L 3 R 195/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 49 R 397/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 195/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.01.2022 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit welchem der Klägerin eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer gewährt wurde.

 

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist Grafikdesignerin von Beruf. Am 14.12.2004 beantragte sie auf Veranlassung des Jobcenters P. die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Mit Beschluss des Amtsgerichts Leverkusen vom 13.05.2009 (Aktenzeichen [Az.]: 14 XVII D 1128) wurde für die Klägerin eine Betreuerin mit der Befugnis zum Empfangen von Post und zur Vertretung bei Behörden und Institutionen bestellt. Die Betreuung wurde sodann mit Beschluss des Amtsgerichts Leverkusen vom 29.10.2009 aufgehoben, weil sich ergeben habe, dass durch eine Betreuung mangels Mitwirkung der Klägerin ihre Angelegenheiten nicht zu ihrem Wohl geregelt werden könnten.

 

Mit Bescheid vom 26.10.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin nach Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin T. vom 01.03.2010 und Beiziehung des Entlassungsberichts aus der teilstationären Behandlung in der Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie der C. Kliniken M. (LVR) vom 17.05.2004 bis zum 04.06.2004, des Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Y. vom 29.01.2007 aus dem Betreuungsverfahren sowie eines Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie N. für die Arbeitsagentur P. vom 15.10.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30.04.2012. Der Bewilligung lag dabei die Einschätzung des die Beklagte beratenden Arztes R. zugrunde, der nach Auswertung sämtlicher Unterlagen ausführte, dass die Klägerin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit seit Mitte Mai 2004 - Zeitpunkt der Aufnahme in der LVR M. - erwerbsunfähig sei. Seit Jahren leide sie an einem paranoiden Syndrom verbunden mit sämtlichen damit einhergehenden kognitiven Einschränkungen.

 

Die Klägerin führte in der Folge eine Vielzahl von Verfahren u. a. sowohl gegen das Jobcenter, das zuständige Sozialamt als auch gegen den Rentenversicherungsträger. Ziel der Klagen war es, zu verhindern, dass sie wegen der bestehenden Erwerbsminderung von dem Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in den Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe – (SGB XII) übergeleitet wird sowie der Erhalt von Teilhabeleistungen.

Am 19.04.2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente. Sodann erließ die Beklagte den Bescheid vom 06.09.2012, mit dem sie der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer in Höhe von monatlich 269,35 EUR mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.222,54 EUR für die Zeit vom 01.05.2012 bis zum 30.09.2012 bewilligte. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 08.10.2012 Widerspruch ein.

 

Nach Abschluss sämtlicher vorangegangener Klage- und Berufungsverfahren wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2018 als unbegründet zurück, da die Klägerin voll erwerbsgemindert sei.

 

Dagegen hat die Klägerin am 14.03.2018 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie, wenn überhaupt, nur teilweise erwerbsgemindert sei. Hintergrund der Beschäftigungslosigkeit sei, dass es auf dem Arbeitsmarkt keine adäquat bezahlte Arbeit für sie gebe. Sie erwarte Vermittlungshilfe des Jobcenters.

 

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 06.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2018 aufzuheben.

 

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Das SG hat sodann ein Fachgutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie J. in Auftrag gegeben. Die Sachverständige hat in ihrem auf Basis einer Untersuchung der Klägerin vom 17.12.2018 erstellten Gutachten vom selben Tag eine kombinierte persönlichkeitsstrukturelle Störung mit sensitiven, querulatorischen, unreifen, haltlosen und auch etwas exzentrischen Anteilen sowie Verdacht auf ein anteiliges Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom diagnostiziert. Die Klägerin sei auch unter Berücksichtigung der medizinischen Unterlagen nur noch in Lage, inkonstant unter drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit mit weiteren qualitativen Einschränkungen nachzugehen. Dies gelte aufgrund des sehr eingeschränkten Umstellungsvermögens auch für einfache Verweisungstätigkeiten. Das Leistungsvermögen könne in absehbarer Zeit nicht wesentlich gebessert werden. Sie empfehle jedoch die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in einer psychiatrisch-psychosomatischen Fachklinik zur Diagnosestellung.

 

Die Beklagte hat sich mit der Einschätzung des Leistungsvermögens einverstanden erklärt. Nicht gefolgt werden könne der Empfehlung zur Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, da eine anschließende sofortige stabile Reintegration in das Erwerbsleben nicht zu erwarten sei. Im Übrigen sei die Klägerin gar nicht ausreichend leistungsfähig für eine Rehabilitationsbehandlung.

 

Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass jedenfalls nach Durchführung einer Rehabilitation noch ein ausreichendes Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten bestehe.

 

Das SG hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17.03.2020 um Zustimmung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ersucht. Die Beklagte hat ihre Zustimmung erteilt, die Klägerin um Terminierung gebeten. Mit gerichtlicher Verfügung vom 05.06.2020 hat das SG darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtbescheid insbesondere unter Verweis auf die bisherigen gerichtlichen Verfahren unzweifelhaft vorliegen würden.

