L 2 R 3520/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 1349/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 3520/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Die 1966 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Bäckereifachverkäuferin, war in diesem Beruf sieben Jahre und sodann seit September 1989 (Bl. 74 eVA) bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit als Maschinenführerin versicherungspflichtig tätig.

Die Klägerin war ab 12.07.2017 arbeitsunfähig erkrankt und bezog nach Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber Krankengeld bis zur Aussteuerung und im Anschluss hieran vom 13.02.2019 bis 05.09.2020 Arbeitslosengeld. Im Anschluss hieran sind Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug im Versicherungsverlauf der Klägerin gespeichert. Wegen der Einzelheiten der rentenrechtlich relevanten Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 05.07.2021 (Bl. 193 ff. SG-Akte und vom 22.01.2024, Bl. 268 ff. Senats-Akte) Bezug genommen.

Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 50 seit 20.11.2018 anerkannt.

Im April 2014 wurde bei der Klägerin, nachdem sie auf dem rechten Auge Doppelbilder sah, ein Meningeom (gutartiger Tumor) im Kleinhirn festgestellt und operativ teilweise entfernt (Kraniotomie und Tumorexstirpation, Ärztlicher Bericht der Neurochirurgische Klinik, Uniklinik H1, vom 30.04.2014, Bl. 150 ff. SG-Akte, OP-Bericht Bl. 149 SG-Akte). Vom 30.07.2014 bis 02.09.2014 befand sich die Klägerin zur multimodalen Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik S1, Abteilung Neurologie (Diagnosen: Z. n. OP eines links postzentral gelegenen Meningeoms WHO Grad I Falx 4/4 ohne neurologische Residuen bei Verbleiben einer diskreten Abduzensparese [Augenmuskellähmung] links, depressive Episode bei Verdacht auf Persönlichkeitsakzentuierung), aus der sie mit der ärztlichen Einschätzung entlassen wurde, sie könne leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verrichten (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 03.09.2014, Bl. 3 ff. eVA, Stand 08.01.2024).

Nachdem sich die Doppelbilder verschlechterten und Dysästhesien im Bereich der linken Gesichtshälfte (leichte Trochlearisparese) entstanden, wurde bei der Klägerin im Juni 2017 mittels MRT eine Größenprogredienz des Meningeoms mit nun Kontakt zum Nervus (N.) trigeminus festgestellt (vgl. Befundbericht der Neurochirurgischen Klinik, Uniklinik H1 vom 28.06.2017, Bl. 155 SG-Akte) und am 10.08.2017 eine operative Teilresektion des Tumors über einen retrosigmoidalen Zugang durchgeführt (vgl. OP-Bericht Neurochirurgische Klinik, Uniklinik H1 vom 13.08.2017, Bl. 156 f. SG-Akte). Dabei zeigte sich eine extradurale knöcherne Meningeomkomponente, die in den Trigeminuskanal hineinzog. Außerdem zeigte sich ein Gefäß-Nerven-Kontakt der Arteria cerebelli superior anterior mit dem N. trigeminus, weshalb eine mikrovaskuläre Dekompression nach Janetta mit Einlage einer Gore-Tex-Plastik erfolgte.
Vom 23.08.2017 bis 04.10.2017 befand sich die Klägerin zur Anschlussheilbehandlung in der Fachklinik für Prävention und Rehabilitation (Abteilung u.a. für Neurologie) des S2 Gesundheitszentrums W1, aus der sie bei weiter bestehenden Doppelbildern mit einer leichten Trochlearisparese und diskreter Abduzensparese links sowie zeitweilig bestehenden minimalen Dysästhesien in der linken Gesichtshälfte mit der ärztlichen Einschätzung entlassen wurde, sie könne leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Arbeitshaltung sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verrichten (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 02.10.2017, Bl. 13 ff. eVA, Stand 08.01.2014).

Nachdem bildgebende Untersuchungen vom 30.01.2018 (CT und MRT, Bl. 55 eVA, Stand 08.01.2024) einen Meningeomrest im linken Kleinhirnbrückenwinkel mit breitbasigem Kontakt zum li. N. trigeminus und zur Iinken A. caorits interna zeigten, wurde vom 09.02.2018 bis 20.03.2018 eine additive Protonenstrahlentherapie des Kleinhirnbrückenwinkels durchgeführt (Ärztlicher Bericht der Uniklinik H1 vom 20.03.2018, Bl. 55 f. eVA, Stand 08.01.2024).

Ein am 07.05.2018 und am 27.08.2018 durchgeführtes MRT des Schädels zeigte das bekannte flächenhaft wachsende bzw. „en plaque“ wachsende Meningeom am Vorderrand des linken Kleinhirnbrückenwinkels ohne signifikante Befundprogredienz des Restmeningeoms ventral des linken Kleinhirnbrückenwinkels sowie Suszeptibilitätsartefakte kaudal des linken Trigeminus-Hauptstammes vereinbar mit postoperativen Veränderungen nach Dekompression (vgl. Bericht des P1 vom 09.05.2018, Bl. 60 f. eVA, Stand 08.01.2024) bzw. unverändert geringe, wohl postoperative Suszeptibilitätsartefakte kaudal des linken Trigeminus-Hauptstammes (vgl. Bericht des K1 vom 27.08.2018, Bl. 64 f. eVA, Stand 08.01.2024).

Die Klägerin befand sich vom 06.11.2018 bis 11.12.2018 in stationärer Rehabilitationsbehandlung in der Rehaklinik K2, Fachklinik für Neurologie und Orthopädie, aus der sie unter den Diagnosen Meningeom-OP 2017 im Kleinhirnbrückenwinkel links mit leichter Störung im Trigeminus-Versorgungsgebiet links, Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, Lumboischialgie links, Bandscheibenvorfall L4/5 ohne Wurzelreizsyndrom und mit der ärztlichen Einschätzung eines Leistungsvermögens für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche entlassen wurde (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 18.12.2018, Bl. 33 ff. eVA, Stand 08.01.2024). Qualitative Leistungseinschränkungen bestünden für einseitige Belastungen der Wirbelsäule, ständige Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen sowie überwiegende Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Als überdauerndes Defizit nach Behandlung des Kleinhirnbrückenwinkeltumors bestehe eine leichte sensible Störung im Trigeminus-Versorgungsgebiet links, sonst kein sicheres fokales Defizit.

Die Klägerin stellte sich im März und April 2019 in der Spezialsprechstunde der Neurochirurgischen Klinik der Uniklinik H1 vor und berichtete dort über eine, seit Oktober 2018 neu aufgetretene einschießende, Sekunden anhaltende und durch Trinken, Kauen, Schlucken und Berührung getriggerte Schmerzsymptomatik in die Augen/Stirnregion und die Wange links (Ärztliche Berichte vom 13.03.2019 und 30.04.2019, Bl. 127 ff. eVA, Stand 08.01.2024, Bl. 83 ff., 60 f. SG-Akte), die sie bislang mit entsprechend geringem Effekt lediglich mit Ibuprofen behandelt habe. Die Schmerzattacken träten täglich zahlreich auf. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bestand kein sensibles Defizit in allen Trigeminusästen, die Schmerzausstrahlung projizierte sich auf den 1. und 2. Ast links. Das aktuelle MRT des Schädels zeigte keine Änderung des Tumors im linken Kleinhirnbrückenwinkel, „der mit seinen verkalkten Anteilen den Trigeminus erheblich nach kranial auslenkt und abplattet und den Eingang zum Cavum meckeli erheblich einengt“ (vgl. Ärztlicher Bericht vom 30.04.2019, MRT-Befund vom 08.04.2019, Bl. 69 f. SG-Akte). Zudem zeigte sich eine Gefäß-Nerven-Konflikt zwischen der linken Suca und dem ipsilateralen N. trigeminus (Bl. 69 SG-Akte).

Der P2 berichtete am 24.06.2019 von einer Cephalgie links bei Trigeminopathie mit Z. n. mikrovaskulärer Dekompression und Meningiomextirpation im Kleinhirnbrückenwinkel und einer Lumboischialgie links bei Nervenwurzelreizung (Befundbericht vom selben Tag, Bl. 115 eVA, Stand 08.01.2024, Bl. 50 SG-Akte).

