L 5 R 100/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 110/22
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 100/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 6/24 BH
Datum
Kategorie
Urteil


I.    Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 11. April 2023 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Rentenanpassungsmitteilung und begehrt die Gewährung einer ungekürzten Rente unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen.

Der 1957 geborene Kläger bezog zunächst seit dem 1. September 1995 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Mit nichtstreitgegenständlichem Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2023 ist dem Kläger wegen Erreichens der Regelaltersgrenze sodann ab dem 1. April 2023 eine Regelaltersrente mit einem monatlichen Rentenzahlbetrag in Höhe von 1.144,79 € gewährt worden.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2022 legte der Kläger gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er wie bereits in zahlreichen vorausgegangenen gleichgelagerten Verfahren im Wesentlichen vor, dass er den damaligen Rentenantrag auf Veranlassung des Arbeitsamtes Korbach und nicht aus eigenem Antrieb gestellt habe, weshalb ihm die Rente ohne finanzielle Verluste ausgezahlt werden müsse. Seine Rente sei von Anfang an falsch berechnet worden, weil er gerade keine „Privatrente mit finanziellen Verlusten“ beantragt habe. Diese Privatrente sei in seinem Fall mit der „Rente auf Behördenwunsch“ vertauscht worden. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Rentenanpassung zum 1. Juli 2022 rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Mit Schreiben vom 3. August 2022, das die Beklagte als Klageerhebung wertete und mit Schriftsatz vom 15. August 2022 dem Sozialgericht Marburg am 16. August 2022 vorlegte, hat der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben.

Zur Begründung hat er erneut vorgetragen, dass er die Umrechnung seiner Rente von einer „Privatrente mit finanziellen Verlusten“ zu einer „Behördenwunschrente ohne finanzielle Verluste“ verlange. Die in der Rentenanpassungsmitteilung ausgewiesenen Zahlen belegten, dass die Rente, obwohl er sie damals auf Aufforderung des Arbeitsamtes Korbach habe beantragen müssen, von Anfang an falsch berechnet worden sei. Ihm sei eine Rente ohne Abschläge und unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu gewähren.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Oktober 2022 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass er mit seinem eigentlichen Klagebegehren, der rentensteigernden Berücksichtigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld unter Umwandlung in eine Rente ohne finanzielle Verluste, aufgrund des eingeschränkten Regelungsgehalts der Rentenanpassungsmitteilung nicht durchdringen könne.

Die Beklagte hat ihre Bescheide verteidigt und ergänzend auf das zuletzt vor dem Sozialgericht Marburg geführte Verfahren zwischen den Beteiligten verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. April 2023 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Sie sei bereits unzulässig. Es fehle dem Kläger schon an der nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Beschwer durch die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29. Juli 2022. Denn aus seinem Vorbringen und dem Sachstand ergebe sich nicht einmal die Möglichkeit, dass er durch die Rentenanpassungsmitteilung in seinen Rechten hätte verletzt sein können. Damit fehle es an der Klagebefugnis (Verweis auf BSG, Urteil vom 7. Februar 2007, 6 KA 8/06 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 10; Urteil vom 11. Mai 1999, 11 AL 69/98 R, SozR 3-1500 § 75 Nr. 31).

Der Regelungsgehalt von Rentenanpassungsmitteilungen beschränke sich darauf, in Ausführung der jeweiligen Rentenanpassungsgesetze den Änderungen des aktuellen Rentenwertes zum 1. Juli eines jeden Jahres Rechnung zu tragen (Verweis u.a. auf BSG, Beschluss vom 27. Mai 2021, 5 R 8/21 BH, juris Rnr. 8). Eine Anpassungsmitteilung betreffe nur die Berechnung des Rentenzahlbetrags auf Grund des geänderten aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI), also eines der vier maßgeblichen Berechnungsgrößen der Rentenhöhe, und lasse die weiteren Berechnungsfaktoren der Rente nach § 64 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) unberührt (BSG, Beschluss vom 16. Juni 2021, 13 R 17/20 BH, juris Rnr. 5 m. w. N.). Rentenanpassungsmitteilungen enthielten daher nur eine Regelung zur wertmäßigen Fortschreibung des bereits zuerkannten Werts des Rechts auf Rente durch Feststellung des Veränderungsfaktors einer der Berechnungsgrößen und stellten damit insoweit einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Verweis auf BSG, Urteil vom 10. April 2003, 4 RA 41 /02 R = SozR 4-2600 § 260 Nr. 1; Hessisches LSG, Urteil vom 6. Juli 2018, L 5 R 86/17, juris Rnr. 20; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2021, L 9 R 1792/17, juris Rnr. 21). Sie enthielten aber keine Regelung hinsichtlich der drei weiteren Berechnungsgrößen für die Höhe der Rente, also den Wert des Rechts auf Rente, sondern lediglich die Änderung der Bestimmungsgröße des aktuellen Rentenwerts auf die zum 1. Juli jeden Jahres erfolgende Anpassung. Regelungsgehalt der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 sei daher vorliegend der Grad der Rentenanpassung, das heißt die Erhöhung des Rentenwerts von 34,19 Euro auf 36,02 € ab 1. Juli 2022. Die Rentenanpassungsmitteilung stelle damit, soweit sie diese Regelung enthalte, einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) dar und sei grundsätzlich als solcher mit der Anfechtungsklage angreifbar. Allerdings greife diese Regelung nicht in die bereits zuerkannten Rechte des Klägers ein, sondern setze allein die jährliche Rentenanpassung zugunsten des Klägers um (Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2022, L 9 R 1353/22, juris Rnr. 25).

