S 4 U 200/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 200/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 72/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


1.    Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 04.07.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2016 verpflichtet, den Bescheid vom 06.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2003 mit Wirkung vom 24.04.2012 aufzuheben.

2.    Es wird festgestellt, dass am linken Knie des Klägers eine BK 2102 vorliegt.

3.    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab 24.04.2012 zu gewähren.

4.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.    Die Beklagte erstattet dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte.


Tatbestand


Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Berufskrankheit - BK - "Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten" (Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung <BKV> - BK 2102 -) bzw. der BK 2112: „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht“.

Der 1959 geborene Kläger erlernte den Beruf des Fliesenlegers und arbeitete von September 1976 bis September 2009 in diesem Beruf. Ab 2010 ist er bei der Firma C. C-Stadt beschäftigt, zunächst als Chemiearbeiter (vollschichtig) und aufgrund weiterer schwerer Erkrankungen nunmehr teilzeitbeschäftigt im Bereich Arbeitssicherheit. Er bezieht seit 2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Bereits im Jahr 2002 hatte die Beklagte die Anerkennung der BK 2102 geprüft. Mit Bescheid vom 6.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2003 war die Anerkennung der BK 2102 abgelehnt worden, da die erforderliche primäre Meniskopathie nicht festgestellt worden sei. Die hiergegen erhobene Klage (S 15 U 1169/03) wurde am 5.1.2004 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 22.8.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Feststellung einer BK. Hierbei wies er darauf hin, dass infolge seiner Tätigkeit als Fliesenleger beide Knie geschädigt seien. Die Beklagte ermittelte daraufhin hinsichtlich der BKen 2102 und einer BK 2112.

Aus den medizinischen Unterlagen der Beklagtenakte geht hervor, dass der Kläger im Jahr 1985 einen Unfall erlitt, hierbei auf einem Gerüst eine Baubohle durchbrach und ca 1m mit dem rechten Bein nach unten sackte. Am 16.1.1986 erfolgte eine Meniskektomie lateral. Aus weiteren Berichten lässt sich entnehmen, dass im Januar 1987 ein erneutes Rotationstrauma stattgefunden hat. Weiter geht aus der Akte der Beklagten hervor, dass der Kläger am 13.10.1995 einen Unfall erlitt, als er aufstehen wollte und es plötzlich im rechten Knie geschmerzt habe; im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag wurde als Erstdiagnose Distorsion rechtes Knie mit stabiler „Außenbandzerrung“ notiert. Am 8.11.1995 fand eine arthroskopische Außenmeniskus-Hinterhorn-Resektion rechts statt. Das daraufhin erstellte pathologische Gutachten wies darauf hin, dass das histologische Bild zu relativ frischen reparativen Veränderungen, nach einer vorausgegangenen Läsion passe. Am 8.2.1996 fand am rechten Knie eine arthroskopische Innenmeniskus-Vorderhornresektion statt. 

Im Arztbericht vom 9.3.1995 wurde ein akuter Reizzustand am linken Knie, bei Verdacht auf Meniskusläsion und Patella bipartia beschrieben. Am 13.6.1995 wurde der Beklagten ein Arbeitsunfall gemeldet, wobei laut Durchgangsarztbericht der Verdacht auf eine Innenmeniskusläsion links bestand; empfohlen wurde Salbenverband und Schonung. Das linke Knie wurde erstmalig am 23.4.2012 operiert. Hierbei wurde eine Innenmeniskusteilresektion sowie eine Außenmeniskus- und Knorpelglättung vorgenommen.

Der Beratungsarzt E. nahm in Auswertung der ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen unter dem 13.12.2012 zur begehrten BK 2102 dahingehend Stellung, dass bei dem Kläger im Jahr 1995 ein traumatischer Außenmeniskusschaden des rechten und am „3.4.1994“ ein traumatischer Schaden des linken Kniegelenkes arthroskopisch gesichert worden sei. Aufgrund dieser primär traumatischen Meniskusschäden, könne weiterhin keine BK 2102 anerkannt werden. Der von der Beklagten beauftragte Dr. G. kam in seiner Stellungnahme vom 28.3.2013 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass in beiden Knien lediglich eine sekundäre Meniskopathie vorliege und damit keine BK 2102.

Der Beratungsarzt E. führte im Hinblick auf das Vorliegen der BK 2112 und des linken Knies aus, dass sich aus dem Arthroskopiebericht vom 13.4.2012 keine Hinweise auf eine Kniegelenksarthrose ergäben. Es finde sich lediglich ein sekundärer Meniskusschaden bei fortgeschrittenen Knorpelschäden. Da bei einem Fliesenleger jede kniebelastende Körperhaltung für beide Knie belastend bestehe, könne eine einseitige Gonarthrose niemals auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden.

In der Folge schaltete die Beklagte den Landesgewerbearzt Prof. Dr. S. ein; dieser forderte die Erstellung aktueller Röntgenaufnahmen und untersuchte den Kläger persönlich. In seinem Gutachten vom 10.3.2014 forderte er eine Stellungnahme der Präventionsabteilung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der BKen 2102 und 2112 an.

Der von der Beklagten beauftragte Präventionsdienst berichtete in seiner Stellungnahme vom 16.5.2014 bezogen auf die BK 2102, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit in der Zeit von 1976 - 2009 „zusammenfassend ca. 33 Jahre einer Meniskusbelastung von 5-35 % Zeitanteil pro Arbeitsschicht - teilweise - ausgesetzt war“. Hinsichtlich der BK 2112 ermittelte der Präventionsdienst eine kniebelastende Tätigkeit im Umfang von 20.433 Stunden. 

