S 28 KA 283/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 283/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 
Leitsätze

Quantitative Troponin-Bestimmungen via Immunoassays können nicht als ähnliche Untersuchungen über die GOP 32416 EBM abgerechnet werden.


I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, nicht jedoch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.


T a t b e s t a n d :

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung von speziellen Laborleistungen, die in der Notfallambulanz eines Krankenhauses der Klägerin erbracht worden sind. Streitgegenständlich sind noch Absetzungen der GOP 32416 EBM im Hinblick auf quantitative Bestimmungen von Troponin.

Die Klägerin ist Trägerin u.a. des Kreiskrankenhauses  D-Stadt. Sie hat mit der Beklagten am 27.01.2016 einen Kooperationsvertrag "über die Zusammenarbeit bei dem Betrieb einer Bereitschaftspraxis sowie der Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes zu Nacht- und Nachmittagszeiten" geschlossen.

Mit Bescheid vom 13.02.2019 setze die Beklagte das Honorar des Kreiskrankenhauses  D-Stadt für das Quartal 3/2018 fest (Gesamthonorar 74.142,70 €). Mit Richtigstellungsmitteilung vom selben Tage stellte die Beklagte die Abrechnung des Krankenhauses für das Quartal 3/2018 sachlich und rechnerisch richtig und setzte Notfalllaborleistungen in zahlreichen Fällen im Wert von 4.690,70 € ab (Prüfregel HO11457).

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 26.07.2019 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, dass die am 03.07.2017 gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V geschlossene Dreiseitige Vereinbarung und der dort geregelte Abrechnungsausschluss für Leistungen gem. Kapitel 32.3 EBM (spezielle Laborleistungen) nicht anwendbar sei. Die Troponin-Bestimmungen seien begründet und nach den Kriterien einer modernen klinischen Akut- und Notfallmedizin indiziert. Der Biomarker Troponin (T und I) sei heutzutage fester Bestandteil der Leitlinien.
 
Die Klägerin beantragt:

Der Honorarbescheid vom 13.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2019 wird, soweit Leistungen der GOP 32416 (Bestimmung von Troponin) gestrichen wurden, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 2.166,30 € nachzuvergüten.


Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte teilt die Auffassung der Klägerin, dass die gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V geschlossene Dreiseitige Vereinbarung vom 03.07.2017 keine Anwendung findet. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass die quantitativen Troponin-Bestimmungen nicht gemäß GOP 32416 als ähnliche Untersuchungen abgerechnet werden können, da die Voraussetzungen der Rechtsprechung des BSG, wonach der Rechtsbegriff "ähnliche Untersuchung" einschränkend auszulegen ist, nicht vorliegen.

In der mündlichen Verhandlung am 18.07.2023 hat die Kammer entschieden, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den GKV-Spitzenverband beizuladen, insbesondere um diese anzuhören zu der Frage, ob im Quartal 3/2018 die Abrechnung der quantitativen Bestimmung von Troponin via Immunoassay über die Ziffer 32416 unter der Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung (Az. B 6 KA 39/98 R, Rn. 20ff.) erfolgen konnte.

Zugleich ist die Kammer in der mündlichen Verhandlung am 18.07.2023 zu der vorläufigen Einschätzung gelangt, dass die hochsensitive Troponin-Bestimmung auch schon im Jahr 2018 eine nicht unerhebliche Tragweite in der vertragsärztlichen Versorgung, sowohl im internistischen und hausärztlichen Bereich wie auch im Bereich des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sowie der Notfallambulanzen hatte.

