz des großen und kleinen Rollhügels und am Sitzbein links.
8. Gonalgie (Kniegelenksschmerz) links mit mäßiger Funktionseinschränkung, insbesondere bei der Beugung, bei dezenter innenbetonter Gonarthrose Grad I nach Kellgren und Lawrence und Retropatellararthrose Grad II nach Kellgren und Lawrence (Abnutzung des inneren Kompartiments des Kniegelenkes und der Gelenkfläche hinter der Kniescheibe) sowie Zustand nach vorderer Kreuzband-Ersatzplastik 11/2000 und zweimaliger Arthroskopie des linken Kniegelenkes 11/2008 und 10/2022 mit Entfernung von Narbengewebe und Außenmeniskus-Teilresektion sowie Knorpelglättung.
9. Rezidivierende belastungsabhängige Gonalgie (Kniegelenksschmerz) rechts ohne funktionelle Einschränkung bei leichter medial betonter Gonarthrose Grad I bis II nach Kellgren und Lawrence und dezenter beginnender Retropatellararthrose Grad I nach Kellgren und Lawrence (Abnutzung des inneren Kompartiments des rechten Kniegelenkes und der Gelenkfläche hinter der Kniescheibe).
Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aus orthopädischer Sicht aufgrund der Gesundheitsstörungen im Bereich der Brustwirbelsäule sowie der Lendenwirbelsäule mit insgesamt deutlichen qualitativen Leistungsfähigkeit schwere und mittelschwere Tätigkeiten mit ständigem Sitzen, Stehen oder Gehen auszuschließen seien. Zu vermeiden seien ebenfalls Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 5 kg, Zwangshaltungen (zum Beispiel Rotation unter Lastaufnahme), Tätigkeiten in Reklination sowie häufigem Vorbücken, Heben von Lasten aus dem Bücken und Knien heraus, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefährdung, Tätigkeiten mit Gehen auf unebenem Gelände, Tätigkeiten mit schweren Erschütterungen und Vibrationen, insbesondere axialen Stoßbelastungen sowie Tätigkeiten mit Steigen und Klettern und Tätigkeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen ohne Schutzkleidung. Aufgrund der Gesundheitsstörungen im Bereich beider Schultergelenke seien Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 10 kg sowie Tätigkeiten über Schulterniveau und Tätigkeiten mit Armvorhalt unter Lastaufnahme zu vermeiden.
Aufgrund der Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Hüftgelenkes mit Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes bestehe eine leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit, sodass schwere und überwiegend mittelschwere Tätigkeiten mit ständigem und überwiegendem Gehen und Stehen nicht mehr ausgeübt werden können. Auszuschließen seien zudem Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 10 kg, Tätigkeiten mit Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit tiefem Sitzen, Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen und häufigem Bücken, Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Standsicherheit und Gehen auf unebenem Gelände, Tätigkeiten im Hocksitz, Tätigkeiten mit Vibrationsbelastung sowie Tätigkeiten mit Stoßbelastungen und Tätigkeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen ohne Schutzkleidung. Aufgrund der Gesundheitsstörung im Bereich des linken Kniegelenkes mit leichter Einschränkung der Leistungsfähigkeit seien Tätigkeiten mit ständigem und überwiegendem Gehen und ständigem Stehen, Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 10 kg, Ersteigen von Leitern und Gerüsten, häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen, Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Standsicherheit und Gehen auf unebenem Gelände, Tätigkeiten mit Klettern und Steigen sowie Tätigkeiten im Knien oder Hocksitz und Tätigkeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen ohne Schutzkleidung zu vermeiden.
Noch möglich seien aus orthopädischer Sicht leichte körperliche Tätigkeiten, zeitweise im Gehen und Stehen, überwiegend im Sitzen in Wechselbelastung mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von maximal 5 kg, gelegentliches Bücken, gelegentliches Treppensteigen sowie Bewegungsabläufen. Es sei auf einen mit einer wechselnden ergonomischen Arbeitsplatzeinrichtung, insbesondere mit höhenverstellbaren Arbeitsplatz zu achten. Die Tätigkeiten sollten unter temperierten Bedingungen weitgehend in geschlossenen Räumen stattfinden.
Der Kläger sei nach alledem nach gutachterlicher Einschätzung auf dem orthopädischen Fachgebiet in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch für mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe aus orthopädischer Sicht nicht und lasse sich durch Befunde oder Gesundheitsstörungen auf dem orthopädischen Fachgebiet nicht begründen.
Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger außerdem in der Lage täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von weniger als 20 Minuten zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Bei der Überprüfung des Gehvermögens könne der Kläger eine Gehstrecke von 500 Metern inklusiv vier kurzer Pausen innerhalb von 10 Minuten und 26 Sekunden bewältigen. Das Gangbild sei zügig und flüssig an zwei Unterarmgehstützen. Eine Schmerzsymptomatik oder eine Schwindelsymptomatik werde nicht beklagt. Das Abrollen der Füße sei dynamisch. Es fänden sich zwar deutliche strukturelle Veränderungen und deutliche Funktionseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die insgesamt aber nicht so ausgeprägt seien, dass sie eine Einschränkung der Gehfähigkeit von 500 Metern innerhalb von weniger als 20 Minuten begründeten. Ebenso sei der Kläger in der Lage öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Der Einstiegssimulator für den öffentlichen Nahverkehr habe der Kläger sicher bewältigt. Das Einsteigen und Aussteigen inklusiv Hinsetzen und Wiederaufstehen werde innerhalb von 62 Sekunden bewältigt. Insgesamt bestünden auf dem orthopädischen Fachgebiet keine Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit des Klägers, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen.
Der Kläger habe zudem angegeben, er fahre sehr gerne Fahrrad und habe sich auf Empfehlung ein E-Bike mit tiefem Einstieg zugelegt. Er habe das E-Bike in diesem Sommer häufiger benutzt und sei auch ein paar Mal von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte gefahren. Die Strecke betrage einfach 15 Kilometer. Er habe einen Führerschein und fahre noch regelmäßig Auto, allerdings nur ein Automatik-Fahrzeug. Er habe von seinem Arbeitgeber auf dem Firmengelände einen Behinderten-Parkausweis bekommen, sodass er dort überall auf dem Firmengelände parken könne und so den kürzesten Weg vom Auto in das Firmengebäude habe.
Auch bei der Befragung zum Tagesablauf habe der Kläger angegeben, dass er gerne Fahrrad fahre, er habe sich, wie oben beschrieben, ein E-Bike zugelegt, mit dem er jetzt im Sommer mit seiner Frau auch häufiger unterwegs gewesen sei. Er sei den J1-Radweg gefahren, dies sei eine Strecke von circa 25 Kilometer gewesen, er hätte aber zwischendurch häufiger Pausen eingelegt und dafür zwei bis zweieinhalb Stunden benötigt. Als weiteres Hobby habe er angegeben, dass er gerne mit Legosteinen baue und er habe verschiedene Baukästen mit Lego-Technik. Er sei gerade dabei, ein Porsche-Modell zusammen zu bauen, das circa 4000 Teile habe. Da er nicht mehr so lange am Stück bauen könne, brauche er circa zwei bis drei Wochen, bis er so ein Modell zusammengebaut habe.
Der Kläger habe weiter ausgeführt, dass er morgens circa zwischen 4.00 und 4.30 Uhr aufstehe, da er dann aufwache, er benötige gar keinen Wecker mehr dafür. Er schlafe auch recht unruhig. Er gehe dann ins Bad und wasche sich, zunächst den Kopf und putze die Zähne. Dann trinke er einen Kaffee, nehme aber zuerst die Medikamente ein. Wenn er im Homeoffice arbeite, könne es sein, dass er manchmal schon gegen 5.00 Uhr mit seiner beruflichen Tätigkeit beginne, meistens beginne er aber erst gegen 6.00 Uhr, da er morgens seine Zeit für sich brauche, bis er in die Gänge komme. Zunächst arbeite er eine bis anderthalb Stunden, stempele dann aber wieder aus, da er eine Pause brauche. Er habe seine Homeoffice-Tage so gelegt, dass er während dieser Zeit auch seine Termine in der Physiotherapie und Ergotherapie oder auch Arzt-Termine wahrnehmen könne. Circa zweimal in der Woche sei er in der Firma, dort fange er zwischen 6.00 und 7.00 Uhr an zu arbeiten und arbeite mit Pausen bis 14.00 oder 15.00 Uhr. In der Firma versuche er, keine so langen Pausen zu machen und es so zu regeln, sodass er bereits gegen 13.00 Uhr fertig sei. Er lege sich dann lieber zuhause hin.
Am Nachmittag helfe er manchmal seinen Kindern bei den Hausaufgaben, wenn sie Fragen in Mathematik und Physik hätten. Manchmal laufe er auch gerne eine Runde im Ort, um sich etwas an der Luft zu bewegen. Wenn seine Frau freitagmittags zuhause sei, gehe er auch einmal mit seiner Frau eine Runde spazieren. Ansonsten übe er sein Hobby mit Zusammenbauen von Lego-Modellen aus. Ab und zu schaue er abends Fernsehen, aber meistens Dokumentationssendungen. Zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr gehe er hoch ins Schlafzimmer, versuche dann aber noch etwas zu lesen. Dies habe aber in letzter Zeit deutlich nachgelassen, da er nicht mehr die Konzentration habe. Er hoffe, dass er dann irgendwann einschlafe, schlafe aber insgesamt sehr unruhig.
Seit dem Beginn seiner Erkrankung habe es stark nachgelassen, dass er mit Freunden oder Bekannten weggehe, er könne nicht mehr in eine Wirtschaft gehen und auf einen Stuhl sitzen, deshalb habe er auch diese Kontakte eingeschränkt. Er habe zwar noch Kontakt über Telefon, WhatsApp oder mache auch mal einen Besuch, allerdings habe er dies eingeschränkt. Er sei Mitglied in einem Verein, in dem der Hammeltanz organisiert werde, dieses Fest finde einmal im Jahr statt. Er führe in dem Verein die Kasse und sei vom Gesamtverein der Kassenprüfer. Er habe aber gemerkt, dass ihn diese Tätigkeit auch belaste und er deshalb kürzertreten müsse.
Am Wochenende oder in der Freizeit gehe er gerne mit seinen Kindern ins Schwimmbad, da er dann auch seine Wassergymnastik durchführen könne. Er habe in diesem August einen Urlaub für zwei Wochen in der Türkei gemacht. Im Jahr 2022 sei er im Urlaub in Kroatien gewesen, allerdings mit Zwischenstopp in Österreich. Er habe auf der Fahrt dorthin aber mehrere Pausen einlegen müssen.