Der Landesgewerbearzt Prof. Dr. S. empfahl in seinem Schreiben vom 10.7.2014 die Anerkennung der BK 2112 beim linken Knie. Hinsichtlich der rechten Seite sah er ebenfalls eine bestehende Gonarthrose, die ursächlich jedoch auf die totale Resektion des Außenmeniskus im Rahmen der Kniegelenksoperationen 1986/87 und 1995 zurückzuführen sei. Es bleibe zu prüfen, ob auf der rechten Seite eine primäre Meniskopathie vorliege im Sinne einer BK 2102, die zu einer sekundären Gonarthrose geführt habe. Er forderte hinsichtlich der BK 2102 weitere Unterlagen vom Beklagten an. 

Der Beratungsarzt Dr. G. führte unter dem 29.7.2014 aus, dass – da die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien – eine BK nach 2112 anerkannt werden müsse. Aufgrund der beschriebenen Funktionsstörung könne eine MdE von 20 v.H. anerkannt werden.

Dr. D. gab unter dem 12.1.2015 eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme ab und stellte fest, dass an beiden Kniegelenken eine Gonarthrosestadium III nach Kellgren vorliege. Die vollständige Meniskusentfernung am rechten Kniegelenk stelle einen erheblichen konkurrierenden Ursachenfaktor für die Entwicklung der Gonarthrose da. Die Gonarthrose sei dieser Meniskusentfernung zuzuschreiben, eine BK 2112 liege nicht vor. Unter Beachtung der beruflichen Einwirkung bestehe ein Gonarthrosestadium 0. Auch am linken Knie liege keine BK 2112 vor, da nicht plausibel sei, dass die beidseitig einwirkende berufliche Belastung nur am linken Kniegelenk zu einer Gonarthrose geführt habe. Bereits 1998 seien die 13.000 Kniestunden erreicht worden; zu diesem Zeitpunkt habe am linken Kniegelenk keinerlei nachweisbare Gonarthroseproblematik bestanden. Der operative Eingriff links erfolgte erst im Jahr 2012, so dass auch unter Beachtung des zeitlichen Verlaufs die Entwicklung der - aktuell drittgradigen - Gonarthrose und die berufliche Belastung nicht plausibel in Deckung zu bringen seien.

In seinem Schreiben vom 4.2.2016 führte Prof Dr. S. aus, dass seines Erachtens die beruflichen Voraussetzungen im Sinne der BK 2102 erfüllt seien, weil der Kläger als Fliesenleger einer gefährdenden Tätigkeit nachgegangen sei. Er sei nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes einer Expositionsdauer von mehr als 1 Stunde pro Schicht ausgesetzt gewesen. Bei einer solchen Expositionsdauer liege nach dem systematischen Review von Snoeker et al. (2013) ein signifikant um mehr als den Faktor 2,69 erhöhtes Meniskopathierisiko vor. Medizinischerseits sei bei dem Kläger eine primäre Meniskopathie rechts festzustellen. Bei der arthroskopischen Operation am 18.11.1995 habe lediglich eine erstgradige Chondromalazie vorgelegen und damit kein altersuntypischer Befund. Die totale Meniskektomie im äußeren Kompariment habe sekundär zu einer drittgradigen, lateral betonten Gonarthrose im rechten Femorotibialgelenk geführt. Er empfahl die Anerkennung der BK 2102 rechtsseitig. Eine abschließende Stellungnahme zur BK 2112 sei weiterhin nicht möglich, da weitere Unterlagen fehlten.

In seiner Stellungnahme vom 14.4.2016 kam Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis, dass im linken Kniegelenk die Voraussetzungen der BK 2112 vorlägen.

Mit Bescheid vom 7.6.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2112 sowie auch Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass das Krankheitsbild der BK 2112 nicht vorliege. Die Erkrankung der beiden Kniegelenke sei unterschiedlich stark ausgeprägt mit einer Abweichung von mehr als einem Kellgren-Grad. Da sich eine dazu passende einseitige arbeitsbedingte Kniebelastung nicht objektivieren lasse, seien die Kniebeschwerden nicht wesentlich beruflich verursacht.

Mit Bescheid vom 4.7.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2102 beim Kläger sowie auch Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes keine überdurchschnittlichen meniskusbelastenden Tätigkeiten in der Mehrzahl der Arbeitstage verrichtet habe.

Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein und verwies im Widerspruchsverfahren betreffend die BK 2102 auf ein Schreiben von Prof. Dr. S. vom 8.5.2015 worin dieser anfragte, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 vorlägen oder nicht; die Tätigkeit als Fliesenleger sei als belastende Tätigkeit im Sinne des Merkblatts der BK 2102 anzusehen. Eine abschließende Stellungnahme sei ihm noch nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.12.2016 wies die Beklagte den Widerspruch - weiterhin gestützt auf das Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 - zurück.
Ebenfalls mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 8.12.2016 wies die Beklagte den Widerspruch betreffend die BK 2112 zurück: Zwar hätten sich Dres. G., L. und Prof Dr. S. für die Anerkennung einer BK 2112 ausgesprochen, was aber nicht schlüssig sei. Die Auswertung des bildgebenden Materials habe ergeben, dass links eine Gonarthrose Grad II nach Kellgren, rechts hingegen nach Grad 0. Angesichts dieser Seitendifferenz mit mehr als ein Grad Kellgren könne eine Gonarthrose nicht anerkannt werden. 