Die Beigeladene zu 1. vertritt die Auffassung, dass Untersuchungen zur Konzentrationsbestimmung kardialer Troponine mittels Immunoassay im Jahr 2018 mit der GOP 32416 als vertragsärztliche Leistungen berechnungsfähig waren und dies auch heute noch sind. Sie hat in ihrer fachlichen Stellungnahme ausgeführt, dass es sich bei den kardialen Troponinen um die wichtigsten Laborparameter für die Diagnose einer akuten kardialen Schädigung handele. Im Rahmen der laboratoriumsmedizinischen Untersuchung kardialer Troponine würden verschiedene Testmöglichkeiten unterschieden. Schnelltests in Form von Streifen- oder Kassettentests mit visueller Auswertung lieferten im Regelfall ein qualitatives Untersuchungsergebnis und besäßen nach Kenntnis der Beigeladenen zu 1. eine vergleichsweise geringe Sensitivität für den Nachweis kardialer Troponine. Dagegen lieferten automatisierte Tests zur Konzentrationsbestimmung kardialer Troponine auf Basis immunchemischer Untersuchungsmethoden quantitative Ergebnisse. Hierbei werde in Bezug auf die Nachweisempfindlichkeit und die Präzision zwischen sensitiven (Standard-) und hochsensitiven (high-sensitivity, hs) Troponin-Immunoassays unterschieden. Nach den im Jahr 2018 einschlägigen Leitlinien sei die Durchführung quantitativer Troponin- Assays Voraussetzung für einen schnellen und sicheren Nachweis bezüglich Ausschluss einer Herzmuskelschädigung in der Akutdiagnostik und gewährleiste damit eine gegebenenfalls notwendige rasche Ableitung therapeutischer Konsequenzen bzw. eine Überführung in die stationäre Versorgung. Durch die Leitlinien werde explizit die Durchführung hochsensitiver Tests empfohlen (z.B. mittels Immunoassays), in Abgrenzung zu den Schnelltests in Form von Streifen- oder Cassettentests, für die die GOP 32150 einschlägig sei (und die vor allem in niedergelassenen Praxen der ambulanten Primärversorgung eingesetzt würden). Labororatoriumsmedizinische Untersuchungen zur Quantifizierung der kardialen Troponine hätten einen hohen Stellenwert in der Akutdiagnostik einer (vermuteten) myokardialen Schädigung. Entsprechende Untersuchungen besäßen jedoch nur einen vergleichsweise geringen Anteil an der Gesamtheit laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen in der vertragsärztlichen Versorgung, da es sich in diesem Versorgungsbereich ausschließlich um Untersuchungen der Notfalldiagnostik handele, die darüber hinaus einer engen Indikationsstellung unterlägen. Die Zuordnung der quantitativen Troponinbestimmung zur GOP 32416 im Sinne einer ähnlichen Untersuchung ist nach Auffassung der Beigeladenen zu 1. unstreitig. Darüber hinaus würden Untersuchungen zur Quantifizierung der kardialen Troponine entsprechend GOP 32416 gemessen an der Gesamtheit der Untersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM nach ihrer Einschätzung weder in einem bedeutenden Umfang noch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht. Ein Zusammenhang zwischen der diagnostischen Bedeutung eines laboratoriumsmedizinischen Markers und der Notwendigkeit einer Überführung dieser Untersuchung in eine eigenständige Gebührenordnungsposition bestehe ebenfalls nicht. Somit bestehe bis zum aktuellen Zeitpunkt aus Sicht der Beigeladenen zu 1. kein Handlungsbedarf hinsichtlich der Schaffung einer eigenständigen Gebührenordnungsposition für die Untersuchung zur Quantifizierung der kardialen Troponine. Die Anforderungen der Leitlinien an die Leistungsfähigkeit der Labortests zur Bestimmung kardialer Troponine zur Diagnostik eines akuten Koronarsyndroms in der Notfalldiagnostik würden weder zum Streitzeitpunkt noch gegenwärtig von den bekannten lateral flow-Schnelltests erfüllt. Um die Anforderungen der Leitlinien für die Notfalldiagnostik zu erfüllen, mussten und müssten in der Notfalldiagnostik zum Nachweis oder Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms nach Einschätzung der Beigeladenen zu 1. Labortests zur Quantifizierung des (hochsensitiven) Troponins entsprechend GOP 32416 zur Anwendung kommen.

