Wer einen Befangenheitsantrag gegenüber Richterinnen aufrechterhält, aus deren dienstlichen Stellungnahmen sich ergibt, dass die Richterinnen bislang mit der Sache nicht befasst waren, handelt offensichtlich rechtsmissbräuchlich.
Die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende Richterin V und die Richterin S werden als offensichtlich rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig verworfen.
Das Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Bayerischen Landessozialgericht R wird als unbegründet zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Mit Schreiben vom 08.02.2024 richtete die nach der senatsinternen Geschäftsverteilung des 14. Senats zuständige Berichterstatterin folgendes Schreiben an die Klägerin:
"Im vorliegendem Verfahren geht es um die statusrechtliche Beurteilung des Beigeladenen zu 1. und insoweit die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2020.
Es wird darauf hingewiesen, dass derzeit keine Erfolgsaussicht für die vorliegende Berufung gesehen wird. Insoweit wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.07.2023 verwiesen.
Soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass dem Beigeladenen zu 1. mit einem Stimmanteil von exakt 50 Prozent an der Komplementär-GmbH eine hinreichende Rechtsmacht in der KG zukam, so wird dies vom Senat nicht gesehen, da er eben nicht zum Geschäftsführer bestellt war. Hierzu wird ergänzend auf die Rechtsprechung des BSG zum mitarbeitenden Gesellschafter hingewiesen. Der Beigeladene zu 1. hatte zwar wie vorgetragen eine sog. "Verhinderungsmacht", aber nicht eine entsprechende "Leitungsmacht" (vgl. hierzu u.a. BSG vom 12.05.2020, B 12 KR 30/19 R und BSG vom 29.06.2021, B 12 KR 8/19 sowie das kürzlich ergangene Urteil des 6. Senats des Bayerischen LSG vom 06.12.2023, L 6 BA 97/21 zu einem mitarbeitenden Gesellschafter mit einem Stimmanteil von 50 Prozent). Hinsichtlich der Kommanditistenstellung wird auf den Beschluss das BSG vom 17.11.2023, B 12 BA 28/23 verwiesen.
Es wird angeregt, die Berufung bis zum 18.03.2024 zurückzunehmen.
Soweit innerhalb obenstehenden Zeitraumes keine Rücknahme erfolgt, erwägt der Senat nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Sie haben Gelegenheit, hierzu bis zum 18.03.2024 Stellung zu nehmen."
Mit Schreiben vom 18.03.2024 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen alle Berufsrichterinnen des 14. Senats Befangenheitsantrag.
Im Gegensatz zur GmbH sei die Rechtsprechung zum Sozialversicherungsstatus bei Gesellschaftern und Geschäftsführern einer KG, insbesondere einer GmbH & Co. KG, bei weitem noch nicht so verfeinert und verfestigt. Zur Rechtsfortbildung sei es daher geboten, dass das BSG über solche Konstellationen wie die vorliegende entscheiden könne. Die Vorsitzende der 6. Kammer des SG Augsburg habe auf entsprechenden Hinweis von Rechtsanwalt Z, der den Verhandlungstermin am 13. Juli 2023 für die Klägerin wahrgenommen habe, sich dahingehend geäußert, dass man mit einer solchen Konstellation "bis nach Kassel" kommen könne. Zur Bestätigung dieser Äußerung werde nunmehr eine eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltes vorgelegt.
Vor dem Hintergrund, dass bereits erstinstanzlich erörtert worden sei, dass eine Konstellation wie vorliegend noch nicht vom BSG entschieden wurde, das Berufungsgericht aber den Eindruck zu erwecken versuche, dass die Entscheidung des SG Augsburg in Ansehung von Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts sowie des BSG eindeutig nicht zu beanstanden sei und sogar eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung avisiert habe, bestehe bei der Klägerin Misstrauen in die Unparteilichkeit der Berufsrichter des Senats.
In ihren dienstlichen Stellungnahmen haben die Vorsitzende des Senats V und die Richterin S dargelegt, dass sie erst durch den Befangenheitsantrag Kenntnis davon erlangt haben, dass die im Senat zuständige Berichterstatterin zu einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG angehört hatte.
Die zuständige Berichterstatterin Richterin R hat sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme dahingehend geäußert, dass sie die in Frage stehende Rechtsfrage anhand aktueller Rechtsprechung geprüft und sich dann mit richterlichem Hinweis vom 08.02.2024 an die Klägerin gewandt habe. Bei der rechtlichen Beurteilung handle es sich um ihre originäre richterliche Aufgabe.
Den Beteiligten wurde unter Fristsetzung Gelegenheit zur Äußerung zu den dienstlichen Stellungnahmen der Richterinnen gegeben.