Der Kläger hat gegen beide Widerspruchsbescheide am 20.12.2016 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben, mit der er die Anerkennung der BKen 2102 und 2112 weiterverfolgt. 

Der Kläger beantragt,  
1.    die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.07.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2016 zu verpflichten, den Bescheid vom 06.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2003 aufzuheben,
2.    den Bescheid vom 07.06.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2016 aufzuheben und 
3.    festzustellen, dass bei dem Kläger die Berufskrankheiten 2102 und 2112 vorliegen sowie
4.    die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. 

Das Gericht hat Beweis erhoben und Dr. R. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens sowohl zu BK 2102 (S 4 U 200/16) als auch zur BK 2112 (S 4 U 199/16) beauftragt. 

Hierbei hat das Gericht den Sachverständigen bezogen auf die BK 2102 gebeten, zu unterstellen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK gegeben sind. Der Sachverständige verneint in seinem Gutachten vom 11.4.2017 das Vorliegen der BK 2102. Hinsichtlich des rechten Kniegelenks stellt er fest, dass der Außenmeniskusriss im Jahr 1985 nicht als primäre Meniskopathie anzusehen sei. Eine berufsbedingte Zerstörung des Außenmeniskus, die zu einer fast kompletten Entfernung des Meniskus im damaligen Alter des Klägers von 26 Jahren führe, sei nicht vorstellbar. Die bestehenden Meniskusschäden zeigten einen Zustand nach totaler Entfernung des Außenmeniskus im Jahr 1986 und damit kein Schadensbild im Sinne der BK 2102. Die aktuell bestehende III-gradige Gonarthrose mit starker Streck- und Beugehemmung sei Folge der offenen Meniskusoperation im Jahr 1986. Hinsichtlich des linken Kniegelenks sieht der Sachverständige keine vorliegende BK 2102, sondern einer berufsbedingten Gonarthrose entsprechend der BK 2112. Die Meniskopathien seien als sekundär einzustufen, weil die medial betonte Gonarthrose im Vordergrund stehe.

Das von Dr. R. unter dem 11.4.2017 im Hinblick auf die BK 2112 erstellte Gutachten hat zum Ergebnis, dass im linken Kniegelenk das Schadensbild einer BK 2112 vorliege. Zum Zeitpunkt der Begutachtung sieht er bei beiden Kniegelenken eine Gonarthrose Grad III nach Kellgren. Allerdings verneint er eine beruflich bedingte Gonarthrose für das rechte Kniegelenk, weil die Gonarthrose die Folge der offenen Meniskusoperation aus dem Jahr 1986 sei. Linksseitig hingegen sieht er einen medial betonten Knorpelverschleiß. Die histologische Untersuchung habe keinen Hinweis für eine sekundäre Meniskospathie ergeben, so dass davon auszugehen sei dass, primär die Gonarthrose am linken Kniegelenk bestanden habe und dieselbe dann zu (sekundären) Meniskusschäden geführt habe. 

Auf Antrag des Klägers hat das Gericht in dem Verfahren S 4 U 200/16 Prof. Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. Dieser kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass in beiden Kniegelenken eine primäre Meniskopathie und damit das medizinische Schadensbild einer BK 2102 vorliege. 

Zur Begründung führt er aus, dass im Bereich des rechten Kniegelenkes jeweils zum Erstdiagnosezeitpunkt der Meniskusläsionen (1986,1987,1995,1996) keine relevanten Knorpelschädigungen in den jeweiligen Kompartimenten nachgewiesen worden seien. Auch dem Arthroskopiebericht vom 8.11.1995 sei zu entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich eine erstgradige Chondromalazie im äußeren Kompartiment bestanden habe, so dass von einer primären Meniskuspartie auszugehen sei. 

Hinsichtlich des linken Kniegelenkes sieht der Gutachter eine primäre Meniskopathie zum Zeitpunkt 12.4.2012 (Nachweis durch MRT) als gegeben an. Zur Begründung führt er aus, dass keine relevanten, den Meniskusläsionen vorauseilenden arthrotischen Umbauvorgänge im linken Kniegelenk im Sinne einer BK 2112 gesichert werden konnten. Selbst wenn man von einer Knorpelschädigung ausgehe, die bereits im Jahr 2012 Grad II nach Kellgren erreicht habe, so sprächen doch ausgeprägte Meniskusverkalkungen im linken Kniegelenk für einen zeitlich deutlich vor der Knorpelschädigung liegenden Schädigungszeitpunkt. Konkurrierende Ursachen zur Entstehung der primären Meniskopathie in beiden Kniegelenken lägen nicht vor. Die MdE werde für die Zeit ab April 2012 mit 20 v.H. eingeschätzt.

Das Gericht hat das Gutachten von Prof. Dr. F. dem Erstgutachter Dr. R. zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt. Dieser hat seine Aussage des ursprünglichen Gutachtens revidiert. Er folgt nun der Aussage Prof. Dr. F.s dahingehend, dass im linken Kniegelenk eine primäre Meniskopathie vorliege und damit das Schadensbild einer BK 2102. Die MdE schätzt er mit 20 v.H. ein.