R3 hat den Kläger neurologisch-psychiatrisch sowie schmerzmedizinisch für das Verfahren S 15 SB 2141/21 am 17.08.2023 untersucht und in seinem Gutachten für das vorliegende Rentenverfahren vom 18.12.2023 (Bl. 230 ff. LSG-Akte) folgende Diagnosen gestellt: eine leichte, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und ein leichter, chronischer Nervenwurzelschaden S 1 rechts.
Der Gutachter hat weiter ausgeführt, dass der Kläger ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit aus neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischer Sicht noch leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten ausführen könne. In Übereinstimmung mit N1 solle der Kläger keine Lasten mehr mit einem Gewicht von mehr als 10 kg heben bzw. tragen und die eben genannten Tätigkeiten sollten vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt werden. Zwangshaltungen der Wirbelsäule, wie dies zum Beispiel beim Bücken oder bei knienden Tätigkeiten der Fall sei, sollten vermieden werden. Arbeiten auf Leitern oder auf Gerüsten seien angesichts der Schmerzsymptomatik, aber auch wegen des leichten, chronischen Nervenwurzelschaden S 1 rechts nicht mehr leidensgerecht. Treppensteigen sei jedoch noch zumutbar. Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sollten vermieden werden, während Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen nicht grundsätzlich auszuschließen seien. Arbeiten an Büromaschinen oder an Computertastaturen könnten noch verrichtet werden. Tätigkeiten in der Früh- bzw. in der Spätschicht kämen noch in Frage, während Nachtschichten aufgrund der Gefahr des Auftretens von Schlafstörungen zu vermeiden seien. Eine durchschnittliche Inanspruchnahme des Gehörs sei noch möglich. Durchschnittliche Anforderungen an das Sehvermögen seien noch leidensgerecht; Publikumsverkehr ebenfalls noch zumutbar. Eine besondere geistige Beanspruchung mit hoher oder höherer Verantwortung, wie dies zum Beispiel beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen der Fall sei, könnten dem Kläger noch auferlegt werden. Hinsichtlich weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen werde auf das orthopädisch-sozialmedizinische Gutachten von N1 verwiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten unter Beachtung der genannten Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Der Kläger könne viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 Meter bei einem Zeitaufwand von jeweils maximal 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Zum Tagesablauf befragt, habe der Kläger u.a. berichtet, noch in der Lage zu sein, sich am Becken zu waschen, einmal wöchentlich ein Meersalzbad zu nehmen, gelegentlich zu duschen, fernzusehen, Radio zu hören, Automodelle, wie zum Beispiel einen Porsche, aus Legosteinen zu basteln (für ein Fahrzeug benötige er circa zwei bis drei Tage, wobei er sich dann täglich für circa vier Stunden mit seinem Hobby beschäftige), gelegentlich Sportstadien aufzusuchen, Theateraufführungen am Wohnort zu besuchen, ins Kino zu gehen, seinen Geburtstag mit Gästen zu feiern, Urlaubsreisen zu unternehmen, mit Hilfe seines Computers „Online-Banking" zu machen, ein Kraftfahrzeug zu führen, mit seinem E-Bike zu fahren (im Sommer sei er hiermit zwei- bis dreimal unterwegs gewesen und habe dabei innerhalb von zwei Stunden 25 bis 30 Kilometer zurückgelegt), mit Hilfe einer Unterarmgehstütze Spaziergänge von ca. einem Kilometer zu unternehmen, ein Schwimmbad aufzusuchen, gelegentlich zu Fuß zu seinem Elternhaus oder auf den Friedhof zu gehen, einen Freizeit- und Vergnügungspark („T1") zu besuchen, als Schriftführer des Vereins „M1" tätig zu sein und sich mehrmals zur Vorbereitung des traditionellen „Hammeltanzes" mit den Mitgliedern dieses Vereins zu treffen. In Bezug auf Urlaubsreisen habe der Kläger berichtet, dass er für den August 2023 eine Flugreise in die Türkei geplant habe.