Die Klägerin wurde, nachdem sich bildgebend ein Bandscheibenvorfall gezeigt hatte, am 26.09.2019 an der LWS L4/5 operiert (vgl.  Bericht Uniklinik W2 vom 26.09.2019, Bl. 133 ff. eVA, Stand 08.01.2024). Vom 16.10.2019 bis 06.11.2019 befand sie sich zur Anschlussheilbehandlung in der M1 Klinik H2 (Diagnosen: Lumbaler Bandscheibenvorfall LWK 4/5 links, Z. n. EILF LW4/5 links, Sequestrektomie, Nukleotomie, petroclivales Meningeom links, Trigeminusneuralgie links, Z. n. mikrovaskulärer Dekompression, Z. n. additiver Protonentherapie im Kleinhirnbrückenwinkel links) und wurde von dort mit der ärztlichen Leistungseinschätzung entlassen, sie könne leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche und in wechselnder Körperhaltung verrichten (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 08.11.2019, Bl. 77 ff. eVA, Stand 08.01.2024). Qualitative Einschränkungen bestünden für das Heben und Tragen von schweren Lasten über zehn kg, für Arbeiten in dauerhaft gebückter Körperhaltung, häufige Zwangshaltungen an der Wirbelsäule und häufige Überkopfarbeiten.

Am 07.10.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 97 ff., 293 ff. eVA, Stand 08.01.2024).

Gestützt auf die sozialmedizinische Stellungnahme des J1 vom 04.12.2019 (Bl. 163 eVA, Stand 08.01.2024), wonach die Klägerin unter Berücksichtigung des letzten Reha-Entlassungsberichtes noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mindestens sechs Stunden verrichten könne, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16.12.2019 (Bl. 281 eVA, Stand 08.01.2024) ab.

Im April 2020 zeigte sich mittels Bildgebung ein Rezidiv-Bandscheibenvorfall auf Höhe L4/5 links, der im Mai 2020 operativ versorgt wurde (dorsoventrale Korrektur L4/5 mit Fixateur interne L4/5, TLIF L4/5 von links mit interkorporeller Interposition eines Spongiosa-Beckenkammblut-Gemisches, vgl. Ärztlicher Bericht der N1Kliniken vom 25.05.2020, Bl. 36 f. SG-Akte). Postoperativ zeigte sich eine deutliche Besserung der Beschwerden bei weiterhin noch geringen Restschmerzen im linken Vorfuß und problemlosen mobilisieren mit Rollator (vgl. Auskunft N1-Kliniken vom 07.08.2020, Bl. 33 ff. SG-Akte).

Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung der sozialmedizinischen Stellungnahme des J1 vom 12.02.2020 (Bl. 93 eVA, Stand 08.01.2024) mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2020 (Bl. 405 ff. eVA, Stand 08.01.2024) zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 02.06.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben.

Das SG hat die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
P2 hat mit Schreiben vom 05.08.2020 (Bl. 31 ff. SG-Akte) mitgeteilt, dass die Klägerin über eine Gefühlsstörung sowie Schmerzattacken im linken Gesichtsbereich entsprechend der ersten beiden Trigeminusäste sowie linksseitige Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Rück- und Außenseite des Oberschenkels geklagt habe. Es liege eine Cephalgie links bei Trigeminopathie mit Z. n. mikrovaskulärer Dekompression und Meningiomextirpation im Kleinhirnbrückenwinkel sowie Lumboischialgie links bei Nervenwurzelreizung durch Bandscheibenvorfall vor. Zusätzlich zu ihren Trigeminusschmerzen und den ausstrahlenden Rückenschmerzen habe sich bei der Klägerin durch die beiden Kopfoperationen eine verringerte psychomotorische Leistungsfähigkeit eingestellt, die man auch als psychovegetatives Erschöpfungssyndrom oder Neurasthenie bezeichne. Er halte die Klägerin für körperlich leichte, nervlich wenig belastende Tätigkeiten im Rahmen einer Fünf- Tage-Woche täglich für maximal drei Stunden arbeitsfähig, dies seit mindestens Juni 2019.
Der S3 hat mit Schreiben vom 14.08.2020 (Bl. 38 f. SG-Akte) mitgeteilt, dass er die Klägerin nach der OP im Mai 2020 nicht mehr gesehen habe.
Der G1 hat mit Schreiben vom 07.08.2020 (Bl. 43 ff. SG-Akte) mitgeteilt, dass er die Klägerin seit 2014 behandele und sich im Verlauf der Behandlung keine Besserung des Gesundheitszustandes eingestellt habe. Sie leide weiterhin unter massiven Schmerzen im Trigeminus-Versorgungsgebiet links, Kribbeln, Schwindelanfällen, Sprachstörungen, Gedächtnisproblemen und seit der Wirbelsäulen-OP habe sie immer noch Schmerzen im Wirbelsäulenbereich. Längere Gehstrecken seien für sie nicht durchführbar. Sie könne nur kurzzeitig stehen oder gehen. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte ist die Beklagte durch Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der B1 vom 28.10.2020 entgegengetreten (Bl. 106 ff. SG-Akte).

Das SG hat von Amts wegen das Gutachten des K3, Neurochirurgische Klinik der Uniklinik H1 vom 12.04.2021 (Bl. 124 ff. SG-Akte) eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin am 23.03.2021 folgende Diagnosen gestellt hat: symptomatische Trigeminusneuralgie links V1 und V2, Rückenschmerzen im Lumbosakralbereich, Iliosakralgelenksyndrom beidseits, links größer als rechts; „nebenbefundlich, d.h. ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit“: Hypästhesie/ Hypalgesie im L5-Dermatom links als Ausdruck eines Residuums nach Bandscheibenprolaps, Epicondylitis medialis links. K3 hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass folgende qualitative Leistungseinschränkungen vorlägen: generell und auf Dauer für Tätigkeiten im Bereich schwerer und mittelschwerer Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, dauerndes Sitzen, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord und Fließbandarbeit (aufgrund der einliegenden Spondylodese lumbal), keine Arbeiten („dauerhafte Vermeidung“) unter nervlicher Belastung, in Kälte/Wärme, unter Einfluss von Staub, Gasen, Dämpfen, und Nässe sowie Arbeiten an laufenden Maschinen (begründet durch die Trigeminusneuralgie). Zurzeit bestehe allein schon aufgrund der Schmerzsymptomatik des Iliosakralgelenkes eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit für alle Tätigkeiten. Diesbezüglich sei aber auch noch keine spezifische Therapie erfolgt, unter der eine deutliche Besserung erwartet werden könne. Das Iliosakralgelenk bedürfe der Behandlung (Möglichkeiten: Infiltrationstherapie, Physiotherapie, Thermokoagulation, Neuromodulation, Spondylodese-OP). In wie weit die Trigeminusneuralgie eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit für jedwede Tätigkeiten triggere, sei von ihm derzeit nicht zu beantworten, da einerseits kein Schmerzkalender geführt werde - somit ein objektivierbarer Nachweis über die Intensität und Häufigkeit der Schmerzattacken fehle - und andererseits auch hier weitere erfolgversprechende Therapiemöglichkeiten (Neuromodulation) nicht ausgeschöpft seien. Bzgl. der Trigeminusneuralgie solle die Konsultation bei einem operativ tätigen Schmerzspezialisten erfolgen, um die Möglichkeiten einer neuromodulatorischen Therapie zu prüfen. Ferner solle die Versicherte einen Schmerzkalender führen. Derzeit seien keine Tätigkeiten ohne Gefährdung der Restgesundheit möglich. Der Therapieerfolg bzgl. Iliosakralgelenk und Trigeminusneuralgie müsse abgewartet werden. Komme es hier zu einer Besserung seien leichte Arbeiten (Tätigkeiten wie Handhaben leichter Werkstücke und Werkzeuge, Tragen von weniger als zehn kg, Bedienen leichtgehender Steuerhebel und Kontroller oder ähnlicher mechanisch wirkender Einrichtungen) unter Vermeidung von langem, dauernden Stehen, d.h. Arbeiten in wechselnder Körperposition Position (Sitzen, Stehen, Gehen), vorstellbar. Die endgültige Einschätzung, ob dies erreicht werden könne, solle in frühestens acht Monaten erfolgen. Mit einer Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht vor Ablauf von acht Monaten zu rechnen. Die derzeitigen Alltagsaktivitäten der Klägerin würden zeigen, dass sie in der Lage sei, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Meter in jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Das Führen eines Fahrzeugs sei ihr nicht möglich, da sie selbst das Autofahren vermeide, da sie bei einer Trigeminusattacke nicht situationsgerecht auf den Verkehr reagieren könne und ihre Selbsteinschätzung der Lage glaubhaft und nachvollziehbar sei. Die Trigeminusneuralgie sei seit 10/2018 aktenkundig (s. u.a. Ambulanter Arztbrief, B2, Neurochirurgie, Uniklinikum H1, 13.03.2019). Der Rückenschmerz in der starken Ausprägung, so wie er sich in der Untersuchung vom 23.03.2021 gezeigt habe, bestehe nach anamnestischer Angabe seit ca. Anfang Februar 2021. Nach Aktenlage (G1, Allgemeinmedizin, 07.08.2020) hätten nach der Spondylodese-OP aber weiter Rückenschmerzen bestanden, die allerdings nie auf das Iliosakralgelenk bezogen, sondern als residuelle Schmerzen nach OP gewertet worden seien. Somit lasse sich der Beginn dieser Schmerzen in etwa auf 6/2020 legen.