Die Beklagte verweist dazu ergänzend auf die von ihr eingereichten beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. H. vom 23.7.2017 und 4.6.2018, wonach - neben den fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen - auch das medizinische Schadensbild der BK 2102 nicht vorliege. 

Das Gericht hat mit Beschluss im Termin der mündlichen Verhandlung am 13.3.2020 das Verfahren S 4 U 199/16 mit dem Verfahren S 4 U 200/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 113 Abs. 1 SGG verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Gerichtsakte S 15 U 1169/03 konnte nicht beigezogen werden, da sie sich nicht im Archiv befand bzw. auch digitalisiert nicht aufzufinden war.


Entscheidungsgründe

A. Die Klagen sind in Form einer kombinierten Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.1 und 4, § 55 Abs.1 Nr. 1 SGG) mit der die Feststellung des Vorliegens der BKen 2102 und 2112 sowie darüber hinaus die Gewährung von Verletztenrente begehrt werden, zulässig. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass die BK 2102 bereits mit Bescheid vom 6.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2003 bestandskräftig abgelehnt wurde. Die Kammer hat den angefochtenen Bescheid vom 4.7.2016 daher als Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X bezogen auf die vorgenannten Bescheide ausgelegt.

B. Die zulässigen Klagen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang – bezogen auf die BK 2102 – begründet. Deshalb war der Bescheid vom 4.7.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihrerseits den bestandskräftigen Bescheid vom 6.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2003 mit Wirkung vom 24.4.2012 aufzuheben. Zudem war gerichtlich festzustellen, dass die BK 2102 vorliegt. Ferner war die Beklagte zur Rentengewährung nach einer MdE von 20 v.H ab 24.4.2012 zu verurteilen. 

Soweit die Anerkennung der BK 2112 und daraus resultierende Leistungsgewährung begehrt wurde, war die Klage abzuweisen. Der Bescheid vom 7.6.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Anerkennung der BK 2112 durch die Beklagte.

I. BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet (Listen-BK) und welche Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören unter Nrn. 2102 und 2112 Meniskusschäden bzw die Gonarthrose, sofern die dort genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 20.3.2018 – B 2 U 5/16 R m.w.N. Rn 12 f., juris). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Konkurrierende Expositionen aus dem unversicherten Lebensbereich müssen ebenfalls nach Art, Intensität und Dauer im Vollbeweis gesichert sein, um Berücksichtigung zu finden (BSG, Urteil vom 12.4.2005 – 2 U 27/04 R -). 

Grundsätzlich ist zu beachten, dass gleichartige oder in der Wirkung vergleichbare nicht versicherte Expositionen im Einzelfall schon die Feststellung eines Ursachenzusammenhangs im naturwissenschaftlichen Sinne zwischen der versicherten Exposition und der Krankheit ausschließen können, so dass es dann auf eine Bewertung der Wesentlichkeit der versicherten Einwirkung dann nicht ankommt.

Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG  a.a.O. m.w.N.). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

Der Versicherungsfall einer Listen-BK setzt somit voraus, dass die Bundesregierung als Verordnungsgeberin die Krankheit als BK in der Anlage 1 der BKV bezeichnet hat und sämtliche Merkmale dieses Tatbestandes erfüllt sind.

1. Zur BK 2112
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist das Vorliegen der BK 2112 vorliegend nicht festzustellen. 

Die BK 2112 hat folgenden Wortlaut: "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht".

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2112 liegen vor. Der Präventionsdienst der Beklagten ermittelte bei der 33-jährigen Berufstätigkeit des Klägers als Fliesenleger kniebelastende Tätigkeiten im Umfang von 20.433 Stunden.

Hinsichtlich des medizinischen Schadensbildes hat die Diagnose einer Gonarthrose nach dem Merkblatt zur BK 2112 (Bekanntmachung des BMGS vom 30.12.2009, GMBl 2010, 98) folgende Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:
- chronische Kniegelenksbeschwerden,
- Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk und
- die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad 2 - 4 der Klassifikation von Kellgren ua.

Vorliegend liegt zur Überzeugung der Kammer zwar das medizinische Schadensbild der BK 2112 an beiden Kniegelenken vor, es fehlt allerdings an der berufsbedingten Verursachung des medizinischen Schadensbildes dieser BK. 

Hierbei stützt sich die Kammer in erster Linie auf das gerichtlich eingeholte Gutachten von Dr. R. Er hat im Zeitpunkt seiner Begutachtung in beiden Kniegelenken des Klägers eine Gonarthrose im Grad III nach Kellgren festgestellt sowie auch Funktionseinschränkungen der Beuge- und Streckfähigkeit, so dass grundsätzlich ein Schadensbild iS der BK 2112 vorliegt. 