Mit Schreiben vom 12.04.2024 ist ein Rehaentlassungsbericht vom 27.03.2024 vorgelegt worden. Danach hat sich der Kläger vom 12.02.2024 bis 15.03.2024 zur stationären Rehabilitation in der Klinik S5 in S6 befunden. Die Ärzte der dortigen Klinik haben im Rehaentlassungsbericht folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
2. Dysthymia I F 3 4 1 III
3. Chr. LwS-Syndrom bei Z. n. dorsaler Spondylodeses 12-S1, mehrfache OPs 9/2020, 2/2021
4. Chr. Omalgien und Bewegungseinschränkung bds. bei Omarthrose und Z.n. Impingementsyndrom re., Z.n. ASK bds.
5. Chr. Gonalgien li.>re. bei Gonarthrose bds., ASK li., bei Z n. vorderem Kreuzbandriss 2010 und Meniskusläsion
Die Ärzte haben weiter ausgeführt, dass der Kläger regulär und arbeitsunfähig zur Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung entlassen worden sei, die man zum 02.04.2024 mit dem Arbeitgeber vereinbart habe. Leistungsfähigkeit in Bezug auf die derzeitige sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bestehe für drei bis unter sechs Stunden täglich. Zumutbar im Sinne eines positiven Leistungsbildes seien leichte körperliche Arbeiten in zeitweise gehender und stehender und überwiegend sitzender Arbeitshaltung in Tag- oder Früh-/Spätschicht, aufgrund der depressiven Verstimmungen nicht in Nachtschicht. Einschränkungen im Sinne eines negativen Leistungsbildes ergäben sich aus psychotherapeutischer Sicht aufgrund vermindertem Anpassungs- und Umstellungsvermögen, reduzierter Wiederstands- und Selbstbehauptungsfähigkeit. Arbeitsfelder mit erhöhten Anforderungen in diesen Bereichen (Zeit- und Termindruck, engmaschiger Teamarbeit, Personalverantwortung, Publikumsverkehr) sollten daher vermieden werden. Einschränkungen im Sinne eines negativen Leistungsbildes ergäben sich aus somatischer Sicht aufgrund der Beschwerden und Einschränkungen an der LWS, beide Schultern, beide Kniegelenke, beide Hüftgelenke und Fibromyalgie, sodass zu vermeiden sind: ständiges/überwiegendes Stehen/Gehen, ständiges Sitzen, Heben/Tragen/Bewegen von schweren/mittelschweren Lasten, Einnehmen von Zwangshaltungen, überkopfarbeiten, ständiges/wiederholtes Arbeiten in HWSInklination/Reklination oder Rotation, ständiges/wiederholtes Bücken, Hocken, Knien, Hüpfen, ständiges/wiederholtes Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, Haltungs- und Bewegungsstereotypen oder -monotonien, häufiges Gehen auf unebenem Gelände oder auf hartem Untergrund, Tätigkeiten, die insbesondere Anforderungen an die volle Gebrauchsfähigkeit beiden Armen und bzw. Finger stellen, Nässe-, Kälte- und Zuglufteinwirkungen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schätze den Kläger für drei bis sechs Stunden leistungsfähig ein. Aus somatischer Sicht werde eine orthopädische Begutachtung zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Anschluss an den stationären Reha-Aufenthalt empfohlen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schätze man den Kläger unter den genannten Einschränkungen ebenfalls für drei bis unter sechs Stunden täglich leistungsfähig ein.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. März 2023 sowie den Bescheid vom 11. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Entscheidungen und die Stellungnahmen ihres sozialmedizinischen Dienstes.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG Heilbronn vom 17.03.2023 und der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsverfahren. Der Senat kann sich nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht mehr in der Lage ist, einer leichten körperlichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr nachzugehen. Wie das SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass keine so weitreichenden Einschränkungen bestehen, als dass das Leistungsvermögen des Klägers hier auf unter sechs Stunden herabgesunken ist.