Dem Gutachten ist die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme von B1 vom 10.06.2021 entgegengetreten, bezüglich der auf Bl. 183 f. SG-Akte verwiesen wird.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20.10.2021 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe. Das Gericht sehe es als nicht im Vollbeweis erwiesen an, dass die qualitativen Einschränkungen zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht führen würden. Insofern sei nicht von einem unter drei- bzw. unter sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen. Mit diesem Leistungsvermögen sei die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe für das Gericht fest, dass die Klägerin auf dem hier im Vordergrund stehenden Fachgebiet der Neurochirurgie entsprechend der Ausführungen von K3 unter einer symptomatischen Trigeminusneuralgie links V1 und V2, unter Rückenschmerzen, die nicht näher bezeichnet im Lumbosakralbereich lägen, einem Iliosakralgelenksyndrom beidseits, jedoch links mehr als rechts, unter einer Hypästhesie bzw. Hypalgesie im L5-Dermatom links als Ausdruck eines Residuums nach Bandscheibenprolaps und unter einer Epicondylitis medialis links, die orthopädisch zu behandeln sei, leide.
Die Klägerin könne noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Dabei führten die Erkrankungen auf neurochirurgischem Fachgebiet zu qualitativen Einschränkungen. Generell und auf Dauer seien aufgrund der einliegenden Spondylodese lumbal Tätigkeiten im Bereich schwerer und mittelschwerer Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten von über zehn kg, Tätigkeiten mit dauerndem Sitzen, häufigem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Akkord- und Fließbandarbeit zu vermeiden. Aufgrund der Trigeminusneuralgie seien grundsätzlich auch Arbeiten unter nervlicher Belastung, Arbeiten in Kälte und Wärme, unter Einfluss von Staub, Gasen, Dämpfen und Nässe sowie Arbeiten an laufenden Maschinen zu vermeiden.
Bezüglich des zeitlichen Leistungsvermögens seien keine Einschränkungen nachgewiesen, aufgrund derer die Klägerin unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen nicht sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein könne.
Die Klägerin sei auch wegefähig.
Das Sachverständigengutachten von K3 sei hinsichtlich der Ausführungen zu den qualitativen Einschränkungen und zur Wegefähigkeit der Klägerin überzeugend, weise allerdings hinsichtlich der Ausführungen zu den quantitativen Leistungseinschränkungen Widersprüchlichkeiten auf. Insoweit habe sich die Kammer nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen können, dass bei der Klägerin ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden bzw., wovon K3 ausgehe, derzeit ein zeitlich vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen vorliege. Dabei habe der Sachverständige zugleich zu Bedenken gegeben, dass derzeit eine definitive Beurteilung noch nicht erfolgen könne. Die Leistungsbeurteilung hinsichtlich der zeitlichen Leistungsfähigkeit - sollte man von einer solchen ausgehen - sei jedenfalls im Hinblick auf die körperlichen Untersuchungen nicht schlüssig.
Das zeitlich aufgehobene Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf die sich die Klägerin aufgrund ihres Geburtsdatums grundsätzlich verweisen lassen müsse, führe K3 auf die Schmerzsymptomatik des Iliosakralgelenkes zurück. Dabei spreche er von einer „100%ige[n] Arbeitsunfähigkeit“ für alle Tätigkeiten, wobei hier zunächst nicht klar werde, ob sich diese Ausführungen auf eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung - für alle Tätigkeiten, die im Rahmen der bisherigen Tätigkeit der Klägerin anfallen können - oder auf eine Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Für den Beweiswert einer gutachtlichen Leistungsbeurteilung komme es im Bereich von Schmerzen zudem maßgeblich darauf an, ob sich die Beurteilung ausschließlich an den eigenen Angaben der Klägerin über das individuelle Schmerzerleben orientiere oder ob weitergehend auch - im Sinne einer Konsistenzprüfung - ein Abgleich mit der Arbeits- und Sozialanamnese, der speziellen Schmerzanamnese, der (schmerzbezogenen) Behandlungsanamnese als Indiz für den jeweiligen Leidensdruck, den Aktivitäten im täglichen Leben sowie der Partizipation in verschiedenen Lebensbereichen vorgenommen werde, um entsprechend den anerkannten Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen eine objektive Beurteilung der sozialmedizinisch relevanten Funktions- oder Fähigkeitsstörungen vornehmen zu können. In diesem Zusammenhang komme es neben einer möglichst genauen Schilderung des psychopathologischen Befundes insbesondere auch ganz maßgeblich auf Feststellungen zum eventuellen Vorhandensein einer willentlichen Steuerbarkeit der geklagten Beschwerden sowie auf Hinweise für eine etwaige Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und körperlicher und/oder psychischer Beeinträchtigung in der Untersuchungssituation an (Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, § 3 Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung Rn. 53). Dieser Abgleich sei zur Überzeugung des Gerichts in dem Sachverständigengutachten von K3 nicht in ausreichender Art und Weise erfolgt. Zumindest die noch möglichen Aktivitäten im täglichen Leben, die K3 abgefragt habe, sprächen gegen ein derzeit aufgehobenes Leistungsvermögen. Zweifel an der schmerzbedingten Leistungsbeurteilung bestünden auch deshalb, weil die Abfrage des Schmerzes hinsichtlich der Trigeminusneuralgie anhand der Verbale Rating-Skala (VAS; Skala von 0 bis 10) mit 10 angegeben worden sei, dies bei 30 bis 50 Attacken am Tag. Die angegebene Schmerzintensität von 10 auf einer vorgestellten Schmerzskala von 1 bis 10 sei fraglich, nachdem der Maximalwert von 10 angenommen werde, wenn beispielsweise die Hand auf eine heiße Herdplatte gelegt werde. Dieser wahrgenommene, schlimmst mögliche Schmerz sei nicht mit den Alltagsschilderungen und den Ausführungen des Sachverständigen über die Begutachtung zu vereinbaren, soweit dieser Schmerz, wie ebenfalls angegeben, 30 bis 50 Mal am Tag auftreten würde. Insoweit bestehe eine Diskrepanz. Dies veranschauliche, dass auch im Übrigen hinsichtlich der Schmerzen eine genauere Sachverhaltsermittlung vorzunehmen sei, um die resultierenden Fähigkeitsstörungen sowie die noch vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen genau zu bestimmen.
Des Weiteren passe das abgeleitete Leistungsvermögen nicht damit zusammen, dass trotz des dauerhaft vorliegenden und erheblichen Iliosakralgelenkschmerzes ca. einstündige Waldspaziergänge und teilweise auch ein weiterer Spaziergang am Nachmittag möglich seien, zusammen mit dem Ehemann der Haushalt geführt werde, das Gangbild langsam, aber sicher sei und bei der Begutachtung auch kein Schonsitz eingenommen worden sei.
Ebenfalls nicht schlüssig sei, dass K3 davon ausgehe, dass die aus den Rückenbeschwerden - für die K3 das Iliosakralgelenk als ursächlich ansehe - resultierenden Leistungseinschränkungen seit Juni 2020 vorliegen würden. Entsprechend dem Bericht der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen hätten sich die Rückenbeschwerden erst wenige Wochen vor der Begutachtung verschlechtert, was auch von dem Umstand gestützt werde, dass sie sich seit der Operation am 20.05.2020 bis einschließlich 14.08.2020 nicht mehr bei S3 vorgestellt habe, wie der Sachverständigenzeugenauskunft entnommen werden könne. Die Klägerin habe K3 am Begutachtungstag mitgeteilt, dass „jetzt auch noch“ Rückenschmerzen dazugekommen seien, die seit ca. sechs Wochen aggraviert seien und mit VAS 7 bis 8 vorliegen würden.
Auch im Übrigen sei keine das quantitative Leistungsvermögen einschränkende Gesundheitsstörung ersichtlich, insbesondere seien Diagnosen mit dem Zusatz „Zustand nach“, wie sie vorliegend hinsichtlich der Bandscheibe vorlägen, für sich genommen nicht ohne Weiteres leistungsmindernd. Diesbezüglich könne festgestellt werden, dass das Röntgenbild der Lendenwirbelsäule vom 22.05.2020 einen unauffälligen postoperativen Befund geliefert habe und dem CT der Lendenwirbelsäule vom 31.03.2021 eine korrekte Implantatlage ohne Lockerungszeichen zu entnehmen gewesen sei, sodass hiervon keine das quantitative Leistungsvermögen einschränkende Funktionsbeeinträchtigungen ableitbar sein dürften.
Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens könne auf Grundlage der derzeitigen Aktenlage auch nicht aus der Trigeminusneuralgie abgeleitet werden, was vorliegend auch der Sachverständige festgestellt habe. Er habe ausgeführt, dass er keinen Rückschluss auf das quantitative Leistungsvermögen treffen könne, da kein Schmerzkalender geführt werde und somit ein objektivierbarer Nachweis über die Intensität und Häufigkeit der Schmerzattacken fehle. Die Attacken, die laut Klageschrift 30 bis 50 Mal täglich auftreten würden, dürften während der Begutachtung bei K3 auch nicht aufgetreten sein. Davon gehe die Kammer aus, nachdem sich zumindest keine Ausführungen über einen blitzartig einschießenden, extrem heftigen Schmerz in dem Sachverständigengutachten fänden.