 

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2022 abgewiesen. Dabei hat die Kammervorsitzende ein mit „Gerichtsbescheid“ überschriebenes Schriftstück unter Angabe des Aktenzeichens, des Kurzrubrums „I. ./. DRV L.“ und „RMB: Berufung“ für die Rechtsmittelbelehrung unterschrieben. Angefügt worden ist ein Gerichtsbescheid ohne Unterschrift der Kammervorsitzenden mit vollständigem Rubrum und vollständiger Rechtsmittelbelehrung für die Berufung.

 

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Klage nach Auslegung der Schriftsätze und unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nur als Anfechtungsklage zulässig sei. Diese sei aber unbegründet, da die Erwerbsminderungsrente zurecht entfristet und auf Dauer gewährt worden sei. Eine Besserung sei in absehbarer Zeit nicht ersichtlich.

 

Gegen den der Klägerin am 07.02.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der die Klägerin seit dem 07.09.2020 durch Beschluss des Amtsgerichts P. (Az.: 14 XVII 250/20 D) für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten und Berufliche Integration bestellte Berufsbetreuer E. V. am 07.03.2022 sinngemäß Berufung eingelegt. Zwar halte er den Prozess nicht für zielführend, er fühle sich jedoch an den Wunsch der Klägerin zur Fortführung des Verfahrens nach § 1821 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gebunden. Ein finanzieller Schaden drohe nicht, weil sie bisher ohnehin nur Leistungen nach dem SGB XII erhalte. Sie erhalte keine Rente und werde durch den Bescheid bezüglich der Rentenbewilligung und das gesamte Procedere diskriminiert. Sie würde gerne eine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen, die vom Ausbildungsträger zu bezahlen sei.

 

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.01.2022 abzuändern und den Bescheid vom 06.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2018 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 30.09.2012 noch eine nicht abgerechnete Nachzahlung in Höhe von 1.222,54 EUR zur Verfügung stehe. Die Rentenzahlungen ab dem 01.10.2012 habe sie nach der Annahmeverweigerung der Klägerin eingestellt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakte mit dem Az.: L 14 R 699/18 des SG Düsseldorf, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

 

Soweit das SG in der von der Kammervorsitzenden unterschriebenen Fassung des Gerichtsbescheides kein vollständiges Rubrum eingefügt und als Rechtsmittelbelehrung lediglich „RMB: Berufung“ angegeben hat, verstößt dies zwar gegen Prozessrecht, führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Gerichtsbescheides. Gem. §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 133 Satz 1, 134 Abs. 1, 136 Abs. 1 SGG ist der vollständige Gerichtsbescheid durch den Richter zu unterschreiben. Dazu gehört gem. § 136 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 SGG u.a. die (vollständige) Bezeichnung der Beteiligten (Rubrum) sowie die Rechtsmittelbelehrung. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor, wenn die Beteiligten aufgrund der erfolgten Bezeichnung identifiziert werden können (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 136 Rn. 2, 2a m.w.N); dies ist aufgrund der erfolgten Bezeichnung des Aktenzeichens und des Kurzrubrums „I. ./. DRV L.“ gegeben. Die unvollständige Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des SG führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit, sondern gem. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG zur Verlängerung der Rechtsmittelfrist auf ein Jahr.

 

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Abänderung des Gerichtsbescheides des SG Düsseldorf vom 27.01.2022 sowie die Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2018 bezüglich der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf Dauer. Für dieses Begehren ist die (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass eine Feststellungsklage unzulässig wäre. Die Erwerbsminderung stellt kein Rechtsverhältnis nach       § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, sondern lediglich ein einzelnes Element eines Anspruchs dar und ist daher der gerichtlichen Feststellung entzogen. Eine Elementenfeststellungsklage scheidet aus, weil über eine dem Beweis zugängliche Tatfrage gestritten wird. Jedenfalls ist die Feststellungsklage aber subsidiär gegenüber der Anfechtungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.10.2006 – B 10 LW 4/05 R –, Rn. 12).

 

Die Klägerin ist auch klagebefugt im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, da eine Beschwer durch den streitgegenständlichen Rentenbewilligungsbescheid trotz der eingestellten Rentenzahlung darin besteht, dass sich die Klägerin durch die Klageerhebung noch die Möglichkeit aufrecht erhalten hat, ihren Leistungsantrag zurückzunehmen, was ihr mit Eintritt der Bestandskraft nicht mehr möglich gewesen wäre (vgl. hierzu Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 46 SGB I [Stand: 21.12.2022], Rn. 50 f. m.w.N.).

 

Die Berufung ist aber unbegründet.

 

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2022 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 06.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 SGG.

 

Die Erwerbsminderungsrente wurde zurecht entfristet und auf Dauer gewährt.

 

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

 

1. voll erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

 

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2).