Zu einem anderen Ergebnis führen insbesondere auch nicht die Ermittlungen im Berufungsverfahren. Vielmehr haben auch die von Amts wegen eingeholten Gutachten des N1 und des R3 ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestätigt.

Beim Kläger bestehen auf orthopädischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule (N1 hat hier folgende Diagnosen gestellt: Dorsalgie mit leichter funktioneller Einschränkung, Lumboischalgie mit bereits deutlicher funktioneller Einschränkung, im Bereich der Schulter [hier liegt eine Orsalgie beidseits mit dezenter funktioneller Einschränkung], im Bereich der Hüfte [hier sind eine Koxalgie rechts bei Zustand nach Implantation einer zementfreien Hüft-Totalendoprothese rechts und Koxalgie links mit leichter funktioneller Einschränkung] und im Bereich der Kniegelenke [hier liegen eine Gonalgie links mit mäßiger funktioneller Einschränkung sowie rezidivierende belastungsabhängige Gonalgie rechts ohne funktionelle Einschränkung bei leichter medial betonter Gonarthrose vor]). Diese Erkrankungen bedingen qualitative Einschränkungen dahingehend, dass nur noch leichte körperliche Tätigkeiten, zeitweise im Gehen und Stehen, überwiegend im Sitzen in Wechselbelastung mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von maximal fünf kg, gelegentliches Bücken, gelegentliches Treppensteigen sowie Bewegungsabläufen möglich sind. Zudem sollte auf einen mit einer wechselnden ergonomischen Arbeitsplatzeinrichtung ausgestatteten Arbeitsplatz geachtet werden und die Tätigkeiten sollten unter temperierten Bedingungen weitgehend in geschlossenen Räumen stattfinden. Eine quantitative Leistungseinschränkung lässt sich aus den Erkrankungen gerade nicht ableiten.
Die Ausführungen von N1 sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf unter Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht. Er hat eine ausführliche Anamnese erhoben, hat den Kläger umfassend zu seinen Beschwerden, seiner Biographie und Krankheitsgeschichte, der aktuellen Tätigkeit, seinem Tagesablauf und zur aktuellen Therapie befragt und einen umfassenden orthopädischen Befund erhoben. Hierbei hat er u.a. umfangreiche Beweglichkeitsprüfungen der Wirbelsäule, der oberen und unteren Extremitäten und eine UItraschalluntersuchung der Schultergelenke durchgeführt sowie Röntgenbefunde der HWS, BWS und LWS, sowie der Schulter-, Ellenbogen- Hand-, Hüft- und Kniegelenke sowie eine Beckenübersichtaufnahme erhoben und diese beurteilt. Der Senat hat daher - entgegen den Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung - keinen Anlass an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde, der ausführlichen Darstellung der Krankheitsgeschichte und dem Tagesablauf des Klägers sowie an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung von N1 auf orthopädischem Fachgebiet zu zweifeln.