Die Klägerin war am 24.09.2021 und 25.09.2021 wegen einer Attacke bei Trigeminusneuralgie in der Notfallambulanz zweier Kliniken vorstellig geworden, wo sie mit Schmerzmedikamenten behandelt worden ist (vgl. Ärztliche Berichte des Klinikums G2 in H3, Bl. 172 f. eVA, Stand 08.01.2024 und der N1 Klinik, Bl. 175 f. eVA, Stand 08.01.2024).

Die Klägerin hat am 16.11.2021 gegen das - ihren Prozessbevollmächtigten am 03.11.2021 zugestellte - Urteil Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass dem Gutachten von K3, aus dem sich ergebe, dass sie erwerbsgemindert sei, zu folgen sei. Weiter hat sie u.a. den Bericht der Radiologischen Klinik der Uniklinik H1 vom 16.12.2021 (Bl. 35 f. Senats-Akte) vorgelegt, wonach eine erneute Bestrahlung bei Trigeminusneuralgie nicht in Betracht komme, nachdem aufgrund der Bestrahlung im Jahr 2018 bereits eine relevante Vorbelastung des umliegenden Gewebes vorliege.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie die sozialmedizinische Stellungnahme des  S4 vom 02.03.2022 (Bl. 40 f. Senats-Akte) vorgelegt.

Der vormals zuständige 4. Senat hat von dem die Klägerin behandelnden  G1 Befundberichte beigezogen, u.a. jenen der Neurochirurgischen Klinik der Uniklinik H1 vom 08.11.2021 (Bl. 44 f. Senats-Akte) über die ambulante Vorstellung der Klägerin wegen der Trigeminusneuralgie, wonach die multimodale Schmerztherapie bereits durch den Schmerztherapeuten optimiert worden sei und die Klägerin berichtet habe, dass die Schmerzen besser seien, sie sich aber in Bezug auf weitere Therapiemöglichkeiten beraten lassen wolle.

Der 4. Senat hat von Amts wegen das Gutachten des R1 vom 07.10.2022 (Bl. 73 ff. Senats-Akte) eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin am 08.06.2022 eine leichte anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie - beides seit dem Jahr 2019 bestehend -, eine leichte, chronische Nervenwurzelschädigung der Nervenwurzel L5 rechts und eine leichte, symptomatische Trigeminusneuralgie links - seit dem Jahr 2017 bestehend - diagnostiziert und ausgeführt hat, die Klägerin sei unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Möglich seien leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten, ohne Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, alternativ ständig im Sitzen und überwiegend im Gehen und Stehen, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule (bücken, knien), ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bei noch zumutbarem Treppensteigen, ohne Arbeiten unter Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe, ohne Nachtschicht und ohne besondere geistige Beanspruchung (wie dies z.B. beim Anleiten oder Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen der Fall sei). Eine durchschnittliche Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens sei ebenso noch leidensgerecht wie Publikumsverkehr und die durchschnittliche Inanspruchnahme der psychischen Belastbarkeit. Bei der gegenwärtigen psychischen Befunderhebung sei es zu einer kurzen Gesichtszuckung rechts (gemeint wohl: links) mit der Angabe der Klägerin gekommen, in der rechten (gemeint wohl: linken) Gesichtshälfte einen kurzen „Blitz" zu verspüren. Die Gesprächsführung sei dadurch aber nicht beeinträchtigt worden. Insofern bestehe aus jetziger Einschätzung eine leichte symptomatische Trigeminusneuralgie rechts (gemeint wohl: links), die wohl auf das in der Aktenlage genannten Meningeom bzw. auf dessen Operation zurückzuführen sei. Die Angaben der Klägerin zum Tagesablauf bei der gegenwärtigen Befragung und der momentan nur leichtgradig gestörte, psychische Befund würden die jetzt festgestellte Diagnose einer nur leichten Schmerzerkrankung bestätigen. Bei einer schweren Schmerzerkrankung sei eine deutliche Einschränkung des Tagesablaufs im Sinne einer Vita minima und eine erhebliche Beeinträchtigung des psychischen Befunds mit Störungen der affektiven Modulationsfähigkeit, des formalen Gedankengangs und der kognitiven Funktionen zu erwarten gewesen, was vorliegend indes nicht der Fall sei. Eine Einschränkung der sozialmedizinisch relevanten Gehstrecke liege nicht vor. Zwar falle ein leichtes Hinken links auf, das am ehesten auf den gegenwärtig festgestellten, leichten Nervenwurzelschaden L5 rechts zurückzuführen sei. Allerdings gelinge es der Klägerin eine Gehstrecke von 500 Metern in 5 Minuten und 49 Sekunden zu bewältigen. Daher sei die Klägerin in der Lage, vier Mal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zwei Mal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Wegen seit dem Jahr 2017 bestehender mangelnder Fahrpraxis, sei die Klägerin derzeit nicht in der Lage, ein Kfz zu führen. Es sei von einem Dauerzustand auszugehen. Eine Besserung sei unwahrscheinlich. Weitere Begutachtungen seien nicht notwendig.