Der Beigeladene zu 2. vertritt ebenfalls die Auffassung, dass die GOP 32416 bei hochsensitiven Troponin-Tests angesetzt werden kann. Dieser Test könne von Laboren (oder auch Eigenerbringern) durchgeführt werden, die die hohen Anforderungen der Qualitätssicherungsvereinbarung Speziallabor erfüllten. Nach Auffassung des Beigeladenen zu 2. bestand bisher und besteht auch derzeit keine Notwendigkeit zur Schaffung einer eigenen Gebührenordnungsposition zur quantitativen Bestimmung von Troponin. Im niedergelassenen vertragsärztlichen Kontext werde zur schnellen Abklärung eines akuten Coronarsyndroms vorrangig der Schnelltest nach GOP 32150 EBM durchgeführt; dies insbesondere auch deshalb, weil für die quantitative Bestimmung von Troponin mittels Immunoassay die unmittelbare Verfügbarkeit eines entsprechend ausgestatteten Labors erforderlich sei. Die quantitative Bestimmung des Troponin I/T über die Gebührenordnungsposition 32416 sei indikationsoffen und damit breiter als bei den Schnelltests. Neben dem Akuten Koronarsyndrom komme auch die Abklärung traumatischer/entzündlicher oder toxischer Einflüsse auf den Herzmuskel hinzu. So könnten zum Beispiel bestimmte Chemotherapeutika kardiotoxische Nebenwirkungen aufweisen. Die Bestimmung von verschiedenen herzmuskelspezifischen Parametern gehöre hier zur Therapieverlaufskontrolle oder zur Überwachung der Nebenwirkungen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Die Klägerin hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 18.07.2023 zwei Fallgruppen bezüglich der streitgegenständlichen Troponin-Bestimmungen gebildet. Sie hat sich den Ausführungen beider Beigeladenen, insbesondere zur Bedeutung der quantitativen Troponin-Bestimmung in der Notfallversorgung, inhaltlich voll angeschlossen. Sie beanstandet, dass die Beklagte keine konkreten, die GOP 32416 betreffenden Zahlen aus der vertragsärztlichen Versorgung für Bayern vorgelegt hat.

Die Beklagte hat auf die bedeutende Tragweite koronarer Herzerkrankungen in Deutschland und darauf, dass die quantitative Bestimmung von Troponin I bei Verdachtsdiagnosen, die auf ein akutes koronares Syndrom hindeuteten, indiziert sei, hingewiesen. Auf Nachfrage der Kammer hat sie diejenigen Diagnosen mitgeteilt, bei denen im Jahr 2018 nach ihrer medizinischen Einschätzung die hochsensitive Bestimmung von Troponin angebracht war. Sie hat zu einzelnen konkreten Fällen Stellung bezogen, in denen nach ihrer Einschätzung die Diagnosen an sich nicht hinreichend aussagekräftig hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit der Troponin-Bestimmungen gewesen sind.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 13.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Nachvergütung i.H.v. 2.166,30 €.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der fristgemäß eingelegten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sind erfüllt.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Nach erfolgten Teilklagerücknahmen sind nur noch die Absetzungen der GOP 32416 EBM im Notfall aufgrund der Prüfregel HO11457 streitgegenständlich.

Die im Rahmen des Honorarbescheids erfolgte Richtigstellung, mit der sämtliche, mit der Ziffer 32416 abgerechneten hochsensitiven quantitativen Bestimmungen von Troponin abgesetzt wurden, ist nicht zu beanstanden.

Grundsätzlich ist die Beklagte berechtigt, Abrechnungen von Krankenhäusern über durchgeführte Notfallbehandlungen zu berichtigen, wenn Leistungen abgerechnet worden sind, die nicht zum Spektrum zulässiger Notfallbehandlungen gehören. Nach § 106d Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 16.07.2015) stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der Abrechnungsprüfung ist nach der Rechtsprechung des BSG auch die Abrechnung von Notfallbehandlungen, die durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser erbracht werden, da infolge der Gleichstellung der in Notfällen tätigen Krankenhäuser mit Vertragsärzten die für die Abrechnung maßgeblichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts insoweit entsprechend gelten (BSG, Urteil vom 13.05.2020, Az. B 6 KA 6/19 R, Rn. 20 m.w.N.).