Nach Ablauf der gesetzten Frist äußerte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem auf den 06.05.2024 datierten Schreiben dahingehend, dass die Richterinnen V und S befangen seien, weil sie in ihrer dienstlichen Stellungnahme lediglich dargelegt hätten, mit der Angelegenheit bis zum Befangenheitsantrag nicht befasst gewesen zu sein. Soweit die Richterin R sich inhaltlich zum Ablehnungsgesuch geäußert und darin auf ihre richterliche Unabhängigkeit berufen habe, sei Befangenheit zumindest darin zu erkennen, dass die Richterin mit ihrem richterlichen Hinweis vom 08.02.24 die Grenzen einer zulässigen richterlichen Verfahrensleitung überschritten habe, da in ihrem Hinweis zum Ausdruck käme, dass sie erstens einen beharrenden, keiner Änderung mehr zugänglichen Standpunkt eingenommen habe und dass sie sich zweitens nicht ernsthaft mit dem dezidierten Vorbringen des Prozessbevollmächtigten auseinandergesetzt habe.
II.
1. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen V und S sind offensichtlich rechtsmissbräuchlich und demgemäß als unzulässig zu verwerfen.
Aus den dienstlichen Stellungnahmen der beiden Richterinnen ergibt sich, dass sie bei der Anhörung durch die Berichterstatterin zu einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG nicht beteiligt waren, was eine übliche und zulässige Verfahrensweise darstellt (vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 24.05.2023 - 5 B 20/22 Rz 14 zur vergleichbaren Vorschrift des § 130a Satz 1 VwGO).
Nachdem der Prozessbevollmächtigte trotz nunmehriger Kenntnis dieser Sachlage an seinen Ablehnungsgesuchen gegenüber diesen beiden Richterinnen festgehalten hat, stellen sich die Ablehnungsgesuche gegen die mit der Sache bislang nicht befassten Richterinnen als offensichtlich rechtsmissbräuchlich dar und sind dementsprechend als unzulässig zu verwerfen. Nicht im Entferntesten nachvollziehbar ist die Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, nicht mit der Angelegenheit befasste Richterinnen seien deshalb befangen, weil sie sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme auf diesen Punkt beschränkt haben.
2. Das Ablehnungsgesuch gegen die zuständige Berichterstatterin Richterin R ist - zumindest (vgl aber LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2023 - L 20 SF 203/22 AB, das in einer vergleichbaren Fallkonstellation bei einer Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG sogar bzgl des zuständigen Berichterstatters von der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs wegen offensichtlicher Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeht) - unbegründet.
Die Berichterstatterin hat im Schreiben vom 08.02.2024 lediglich ihre Rechtsauffassung basierend auf ihrer Ansicht nach einschlägigen Entscheidungen dargelegt, hierauf gründend die Berufungsrücknahme durch die Klägerin angeregt und vorsorglich zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG angehört, wobei den Beteiligten umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Das Schreiben erfüllt die notwendigen Kriterien für eine Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG, enthält insbesondere klare Hinweise bzgl der nach Ansicht der Berichterstatterin zum Zeitpunkt der Anhörung nach aktueller Sach- und Rechtslage gegebenen fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung, und den entsprechenden Hinweis, dass bei Einstimmigkeit im Senat durch Beschluss entschieden werde.
a) In der Begründung zum Befangenheitsantrag richtet sich der Vorwurf des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst darauf, dass die zuständige Berichterstatterin ihre rechtliche Einschätzung dargelegt, darauf basierend eine Entscheidung des Senats durch Beschluss in Betracht gezogen und angekündigt hat, den Rechtsausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in seiner Berufungsbegründung nicht folgen zu wollen.
Bei vernünftiger Betrachtung begründet die schlichte Äußerung der Rechtsauffassung einer Richterin und die Darlegung einer geplanten Vorgehensweise kein irgendwie geartetes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin. Denn ein Ablehnungsgesuch ist kein Mittel, sich gegen eine für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung einer Richterin zu wenden (ausdrücklich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2023 - L 20 SF 203/22 AB Rz 7 im Zusammenhang mit einer Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG).
Etwas Anderes könnte nur dann gelten, wenn die geäußerte Auffassung schlechthin unvertretbar wäre und man gerade hieraus auf eine unsachliche Einstellung gegenüber der Klägerin schließen könnte (vgl LSG Berlin-Brandenburg aaO Rz 7).