Der 4. Senat hat sodann auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des W3 vom 05.05.2023 (Bl. 167 ff. Senats-Akte) eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin am 05.04.2023 eine Lumboischialgie beidseits bei chronischer L5-Läsion und Fusionsoperation L4/5 nach mikrochirurgisch erweiterter interlaminärer Fensterung mit Nukleotomie und postoperativ zeitnah aufgetretenem Rezidivbandscheibenvorfall diagnostiziert hat. Dieser hat ausgeführt, dass sich im klinischen Untersuchungsbefund der orthopädische Befund der oberen und unteren Extremität regelrecht zeige, eine leichte Fußheber- und Großzehenheberschwäche rechts bei deutlich eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, eine unauffällige Operationsnarbe mit Muskelhartspann, eine Irritation des Iliosakralgelenkes auf beiden Seiten bestehe und sich bildtechnisch in der letzten Röntgenkontrolle der Lendenwirbelsäule eine regelrechte Implantatlage gezeigt habe. Die Kernspintomografie zeige eine zunehmende degenerative Veränderung des Anschlusssegmentes bei L3/4 mit leichter Retrolisthese, jedoch ohne Einengung des zentralen Spinalkanals. Zusammenfassend sei auf orthopädischem Fachgebiet vor allen Dingen die Veränderung der Lendenwirbelsäule mit Zustand nach Versteifungsoperation im Vordergrund stehend. Zusätzlich bestehe eine Polyarthrose. Weitere schwerwiegende Gelenkerkrankungen fänden sich nicht. Aufgrund der Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit pseudoradikulärer Ausstrahlung bestünden Einschränkungen für Arbeiten in gebückter Körperhaltung, Arbeiten über Kopf, Arbeiten in kniender und hockender Körperposition. Die Belastbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei für leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr gegeben. Es bestünden qualitative Einschränkungen für Arbeiten in vornübergebeugter Körperhaltung, Arbeiten über Kopf, Arbeiten unter Gewichtsbelastung von mehr als fünf kg, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten im Akkord.
Kritisch zu hinterfragen sei die Einschätzung des R1. Dieser gehe von einer leichten Trigeminusneuralgie aus. Aus seiner – W3s - Sicht sei im Verlauf der medizinischen Dokumentation aus der Aktenlage zu entnehmen, dass schwere Trigeminusattacken seit März 2019 aufträten. Sowohl im Schmerztagebuch der Klägerin als auch aus den Arztbriefen sei zu entnehmen, dass mehrfach auch als Notfallbehandlung schmerztherapeutische mit starken Morphinen und Pregabalin Behandlungen hätten stattfinden müssen. Die Schmerzsymptomatik lasse sich aus seiner Sicht durchaus durch die zweifachen Schädeloperationen, die nachfolgende Bestrahlung und die noch immer nachweisbaren Tumoranteile begründen. Aus seiner Sicht sei es nicht ausreichend neurologisch-psychiatrisch und schmerzmedizinisch eine Begutachtung durchzuführen. Der Sachverhalt solle durch einen neurochirurgischen Kollegen erfolgen, da dieser am ehesten den Verlauf und die postoperativen Beschwerden von operierten Patienten kennen sollte. Insgesamt erscheine die Klägerin aufgrund der Trigeminusneuralgie erheblich in ihrer Lebensqualität und auch der beruflichen Belastbarkeit eingeschränkt, sodass aus seiner Sicht hier sicherlich auf neurochirurgischem Fachgebiet keine volle Belastbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erkennen sei. Die Klägerin nehme stärkste Schmerzmittel ein und habe unter dieser Schmerzmitteltherapie trotzdem immer wieder attackenartige stärkste Schmerzen im Trigeminusast V1 und V2. Sie sei mehrfach am Schädel operiert und mit Protonen bestrahlt worden. Der Verlauf der medizinischen Dokumentation beschreibe immer wieder notfallmäßige Einweisungen in neurologische und auch neurochirurgische Ambulanzen aufgrund der ausgeprägten Schmerzsymptomatik. Dementsprechend könne die Diagnose einer leichten Trigeminusneuralgie, obwohl sie auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gestellt worden sei, nicht nachvollzogen werden.

Auf Anfrage des 4. Senats hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich wegen der Trigeminusneuralgie alle zwei Wochen beim Schmerztherapeuten mit Spritzen behandeln lasse.

Die Klägerin ist vom 10.07.2023 bis 21.07.2023 in der V1 Klinik, Abteilung Konservative Orthopädie und speziell Schmerztherapie stationär behandelt worden (vgl. Ärztlicher Entlassungsbericht vom 21.07.2023, Bl. 215 ff. eVA, Stand 08.01.2024). Die Ärzte haben eine chronische, therapieresistente Lumbalgie mit Lumbofemoralgie rechts und eine chronische, therapieresistente Trigeminusneuralgie links, oberer und mittlerer Ast, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine rezidivierende, depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, diagnostiziert und eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie durchgeführt. Die Beschwerden von Seiten der Lendenwirbelsäule hätten gelindert werden können, die Trigeminus-Schmerzen der linken Gesichtshälfte hätten sich auch bei Entlassung von wechselndem Charakter gezeigt.

Die Klägerin hat sich vom 25.08.2023 bis 15.09.2023 zur Anschlussheilbehandlung in der orthopädischen Abteilung der R2klinik befunden (Diagnosen: chronische Lumbofemoralgie rechts, Z. n. Bandscheiben-OP L4/5 2019 und TLIF Spondylodese L4/5 2020, chronische therapieresistente Trigeminusneuralgie links bei Z. n. zweimaliger Hirn-OP bei Meningeom und Bestrahlung 30 x N. trigeminus, rezidivierende depressive Störung, chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren; vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 19.09.2023, Bl. 238 ff. Senats-Akte). Die dort behandelnden Ärzte haben im Reha-Entlassungsbericht ausgeführt, dass nach Beendigung der Reha-Maßnahme weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestehe und die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenführerin nicht weiterhin zumutbar sei (unter drei Stunden). Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen sowie unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen für psychomentale Funktionen und bewegungsbezogene Funktionen seien sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zumutbar. Zu vermeiden sei sämtliches Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn kg, mehr als gelegentliche Zwangshaltungen (wie gebückt) sowie sämtliche Tätigkeiten mit Absturzgefährdung, mehr als gelegentliche Einwirkungen von Nässe, Kälte und Zugluft, fixiertes Sitzen und Bewegungsmonotonien, überwiegende Einwirkungen von Stößen und Erschütterungen, überwiegendes Sitzen in fixierter Haltung mit dauerhaft vorgebeugtem Kopf oder im belasteten Armvorhalt, häufige Überkopfarbeiten, häufige endgradige Kopfdrehungen und Vibrationsbelastungen. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollten zum Erreichen eines dem o.g. Leistungsbild entsprechenden Arbeitsplatzes geprüft werden. Die Klägerin könne sich jedoch eine Erwerbstätigkeit aufgrund ihrer vielseitigen Beschwerden nicht vorstellen. Im algesiologischen Konsil (Bl. 246 f. Senats-Akte) ist ausgeführt worden, bei der Klägerin liege eine schwere chronifizierte gemischtförmige Schmerzstörung auf degenerativer, neuropathischer und idiopathischer Basis (Failed-Back-Surgery-Syndrom) sowie eine reaktive, depressive Anpassungsstörung (DD mittelgradige depressive Episode) vor. Bei jetzt jahrelanger Therapieresistenz gebe es noch die Option einer systematisch und qualifiziert durchgeführten Cannabis-Therapie mit Zielrichtung chronischem Schmerz und neuropathischem Schmerz. Die Schmerzkomponenten würden hierdurch um einige Schmerzgrade verbessert werden. Auch könne an eine Botox-Therapie bei gemischtförmigem Kopfschmerz-Syndrom gedacht werden. In der Gesamtschau sei durch die postoperativen Störungen nach Hirn-Operationen mit migräneartigern, pflasterartigem Kopfschmerz und neuropathischem Kopfschmerz, die jetzt chronifizierte Schmerzstörung am Bewegungsapparat und die Funktionsbeeinträchtigungen nach Spondylodese weder die letzte Tätigkeit noch eine Verweistätigkeit denkbar. Zeitpunkt dieser Funktionseinschränkungen sei am ehesten ab 04/2020, der Zeitpunkt der Spondylodese. Der soziale Rückzug sei so nachhaltig, dass eine relevante Partizipation am gesellschaftlichen und kulturellen Leben oder gar am Berufsleben in absehbarer Zeit nicht erreichbar sein werde; allerdings bestünden noch, wie beschrieben, Therapie-Optionen, die einen Teil des Schmerzes lindern könnten. Die depressive Störung könne durch ein ergänzendes Antidepressivum angegangen werden, hier habe die Klägerin, die sehr viele Medikamente einnehme, aber starke Vorbehalte. Eine milde Therapie mit Mirtazapin zur Nacht sei aber sicher am unproblematischsten. Auch in dieser Hinsicht könne eine Cannabinoid-Therapie unterstützend wirken.

Seit August 2023 ist der erkennende Senat für das Berufungsverfahren zuständig.

Die Beklagte ist dem algesiologischen Konsil im Reha-Entlassungsbericht durch die Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme von B3 vom 04.01.2024 (Bl. 257 f. Senats-Akte) entgegengetreten. Hierauf wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.


Das SG hat die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht die geltend gemachte Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu. Der Bescheid vom 16.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsescheides vom 13.05.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75, juris) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage

Auch der Senat konnte sich - wie schon das SG - nicht davon überzeugen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für die - aufgrund ihres Geburtsjahres (vgl. § 240 Abs. 1 SGB VI) - allein maßgeblichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf einen Umfang von weniger als sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche abgesunken ist.

