1. Gegenüber einem Vertragsarzt, der seiner Patientin Cannabisblüten zulasten der Krankenversicherung verordnet hat, ohne dass eine entsprechende Genehmigung der Krankenkasse vorlag, kann die Prüfungsstelle eine Nachforderung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festsetzen.
2. Die Höhe der Nachforderung ist in diesem Fall einer unzulässigen Verordnung auch nach Inkrafttreten des § 106b Abs 2a SGB V nicht auf die Differenz zwischen verordneter und wirtschaftlicher Leistung beschränkt.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Hannover vom 24. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.920,61 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Festsetzung einer Nachforderung wegen Verordnung unverarbeiteter Cannabisblüten im Quartal I/2020.
In diesem Zeitraum war der Kläger als Facharzt für Allgemeinmedizin in L. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Niedersachsen zugelassen. Er verordnete unter dem 17. Januar 2020, 27. Februar 2020 und 18. März 2020 der bei der zu 2. beigeladenen Krankenkasse (KK) versicherten JN (im Folgenden: die Versicherte) jeweils unverarbeitete Cannabisblüten (Cannabis Flos Bedrocan) aufgrund der Diagnose Cluster-Kopfschmerz (ICD-10: G 44.0). Die Versicherte war im Jahr 2019 von einem anderen Vertragsarzt behandelt worden, der Cannabisblüten verordnet hatte. Eine dieser Verordnungen legte die Versicherte dem Kläger vor, nachdem sie in dessen hausärztliche Behandlung gewechselt war. Daraufhin verordnete dieser Cannabisblüten weiter. Eine Genehmigung der KK lag weder im Jahr 2019 noch im Zeitpunkt der vorliegend streitigen Verordnungen des Klägers vor. Die Versicherte hatte sich in den Jahren 2019 und 2020 anlässlich einer Behandlung mit Cannabisblüten nicht an die KK gewandt.
Der Kläger teilte der KK unter dem 9. April 2021 mit, dass bei der Versicherten ausschließlich die Behandlung mit Cannabisblüten zu einer Beschwerdefreiheit geführt habe. Eine Medikation mit Metamizol, ASS, NSAR, Morphin subcutan sowie eine Sauerstofftherapie seien ohne Erfolg geblieben, eine Medikation mit Imigran habe zu schweren Nebenwirkungen geführt, die stationär behandelt worden seien. Die KK lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 16. April 2021 gegenüber der Versicherten ab und informierte den Kläger taggleich. Sie verwies auf eine Therapie mit einem Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Nach telefonischer Rücksprache und schriftlichem Antrag vom 21. April 2021 genehmigte die KK eine Behandlung mit Dronabinol-Tropfen bis zum 31. März 2022 mit Bescheid vom 21. April 2021 gegenüber der Versicherten. Einen weiteren Antrag auf Übernahme der Kosten für Cannabinoide lehnte die KK unter dem 5. Mai 2022 ab. Darin wies sie auf alternative Therapien wie zB Entspannungstechniken, Konsultation der Kopfschmerzklinik in Kiel und Physiotherapie hin.
Unter dem 13. Mai 2022 – Eingang bei der Beklagten am 25. Mai 2022 – beantragte die KK bei der Beklagten die Prüfung der Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und der Prüfvereinbarung gemäß § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iHv 6.920,61 Euro wegen der im Quartal I/2020 ohne Genehmigung verordneten Cannabisblüten. Von den Verordnungen erhielt die KK durch die Arzneimittelabrechnung Kenntnis. Der Betrag setzt sich aus den Kosten für die Cannabisblüten und einer Gebühr für Betäubungsmittel <BTM> (4,26 Euro) abzüglich der Rabatte vom Apothekenabgabepreis zusammen (Verordnung vom 17. Januar und 27. Februar 2020: 2.704,51 Euro zzgl 4,26 Euro; Verordnung vom 18. März 2020: 1.498,81 Euro zzgl 4,26 Euro).
Auf die Anhörung der Beklagten vom 7. Juni 2022 wiederholte der Kläger unter dem 22. August 2022 seine Angaben vom 9. April 2021 gegenüber der KK. Zudem wies er darauf hin, dass das durch die KK genehmigte Medikament Dronabinol-Tropfen 500mg zu keiner Schmerzerleichterung geführt und die Versicherte Cannabisblüten privat gekauft habe.
Mit Bescheid vom 14. März 2023 – Zugang beim Kläger am 15. März 2023 – setzte die Beklagte gegen den Kläger eine Nachforderung iHv 6.920,61 Euro fest wegen Verordnung von Cannabisblüten im Quartal I/2020 ohne die nach § 2 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) iVm § 31 Abs 6 S 2 SGB V vorausgesetzte Genehmigung der KK vor Beginn der Leistung. Eine Begrenzung der Nachforderung gemäß § 106b Abs 2a SGB V wandte die Beklagte nicht an, weil die Verordnung vorliegend den Grundsätzen der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) widerspreche.
Dagegen hat der Kläger mit Eingang am 15. März 2023 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2023 beantragt. Zur Begründung hat er sich auf den Bescheid der KK vom 21. April 2021 bezogen und die Auffassung vertreten, dass Arzneimittel auf Cannabisbasis grundsätzlich hätten verordnet werden dürfen. Die KK hat darauf hingewiesen, dass für einen Therapieversuch mit Cannabinoiden bei Cluster-Kopfschmerzen eine ausreichende Datenlage und Indizien fehlten, nach denen ein therapeutischer Erfolg möglich erscheine.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2023 – Zugang beim Kläger am 24. Oktober 2023 – abgewiesen. Der Kläger habe Cannabisblüten mangels Genehmigung der KK zum Zeitpunkt der Verordnungen nicht rezeptieren dürfen, sodass die Verordnungen unzulässig und unwirtschaftlich und deshalb zu regressieren seien.