Dies ist hier jedoch nicht der Fall, nachdem die Richterin lediglich dargelegt hat, dass sie der dem Begehren der Klägerin nicht stattgebenden Entscheidung des Sozialgerichts folgen wolle und dies mit weiteren, ihrer Ansicht nach einschlägigen Entscheidungen untermauert hat. Der Prozessbevollmächtigte hat sich bei seinem Befangenheitsantrag mit den von der Richterin genannten Entscheidungen nicht auch nur ansatzweise auseinandergesetzt und im Weiteren auch nicht näher ausgeführt, inwieweit in dem richterlichen Hinweis, insbesondere auf diese Entscheidungen, ein unsachliches Verhalten der Richterin gesehen werde könnte.
Soweit der Prozessbevollmächtigte unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung aus einer Äußerung der Kammervorsitzende in der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz ein unsachliches Verhalten der Richterin in der zweiten Instanz herleiten will, geht das ins Leere. Zum einen wurde dem Begehren der Klägerin in erster Instanz ohnehin nicht stattgegeben. Zum anderen ist jede Richterin in der zweiten Instanz in ihrer eigenen richterlichen Würdigung eines Falles völlig unabhängig, gerade auch von in erster Instanz mündlich geäußerten Einschätzungen oder Meinungen.
b) Soweit der Prozessbevollmächtigte in seiner Reaktion auf die dienstliche Stellungnahme der Richterin R nunmehr deren Befangenheit daraus herleiten will, dass die Richterin mit ihrem richterlichen Hinweis die Grenzen einer zulässigen richterlichen Verfahrensleitung überschritten habe, hat es der Prozessbevollmächtigte versäumt darzulegen, inwieweit die Richterin bei der von ihr gewählten Verfahrensweise unsachlich und willkürlich gehandelt haben soll.
Allein der Vortag, die Richterin habe die Angelegenheit rechtlich nicht so beurteilt, wie es den Vorstellungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entspricht, und sie habe demgemäß die Angelegenheit auch von der Verfahrensleitung her nicht entsprechend den Vorstellungen des Prozessbevollmächtigten betrieben, ist kein Vortrag, aus dem Unsachlichkeit bzw Willkür auch nur ansatzweise erkennbar wäre. Vielmehr hat die Richterin bei ihrem richterlichen Hinweis den Anforderungen an ein faires Verfahren entsprechend auf die für sie ausschlaggebenden Entscheidungen hingewiesen und dem Prozessbevollmächtigten hierdurch Gelegenheit gegeben, sich in der Sache mit diesen Entscheidungen dezidiert auseinanderzusetzen, was der Prozessbevollmächtigte dann aber gerade nicht getan und stattdessen einen Befangenheitsantrag gestellt hat.
Ein unsachliches oder willkürliches Beharren der Richterin auf ihrer Rechtsmeinung ist - anders als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint - ebenfalls nicht zu erkennen. Bei ihrem richterlichen Hinweis hat die Richterin ausdrücklich und unter angemessener Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Allein hieraus ist schon ersichtlich, dass die Richterin nicht beharrlich nur ihren Standpunkt nur durchsetzen wollte. Dafür, dass die Richterin sich bei einer sachlichen Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten zu den von ihr im richterlichen Hinweis genannten Entscheidungen nicht mit eventuellen Argumenten der Klägerseite auseinandergesetzt hätte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte und dürfen der Richterin auch nicht unterstellt werden, wie es der Prozessbevollmächtigte letztlich mit seiner Behauptung tut.
Auch die bislang mit der Angelegenheit nicht befassten Richterinnen des Senats hätten sich im Übrigen bei einer qualifizierten Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten zum Schreiben der Richterin vom 08.02.2024 inhaltlich vertieft, insbesondere mit Argumenten zu den von der Berichterstatterin als ausschlaggebend genannten Entscheidungen, auseinandersetzen können. Gleiches gilt bzgl. der von der Berichterstatterin anvisierten Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG; im Rahmen der Anhörung der Berichterstatterin zum Verfahren nach § 153 Abs. 4 SGG hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedoch nicht hinreichend argumentativ darlegt, warum sich hier ein Verfahren nach § 153 Abs. 4 SGG verbieten soll.
Im Ergebnis lässt sich bzgl der Richterin R keinerlei Verhalten feststellen, das ihre Unparteilichkeit als Richterin in Frage stellen würde. Vielmehr erweckt der Befangenheitsantrag samt Reaktion des Prozessbevollmächtigten auf die dienstlichen Stellungnahmen der Richterinnen den Eindruck, dass der Prozessbevollmächtigte seine Rechtsauffassung abseits von rechtlichen Argumenten mittels eines Befangenheitsantrags und damit rechtsmissbräuchlich durchzusetzen versucht. Wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die rechtliche Auffassung der Berichterstatterin nicht teilt, bleibt es ihm unbenommen, anstelle eines Befangenheitsantrags mit sachlichen Argumenten die Berichterstatterin, den Senat und ggf das BSG von seiner Rechtsauffassung zu überzeugen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.