Gleiches gilt auch für das neurologisch- psychiatrisch- schmerztherapeutische Gutachten von R3. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehen eine leichte, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und ein leichter, chronischer Nervenwurzelschaden S 1 rechts. Auch R3 hat - auch unter Berücksichtigung der Beurteilung auf orthopädischem Fachgebiet durch N1 - lediglich folgende quantitativen Einschränkungen festgestellt: Der Kläger soll keine Lasten mehr mit einem Gewicht von mehr als 10 kg heben bzw. tragen und die eben genannten Tätigkeiten sollen vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt werden. Zwangshaltungen der Wirbelsäule, wie dies zum Beispiel beim Bücken oder bei knienden Tätigkeiten der Fall sei, sollen vermieden werden. Arbeiten auf Leitern oder auf Gerüsten sind angesichts der Schmerzsymptomatik, aber auch wegen des leichten, chronischen Nervenwurzelschaden Si rechts nicht mehr leidensgerecht. Treppensteigen ist jedoch noch zumutbar. Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sollen vermieden werden, während Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen nicht grundsätzlich auszuschließen sind. Arbeiten an Büromaschinen oder an Computertastaturen können noch verrichtet werden. Tätigkeiten in der Früh- bzw. in der Spätschicht kommen noch in Frage, während Nachtschichten aufgrund der Gefahr des Auftretens von Schlafstörungen zu vermeiden sind. Eine durchschnittliche Inanspruchnahme des Gehörs ist noch möglich. Durchschnittliche Anforderungen an das Sehvermögen sind noch leidensgerecht; Publikumsverkehr ebenfalls noch zumutbar. Eine besondere geistige Beanspruchung mit hoher oder höherer Verantwortung, wie dies zum Beispiel beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen der Fall ist, können dem Kläger noch auferlegt werden.
Auch die Ausführungen von R3 sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Hand-, Hüft- und Kniegelenke sowie eine Beckenübersichtaufnahme erhoben und diese beur-teilt. Der Senat hat - entgegen den Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung - auch keinen Anlass an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde, der ausführlichen Da-stellung der Krankheitsgeschichte und des Tagesablaufs des Klägers sowie an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung von R3 zu zweifeln. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf unter Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht. Der Gutachter hat eine umfassende Testung (Becksches Depressionsinventar, Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung [KAI]), Freiburger Persönlichkeitsinventar, Schmerzfragebogen der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V., Hospital Anxiety and Depression Scale - Deutsche Version [HADS-D], Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest [MWT]) durchgeführt, die Fragebogen ausgewertet und die Ergebnisse umfassend dargestellt. Darüber hinaus sind verschiedene apparative Untersuchungen (Elektroenzephalographie; ektrophysiologische Untersuchungen [Elektroneurographie und Elektromyographie]) durchgeführt und deren Ergebnisse beurteilt worden. Zuletzt hat R3 einen ausführlichen neurologischen sowie einen psychischen Befund erhoben. Hierbei hat der Kläger während der Exploration offen, gesellig, höflich und konzentriert gewirkt, die an ihn gerichtete Fragen hat er prompt und bereitwillig beantwortet. Die Antriebslage wird als unauffällig beschrieben, die Stimmungslage streckenweise subdepressiv. Beim Besprechen angenehmer Themen ist es aber rasch zu einer Stimmungsaufhellung gekommen. Das Kurz- und das Langzeitgedächtnis haben während der Begutachtung keine Einschränkungen aufgewiesen. Die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsdauer sind ungestört gewesen, im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung hat der Gutachter keine Einschränkungen feststellen können. Diese Einschätzung deckt sich nach Überzeugung des Senats mit dem sowohl bei N1 geschilderten als auch von R3 erhobenen Tagesablauf des Klägers, wonach dieser u.a. berichtet hat, noch in der Lage zu sein, sich am Becken zu waschen, einmal wöchentlich ein Meersalzbad zu nehmen, gelegentlich zu duschen, fernzusehen, Radio zu hören, Automodelle, wie zum Beispiel einen Porsche, aus Legosteinen zu basteln (für ein Fahrzeug benötige er circa zwei bis drei Tage, wobei er sich dann täglich für circa vier Stunden mit seinem Hobby beschäftige), gelegentlich Sportstadien aufzusuchen, Theateraufführungen am Wohnort zu besuchen, ins Kino zu gehen, seinen Geburtstag mit Gästen zu feiern, Urlaubsreisen zu unternehmen, mit Hilfe seines Computers „Online-Banking" zu machen, ein Kraftfahrzeug zu führen, mit seinem E-Bike zu fahren (im Sommer sei er hiermit zwei- bis dreimal unterwegs gewesen und habe dabei innerhalb von zwei Stunden 25 bis 30 Kilometer zurückgelegt), mit Hilfe einer Unterarmgehstütze Spaziergänge von ca. 1 km zu unternehmen, ein Schwimmbad aufzusuchen, gelegentlich zu Fuß zu seinem Elternhaus oder auf den Friedhof zu gehen, einen Freizeit- und Vergnügungspark („T1") zu besuchen, als Schriftführer des Vereins „M1" tätig zu sein und sich mehrmals zur Vorbereitung des traditionellen „Hammeltanzes" mit den Mitgliedern dieses Vereins zu treffen. In Bezug auf Urlaubsreisen hat der Kläger berichtet, dass er für den August 2023 eine Flugreise in die Türkei geplant habe.
Diese Gestaltung des Alltags des Klägers lässt für den Senat insbesondere keine Anhaltspunkte erkennen, die eine rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Belastungsvermögens aufgrund der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet für leichte Tätigkeiten begründen könnten.