Hiergegen hat der Kläger mit Eingang am 24. Oktober 2023 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend beruft er sich darauf, dass für ihn kein Anlass bestanden habe, an der Rechtmäßigkeit der ihm vorgelegten Verordnung des vorangehenden ärztlichen Behandlers zu zweifeln. Er sei davon ausgegangen, dass die Genehmigung bereits seit 2019 vorgelegen habe. Nachdem die Nachfrage bei dem früheren Arzt der Versicherten ergeben habe, dass keine Genehmigung bestehe, habe er bei der KK die Erteilung der Genehmigung beantragt. Zur Erteilung der Genehmigung sei die KK auch verpflichtet. Der Regress müsse sich außerdem gegen die Versicherte richten, die nach zivilrechtlichen Regelungen hafte. Im Übrigen sei der KK kein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden. Dem erstattet verlangten Betrag seien die Kosten für eine alternative Behandlung mit Dronabinol-Tropfen, einer stationären Behandlung in einer Kopfschmerzklinik in Kiel und für Entspannungstechniken oder Physiotherapie gegenüberzustellen und in Abzug zu bringen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 24. Oktober 2023 und den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2023 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die fehlende Genehmigung der KK zum Verordnungszeitpunkt sowie darauf, dass ein Verschulden des Klägers keine Voraussetzung für den Arzneimittelkostenregress sei. Er allein verantworte die ärztliche Behandlung der Versicherten. Dazu könne er sich nicht auf eine von einem anderen Vertragsarzt ausgestellte Verordnung berufen.
Die Beigeladene zu 2. trägt vor, dass die Erteilung einer Genehmigung gemäß § 31 Abs 6 SGB V nicht Gegenstand eines Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei. Die Beigeladene zu 1. hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Hannover vom 24. Oktober 2023 hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
A. Gegenstand des Verfahrens (§ 95 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) ist der Bescheid der beklagten Prüfungsstelle Niedersachsen für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung vom 14. März 2023, mit dem die Beklagte gegen den Kläger eine Nachforderung wegen unwirtschaftlicher Verordnung von unverarbeiteten Cannabisblüten im Quartal I/2020 iHv insgesamt 6.920,61 Euro festgesetzt hat.
B. Die Berufung ist bei einem Wert des Beschwerdegegenstands für den Kläger iHv 6.920,61 Euro statthaft (§ 143 Halbs 2 iVm § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) und auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie innerhalb der vorgesehenen Frist von einem Monat bei dem LSG eingelegt worden (§ 151 Abs 1 SGG).
C. In der Sache hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das SG hat seine Klage auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I. Der Kläger hat eine gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungsklage erhoben.
Vor ihrer Erhebung war ein Vorverfahren (§ 78 Abs 1 S 1 SGG) vor dem Beschwerdeausschuss Niedersachsen nicht durchzuführen. Gemäß § 106c Abs 3 S 4 SGB V (eingefügt durch Art 2 Nr 8, Art 20 Abs 6 des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-VSG> vom 16. Juli 2015, BGBl I 1211, 1237 f, mWv 1. Januar 2017) gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss, der gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle – hier die Beklagte – angerufen werden kann, als Vorverfahren gemäß § 78 SGG. Dieses war gemäß § 78 Abs 1 S 2 Nr 1 SGG aber wegen der in § 106c Abs 3 S 6 SGB V gesetzlich bestimmten Ausnahme entbehrlich. Nach dieser Regelung findet in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, eine Anrufung des Beschwerdeausschusses nicht statt. Hierunter fallen Verordnungsregresse, denen ein Verordnungsausschluss zugrunde liegt, der sich unmittelbar und eindeutig aus spezifischen gesetzlichen Regelungen des SGB V bzw aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ergibt. Betroffen sind vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalte, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist oder nicht, dh solche Fälle, in denen eindeutige normative Vorgaben umzusetzen sind und es hierzu keiner einzelfallbezogenen Prüfung bedarf (vgl zum vormaligen § 106 Abs 5 S 8 SGB V in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 72 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz <GKV-WSG> vom 26. März 2007, BGBl I 378 die Entscheidungen des Bundessozialgerichts <BSG>, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 6 KA 13/10 R = BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, juris, Rn 15 ff; Urteil vom 2. Juli 2014 - B 6 KA 25/13 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 45, juris, Rn 14 ff, 17).
Davon geht der Senat im vorliegenden Fall aus. Der Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Cannabisblüten (§ 31 Abs 6 S 1 SGB V) ist zwar nicht – wie bspw im Fall nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel gemäß § 34 Abs 1 S 1 SGB V – ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen. Der Ausschluss ergibt sich im Fall des § 31 Abs 6 SGB V aber bereits dann, wenn eine Genehmigung bei der ersten Verordnung nicht vorliegt (dazu sogleich). Diese Genehmigung lag hier zu keinem Zeitpunkt vor. Entsprechend bedarf es schon aufgrund des Fehlens der Genehmigung keiner weiteren einzelfallbezogenen Prüfung. Vielmehr ist der Sachverhalt wegen dieser eindeutigen normativen Vorgabe leicht überprüfbar, sodass es eines Vorverfahrens nicht bedurfte (vgl SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2021 - S 4 KA 3885/20, juris, Rn 19).
Dem steht nicht entgegen, dass hier auch die Höhe der Festsetzung einer Nachforderung und damit die Anwendung der Differenzkostenberechnung gemäß § 106b Abs 2a SGB V im Streit steht. Denn der Ausschluss des Vorverfahrens gemäß § 106c Abs 3 S 6 SGB V findet nach seinem Wortlaut ausdrücklich in den Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht Anwendung und ist auf den Ausschluss der Leistung bezogen, nicht aber auf die Rechtsfolgen dieses Ausschlusses. Die Rechtsfolgen – dh die Höhe der Nachforderung – sind hier im Übrigen nicht nach Maßgabe der Differenzkostenberechnung zu klären. Denn in den Fällen, in denen – wie vorliegend – unzulässige Verordnungen Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind, findet nach Auffassung des Senats eine Differenzkostenberechnung iSd § 106b Abs 2a SGB V keine Anwendung (dazu unter II 3f).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte gegen den Kläger eine Nachforderung wegen der Verordnung von unverarbeiteten Cannabisblüten im Quartal I/2020 festgesetzt.
1. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Nachforderung im Rahmen einer Einzelfallprüfung in dem streitbefangenen Quartal ist § 106 Abs 1, Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V (idF von Art 1 Nr 47, Art 2 Nr 6 GKV-VSG, aaO) sowie § 106 Abs 3 S 3 SGB V (idF von Art 1 Nr 56a, Art 17 Abs 1 des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung <TSVG> vom 6. Mai 2019, BGBl I 646, mWv 11. Mai 2019) und § 106b SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr 47 GKV-VSG, hier idF von Art 1 Nr 58, Art 17 Abs 1 TSVG, ebd; vgl zu den zum maßgeblichen Zeitpunkt zugrunde zu legenden Rechtsvorschriften BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 - B 6 KA 45/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 53, juris, Rn 23).
Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-VSG die Regelungen zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen neu strukturiert und im Grundsatz geregelt, dass ab 2017 die Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit ärztlich verordneten Leistungen anhand von Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner auf Landesebene geprüft wird (§ 106b Abs 1 S 1, 4 SGB V). Die Vertragspartner auf Landesebene sind bei der Ausgestaltung der Prüfungen grundsätzlich frei (vgl BT-Drs 18/4095, S 110). Die Vertragspartner in Niedersachsen haben die „Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung gem § 106 Abs 1 SGB V ab dem Jahr 2017“ <PrüfV 2017> (idF vom 8. April 2019, abrufbar unter: www.kvn.de/internetmedia/Über+uns/Amtliche+Bekanntmachungen.html) geschlossen, welche am 1. Januar 2017 in Kraft trat (§ 38 Abs 1 S 1 PrüfV 2017). Die zum 1. Januar 2022 in Kraft getretene „Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung gem § 106 Abs 1 SGB V ab dem Jahr 2022“ <PrüfV 2022> (abrufbar unter ebd) findet auf Leistungen, die bis zum 31. Dezember 2021 erbracht, verordnet oder veranlasst wurden, keine Anwendung. Für diese gilt die bisherige PrüfV (§ 37 Abs 1 S 2 PrüfV 2022).
Zudem haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) einheitliche „Rahmenvorgaben nach § 106b Abs 2 SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen“ vom 1. Mai 2020 (<Rahmenvorgaben>, geändert am 5. Oktober 2020, 26. Mai 2021 sowie am 22. November 2022) für die Prüfungen nach § 106b Abs 1 SGB V vereinbart (abrufbar unter: www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/wirtschaftlichkei-tspruefung/wirtschaftlichkeitspruefung_leistungen.jsp). Die Rahmenvorgaben regeln Mindeststandards für Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 iVm § 106b SGB V (§ 1 S 1 der jeweiligen Rahmenvorgabe) und sind den Vereinbarungen auf Landesebene vorgelagert (vgl BT-Drs 18/4095, S 111). Sie sind für die regionalen Vertragspartner der nach § 106b Abs 1 SGB V zu schließenden Vereinbarungen – hier die PrüfV 2017 – nach deren Satzungsrecht verbindlich (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 2. Erglfg 2024, § 106b Rn 102; siehe hierzu § 3 Abs 4 S 1 Satzung der beigeladenen KÄV <idF vom 20. November 2021, abrufbar unter: www.kvn.de> und § 2 Abs 5 S 2 Satzung der beigeladenen KK <idF vom 1. April 2022, vgl redaktioneller Hinweis idF der 120. Änderung vom 19. Dezember 2023, abrufbar unter: www.aok.de/pk/magazin/cms/fileadmin/pk/niedersachsen/pdf/Satzung_AOK_Niedersachsen.pdf>).
2. Nach diesen Maßgaben ist der angefochtenen Bescheid vom 14. März 2023 formell rechtmäßig ergangen.
a) Die beklagte Prüfungsstelle durfte die angefochtene Entscheidung treffen.
Gemäß § 106 Abs 3 S 1 und 2 SGB V entscheidet die Prüfungsstelle unter Beachtung der Vereinbarungen nach § 106b SGB V, ob der Vertragsarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung sein.
Die gesetzlich angesprochenen Einzelfallprüfungen haben die regionalen Vertragspartner durch § 30 Abs 2, § 31 S 1 PrüfV 2017 umgesetzt. Gemäß § 6 Abs 1 Buchst j, § 30 Abs 2, 3 S 1 PrüfV 2017 stellt die Prüfungsstelle auf Antrag einen Verordnungsregress wegen Verstößen gegen die Richtlinien des Bundesausschusses gemäß § 92 SGB V – hier gegen § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V iVm § 2 S 2 AM-RL iVm § 31 SGB V (idF vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009, BAnz Nr 49a <Beilage> vom 31. März 2009, hier relevante Fassungen vom 28. Januar 2020 <BAnz AT 02.03.2020 B2>, vom 6. Februar 2020 <BAnz AT 24.03.2020 B5>, vom 20. Februar 2020 <BAnz AT 03.04.2020 B2>) – fest
Zudem prüft sie gemäß § 31 S 1 PrüfV 2017 auf Antrag einer Krankenkasse oder eines Vertragspartners in begründeten Fällen, ob der Vertragsarzt unwirtschaftliche ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen veranlasst hat. Insoweit regelt die PrüfV 2017 zwar nicht ausdrücklich – so wie nach § 30 Abs 2 PrüfV 2017 – die Zuständigkeit der Prüfungsstelle für die Festsetzung von Nachforderungen bzw Verordnungsregressen. Dies schließt ihre darauf bezogene Zuständigkeit aber nicht aus. Denn ist die Prüfungsstelle bereits zuständig für die Festsetzung von Verordnungsregressen bei Verstoß gegen untergesetzliche Vorschriften – § 30 Abs 2 PrüfV 2017, § 2 S 2 AM-RL –, so ist sie es erst recht bei Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften, so wie hier § 31 Abs 6 SGB V, die eine unwirtschaftlich ärztlich verordnete Leistung zur Folge haben (dazu sogleich).