a) Hinsichtlich des rechten Knies hat der Gutachter für die Kammer nachvollziehbar einen Zusammenhang der festgestellten Gonarthrose mit der beruflichen Tätigkeit nicht feststellen können. Unter Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen und unter Einbeziehung der Angaben des Klägers geht der Sachverständige davon aus, dass das rechte Knie des Klägers im Jahr 1985 durch einen Unfall geschädigt wurde. Damals erlitt der Kläger einen Gerüstunfall, wobei er eine Baubohle durchbrach und mit dem rechten Bein ca. 1 m nach unten „sackte“. Nach Angaben des Klägers im Gutachten wurde damals eine Meniskusschädigung festgestellt. Ausweislich der Akten (Bl. 64, Aufzeichnung der Krankengeschichte, undatiert) wurde 1985 der Außenmeniskus rechtsseitig teilweise entfernt. Dr. R. sieht in der Entfernung des Außenmeniskus eine Prädisposition zur Entwicklung einer Gonarthrose und insoweit eine konkurrierende Ursache zur Entstehung der Gonarthrose. Dies ist für die Kammer nachvollziehbar. Ob es sich damals 1986 um einen traumatischen Meniskusriss gehandelt hat, bleibt offen, da entsprechende Unterlagen fehlen und von Begleitverletzungen nichts bekannt ist. Dies ist vorliegend im Zusammenhang mit der Prüfung, ob eine BK 2112 vorliegt, aber auch nicht entscheidend, da die Außenmeniskusresektion - unabhängig von ihrer Verursachung - für sich genommen eine maßgebliche konkurrierende Ursache zu einer beruflichen Verursachung darstellt. Diese Einschätzung wird durch die beratenden Ärzte Dr. D. und Dr. H. gestützt, die aus derselben Argumentation heraus eine beruflich verursachte Gonarthrose ablehnen. Ebenso sieht dies auch Prof. Dr. S. Er wies darauf hin, dass bei dem Kläger seit 8.11.1995 eine totale Entfernung des Außenmeniskus vorliege und dies eine gesicherte konkurrierende Ursache für die Entwicklung einer Gonarthrose darstellt. Er empfahl die Ablehnung der BK 2112, äußerte jedoch die Empfehlung, die BK 2102 anzuerkennen.

b) Für das linke Kniegelenk sieht die Kammer ebenfalls keine beruflich verursachte Gonarthrose und damit keine BK 2112. Hierbei stützt sich die Kammer wiederum in erster Linie auf das Gutachten von Dr. R. Dieser hat sich ausführlich mit dem Vorliegen der BK 2112 bzw. auch der BK 2102 im linken Kniegelenk auseinandergesetzt. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass Dr. R. zunächst davon ausging, dass eine beruflich verursachte Gonarthrose links vorliege. Erst nach Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. F. und weiterer Prüfung hat Dr. R. seine Auffassung allerdings revidiert und sieht nun linksseitig das Vorliegen einer BK 2102. Hierbei geht der Sachverständige Dr. R. in seinem Gutachten zur BK 2112 dabei davon aus, dass mittels MRT im Jahr 2012 ein drittgradiger Knorpelschaden und damit eine drittgradige Gonarthrose links gesichert war. Bei der Untersuchung hat sich eine massive Gonarthrose beidseits mit erheblicher Bewegungseinschränkung gezeigt. Ein Streckdefizit von 20° und ein Beugedefizit von 40° haben vorgelegen. Aufgrund aktueller Röntgenaufnahme hat sich ein Gonarthrosestadium III nach Kellgren gezeigt. Die Arthrose sei in den Jahren 2012-2014 vorangeschritten. Konkurrierende Ursachen (Arthrosen anderer Gelenke, die dem Alter des Klägers voranschreitende Osteoporose oder eine Beinachsenfehlstellung) finden sich nicht. Auch sei - so Dr. R. - das Auftreten der Gonarthrose mit Nachweis im Jahr 2012 noch ausreichend zeitnah zur Beendigung der belastenden Beschäftigung (2009), so dass er zunächst vom Vorliegen einer Gonarthrose ausgegangen ist. Allerdings hat er dann in Reaktion auf das Gutachten von Prof. Dr. F. der in den Akten befindlichen Unterlagen aus dem Jahr 1995 betreffend das linke Knie in seine Betrachtung verstärkt miteinbezogen und seine Auffassung geändert. Er gelangt nun zu dem Ergebnis, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass bereits 1995 links ein Innenmeniskusschaden vorlag. Die Arztberichte aus 1995 und 1996 wiesen deutlich darauf hin, dass links damals ein Innenmeniskusschaden vorgelegen hat. Dr. R. legt nun diese Bewertung seiner Einschätzung zu Grunde. Hierbei kommt er dann zu dem Ergebnis, dass ausgehend von dem Meniskusschaden dann die Arthrose vorangeschritten ist. Eine belastbare Beschreibung des Knorpelschadens ist dem OP-Bericht aus 2012 nicht zu entnehmen. Insoweit korrigiert sich Dr. R. der zunächst von einem drittgradigem Knorpelschaden ausging. Er sieht nunmehr in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Prof. Dr. F., dass zuerst der Meniskusschaden vorhanden war und sich daraufhin die Gonarthrose entwickelt hat, weshalb die BK 2112 nicht angenommen werden kann. Er sieht jedoch die BK 2102 für gegeben.

Auch der Beratungsarzt Dr. D. sieht die BK 2112 links nicht für gegeben an. Auch er sieht zwar ein Gonarthrosestadium nach Kellgren III, allerdings weist er darauf hin, dass bereits 1998 die 13.000 kniebelastenden Arbeitsstunden vorlagen und zu diesem Zeitpunkt keine nachgewiesene Gonarthrose vorgelegen habe. Erst 2012 sei ein operativer Eingriff erfolgt, so dass er auch unter dem Gesichtspunkt des zeitlichen Verlaufs - Entwicklung der Gonarthrose und berufliche Belastung nicht plausibel in Deckung bringen konnte. 