Der Senat ist nach alledem der Überzeugung, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten mit den festgestellten qualitativen Einschränkungen, aus denen sich auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ableiten lässt, noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar verrichten kann, zumal der Kläger nach wie vor täglich 5,4 Stunden (also nur unwesentlich weniger als sechs Stunden) arbeitet und nach seinen Angaben im Erörterungstermin auch keine längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten bestehen.

Gestützt wird die Leistungseinschätzung von R3 und N1 durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von S2 sowie den Rehaentlassungsbericht vom 06.10.2021, in denen ebenfalls von einem noch mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen worden ist. Nicht überzeugen vermag den Senat, wie auch schon das SG, die Leistungseinschätzung im Rehaentlassungsbericht vom 01.12.2021, in dem eine Reduzierung des quantitativen Leistungsvermögens auf drei bis unter sechs Stunden festgestellt worden war. Diese Einschätzung sieht der Senat durch das Gutachten von N1 als wiederlegt an, der hierzu ausgeführt hat, dass für diese Einschätzung keine Begründung gegeben worden sei. Insbesondere die im Rehaentlassungsbericht dokumentierten Befunde begründeten keine Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit. Allein die Funktion des damals frisch operierten Hüftgelenkes sei noch deutlich eingeschränkt gewesen. Hierbei sei allerdings zu beachten, dass der weitere Heilungsprozess nachweislich zu einem bestmöglichen Behandlungsergebnis geführt habe.

Auch aus den Aussagen der behandelnden Ärzte ergibt sich nichts Anderes. Diese sieht der Senat, soweit ihnen überhaupt eine andere Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens entnommen werden kann, durch die eingeholten Gutachten als widerlegt an. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige grundsätzlich ein höherer Beweiswert als der Einschätzung der behandelnden Ärzte zukommt (vgl. hierzu Hessisches LSG Urteil vom 04.09.2019 - L 6 R 264/17 - juris Rn. 85; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 10.03.2011 - L 3 R 545/06 - juris, Rn. 48; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 04.02.2002 - L 10 B 30/01 SB - juris, Rn. 5). Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Zu keinem anderen Ergebnis führt auch der zuletzt vorgelegte Rehaentlassungsbericht vom 27.03.2024, indem zwar sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch von einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen ausgegangen wird. Zunächst lässt sich keine so wesentliche Verschlechterung im Vergleich zu den Untersuchungen bei R3 und N1 entnehmen als dass von einem (auf Dauer) herabgesenkten quantitativen Leistungsvermögen ausgegangen werden kann, denn im Rehaentlassungsbericht werden im Wesentlichen dieselben Diagnosen genannt. Insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizieren die dortigen Ärzte ebenfalls „nur“ eine chronische Schmerzstörung und eine Dysthymia. Es werden außerdem ähnliche qualitative Einschränkungen wie in den zuvor eingeholten Gutachten genannt, warum allerdings sich hieraus ein auch zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen ergeben soll, wird nicht weiter begründet, zumal unter Punkt 4.4.1 ausdrücklich eine Diskrepanz zwischen den geschilderten Beschwerden und dem allgemein erhobenen psychischen Befund beschrieben wird, wonach keine schweren Einschränkungen sondern eine leicht gedrückte, eher gereizte Stimmung beschrieben wird. Nicht zuletzt wird eine Wiedereingliederung in die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, deren Umfang nur gering unter sechs Stunden liegt, empfohlen. Auch hier erfolgt keine ausreichende Begründung, warum eine geringfügig höhere tägliche Arbeitszeit nicht mehr möglich sein soll.