b) Anhaltspunkte für Verfahrens-, Form- oder Begründungsfehler (§ 6 Abs 2, 3 PrüfV 2017) liegen nicht vor. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger vor der Festsetzung der Nachforderung mit Schreiben vom 7. Juni 2022 angehört.
c) Die KK hat auch noch rechtzeitig im Mai 2022 die Prüfung beantragt. § 30 Abs 3 S 1, § 31 S 2 PrüfV 2017 regeln zwar in Form einer Soll-Vorschrift, dass der Antrag innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Verordnungsquartals bei der Prüfungsstelle eingegangen sein bzw gestellt werden soll, hier also bis spätestens Ende März 2022. Fristsetzungen der vorliegenden Art haben aber lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung im Verhältnis zwischen (hier:) Krankenkassen und Prüfgremien. Sie bezwecken weder direkt noch indirekt den Schutz des geprüften Arztes (vgl LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. August 2008 - L 3 KA 484/03, juris, Rn 37 mwN zur Rspr BSG). Zudem bestimmen die nach § 106b Abs 2 SGB V vereinbarten und für die Vertragspartner der PrüfV 2017 verbindlichen Rahmenvorgaben in der hier anzuwendenden Fassung vom 1. Mai 2020 Abweichendes. Gemäß § 8 gelten die Rahmenvorgaben für Prüfverfahren, die Prüfzeiträume betreffen, die ärztlich verordnete Leistungen ab dem 11. Mai 2019 – so wie hier das Quartal I/2020 – umfassen. Sie regeln in § 3b Abs 2 S 2, dass in der Einzelfallprüfung die Krankenkasse in der Regel ihren Antrag mit den vollständigen prüfungsbegründenden Unterlagen spätestens sechs Monate vor Ablauf der Frist nach § 106 Abs 3 SGB V der Prüfungsstelle zur Verfügung stellt. § 106 Abs 3 S 3 SGB V regelt den Zeitpunkt, bis zu dem die Festsetzung der Nachforderung unter entsprechender Geltung von § 45 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erfolgen muss. Ungeachtet der Regelung des § 45 Abs 2 SGB I umfasst dieser Zeitraum für ärztlich verordnete Leistungen zwei Jahre ab dem Schluss des Kalenderjahres, indem die Leistungen verordnet worden sind, hier also der Zeitraum bis zum 31. Dezember 2022. Der Antrag der KK musste der Beklagten nach § 3b Abs 2 S 2 Rahmenvorgaben also bis spätestens 30. Juni 2022 zur Verfügung stehen. Das war hier mit Eingang des Antrags am 23. Mai 2022 der Fall.
3. Der angefochtene Bescheid vom 14. März 2023 ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger hat durch die Verordnung von Cannabisblüten ohne vorherige Genehmigung der KK gegen § 2 S 2 AM-RL iVm § 31 Abs 6 S 2 SGB V verstoßen und damit eine unwirtschaftliche Arzneimittelanwendung veranlasst (a). Auf den Schutz seines Vertrauens wegen einer zuvor durch einen anderen Vertragsarzt erfolgten Behandlung der Versicherten mit Cannabis-blüten kann er sich nicht berufen (b). Ebenso kommt es nicht auf ein Verschulden des Klägers an (c). Die Entscheidung der Beklagten ist fristgemäß erfolgt (d). Die Wirtschaftlichkeitsprüfung unterfällt keinem Ausschlussgrund (e). In der Folge hat die Beklagte zu Recht eine Nachforderung festgesetzt. Der Kläger kann dem nicht gemäß § 106b Abs 2a S 1 SGB V entgegenhalten, dass die Nachforderung auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung zu begrenzen ist (f).
a) Der Kläger hat mit den streitgegenständlichen Verordnungen des Quartals I/2020 eine unwirtschaftliche ärztlich verordnete Leistung gemäß § 106b Abs 1 iVm PrüfV 2017 veranlasst.
aa) Gemäß § 106b Abs 1 S 1 und 2 SGB V überlässt es der Gesetzgeber seit 1. Januar 2017 den nach S 1 zuständigen regionalen Vertragspartnern, ob diese in den Vereinbarungen Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise nach § 106 Abs 3 SGB V festlegen (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, aaO, § 106b Rn 3). Davon haben die Beteiligten mit § 30 Abs 2 und § 31 PrüfV 2017 Gebrauch gemacht.
Unwirtschaftlich erfolgt eine ärztlich verordnete Leistung dann, wenn ein Vertragsarzt Arzneimittel verordnet (§ 73 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB V), die er bei Beachtung der maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften nicht hätte verordnen dürfen. Durch die Verordnung von Arzneimitteln konkretisiert der Vertragsarzt den Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln (§ 31 SGB V) im Einzelfall. Durfte der Vertragsarzt Arzneimittel nicht verordnen, muss er der KK des betroffenen Versicherten Ersatz leisten. Der Schaden, den der Arzt beim sog Verordnungsregress der KK verursacht hat, besteht darin, dass die KK gegenüber der Apotheke Medikamente bezahlen muss, die der Arzt nicht hätte verordnen dürfen und der Versicherte nicht beanspruchen konnte (vgl BSG, Urteil vom 11. September 2019 - B 6 KA 21/19 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 60, juris, Rn 15 mwN).