Denn ein solches zeitlich vermindertes Leistungsvermögen ist unter Berücksichtigung sowohl der Reha-Entlassungsberichte aus den Jahren 2018, 2019 und 2023, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, als auch unter Berücksichtigung der medizinischen Ermittlungsergebnisse im Klage- und Berufungsverfahren, insbesondere der gerichtlichen Sachverständigengutachten, nicht nachgewiesen.

Die Klägerin leidet im Schwerpunkt an einer Trigeminusneuralgie und Dysästhesien der linken Gesichtshälfte, verursacht durch einen Kontakt des (Rest-)Meningeoms zum N. trigeminus, einer Lumboischialgie mit Reizung der Nervenwurzel auf Höhe des Lendenwirbels L5 rechts nach Versteifungsoperation an L4/5, an einem Iliosakralgelenksyndrom und an einer chronischen/anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats sowohl aus den ärztlichen Reha-Entlassungsberichten vom 18.12.2018, vom 08.11.2019 und vom 19.09.2023 als auch den medizinischen Befundunterlagen über die ambulanten und stationären Behandlungen der Klägerin in den im Tatbestand genannten Kliniken, aus der schriftlichen Auskunft von P2 sowie aus den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen K3, R1 und W3.

Außerdem leidet sie an einer Dysthymie. Diese Erkrankung hat R1 unter Berücksichtigung des von ihm bei der gutachterlichen Untersuchung im Juni 2022 erhobenen Befundes und des von der Klägerin geschilderten Tagesablaufs (dazu sogleich) nachvollziehbar diagnostiziert. Dies deckt sich im Wesentlichen mit den in den Reha-Entlassungsberichten vom 03.09.2014 und vom 18.12.2018 mitgeteilten psychiatrischen Diagnosen.

Der Senat stellt fest, dass aufgrund dieser Erkrankungen qualitative Leistungseinschränkungen für die Klägerin derart bestehen, dass ihr nicht mehr zumutbar sind: das Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, Arbeiten in dauerhaft oder häufig gebückter oder kniender Körperhaltung, häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufige Überkopfarbeiten, dauerndes Sitzen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord und Fließbandarbeit, Kälte/Wärme, unter Einfluss von Staub, Gasen, Dämpfen, Nässe und Erschütterungen sowie Arbeiten an laufenden Maschinen, Arbeiten in Nachtschicht, mit besonderer geistiger Beanspruchung (wie dies z.B. beim Anleiten oder Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen komplexer oder laufender Maschinen der Fall sei) und Tätigkeiten mit erhöhter Eigen- und Fremdgefährdung. Eine durchschnittliche Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens ist ebenso noch leidensgerecht wie Publikumsverkehr und die durchschnittliche Inanspruchnahme der psychischen Belastbarkeit. Auch diese qualitativen Leistungseinschränkungen entnimmt der Senat aus einer Zusammenschau der ärztlichen Reha-Entlassungsberichte vom 18.12.2018, vom 08.11.2019 und vom 19.09.2023, der medizinischen Befundunterlagen über die ambulanten und stationären Behandlungen der Klägerin in den im Tatbestand genannten Kliniken sowie der Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen K3, R1 und W3.

Soweit K3 jegliche Arbeiten unter nervlicher Belastung für ausgeschlossen gehalten hat, überzeugt dies den Senat schon deshalb nicht, weil er nicht näher dargelegt hat, welche Tätigkeiten er hierunter beispielsweise versteht und dies nicht näher begründet hat. Warum eine durchschnittliche Inanspruchnahme der psychischen Belastbarkeit der Klägerin - wie von R1 dargelegt - trotz der festgestellten Erkrankungen nicht möglich sein sollt, ist jedenfalls für den Senat aus dem Gutachten von K3 nicht nachvollziehbar ableitbar.

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die festgestellten Erkrankungen in ihrer Schwere - weder für sich genommen noch in Zusammenschau betrachtet - ein Ausmaß erreicht haben, dass nur noch ein zeitliches Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich für an den Gesundheitszustand der Klägerin angepasste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besteht.

Denn maßgeblich sind die durch die dauerhaften Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Über die festgestellten qualitativen Einschränkungen hinaus lassen sich solche funktionellen Beeinträchtigungen, die Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen haben, weder den Reha-Entlassungsberichten aus den Jahren 2017, 2018 und 2019 noch den Auskünften der behandelnden Ärzte oder den Gutachten von K3, R1 und W3 entnehmen.

Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Trigeminusneuralgie um eine leichtgradige handelt, wie R1 angenommen und von W3 bezweifelt, sind insbesondere allen Gerichtsgutachten - auch jenem von K3 - keine objektiven Befunde und auch sonst keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die aufgrund der festgestellten Schmerzerkrankungen in Gesicht (N. trigeminus) und an der Wirbelsäule sowie insgesamt (somatoform) funktionelle und damit einhergehende zeitliche Einschränkungen begründen.

So hat K3 bei der gutachterlichen Untersuchung im März 2021 eine Ante-/Retroklination des Kopfes, Kopfseitneigung und Kopfdrehung im Normbereich, keinen Meningismus, keine klopfschmerzhafte Wirbelsäule, eine korrekte Implantatlage ohne Lockerungszeichen (CT vom 31.03.2021), ein normales Gehen unter Mitschwingen der Arme, einen unauffälligen Romberg-Stehversuch mit offenen und geschlossenen Augen, einen beidseits sicheren Finger-Nasen-Versuch mit geschlossenen Augen und einen beidseits sicheren Knie-Hacke-Versuch, in den unteren Extremitäten keine Störung der Hauttrophik, keine Muskelatrophien, keine Paresen und einen unauffälligen Fersen- und Zehengang befundet. Zwar hat er außerdem einen deutlichen Druckschmerz über dem Iliosakralgelenk beidseits, rechts größer als links, und rechts auch mit pseudoradikuärer Ausstrahlung in den seitlichen Oberschenkel sowie eine Hypästhesie/Hypalgesie im L5-Dermatom links befundet. Diese Befunde rechtfertigen zur Überzeugung des Senats indes nicht die Annahme eines zeitlich verminderten Leistungsvermögens. Dies belegt auch der im Rahmen der Anamnese von K3 erhobene Tagesablauf der Klägerin, wonach trotz der von ihr angegebenen Rückenschmerzen und der im Gesicht mit einer 20-minütigen Frequenz auftretenden Schmerzattacken eine gut erhaltene Tagesstruktur besteht. So hat die Klägerin gegenüber K3 angegeben, dass sie um 7 Uhr aufstehe, mit ihrem Mann frühstücke und einen Waldspaziergang für eine Stunde mache, sie gemeinsam für das Mittagessen kochen und danach gemeinsam den Haushalt mit Pausen erledigen würden. Nachmittags, wenn es ihr gut ginge, gehe sie noch einmal spazieren; um 17 Uhr nehme man gemeinsam das Abendessen ein und liege dann auf der Couch und lese oder sehe fern. Um 22 Uhr gehe sie zu Bett. Einmal pro Woche besuche sie ihre Mutter bzw. ihre Schwester, die im betreuten Wohnen lebe. Außerdem lese sie.

Soweit K3 im Rahmen seiner Leistungseinschätzung ausgeführt hat, dass die Klägerin arbeitsunfähig sei, schließt sich der Senat der Begründung des SG nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Im Übrigen ist diese Leistungseinschätzung, soweit K3 eine „Arbeitsunfähigkeit für alle Tätigkeiten“ angenommen hat, durch die gutachterliche Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen R1 widerlegt worden. Denn dieser hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet sowie des von der Klägerin geschilderten Tagesablaufs bei der gutachterlichen Untersuchung im Juni 2022, der sich im Wesentlichen mit dem von ihr gegenüber K3 berichteten Tagesablauf deckt, ausgeführt, dass weder die Befunde noch der Tagesablauf die Annahme einer zeitlichen Leistungsminderung rechtfertigen.