 

Unter Würdigung sämtlicher medizinischer Unterlagen, dem Gutachten von Frau J. sowie unter Verweis auf die vorangegangen Klageverfahren und die bestandskräftige Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2012 ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats ab dem 01.05.2012 dauerhaft nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Nach dem überzeugenden, anschaulichen und in sich schlüssigen Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie J. leidet die Klägerin an einer kombinierten persönlichkeitsstrukturellen Störung mit sensitiven, querulatorischen, unreifen, haltlosen und auch etwas exzentrischen Anteilen. Zudem besteht der Verdacht auf ein anteiliges Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Diese Erkrankungen sind derart ausgeprägt, dass von einer Beeinträchtigung des quantitativen Leistungsvermögens von unter drei Stunden arbeitstäglich auch für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgehend vom 01.05.2012 auf Dauer auszugehen ist. Eine die Stundenzahl von unter drei Stunden übersteigende Tätigkeit würde die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in ihrer psychophysischen Belastbarkeit rasch überfordern und eine weitere Verschlimmerung psychopathologischer Symptome zur Folge haben.

 

Die Erheblichkeit der psychischen Störung wird bereits aus dem Hinweis der Sachverständigen zur Beginn der Anamneseerhebung überzeugend veranschaulicht, wonach die Klägerin in dezentrierter Rede berichtet und große Mühe gehabt habe, Fragen konkret zu beantworten. Eine weitere Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit besteht im Übrigen in Form der während der Begutachtung aufgetretenen Zeitgitterstörungen und der wiederholt auch von der Klägerin geschilderten Arbeitsplatzkonflikte mit mehrfachen Burnout-Situationen in der Vergangenheit. Die Klägerin verfügt bereits nicht über das erforderliche Durchhaltevermögen und eine mentale Belastbarkeit und Steuerungsfähigkeit für eine Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden, was durch den Umstand, dass sie schon nach einem zweieinhalbstündigen Gespräch während der Begutachtung eine Pause benötigt hat sowie sich bei zunehmender Gesprächsdauer eine hohe Reizoffenheit gepaart mit querulatorischen, wahnhaft anmutenden, unreifen, haltlosen und etwas exzentrischen Persönlichkeitsakzenten gezeigt haben, deutlich wird. Zum Ende der Begutachtung ist selbst eine freundliche Verabschiedung nicht mehr möglich gewesen. Die Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Anpassung, die von wesentlicher Bedeutung für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist, besteht bei diesem Ausprägungsgrad der psychischen Erkrankung nicht mehr im ausreichende Maße. Wegen des sehr eingeschränkten Umstellungsvermögens sind der Klägerin sogar einfache Verweisungstätigkeiten wie die Tätigkeit als Pförtnerin an einer Nebenpforte, als Helferin in einer Poststelle, als Bürohilfskraft oder Sortiererin und Montiererin von Kleinteilen nicht mehr abzuverlangen.

 

Das zeitlich herabgesunkene Leistungsbild bestätigt sich zudem in den eigenhändigen Schriftsätzen der Klägerin im Berufungsverfahren sowie ihren persönlichen Einlassungen im Rahmen der beiden Verhandlungstermine vor dem Senat. Die Schwere und Dauerhaftigkeit ihrer Erkrankung wird auch in einer Längsschnittbetrachtung unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen ohne Anhaltspunkt für eine Beschwerdebesserung deutlich. Übereinstimmend haben Herr Y. im Gutachten vom 29.02.2007 sowie Frau N. im Gutachten vom 15.10.2009 die auch von Frau J. dargestellten Beeinträchtigungen festgestellt und die behandelnden Ärzte G. sowie der Hausarzt F. haben in ihren Befundberichten aus den vorherigen Gerichtsverfahren ebenfalls das Leistungsvermögen der Klägerin als aufgehoben eingeschätzt. Folgerichtig ist der Klägerin auch wieder ein gesetzlicher Betreuer mit einem deutlich erweiterten Aufgabenkreis bestellt worden, der das Verfahren ebenfalls nicht für zielführend hält und lediglich wegen der eingeschränkten seelischen Belastbarkeit der Klägerin nicht gegen ihren Wunsch das Verfahren für erledigt erklären wollte.

 

Aufgrund der weiterhin krankheitsbedingt nicht bestehenden Krankheitseinsicht und der daraus folgenden, fortbestehenden unzureichenden Behandlung(smöglichkeit) besteht zur Überzeugung des Senats keine Aussicht auf eine Besserung der gesundheitlichen Situation in absehbarer Zeit. Dies verdeutlicht auch die zwischenzeitlich aufgehobene Betreuerbestellung wegen mangelnder Mitwirkung. Eine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit besteht vor diesem Hintergrund nicht. Schließlich streitet für eine Rentenbewilligung auf Dauer auch § 102 Abs. 2 S. 6 SGB VI. Danach gilt, dass Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Da die Klägerin bereits seit 2005 und damit seit deutlich mehr als neun Jahren eine volle Erwerbsminderung bezieht bzw. beziehen könnte und auch die Sachverständige von einem unveränderten Gesundheitszustand seit 2005 ausgeht, ist mit keiner Besserung in einem abschätzbaren Zeitrahmen zu rechnen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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