Das gilt auch für die ärztliche Verordnung von Cannabisblüten. Denn der Leistungsanspruch auf Versorgung mit Cannabis bedarf zu seiner Realisierung gemäß § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V, § 11 Abs 1 AM-RL einer vertragsärztlichen Verordnung. Die Verordnung dokumentiert gegenüber der Apotheke, dass das Mittel an den Versicherten zulasten der GKV abgegeben werden darf. Mit ihr übernimmt der Vertragsarzt die therapeutische Verantwortung für den Einsatz des Mittels (vgl BSG, Urteil vom 10. November 2022 - B 1 KR 28/21 R, BSGE 135, 89 <vorgesehen> = SozR 4-2500 § 31 Nr 31, juris, Rn 47).
bb) Vorliegend verordnete der Kläger der Versicherten unverarbeitete Cannabisblüten. Die Versicherte konnte die darauf bezogene Krankenbehandlung aber nicht von ihrer KK beanspruchen, denn die für den Anspruch der Versicherten tatbestandlich vorausgesetzte Genehmigung der KK (§ 27 Abs 1 S 1 Nr 3 Alt 1 SGB V iVm § 31 Abs 1 S 1, Abs 6 S 2 SGB V sowie iVm § 2 S 2 AM-RL) lag zum Zeitpunkt der Verordnungen des Klägers im Quartal I/2020 nicht vor.
Gemäß § 31 Abs 6 S 1 und 2 SGB V (idF von Art 4 Nr 2 des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017, BGBl I 403, mWv 10. März 2017) haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn – nach Nr 1 – eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht (a) oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann (b) und - nach Nr 2 – eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Nach S 2 bedarf die Leistung bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Gemäß § 31 Abs 6 S 4 SGB V (idF von Art 12 N 1 c des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom 9. August 2019, BGBl I 1202, mWv 16. August 2019) bedürfen Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2.
Nach der Rspr des BSG muss bei Ausstellung der ersten einlösbaren Verordnung, die dem Versicherten ausgehändigt wird, die Genehmigung der KK erteilt sein (vgl BSG, Urteil vom 10. November 2022, aaO, juris Rn 49). Das war hier unstreitig nicht der Fall. Nach dem Vortrag des Klägers (Schriftsatz vom 23. Februar 2024, S 2) und der KK (Schriftsatz vom 5. März 2024, S 2) lag auch keine Genehmigung für die Verordnung von Cannabisblüten durch einen anderen Vertragsarzt im Jahr 2019 vor. Nicht zu entscheiden war deshalb, ob sich der Kläger bei Vorliegen einer solchen früheren Genehmigung auf diese hätte beziehen dürfen oder ein Fall des § 31 Abs 6 S 4 SGB V in Betracht zu ziehen ist.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 7. März 2024 behauptet, dass er die KK schon vor seinem Schreiben vom 9. April 2021, mit dem er die KK über die medizinische Notwendigkeit der Genehmigung von Cannabis bei der Versicherten informiert hatte, und nach der ersten Verordnung im Quartal I/2020 wegen der Verordnung von Cannabisblüten kontaktiert habe. Damit räumt er selbst ein, dass die streitgegenständliche Verordnung vom 17. Januar 2020 ohne Genehmigung erfolgte. Zudem ändert dies nichts daran, dass zum Zeitpunkt der durch ihn veranlassten weiteren Verordnungen keine Genehmigung der KK erteilt war.
Unerheblich ist hier auch, ob die Beigeladene zu 2. verpflichtet gewesen wäre, eine Genehmigung nach § 31 Abs 6 S 2 SGB V zu erteilen. Zwar kann das Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. November 2022, aaO, Rn 39) noch in der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz zu prüfen sein. Dies gilt jedoch nur im Rechtsverhältnis zwischen Versichertem und KK, in welchem der Versicherte die Erteilung der Genehmigung im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage begehrt (BSG aaO, Rn 8). Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Durchführung einer entsprechenden Vorab-Prüfung aber vereitelt, indem er die vertragsärztliche Verordnung der Cannabispräparate ohne derartige Prüfung unterschrieben hat. Löst der Patient diese in der Apotheke ein, so sind damit die Arzneikosten angefallen und die KK kann nur noch im Regresswege geltend machen, ihre Leistungspflicht habe nach den maßgeblichen rechtlichen Vorschriften nicht bestanden (BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 53/05 R, juris, Rn 13).
b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Anerkennung von Vertrauensschutz erfordert nach der stRspr des BSG, dass ein anderer Beteiligter insoweit einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Bei umstrittenen Verordnungen kann ein derartiger Vertrauenstatbestand nur von den Prüfgremien oder vom Kostenträger – der Krankenkasse – gesetzt werden. Vertrauensschutz setzt zudem voraus, dass die zuständigen Körperschaften oder Gremien explizit die für die von den betroffenen Ärzten praktizierte oder beabsichtigte Verordnungsweise gebilligt und die Ärzte in Kenntnis dieser Auskunft ihre Verordnungsweise fortgesetzt bzw aufgenommen haben. Erforderlich ist eine auf eine verbindliche Festlegung zielende behördliche Äußerung der Entscheidungs- bzw Kostenträger (vgl BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 6 KA 27/12 R, BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, juris Rn 18; zuletzt BSG, Beschluss vom 19. Juli 2023 - B 6 KA 36/22 B, juris, Rn 13). Für eine positive Beurteilung der KK zu einer beabsichtigten Verordnung von Cannabisblüten im Quartal I/2020 bestehen im Fall des Klägers keine Anhaltspunkte. Vielmehr stützt er sein Vertrauen auf die Vorlage einer Verordnung des früheren Behandlers der Versicherten, die der Kläger durch die Versicherte erhielt (Schriftsatz vom 4. Dezember 2023, S 2). Dieses Vertrauen ist nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze jedoch nicht schützenswert. Im Übrigen hat der Kläger vorgetragen, dass er von dem Erstbehandler über die fehlende Genehmigung in Kenntnis gesetzt wurde (Schriftsatz vom 23. Februar 2024, S 2). Der Annahme eines Vertrauenstatbestands fehlt damit die Grundlage.