Auch Dr. H. sieht keine BK 2112 linksseitig. Er berücksichtigt den vom Operateur am 23.4.2012 festgestellten drittgradigen Knorpelschaden, sieht diese Aussage jedoch nicht in Übereinstimmung mit dem kernspintomographischen Befund vom 12.4.2012. Im MRT stellt sich der Knorpelschaden seines Erachtens geringer dar. Da auch weitere Beschreibungen des Knorpelschadens im inneren Kompartiment durch den Operateur in Bezug auf Aussehen und Ausdehnung fehlen, könne eine analoge Bewertung zur Kellgren-Klassifikation nicht stattfinden. Da nicht nachgewiesen sei, dass ein Knorpelschaden im Grad II nach Kellgren vorliege, könne bereits deshalb keine BK 2112 anerkannt werden. Außerdem seien weder die Chronizität der Kniebeschwerden noch die Funktionsstörungen nachgewiesen.

Der Auffassung des Beratungsarztes Dr. G. folgt die Kammer in diesem Zusammenhang hingegen nicht. Dr. G. führte in seiner Stellungnahme vom 29.7.2014 lediglich aus, dass die BK 2112 anerkannt werden müsse, zumal neben Funktionsstörungen hinsichtlich der eingeschränkten Streckung auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorlägen. Eine nähere Begründung wurde hierfür nicht gegeben. Allein die Behauptung überzeugt die Kammer nicht. 

Ebenso folgt die Kammer nicht der Auffassung des Landegewerbearztes Dr. S. Dieser setzte sich im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zwar ausführlich mit den medizinischen Befunden des Klägers auseinander und untersuchte ihn auch persönlich, jedoch kann sich die Kammer hinsichtlich seiner Folgerungen zur Anerkennung der BK 2112 links nicht anschließen. Der Sachverständige bestätigte zwar das Vorliegen einer Arthrose im geforderten Schweregrad und wies darauf hin, dass es keine konkurrierenden Ursachen gebe. Allerdings ging er auf das Verhältnis Gonarthrose zu Meniskusschäden nicht ein. Ausweislich der arbeitsmedizinischen wissenschaftlichen Literatur (Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.10.6.4.6., S. 683) ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob ggf die Voraussetzung für die Anerkennung der BK 2102 vorliegen, da in solchen Fällen in aller Regel Gonarthrose als Spätfolge der Meniskuserkrankung anzusehen wäre. Auf diesem Hintergrund ist das Ergebnis von Dr. S. für die Kammer nicht nachzuvollziehen.

Mithin geht die Kammer zwar vom Vorliegen einer Gonarthrose aus, jedoch ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass diese beruflich verursacht worden ist. Allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen reicht dazu nicht aus, wenn Hinweise für konkurrierende Ursachen im Sinne von primären Meniskusschäden vorliegen. 

2. Zur BK 2102
Der Bescheid vom 4.7.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2016, mit dem die Anerkennung der BK 2102 abgelehnt worden war, war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung des nach § 44 SGB X überprüften Bescheides vom 6.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2003 und Feststellung des Vorliegens der BK 2102 sowie auf die Gewährung von Verletztenrente ab 24.4.2012. 

a) Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden, der Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit - max. 4 Jahre (§ 44 Abs. 4 SGB X) - zurückzunehmen.

aa) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der bestandskräftig gewordene überprüfte Bescheid vom 6.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2003 ist für die Zeit ab 24.4.2012 rechtswidrig und ist entsprechend von der Beklagten aufzuheben. Es war festzustellen, dass am linken Knie des Klägers die BK 2102 vorliegt.

Die Feststellung der BK 2102 setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Form von andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit, d.h. eine Meniskuserkrankung, vorliegt und diese im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. 

(1) Die arbeitstechnischen Voraussetzungen liegen vor. Nach dem Merkblatt des BMA vom 11.10.1989 (abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2102, S.1 ff.) ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke biomechanisch gebunden entweder an häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung oder - was hier einschlägig ist - Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung. Unter diesen Umständen werden die halbmondförmigen, auf den Schienbeinkopfgelenkflächen nur wenig verschiebbaren Knorpelscheiben, insbesondere der Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet. Dadurch können allmählich Deformationen, Ernährungsstörungen des bradytrophen Gewebes sowie degenerative Veränderungen mit Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit der Menisken entstehen. Ein derart vorgeschädigter Meniskus kann beim Aufrichten aus kniender Stellung, bei Drehbewegungen, beim Treppensteigen oder beim ganz normalen Gehen von seinen Ansatzstellen ganz oder teilweise gelöst werden. Die berufsbedingte Meniskopathie kann als Folgeschaden auch zu Arthrosis deformans führen (a.a.O. S. 2). 