So sind die Gesichtsfelder sowie die Augenbewegungen nicht eingeschränkt gewesen, bei der Spiegelung des Augenhintergrundes hat sich ein unauffälliger Befund gefunden, die Pupillen sind mittelweit, rund und isokor gewesen und haben prompt auf Lichteinfall und Nahesehen reagiert. Die Lidspalten sind gleich weit gewesen. Hinweise für einen Nystagmus haben sich nicht gefunden. Schwerwiegende Visusstörungen haben nicht vorgelegen. Bei der Prüfung des N. trigeminus haben sich keine Auffälligkeiten gezeigt. Die mimische Muskulatur ist seitengleich kräftig innerviert gewesen. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Es haben sich Muskelverspannungen im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule gefunden. Die Klägerin hat eine Hypästhesie (vermindertes Berührungsempfinden) an der Unterschenkelvorderseite und an der Großzehe rechts angegeben. Die übrige Oberflächen- und die Tiefensensibilität sind ungestört gewesen. Der Zehen-, Hacken-, Seiltänzer- und Blindgang sind unauffällig gewesen. Zudem ist der psychische Befund im Wesentlichen unauffällig gewesen. Die Klägerin ist pünktlich und korrekt gekleidet zum Untersuchungstermin erschienen, das Aus- und das Ankleiden ist relativ rasch erfolgt und nicht von Schmerzäußerungen begleitet worden. Während der Exploration hat die Klägerin zwar angegeben, einen kurzen „Blitz" in der rechten (gemeint wohl: linken) Gesichtshälfte zu verspüren. Dabei ist dem Sachverständigen eine Gesichtszuckung rechts (gemeint wohl: links) aufgefallen, die aber nach seinen Ausführungen die Gesprächsführung nicht beeinträchtigt hat. Die Klägerin hat offen, konzentriert und freundlich, streckenweise auch dysphorisch gewirkt. Auf an sie gerichtete Fragen hat sie prompt und bereitwillig Auskunft gegeben. Im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung ist es zu keinem Nachlassen der Konzentriertheit oder der Aufmerksamkeit gekommen. Sie ist bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten, also zum Ort, zur Person, zur Zeit und situativ voll orientiert gewesen. Die Antriebslage hat unauffällig gewirkt. Hinweise für eine äußerlich erkennbare, innere Unruhe haben sich nicht gefunden. Hinsichtlich der Stimmungslage hat die Klägerin überwiegend subdepressiv gewirkt. Beim Besprechen angenehmer Themen ist es nur verzögert zu einer Stimmungsaufhellung gekommen. Die affektive Modulationsfähigkeit ist nicht eingeschränkt gewesen. Die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsdauer sind ungestört gewesen. Das Kurz- und das Langzeitgedächtnis haben keine Einschränkungen aufgewiesen. Der formale Gedankengang ist unauffällig gewesen bei gedankeninhaltlichen Kreisen um ihre Beschwerden. Hinweise auf paranoide Ideen, auf Halluzinationen, auf Ich-Störungen, auf Zwangsideen oder auf Zwangsgedanken haben sich nicht gefunden. Eine erhebliche Beeinträchtigung des psychischen Befundes hat R1 nach alledem nicht festgestellt.
Im Rahmen der neurologischen Untersuchung der Wirbelsäule hat sich die F-Welle über der Nervenwurzel L5 rechts nur sporadisch gezeigt und die chronisch neurogenen Potentiale im Musculus tibialis anterior rechts sind vermehrt anzutreffen gewesen, was nach den Ausführungen von R1 nur für einen leichten chronischen Schaden der aus der Lendenwirbelsäule austretenden Nervenwurzeln L rechts spricht. 

Zum Schlafverhalten befragt, hat die Klägerin angegeben, dass sie ca. 22 Uhr zu Bett gehe, ca. eine Stunde zum Einschlafen benötige und anschließend oft bis 6 Uhr morgens durchschlafen könne, bevor sie aufgrund der Schmerzen erwache. Sie stehe dann zwischen 6 Uhr und 7 Uhr auf. Zur Körperhygiene befragt, hat die Klägerin angegeben, dass sie in einer Kabine dusche, deren Einstieg 20 cm hoch sei. Während des Duschens bzw. zum Füßewaschen setze sie sich auf einen Hocker. Zur Wohnsituation befragt, hat sie u.a. angegeben, dass sie zum Erreichen des ersten Obergeschosses 15 Treppenstufen überwinden müssen. Hinsichtlich der Mahlzeiten hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie morgens eine Tasse Kaffee trinke und für sich und ihren Ehemann ein Stück Hefezopf richte. Das Mittagessen werde 11:30 Uhr und 12 Uhr eingenommen. Oft bereite sie ein Schnitzel, Spätzle oder eine Suppe zu. Beim Kochen werde sie von ihrem Ehemann unterstützt. Wenn es Kartoffeln zu schälen gebe, dann verrichte sie diese Tätigkeit im Sitzen. Sie sei noch in der Lage, für 30 Minuten am Stück zu stehen. Abends gebe es dann zwischen 16:30 Uhr und 17 Uhr eine kalte Mahlzeit. Nach körperlichen Aktivitäten befragt, hat die Klägerin berichtet, dass sie nach dem Frühstück für ca. 40 Minuten Nordic Walking mache und dabei zwei Kilometer zurücklege. Außerdem trainiere sie zweimal pro Woche für ca. 20 Minuten auf einem Standfahrrad im Wohnzimmer. Die Nachrichten verfolge sie im Handy. Sie sei in dem sozialen Netzwerk „WhatsApp" aktiv. Zumeist kommuniziere sie mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, mit der sie gut befreundet sei. Von ihrer Mutter erhalte sie Zeitschriften, auf deren Inhalt sie sich nicht länger als 30 Minuten konzentrieren könne. Manchmal lese sie auch einen Heimatroman als Buch, den sie dann von ihrer Mutter erhalte. Ihre Mutter besuche sie einmal pro Woche.
In Bezug auf Haushaltstätigkeiten hat die Klägerin erklärt, dass sie noch in der Lage sei, das obere Spülmaschinenfach ein- und auszuräumen, während der Ehemann für das Befüllen und Entleeren des unteren Spülmaschinenfaches zuständig sei. Die Waschmaschine stünde im Erdgeschoss. Sie sei noch in der Lage, die Waschmaschine zu befüllen und zu entleeren. Die gewaschene Wäsche hänge sie in einem leeren Raum im Obergeschoss auf. Für den Transport der Wäsche durch das Haus sei der Ehemann verantwortlich. Für das Staubsaugen sei der Ehemann zuständig. Abends setze sie sich mit ihrem Ehemann auf eine Bank im Hof und unterhalte sich mit den Nachbarn. Hinsichtlich sozialer Aktivitäten hat die Klägerin angegeben, dass sie ihren morgen anstehenden Geburtstag mit Gästen feiern wolle. Es werde dann Kaffee und Kuchen geben. Insgesamt seien zehn Personen aus der Verwandtschaft und dem Freundeskreis eingeladen.
Vor dem Hintergrund dieser Befunderhebung und dieser gut erhaltenen Tagesstruktur ist für den Senat die Leistungseinschätzung von R1 überzeugend. Die von der Klägerin angegebenen Schmerzen spiegeln sich jedenfalls in einem leistungsmindernden Ausmaß weder im Befund noch in der Tagesstruktur wieder. Wie R1 für den Senat nachvollziehbar ausgeführt hat, wäre bei einer schweren Schmerzerkrankung vielmehr eine deutliche Einschränkung des Tagesablaufs im Sinne einer Vita minima und eine erhebliche Beeinträchtigung des psychischen Befundes mit Störungen der affektiven Modulationsfähigkeit, des formalen Gedankengangs und der kognitiven Funktionen zu erwarten gewesen, was nachweislich nicht der Fall gewesen ist.