c) Unerheblich ist, ob der Kläger die genehmigungslose Verordnung der Cannabisblüten verschuldet hat. Ein Verschulden ist auch nach der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Rechtslage des § 106b SGB V keine Voraussetzung für die Nachforderung bzw den Arzneimittelkostenregress (vgl zur alten Rechtslage BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 6 KA 2/13 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 43, juris, Rn 10). Auch eine evtl gegen die Versicherte in Betracht zu ziehende zivilrechtliche Haftung entlastet den Kläger im vorliegenden Verfahren, in dem eine Maßnahme der verschuldensunabhängigen Wirtschaftlichkeitsprüfung aufgrund seiner Verantwortlichkeit als Vertragsarzt im Streit steht, nicht. Nur ergänzend weist der Senat deshalb darauf hin, dass von jedem Vertragsarzt die Kenntnis grundlegender Regeln wie die Genehmigungsbedürftigkeit von Cannabis-Verordnungen nach § 31 Abs 6 SGB V zu erwarten ist, sodass ihm die Missachtung dieser Rechtslage auch als grobe Fahrlässigkeit anzulasten wäre.
d) Die Beklagte hat die Nachforderung mit Bescheid vom 14. März 2023 binnen der von § 106 Abs 3 S 3 SGB V bestimmten Frist rechtzeitig festgesetzt.
aa) Nach dieser Regelung muss die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Abs 2 SGB I gilt entsprechend. § 45 Abs 2 SGB I bestimmt, dass für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sinngemäß gelten. Gemäß § 204 Abs 1 Nr 12 HS 1 BGB wird die Verjährung durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gehemmt, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird. Etwas Anderes ergibt sich nicht aus § 3b Abs 1 S 1 Rahmenvorgaben (idF vom 5. Oktober 2020, aaO). Dort ist zwar einschränkend geregelt, dass die Festsetzung einer Maßnahme, beispielsweise einer Nachforderung, binnen 2 Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen muss. Allerdings beachten die Rahmenvorgaben nicht die gesetzlich durch § 106 Abs 3 S 3 SGB V bestimmte Geltung von § 45 Abs 2 SGB I.
Vorliegend wurde die für die Nachforderung bestimmte Frist durch den Prüfantrag der KK im Mai 2022 und das darauf bezogene Anhörungsschreiben der Beklagten an den Kläger vom 7. Juni 2022 gehemmt. Denn nach der Rspr des BSG kann auch ein Prüfantrag in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 204 Abs 1 Nr 12 HS 1 BGB die Frist zur Festsetzung eines Arzneikostenregresses bzw einer Nachforderung hemmen, soweit der Prüfantrag kraft Gesetzes Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens oder auf gesetzlicher Grundlage in der Prüfvereinbarung vereinbart worden oder von der Sache her unverzichtbar ist und es sich dabei nicht nur um eine unverbindliche Anregung an die Prüfgremien handelt, tätig zu werden. Zudem ist Voraussetzung für die Hemmung, dass der betroffene Arzt von der Antragstellung Kenntnis erlangt, dh die Prüfgremien oder die Krankenkassen diesen über die Prüfung informieren (vgl BSG, Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 45/11 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 36, juris, Rn 20 ff, 27 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 28, juris, Rn 46; dazu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. April 2023 - L 3 KA 55/19, juris, Rn 33).
Diese Grundsätze der Rspr des BSG gelten nach Auffassung des Senats auch für die ab dem Jahr 2017 geltende Rechtslage fort. Nach dieser ist der Prüfantrag zwar keine kraft Gesetzes bestimmte Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens. Jedoch hat der Gesetzgeber durch das GKV-VSG (aaO) die Regelungen zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen neu strukturiert und die Regelung der Prüfungen im Grundsatz in die Verantwortung der Vertragspartner auf Länderebene gelegt. Diese sind bei der Ausgestaltung der Prüfungen grundsätzlich frei, haben aber jedenfalls die nach § 106b Abs 2 SGB V beschlossenen Rahmenvorgaben von KBV und GKV-Spitzenverband zu beachten (vgl BT-Drs 18/4095, S 110 f). Die Rahmenvorgaben (idF vom 5. Oktober 2020, aaO) gehen in § 3b Abs 2 S 2 für die Einzelfallprüfung grundsätzlich von der Stellung eines Antrags einschließlich Übersendung prüfungsbegründender Unterlagen durch die Krankenkasse aus, ebenso ausdrücklich bezogen auf Einzelfallprüfungen in § 3a Abs 2 S 3. Die regionalen Vereinbarungspartner in Niedersachsen haben die Erforderlichkeit eines Antrags bezogen auf eine Einzelfallprüfung in § 30 Abs 3 S 1 und § 31 S 2 PrüfV 2017 im Rahmen ihres nach dem GKV-VSG möglichen Gestaltungsspielraums geregelt. Um eine unverbindliche Mitteilung an die Prüfungsstelle, tätig zu werden, handelt es sich in der Gesamtschau der PrüfV 2017 und der dieser vorgelagerten Rahmenvorgaben daher nicht. Vielmehr können Krankenkassen auch nach der ab 2017 geltenden Rechtslage ihren gegen den Vertragsarzt gerichteten Anspruch auf Ersatz für unwirtschaftlich verordnete Arzneimittel nur durch Inanspruchnahme der Prüfgremien realisieren, indem sie bei der Prüfungsstelle die Prüfung beantragen (vgl BSG, Urteil vom 15. August 2012, aaO, juris, Rn 21).