Arbeitstechnisch sind Arbeiten im Hocken und Fersensitz, mit erzwungener maximaler Knieanwinkelung und gleichzeitiger Verdrehung zwischen Ober- und Unterschenkel erforderlich; nicht ausreichend sind Tätigkeiten nur im Knien oder Kriechen (Schönberger a.a.O., Kap. 8.10.5.9.3., Seite 664). Es wird dazu in der Fachliteratur darauf hingewiesen (Schönberger a.a.O., S. 665), dass es zweifelhaft sei, ob die im Merkblatt aufgeführte Berufsgruppe der Fliesenleger im Hinblick auf ihre überwiegend kniende Tätigkeit tatsächlich schädigungsrelevante berufliche Belastungen ausüben. Die Voraussetzung „überdurchschnittliche Belastung“ ist im Wortlaut der Listen-BK nicht definiert. Hinsichtlich der Dauer und Umfang der Belastung pro Schicht bestehen keine gesicherten Erkenntnisse. Sie müssen indessen jedenfalls eine gewisse Zeit andauern, um überhaupt "überdurchschnittlich" belastend zu sein und um den Menisken keine ausreichende Zeit für eine Erholung zu belassen. Die Ansicht, bei einer zeitlichen Belastung von weniger als einem Drittel der Arbeitsschicht hätten die Menisken bereits ausreichend Zeit, um sich zu erholen, erscheint zu pauschal und ist auch wissenschaftlich nicht begründbar. Maßgeblich können insoweit vielmehr nur die Umstände des jeweiligen Einzelfalls hinsichtlich Art, Dauer und Umfang der Belastung sein. Eine überdurchschnittliche Kniegelenksbelastung ist dann gegeben, wenn hierdurch das Erscheinungsbild des Berufes bzw. des jeweiligen Arbeitsplatzes geprägt wird. Letztlich ergibt sich aus der Synopse von Krankheitsbild, Berufs-und Krankheitsanamnese, berufskundlichen Kenntnissen und Erfahrungen und der Bewertung des konkreten Arbeitsplatzes ein Gesamtbild, dass dann zu würdigen ist (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2102, Anmerkungen, Rn 3). Als „mehrjährig“ wird insoweit in vertretbarer Weise eine belastende Tätigkeit von mindestens zwei Jahren angenommen (a.a.O. Rn 4).

Dies zugrunde legend lässt sich feststellen, dass es keine wissenschaftlich nachgewiesene oder gar in Fachkreisen konsentierte Dosis-Wirkung-Beziehung im Rahmen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 gibt. Die Ermittlungen des Präventionsdienstes vom 16.5.2014 haben allerdings ergeben, dass der Kläger „während seiner beruflichen Tätigkeit in der Zeit von 1976 bis 2009 zusammenfassend ca. 33 Jahre eine Meniskusbelastung von 5-35 % Zeitanteil pro Arbeitsschicht - teilweise - ausgesetzt (war)“. Die Beklagte hält diese beruflichen Belastungen nicht für ausreichend. Sie vertritt die Auffassung, dass die Meniskusbelastung mindestens 20 % einer Arbeitsschicht betragen muss und in der überwiegenden Anzahl der täglichen Arbeitsschichten stattfinden muss, um als andauernd oder häufig wiederkehrend und für das Berufsbild prägend klassifiziert werden zu können. Dieser Auffassung folgt die Kammer nach den obigen Ausführungen jedoch nicht. 

Für die Ansicht der Beklagten, dass meniskusbelastende Tätigkeiten mit einem Mindestschichtanteil von 20 % ausgeübt worden sein müssen, um die Menisken zu schädigen, fehlt es ebenso an einem wissenschaftlichen Nachweis. Die 20 %-Grenze scheint von daher "gegriffen", nicht plausibel nachvollziehbar und eher willkürlich gezogen. Allein die praktische Handhabbarkeit und das Argument der Gleichbehandlung aller Versicherten sind nicht schon ausreichend, um die 20 %-Grenze als allgemeingültigen Maßstab zu rechtfertigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.1.2010 – L 2 U 272/07 – Rn 32, juris). 

Im vorliegenden Fall geht die Kammer jedenfalls davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen. Zur Begründung stellt die Kammer maßgeblich darauf ab, dass der Kläger das Kriterium der „Mehrjährigkeit“ in besonders eindrucksvollem Maße erfüllt; denn er war kontinuierlich 33 Jahre als Fliesenleger beschäftigt, d.h. mehr als das 16-fache der angenommenen Mindestzeit. Weiter ist hierfür entscheidend, dass konkret der hier betroffene Beruf des Fliesenlegers im Merkblatt als eine geradezu typische gefährdende Tätigkeit hervorgehoben wird. Soweit daher von der Beklagten angezweifelt wird (s. auch Schönberger a.a.O., S. 665), dass Fliesenleger typischerweise eine schädigungsrelevante Tätigkeit ausüben und die wissenschaftliche Begründung aus dem Jahr 1988 bezogen auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht mehr mit dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Einklang zu bringen sei, ist darauf hinzuweisen, dass trotz dieser zweifelnden Aussage - soweit ersichtlich - keine präziseren Voraussetzungen/Beschreibungen in die wissenschaftliche Literatur eingeflossen sind. Die Zweifel stützen sich zudem auf zwei Untersuchungen aus dem Jahr 2010 und 2012. Die Nachfrage des Gerichts beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat hat indessen ergeben, dass eine konsensfähige wissenschaftliche Stellungnahme u.a. auch zu den arbeitsbedingten Einwirkungen, die mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Meniskusschadens verbunden sind, derzeit immer noch erarbeitet wird, und dass dies voraussichtlich immer noch mehrere Jahre andauern werde. Derzeit ist daher (weiter) von dem gefährdeten Beruf Fliesenleger auszugehen und dass eine 33-jährige fast das ganze Arbeitsleben charakterisierende Berufstätigkeit als offenkundig ausreichend zur Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 anzusehen ist. Auch der Landesgewerbearzt und Arbeitsmediziner Prof. Dr. S. ging schließlich vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen aus, insbesondere aufgrund der langjährigen beruflichen Tätigkeit des Klägers. 