Unstreitig findet vorliegend der in § 4 Abs. 2 und Anlage 2 der "Dreiseitigen Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes nach §§ 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. 75 Abs. 1b SGB V" (vom 03.07.2017) geregelte Abrechnungsausschluss bezüglich der GOP 32416 keine Anwendung. Die zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Kooperationsvereinbarung wurde am 27.01.2016 und damit vor Inkrafttreten der Dreiseitigen Vereinbarung geschlossen. Gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 der Dreiseitigen Vereinbarung genießen bestehende Kooperationen zwischen einzelnen Krankenhäusern und der Beklagten im Bereitschaftsdienst Bestandsschutz auf Basis der jeweiligen örtlich miteinander getroffenen Vereinbarungen.

Unabhängig von der Frage, ob die streitgegenständlichen hochsensitiven quantitativen Bestimmungen von Troponin im Einzelfall medizinisch notwendig und berechnungsfähig waren (vgl. zur medizinischen Notwendigkeit von Notfallleistungen BSG, ebenda, Rn. 21f.), fehlt es vorliegend an einer für die Abrechnung notwendigen konkreten Gebührenziffer im EBM.

Die hochsensitive quantitative Bestimmung von Troponin ist im EBM nicht ausdrücklich als abrechenbare Leistung aufgeführt. Sie ist abzugrenzen von dem in der GOP 32150 EBM geregelten immunologischer Nachweis von Troponin I und/oder Troponin T auf einem vorgefertigten Reagenzträger bei akutem koronaren Syndrom (ACS). Die GOP 32150 setzt im Gegensatz zur Leistungslegende der GOP 32416 lediglich den qualitativen Nachweis der kardialen Troponine voraus. Eine apparative quantitative Auswertung des Untersuchungsergebnisses ist einzig als fakultativer Leistungsinhalt inkludiert und damit keine Abrechnungsvoraussetzung für diese Gebührenordnungsposition.

Vorliegend kann auch die Frage offengelassen werden, ob es sich bei der hochsensitiven quantitativen Bestimmung von Troponin um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gem. § 135 Abs. 1 SGB V handelt (vgl. hierzu Leopold in: Hauck/Noftz, SGB V (Stand 2. EL 2024), § 135 Rn 69 m.w.N.). Denn es liegen jedenfalls die Voraussetzungen zur Abrechnung der hochsensitiven quantitativen Bestimmung von Troponin als ähnliche Untersuchung nach GOP 32416 EBM nicht vor.

In der Beschreibung des Leistungsinhalts der GOP 32416 EBM "Ähnliche Untersuchungen (wie 32410 bis 32415)" heißt es:

"Quantitative Bestimmung mittels Immunoassay, gilt für die Gebührenordnungspositionen 32410 bis 32416,
Ähnliche Untersuchungen unter Angabe der Art der Untersuchung"

Nach der Rechtsprechung des BSG muss der unbestimmte Rechtsbegriff der "ähnlichen Untersuchung", da der Bewertungsausschuss im wesentlichen selbst den Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung festzulegen hat, einschränkend ausgelegt werden. Weitere Laborverfahren müssen danach, um als "ähnliche Untersuchung" anerkannt werden zu können, zwei Voraussetzungen erfüllen (BSG, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R, Rn. 24f.):

"Zum einen muss auf der Hand liegen oder unstreitig sein, welchem der verschiedenen Tatbestände der ähnlichen Untersuchung die Leistung zuzurechnen ist. Von der Struktur der Kompetenzverteilung her kann die vertragsärztliche Selbstverwaltung nicht befugt oder gar verpflichtet sein, ggf. unter Einholung von Sachverständigengutachten zu ermitteln, welchen der Tatbestände der ähnlichen Untersuchung eine Leistung erfüllt. Dies ist die Aufgabe des Bewertungsausschusses, der die Leistungen zu definieren und zu bewerten hat. Einen Tatbestand "ähnliche Untersuchung" darf er nur insoweit verwenden, als es nicht ernstlich Streit darüber geben kann, welche Leistungen ihm zuzuordnen sind.