Dem steht für die hier anzuwendende Rechtslage nach Maßgabe von § 106 Abs 3 S 3 SGB V idF des GKV-VSG und des TSVG (aaO) nicht entgegen, dass nach § 3 Abs 1 S 2 Rahmenvorgaben weder die Mitteilung der Prüfungsstelle an die Ärztin/den Arzt über die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung noch die Antragstellung einer Krankenkasse im Falle von Einzelfallprüfungen die nach § 3b Abs 1 S 1 benannte Frist hemmen. Die Vereinbarungspartner haben auch insoweit den Wortlaut von § 106 Abs 3 S 3 SGB V und die dort bestimmte Geltung von § 45 Abs 2 SGB I unberücksichtigt gelassen. Erst seit der zum 20. Juli 2021 in Kraft getretenen Änderung des § 106 Abs 3 S 4, 5 HS 2 SGB V (durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung <GVWG> vom 11. Juli 2021, BGBl I 2754) findet § 45 Abs 2 SGB I auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die aufgrund eines Antrags erfolgen und zur Festsetzung einer Nachforderung führen, keine entsprechende Anwendung mehr. Diese Änderung begründet der Gesetzgeber ausdrücklich unter Verweis auf die Entscheidung des BSG vom 15. August 2012 (B 6 KA 45/11 R, aaO) bezogen auf die dort angenommene mögliche Hemmung der Festsetzung eines Regresses bzw einer Nachforderung aufgrund eines Prüfantrags (vgl BT-Drucks 19/30550, 43; 30560, 39). Für den vorangehenden Zeitraum geht der Senat unter Beachtung von § 45 Abs 2 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 12 HS 1 BGB von den Maßgaben aus der Entscheidung des BSG vom 15. August 2012 (aaO) aus.
bb) Dies zugrunde gelegt lief die nach § 106 Abs 3 S 3 HS 1 BGB geregelte Frist für die Festsetzung einer Nachforderung grundsätzlich zum 31. Dezember 2022 ab. Das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 7. Juni 2022, mit dem die Beklagte den Kläger über den Prüfantrag vom 13. Mai 2022 informierte, hemmte den Ablauf dieser Frist. Die Entscheidung der Behörde erging am 14. März 2023. Dagegen erhob der Kläger bereits am 15. März 2023 Klage vor dem SG und damit – ungeachtet der im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtenden Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs 1 S 1 SGG) – innerhalb der von § 204 Abs 1 Nr 12 HS 1 BGB bestimmten, der Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit in materiellrechtlicher Hinsicht dienenden Frist von drei Monaten (vgl BVerwG, Beschluss vom 11. April 2011 – 2 B 17/10, juris, Rn 9; Meller-Hannich in BeckOGK, BGB, § 204 Rn 377, 377.1 – Stand 15. Januar 2024).
e) Die Wirtschaftlichkeitsprüfung unterfällt vorliegend keinem Ausschlussgrund (§ 106b Abs 4 SGB V). Insbesondere unterfallen die im Streit stehenden Verordnungen nicht § 106b Abs 4 Nr 2 SGB V, denn dies betrifft die Verordnung von Arzneimitteln, für die der Arzt einem Vertrag nach § 130a Abs 8 SGB V beigetreten ist. Dafür ist für die hier verordneten Cannabisblüten nichts ersichtlich.
f) Der Bescheid ist in Höhe der festgesetzten Nachforderung von insgesamt 6.920,61 Euro nach Auffassung des Senats rechtmäßig. Ein Ermessen hinsichtlich des Ob der Nachforderung bestand nicht (aa). Zu Recht hat die Beklagte eine Begrenzung der Nachforderung auf die Differenz zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung, wie es § 106b Abs 2a SGB V bestimmt, abgelehnt (bb).
aa) Ein Entschließungsermessen dahingehend, eine Nachforderung festzusetzen oder nicht, besteht für die Beklagte nicht. Die Vereinbarungspartner der PrüfV 2017 haben von dem ihnen nach § 106b Abs 1 S 2 SGB V eröffneten Regelungsermessen, dass in den Vereinbarungen nach § 106b Abs 1 SGB V Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise nach § 106 Absatz 3 festgelegt werden „können“, in der Weise Gebrauch gemacht, dass die Prüfungsstelle einen Verordnungsregress nach § 30 Abs 2 PrüfV 2017 und ebenso auf der Grundlage von § 31 S 1 PrüfV 2017 festsetzt. Dies entspricht auch der Rspr des BSG zur bis dahin bestehenden Rechtslage. Nach dieser kann ein Regress, dem eine unzulässige Verordnung zugrunde liegt, nur bejaht oder verneint werden (vgl BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 6 KA 2/13 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 43, juris, Rn 11 f; Beschluss vom 12. Dezember 2018 - B 6 KA 13/18 B, juris, Rn 11).
bb) Bei der Berechnung des Nachforderungsbetrags hat die Beklagte § 106b Abs 2a SGB V im Ergebnis zu Recht nicht angewendet.
§ 106b Abs 2a SGB V regelt, dass Nachforderungen nach § 106b Abs 1 S 2 SGB V auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung zu begrenzen sind (S 1). Etwaige Einsparungen begründen keinen Anspruch zugunsten des verordnenden Arztes (S 2). Das Nähere wird in den einheitlichen Rahmenvorgaben nach § 106b Abs 2 SGB V vereinbart (S 3).