Nach dem Inhalt seines Vorbringens im Klageverfahren wolle der Kläger vorliegend keinen höheren oder abweichenden Grad der Rentenanpassung zum 1. Juli 2022 erreichen. Vielmehr wolle er - trotz des gerichtlichen Hinweises - eine Erhöhung des Rentenstammrechts durch die Berücksichtigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld unter Umrechnung in eine Rente ohne finanzielle Verluste. Da der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 kein weitergehender Regelungsgehalt zukomme und sie über ihren eigentlichen Regelungsgehalt der Rentenanpassung hinaus nicht anfechtbar sei, könne der Kläger schon allein aus diesem Grund im vorliegenden Verfahren nicht mit seinem Begehren durchdringen. Sowohl die Frage der Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld als auch das Begehren einer Rente ohne finanzielle Verluste betreffe nicht die wertmäßige Fortschreibung der Rente durch die Rentenanpassung, sondern sie beträfen den bereits zuerkannten Wert des Rechts auf Rente an sich, der vorliegend nicht Regelungsgegenstand und damit nicht überprüfbar sei (Verweis auf Hessisches LSG, Urteil vom 21. Februar 2022, L 5 R 59/21 sowie Urteil vom 7. November 2016, L 5 R 84/16, juris Rnr. 23). Daneben seien auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Rechenwerk der Beklagten in der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 unzutreffend sein könnte.

Gegen den ihm am 15. April 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. April 2023 Berufung beim Sozialgericht Marburg eingelegt.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 11. April 2023 aufzuheben sowie die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine ungekürzte Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 20. September 2023 ist die Berufung des Klägers dem Berichterstatter des 5. Senats übertragen worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, denn dieser ist ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens im Termin verhandelt und entschieden werden kann (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 11. April 2023 ist nicht zu beanstanden. Die angefochtene Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2022 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG

Rentenanpassungsmitteilungen enthalten selbständig anfechtbare Verwaltungsakte, nämlich die wertmäßigen Fortschreibungen eines bereits zuerkannten Werts des Rechts auf Rente durch Feststellung des Veränderungsfaktors (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 23. März 1999, B 4 RA 41/98 R, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13). Diese Feststellungen stehen rechtlich und faktisch neben den Feststellungen des jeweiligen Geldwertes eines Rechts oder Anspruchs, denn insoweit wird nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003, B 4 RA 62/02 R, juris Rnr. 27). Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, enthält demgemäß die vorliegend gegenüber dem Kläger ergangene und von ihm angefochtene Rentenanpassungsmitteilung nach ihrem Verfügungssatz lediglich eine Regelung hinsichtlich der Rentenanpassung, die hinsichtlich des aktuellen Rentenwertes vorzunehmen war. Anhaltspunkte dafür, dass das Rechenwerk der Beklagten insoweit unzutreffend sein könnte, sind weder vom Kläger dargetan worden noch sonst erkennbar.

Da der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2022 kein weitergehender Regelungsgehalt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zukommt und sie über ihren eigentlichen Regelungsgehalt hinaus nicht anfechtbar ist, kann der Kläger schon allein aus diesem Grund im vorliegenden Verfahren nicht mit seinem Begehren nach einer ungekürzten Rente unter Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld durchdringen. 

Nach alledem musste die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
 

Rechtskraft
Aus
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