Auch der von W3 bei der gutachterlichen Untersuchung im April 2023 auf seinem Fachgebiet erhobene orthopädische Befund begründet, wie von W3 selbst ausdrücklich ausgeführt, nicht die Annahme eines zeitlich verminderten Leistungsvermögens der Klägerin. Soweit W3 die Leistungseinschätzung von R1 „kritisch hinterfragt“ und damit angezweifelt hat, weist der Senat darauf hin, dass diese ein anderes medizinisches Fachgebiet betrifft und damit außerhalb der Kompetenz des Facharztes für Orthopädie liegen dürfte. Im Übrigen vermögen die von W3 angeführten Gründe (größerer Schweregrad der Trigeminusneuralgie anhand der medizinischen Verlaufsdokumentation, dem Schmerztagebuch, mehrfachen Notfallbehandlungen, einer wirkungsstarken Medikation sowie einer erheblichen Einschränkung der klägerischen Lebensqualität, S. 20/21 des Gutachtens) die Leistungseinschätzung von R1 schon deshalb nicht zu widerlegen, weil sich der medizinischen Verlaufsdokumentation ein Schweregrad der Trigeminusneuralgie gerade nicht entnehmen lässt, lediglich zwei Notfallbehandlungen - nämlich jene vom 24. und 25.09.2021 - aktenkundig sind, die ausweislich der entsprechenden Befundberichte infolge von Schmerzattacken notwendig geworden sind, nachdem eine Umstellung der Schmerzmedikation durch den Schmerztherapeuten P2 erfolgt war und die Klägerin danach im November 2021 (vgl. Befundbericht Uniklinik H1 vom 08.11.2021) über eine Besserung ihrer Schmerzen berichtet hat. Darüber hinaus ist weder der Anamnesedokumentation von W3 noch sonstigen Unterlagen zu entnehmen, dass die Klägerin ein Schmerztagebuch führt/geführt hat. Das Gegenteil scheint vielmehr der Fall (vgl. Gutachten K3, wonach gerade kein Schmerztagebuch geführt worden ist). Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin seit 2019 wegen ihrer Schmerzen in regelmäßiger ärztlicher Behandlung ist und sie durchaus wirkungsstarke Medikamente zur Linderung der Schmerzen einnimmt. Indes ist die Leistungsfähigkeit gerade auch unter Berücksichtigung der Medikamenteneinnahme zu beurteilen. Wie bereits B1 in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 10.06.2021 überzeugend ausgeführt hat, steht die Tatsache, dass die Klägerin, um ihre Aktivitäten und ihre Tagesstruktur aufrechterhalten zu können, medikamentös auf Stufe 3 des Stufenschemas der WHO zur Schmerzbehandlung therapiert wird, der Einschätzung eines erhaltenen zeitlichen Leistungsvermögens nicht entgegen. Eine konsequente und gut eingestellte Schmerzbehandlung, auch unter Einbeziehung von Opioiden, hat - wie sie ebenfalls nachvollziehbar ausgeführt hat - gerade das Ziel, dass die betroffenen Personen trotz der chronischen Schmerzsituation möglichst wenig beeinträchtigt sind und am gesellschaftlichen und am Arbeitsleben teilhaben können. Die medikamentöse Behandlung mit Opioiden hat zwar qualitative Leistungseinschränkungen zur Folge (Vermeidung von Tätigkeiten mit erhöhter Eigen- und Fremdgefährdung), die Behandlung als solche führt aber nicht zu einer zeitlichen Minderung des Leistungsvermögens der behandelten Person (anders als z. B. eine Chemotherapie). Von rentenrelevanten zeitlichen Einschränkungen der Klägerin hat sich der Senat nicht überzeugen können. Gleiches gilt für die von W3 behauptete erhebliche Einschränkung der Lebensqualität der Klägerin. Der von der Klägerin gegenüber W3 im Vergleich zu den beiden vorherigen Begutachtungen nur sehr knapp geschilderte und veränderte Tagesablauf (Sie stehe gegen 08:30 Uhr auf, gehe gegen 22 Uhr ins Bett, schlafe zehn bis elf Stunden und esse dreimal täglich. Nach dem Aufstehen frühstücke sie, gehe ins Badezimmer, versuche Gymnastik, sie koche fürs Mittagessen, dann Ruhepause, Liegen ca. zweieinhalb Stunden, Krankengymnastik, Versuch etwas zu laufen, Hausarbeit. Den Rest der Arbeit mache der Ehemann. Mit den Schmerzen am Rücken habe sie auch kein soziales Leben mehr. Hobbys seien nicht mehr möglich. Früher sei sie regelmäßig gewandert. Sie könne noch ca. eineinhalb Kilometer laufen, danach habe sie Schmerzen und benötige ein Stufenbett und Wärme.) schreibt der Senat aufgrund der Tatsache, dass es zwischen den Begutachtungen bei K3/R1 und jener bei W3 zu keiner wesentlichen Befundverschlechterung gekommen ist, einem gewissen Lerneffekt der Klägerin aus den vorherigen Begutachtungen zu. Eine weitere neurochirurgische Begutachtung war angesichts der bereits auf diesem Fachgebiet von K3 durchgeführten nicht zu veranlassen.

Angesichts all dessen ist sowohl die Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin in einem Umfang von sechs Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der festgestellten qualitativen Einschränkung durch den gerichtlichen Sachverständigen R1 auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet als auch von W3 auf dem - allein in seine Kompetenz fallenden - orthopädischem Fachgebiet für den Senat schlüssig und nachvollziehbar. Sie deckt sich im Übrigen mit allen am Ende der jeweiligen Reha-Behandlungen vorgenommenen Leistungseinschätzungen der Reha-Ärzte in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2023. Soweit im algesiologischen Konsil im Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2023 von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen worden ist, folgt der Senat dem schon deshalb nicht, weil sich diese Einschätzung nicht mit jener abschließenden Einschätzung der für den Reha-Entlassungsbericht vom 19.09.2023 verantwortlich zeichnenden  J2 und des S5 deckt. Überdies wird die Einschätzung des aufgehobenen Leistungsvermögens im algesiologischen Konsil insbesondere auch mit der chronifizierten Schmerzstörung am Bewegungsapparat und den Funktionsbeeinträchtigungen nach Spondylodese begründet und seit der Spondylodese-OP im April 2020 angenommen. Dass seit April 2020 eine Leistungsminderung nicht besteht, haben R1 und selbst W3, soweit es die Beschwerden der Wirbelsäule betrifft - widerlegt.

Sowie die behandelnden Ärzte P2 und G1 zu der Einschätzung gelangt sind, bei der Klägerin liege ein zeitlich vermindertes bzw. aufgehobenes Leistungsvermögen vor, überzeugt dies den Senat nicht. Denn der Auskunft von P2 liegen die diese Einschätzung stützenden Befunde nicht bei. Und die von G1 mitgeteilten Befunde (u.a. Schwindelanfälle, Sprachstörungen, Gedächtnisprobleme) sind von keinem der Fachärzte befundet worden.

Die oben festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen bedingen auch keine arbeitsunüblichen Bedingungen im Sinne einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Die von der Klägerin angegebenen Doppelbilder sind überdies durch eine sog. Prismen-Brille beseitigt. Dies ergibt sich für den Senat aus den Angaben der Klägerin während der Reha-Behandlung Ende des Jahres 2018 (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 18.12.2018) sowie gegenüber R1 (vgl. Gutachten vom 07.10.2022).


Im Übrigen liegt auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor.

Grundsätzlich setzt eine Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen voraus, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, juris Rn. 16). Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. BSG, a.a.O.). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991, a.a.O., Urteil vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 -, juris).

Die Klägerin ist trotz der Schmerzen in der Lage, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Zu dieser Einschätzung gelangen übereinstimmend alle gerichtlichen Sachverständigen. Sie ist für den Senat angesichts der von allen Sachverständigen erhobenen Befunde zum Gangbild, den Gangfähigkeit und der von der Klägerin angegebenen Aktivitäten zu Fuß (vgl. dazu bereits in den zuvor berichteten und dargestellten Tagesabläufen) nachvollziehbar und überzeugend.

Dass die Klägerin aufgrund der Schmerzattacken im Gesicht kein Kfz mehr führt, steht der Wegefähigkeit nicht entgegen.

Soweit die behandelnden Ärzte in der V1 Klinik und in der R2klinik zuletzt neu im Juli/September 2023 eine über die Dysthymie hinausgehende rezidivierende depressive Störung und diese in einer mittelgradigen Episode diagnostiziert haben, weist der Senat darauf hin, dass ungeachtet der Frage, ob hierdurch eine rentenrelevante Leistungsminderung begründet wird - was der Senat hier ausdrücklich offen lässt -, der Gesundheitszustand, der die rentenrelevante Leistungsminderung bewirkt „auf nicht absehbare Zeit“ (vgl. § 43 SGB VI) bestehen muss. Das bedeutet, dass der Gesundheitszustand, der die rentenrelevante Leistungsminderung bewirkt, a
usgehend von § 101 Abs. 1 SGB VI durchgehend mehr als sechs Monate bzw. mindestens ununterbrochen 26 Wochen bestehen muss (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -, juris Rn. 17). Hierfür gibt die medizinische Befundlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats keine Anhaltspunkte. Überdies kommt es nicht auf die Diagnosen, sondern auf die rentenrelevanten Funktionsstörungen an.

Eine schwere, überdauernde krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Klägerin mit rentenrelevanten funktionellen Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen ist nach alledem somit nicht sicher festzustellen.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Berufung der Klägerin nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.  



 

Rechtskraft
Aus
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