Zum anderen dürfen dem Begriff der "ähnlichen Untersuchung" nicht solche Leistungen zugeordnet werden, die von ihrem Anwendungsbereich her darauf angelegt sind, in der vertragsärztlichen Versorgung in großem Umfang und/oder mit erheblichen finanziellen Auswirkungen eingesetzt zu werden. Würde dies zugelassen, käme der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs bei der Normanwendung durch die Kassenärztliche Vereinigung zu große Bedeutung zu. Das liefe dem Grundsatz zuwider, dass der Bewertungsausschuss lediglich die Konkretisierung von Einzelheiten an die Kassenärztliche Vereinigung übertragen darf und die wesentlichen Bestimmungen i.S. des § 87 Abs. 2 SGB V selbst treffen muss."

Vorliegend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die hochsensitive quantitative Bestimmung von Troponin mittels Immunoassay eine ähnliche Untersuchung wie GOP 32410 bis 32415 darstellt. Auch nach dem Kölner Kommentar können "quantitative Troponin-Bestimmungen mit herkömmlicher Methodik des Abschnitts 32.3 (keine Schnelltests)" der GOP 32416 zugeordnet werden (Köhler/Hess (Hrsg.), Kölner Kommentar zum EBM, Band 2, Stand 01.01.2019, Kapitel 32, S. 44).

Zur Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer kommt der hochsensitiven quantitativen Bestimmung von Troponin jedoch eine erhebliche Tragweite in der vertragsärztlichen Versorgung zu. Dies steht der Anerkennung als "ähnliche Untersuchung" i.S.d. GOP 32416 EBM entgegen.

Der Kammer liegen keine konkreten Zahlen zur Frage der Häufigkeit der über die GOP 32416 EBM abgerechneten quantitativen Troponin-Assays im Jahr 2018 vor. Lt. Kölner Kommentar haben sich die Beigeladenen zwar darauf verständigt, die zu den über "ähnliche Untersuchungen" abgerechneten Laboratoriumsuntersuchungen angegebenen Begründungen regelmäßig auszuwerten, um u.a. Untersuchungen zu identifizieren, die besser über spezifische Gebührenordnungspositionen abzubilden sind (Köhler/Hess (Hrsg.), Kölner Kommentar zum EBM, Band 2, Stand 01.01.2019, Kapitel 32, S. 90). Die Beigeladenen haben jedoch die gerichtliche Frage zum Vorliegen von Auswertungsergebnissen zur Abrechnung der quantitativen Bestimmung von Troponin mittels Immunoassay über die Ziffer 32416 nicht beantwortet bzw. nicht beantworten können.

Dass quantitative Troponin-Assays von ihrem Anwendungsbereich her darauf angelegt sind, in der vertragsärztlichen Versorgung in großem Umfang und mit erheblichen finanziellen Auswirkungen eingesetzt zu werden, ergibt sich zum Einen aus den von der Beigeladenen zu 1. angeführten, im Jahr 2018 geltenden Leitlinien.

Entsprechend den ESC Guidelines "Akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebung (NSTE-ACS)" der European Society of Cardiology (ESC) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) aus dem Jahr 2015, den ESC Guidelines "Vierte Definition des Myokardinfarktes" der ESC und der DGK aus dem Jahr 2018 sowie den ESC Guidelines "Therapie des akuten Herzinfarktes bei
Patienten mit ST-Streckenhebung (STEMI)" der DKG ist die Durchführung quantitativer Troponin-Assays Voraussetzung für einen schnellen und sicheren Nachweis bzw. Ausschluss einer Herzmuskelschädigung in der Akutdiagnostik und gewährleistet damit eine ggf. notwendige rasche Ableitung therapeutischer Konsequenzen bzw. eine Überführung in die stationäre Versorgung. Die Leitlinien empfehlen explizit die Durchführung hochsensitiver Tests, da nur diese Tests eine eventuelle Konzentrationsveränderung der kardialen Troponine auch in niedrigen Konzentrationsbereichen frühzeitig sichtbar machen. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beigeladenen zu 1. an, dass die Indikation für die Durchführung (hochsensitiver) quantitativer Troponin-Assays bei Vorliegen einer entsprechenden Symptomatik in der Notfallversorgung gegeben ist. Aus diesem Grund erscheint es nur folgerichtig, dass die Beigeladene zu 1. den laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen zur Quantifizierung der kardialen Troponine einen hohen Stellenwert in der Akutdiagnostik einer (vermuteten) myokardialen Schädigung einräumt.