(1) Ein Ausschluss der Differenzkostenregelung ergibt sich nicht bereits aus den Rahmenvorgaben nach § 106 Abs 2a S 3 SGB V selbst. § 3a Abs 1 S 4 Rahmenvorgaben (idF vom 5. Oktober 2020, aaO) bestimmt zwar, dass die Kostendifferenz nur dann zu berücksichtigen ist, wenn die in Rede stehende Verordnung nicht bereits durch § 34 SGB V oder nach Anl 1 der Heilmittel-Richtlinie ausgeschlossen ist und die Voraussetzungen nach § 12 Abs 11 AM-RL nicht vorliegen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten in dem angegriffenen Bescheid liegt ein solcher Fall hier jedoch nicht vor, denn § 34 SGB V und § 12 Abs 1 AM-RL betreffen den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V, während Versicherte unter den Voraussetzungen von § 31 Abs 6 SGB V gerade einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisblüten haben. Eine analoge Anwendung von § 3a Abs 1 S 4 Rahmenvorgaben auf den Fall des § 31 Abs 6 SGB V ist wegen der eindeutigen Begrenzung des Wortlauts auf die benannten Fälle nicht möglich. § 3a Abs 1 S 4 ist nach dem Wortlaut „nur“ als Ausnahmeregelung zu verstehen, dh nur in den benannten Fällen wird die Nachforderung nicht auf die Kosten der wirtschaftlichen Leistung begrenzt. Nachfolgend haben die Vertragspartner die Rahmenvorgaben (idF vom 22. November 2022) zwar in § 3a Abs 1 S 4 um den Fall der unzulässigen Verordnung erweitert und die Regelung durch Regelbeispiele in § 3a Abs 1 S 5 flexibilisiert. Diese Rahmenvorgaben finden hier aber aufgrund des Zeitpunkts ihres Inkrafttretens (§ 8 sowie redaktioneller Hinweis: 10 Juni 2022) keine Anwendung.
(2) Allerdings findet die Differenzkostenregelung deshalb keine Anwendung, weil die der Versicherten tatsächlich ärztlich verordnete Leistung aufgrund unzulässiger Verordnungen erfolgte.
Stellt das Gesetz in § 106 Abs 2a S 1 SGB V auf die Differenz zwischen tatsächlich verordneter und „wirtschaftlicher“ Leistung ab, kann der Begriff „wirtschaftlich“ zunächst – im engeren Sinne – im Kontext des § 12 Abs 1 SGB V verstanden werden und damit eine auf das Notwendige und „Sparsame“ beschränkte Verordnungsweise meinen. Im weiteren Sinne kann aber auch eine von vornherein unzulässige Leistung als „unwirtschaftlich“ gemeint sein (so BSG, Urteil vom 11. September 2019 - B 6 KA 21/19 R, aaO, Rn 15). In welchem Sinn der Begriff im vorliegenden Kontext verstanden werden soll, lässt sich weder dem Wortlaut des § 106 Abs 2a SGB V noch dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift oder den Gesetzesmaterialen entnehmen (vgl hierzu BT-Drucks 19/8351, 72, 195 f).
In der Rechtsprechung des BSG war bei Einführung allerdings seit langem anerkannt, dass der Vertragsarzt bei unzulässigen Verordnungen zum Ersatz des gesamten Wertes des Verordnungsgegenstands verpflichtet ist, ohne dass es auf die Berücksichtigung kompensatorischer Einsparungen ankäme, die sich bei einem Vergleich mit einer zulässig zu verordnenden Alternative ergäben. Grund für die Anwendung dieses „normativen Schadensbegriffs“ war insbesondere, dass es ansonsten auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht mehr ankäme (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994 - 6 RKa 40/93, SozR 3-2500 § 85 Nr 6; vom 30. Oktober 2013 - B 6 KA 2/13 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 43). Mangels entsprechender Hinweise im Gesetzestext oder in den Materialien des TSVG kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine Änderung der durch die angegebene langjährige Rechtsprechung insoweit geprägten Rechtslage beabsichtigt hat. Die in § 106 Abs 2a S 1 SGB V vorgegebene Differenzberechnung beschränkt sich deshalb auf die Fälle der „wirtschaftlichen“ Leistungen im engeren Sinne.
Der Senat schließt sich damit der bereits vom LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26. April 2023 - L 7 KA 19/22 KL, Rn 60 ff, 79 ff – anhängige Revision BSG zu Az B 6 KA 10/23 R; siehe auch Bayerisches LSG, Urteil vom 8. Februar 2023 - L 12 KA 31/22, juris, Rn 44 ff – anhängige Revision BSG zu Az B 6 KA 5/23 R) vertretenen Auffassung an und macht sich die weiteren insoweit ergangenen Ausführungen im Urteil vom 26. April 2023 zu eigen.
cc) Im Ergebnis hat die Beklagte daher zu Recht eine Nachforderung wegen der Verordnung unverarbeiteter Cannabisblüten im Quartal I/2020 iHv 6.920,61 Euro festgesetzt. Die Höhe der Nachforderung entspricht in der Summe nach Abzug von Rabatten den von der Apotheke gegenüber der KK abgerechneten Beträgen für die im Streit stehenden Verordnungen.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2, Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Unterliegen des Klägers Rechnung. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 – B 6 KA 7/09 R, BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, juris, Rn 70).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zur Einbeziehung unzulässiger Arzneimittelverordnungen in den Anwendungsbereich von § 106b Abs 2a SGB V und bereits anhängiger Revisionen zu dieser Rechtsfrage (Az B 6 KA 5/23 R, B 6 KA 10/23 R) zuzulassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Klärung dieser Rechtsfrage hat zudem Bedeutung für die Auslegung von § 3a Abs 1 und Abs 2 Rahmenvorgaben (idF vom 5. Oktober 2020), insbesondere dahingehend, welche im Einzelfall festzulegende wirtschaftliche Leistung in die Differenzkostenberechnung einzubeziehen ist, wenn diese auf unzulässig ärztlich verordnete Leistungen Anwendung finden sollte, und ob § 3a Abs 2 auch solche Leistungen umfasst, die einer unzulässig verordneten Leistung gleichstehen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 40, § 47 Abs 1 S 1, § 52 Abs 1 und Abs 3 S 1 und § 63 Abs 2 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgeblich ist die mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid für den Kläger verbundene Beschwer iHv 6.920,61 Euro.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der Revision angefochten werden.
Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Revision als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Revision muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Anschriften des Bundessozialgerichts:
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Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- Rechtsanwälte,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem Sozialen Entschädigungsrecht oder der Menschen mit Behinderungen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Begründung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG). Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.
G. Dr. H. Dr. I.