Es ist beim Kläger auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine spezifische Leistungsbehinderung feststellbar (vgl. BSG Urteil vom 01.03.1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr. 117 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 30.11.1982 - 4 RJ 1/82 - SozR 2200 § 1246 Nr. 104), noch war der Arbeitsmarkt für den Kläger nicht nachweislich rentenbegründend verschlossen. Insbesondere war die Erwerbsfähigkeit des Klägers auch nicht aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit oder dem Erfordernis betriebsunüblicher Pausen - beeinträchtigt.

Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Wegefähigkeit des Klägers rentenrelevant eingeschränkt ist (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - juris Rn. 21 m.w.N.). Da ein Minimum an Mobilität zur Ausübung einer Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs, die in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich ist, erforderlich ist (vgl. BSG Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200, § 1247 Nr. 10; Urteil vom 09.08.2001- B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864, § 13 Nr. 2), gehört zur Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auch die Fähigkeit des Versicherten, viermal am Tag Wegstrecken von (mehr als) 500 m Länge mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. BSG Urteil vom 17.12.1991, - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200, § 1247 Nr. 10). Dass dies für den Kläger nicht (mehr) möglich ist, ergibt sich nicht aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen. Sowohl im Gutachten von N1 als auch von R3 und im Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren von S2 wird die Wegefähigkeit ausdrücklich bejaht. N1 hat im Rahmen der ambulanten Untersuchung hierzu auch eine Überprüfung des Gehvermögens vorgenommen, in deren Rahmen der Kläger eine Gehstrecke von 500 Metern inklusive vier kurzer Pausen innerhalb von 10 Minuten und 26 Sekunden bewältigen konnte, hierbei ein zügiges und flüssiges Gangbild an zwei Unterarmgehstützen gezeigt hat und eine Schmerzsymptomatik oder eine Schwindelsymptomatik nicht beklagt worden ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; SozR 3-2600 § 44 Nr. 10), so dass die Wegefähigkeit auch bei (regelmäßiger) Nutzung von Gehstützen dennoch gegeben ist. Ebenso ist der Kläger in der Lage öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Im Rahmen der Begutachtung bei N1 konnte der Kläger den Einstiegssimulator für den öffentlichen Nahverkehr sicher bewältigen und hat für das Einsteigen und Aussteigen inklusiv Hinsetzen und Wiederaufstehen 62 Sekunden benutzt. Nicht zuletzt verfügt der Kläger über einen Führerschein und ein Fahrzeug, das er derzeit regelmäßig nutzt und so seinen derzeitigen Arbeitsplatz erreicht. Die zumutbare Nutzung eines Kraftfahrzeugs schließt eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit aus (BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - juris, Rn. 20).

Der Kläger benötigt nach Überzeugung des Senats auch keine zusätzlichen Pausen. Es mag zwar sein, dass aufgrund der bestehenden Erkrankung häufigere Ruhepausen notwendig sind. Es ist den vorliegenden medizinischen Unterlagen aber nicht zu entnehmen, dass diese ein Maß erreicht hätten, das nicht durch die nach dem Arbeitszeitgesetz zustehenden Pausen (nach § 4 Arbeitszeitgesetz steht vollschichtig tätigen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten zu, die auch in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden können) sowie die sog. persönlichen Verteilzeiten (hierbei handelt sich um Zeitanteile, die nicht für den Arbeitsprozess selbst verwendet, aber dennoch als Arbeitszeit gerechnet werden, z.B. für persönliche Verrichtungen, Toilettengänge, Erholungs- und Entspannungszeiten außerhalb der Pausen; vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.02.2015 - L 1 R 55/14 - juris Rn. 63 m.w.N.) abgedeckt werden können.

Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Der Senat sieht den Sachverhalt durch die in zweiter Instanz eingeholten Gutachten sowie das Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren und die vorliegenden Rehaentlassungsberichte als umfassend aufgeklärt an.

Nach alledem besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht schon deshalb nicht, weil der Kläger 1971 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).    


 

Rechtskraft
Aus
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