Gegen die Einschätzung der Beigeladenen zu 1., dass quantitative Troponin-Assays nur einen vergleichsweise geringen Anteil an der Gesamtheit laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen in der vertragsärztlichen Versorgung besitzen, hat die Beklagte hingegen zutreffend eingewandt, dass es hierauf bei der Frage der Tragweite in der vertragsärztlichen Versorgung nicht ankommt.

Auch die von der Beigeladenen zu 1. angeführte Argumentation, dass es sich ausschließlich um Untersuchungen der Notfalldiagnostik handelt, die darüber hinaus einer engen Indikationsstellung unterliegen, teilt die Kammer nicht. Da koronare Herzerkrankungen in Deutschland sehr häufig sind, spielen sie in der Notfalldiagnostik eine große Rolle. Auch werden (so auch schon im Jahr 2018) immer mehr Ärztliche Bereitschaftsdienste in am Krankenhaus angesiedelten Bereitschaftspraxen geleistet bzw. Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in den Notdienst eingebunden (vgl. § 75 Abs. 1b Satz 2 SGB V in der Fassung vom 10.12.2015). Diese strukturellen Änderungen haben nach Auffassung der Kammer zur Folge, dass die Häufigkeit quantitativer Troponin-Bestimmungen in der Notfalldiagnostik eher zunimmt, weil nahe gelegenen Krankenhauslabore schneller beauftragt werden können. Die Untersuchungen zur quantitativen Bestimmung von Troponin spielen im Übrigen nicht nur in der Notfalldiagnostik eine Rolle; nach den Erfahrungswerten der fachkundig besetzten Kammer war bzw. ist es nicht unüblich, dass quantitative Troponin-Assays im hausärztlichen und internistischen Bereich auch zu den regelmäßigen Sprechstundenzeiten in Auftrag gegeben bzw. durchgeführt werden.
 
Quantitative Troponin-Assays haben zudem, worauf auch der Beigeladene zu 2. hingewiesen hat, einen breiteren Indikationsbereich als die (Schnell)Tests zum qualitativen Nachweis von Troponinen; neben dem akuten Koronarsyndrom sind sie auch bei der Abklärung traumatischer/entzündlicher oder toxischer Einflüsse auf den Herzmuskel indiziert.

Schließlich wertet die Kammer als weiteres Indiz für die nicht unerhebliche Tragweite der hochsensitiven quantitativen Bestimmung von Troponin in der vertragsärztlichen Versorgung, dass sie im Laborkompendium der Beigeladenen zu 1. (Richtlinie gem. § 75 Abs. 7 Nr. 1 SGB V, in Kraft getreten am 01.04.2014) in den Hinweisen zur GOP 32416 als einzige "ähnliche Untersuchung" ausdrücklich Erwähnung findet.

Gegen die vorliegende Einschätzung der Kammer spricht auch nicht, dass im niedergelassenen Bereich die sog. Schnelltests zur Troponin-Bestimmung weit verbreitet sind. Denn dies schließt nicht aus, dass daneben auch die quantitativen Troponin-Assays von ihrem Anwendungsbereich her darauf angelegt sind, in der vertragsärztlichen Versorgung in großem Umfang und mit erheblichen finanziellen Auswirkungen eingesetzt zu werden.

Mangels einer konkreten Abrechnungsziffer konnte vorliegend die Beklagte die von ihr durchgeführten quantitativen Troponin-Assays nicht abrechnen.

Zur Überzeugung der Kammer ist der Bewertungsausschuss verpflichtet, eingehend zu prüfen, ob diese Leistung künftig in den EBM aufgenommen wird. Angesichts des dem Bewertungsausschuss obliegenden Entscheidungsspielraums, der im Übrigen auch einen gewissen zeitlichen Umsetzungsspielraum beinhaltet (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.1996, Az. 6 RKa 31/95, Rn. 24), kann jedoch für die Vergangenheit kein Pflichtverstoß wegen einer etwaigen Untätigkeit festgestellt werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R, Rn. 27).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

 

 

Rechtskraft
Aus
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