(2) Das medizinische Schadensbild der BK 2102 liegt zur Überzeugung der Kammer am linken Kniegelenk des Klägers ebenfalls vor.

Hinsichtlich des medizinischen Schadensbildes steht klinisch der Meniskusschaden im Vordergrund (primären Meniskopathie). Die im weiteren Verlauf sekundär auftretenden Schäden an Gelenkknorpel und Gelenkbinnenhaut sind dann rechtlich wesentlich auf die Meniskopathie zurückzuführen. Gehen jedoch Knorpelveränderungen mit der Folge arthrotische Umformungen der dann sekundären Meniskopathie voraus, ist ein solches Krankheitsbild nicht unter die BK 2102 zu subsumieren, sondern es ist BK 2112 zu prüfen (vgl Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2102, Anmerkungen Rn 2).

In ihrer Entscheidung stützt sich die Kammer insoweit maßgeblich auf das Gutachten von Dr. R., der nach seiner ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. K. zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei dem linken Knie die BK 2102 vorliegt. Hierbei hat er sein vorangegangenes Ergebnis, es liege eine BK 2112 vor, auf dagegen erhobene fach- und arbeitsmedizinische Einwände hin revidiert; das spricht für ihn. Er hat nach erneuter Prüfung noch einmal genauer die Arztberichte von 1995 und 1996 berücksichtigt und hierbei festgestellt, dass im OP-Bericht 1995 tatsächlich keine belastbare Beschreibung des Knorpelschadens abgegeben wurde. Dies war für ihn jedoch bei seiner vorangegangenen Stellungnahme entscheidend, um den drittgradigen Knorpelschaden als führend anzusehen und insoweit davon auszugehen, dass zuerst eine Arthrose vorlag und sich erst anschließend die Meniskopathie entwickelt habe. Unter genauer Betrachtung kommt er nun dagegen zu dem - für die Kammer nachvollziehbaren und überzeugenden - Ergebnis, dass doch zunächst ein Meniskusschaden im Jahr 1995 vorlag, woraus sich dann später arthrotische Veränderungen entwickelten. Hierbei weist der Sachverständige deutlich auf die schwierige Problematik der Abgrenzung von BK 2102 und 2112 hin, da nicht immer klar erkennbar sei, ob zuerst die Gonarthrose oder zuerst der Meniskusschaden vorhanden war. Im Ergebnis sieht es Dr. R. inzwischen als wahrscheinlicher an, dass der Meniskusschaden zuerst und damit das Schadensbild der BK 2102 vorliegt. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten herausgearbeitet, dass bei dem Kläger altersvorauseilende Meniskusschäden vorlagen und es an konkurrierenden Ursachen außerhalb der beruflichen Verursachung fehlt. Die Kammer sieht durchaus, dass in der Vergangenheit Meniskusschäden links vorlagen, diese sind jedoch nicht ausreichend nachgewiesen, um als konkurrierende Ursache die berufliche Ursache verdrängen zu können. 

Erstmalig im März 1995 sind Beschwerden im linken Knie des Klägers aktenkundig (Arztbericht Dr. N. vom 9.3.1995: „akuter Reizzustand bei Verdacht auf Meniskusläsion und Patella bipartia“). Ein späterer Unfall vom 13.6.1995 mit Verdrehtrauma führte dann zu einem Verdacht auf Innenmeniskusläsion links; Begleitverletzungen sind dem Durchgangsarztbericht vom Unfalltag jedoch nicht zu entnehmen. Insoweit könnte es sich nach Aktenlage nur um einen isolierten Meniskusriss gehandelt haben. Eine konkurrierende Ursache ist in diesem Unfall nicht zu sehen, da dies nur dann anzunehmen wäre, wenn es sich um einen traumatisch verursachten isolierten Meniskusriss gehandelt hätte. Ein solcher kann nach der wissenschaftlichen Literatur (Schönberger a.a.O. Kap. 8.10.5.3., S. 657) nur unter ganz bestimmten Umständen (Stichwort: „wuchtiger Drehsturz“) überhaupt eintreten. Anderenfalls sind immer Begleitverletzungen zu erwarten, die bei dem Ereignis vom 13.6.1995 nicht festgestellt werden konnten. 

Das Gericht folgt nicht der Meinung der Beklagten, dass der Nachweis der Meniskusschäden des linken Kniegelenkes erst durch das MRT vom 12.4.2012 erfolgt sei und damit das Zeitmoment zur Aufgabe der kniebelastenden Tätigkeit im September 2009 gegen die berufliche Verursachung spreche. Denn zwischen der Aufgabe der belastenden Tätigkeit durch den Kläger und dem Nachweis der Meniskusschädigung lagen nämlich nur rund 2,5 Jahre. In der wissenschaftlichen Literatur wird dagegen eine zeitliche Differenz von 12 Jahren und mehr als Negativkriterium angesehen (Schönberger a.a.O. Kap. 8.10.5.9.6, S. 669). Diese Zeitdauer ist hier deutlich nicht erfüllt.

Jedenfalls im MRT vom 12.4.2012 wies der Innenmeniskus eine komplexe degenerative Rissbildung vom Schweregrad 4 nach Stoller aus sowie eine zentrale Signalanhebung des Außenmeniskus. Damit liegt ein ausreichender Schweregrad der Meniskopathie vor. Prof. Dr. F. sieht insbesondere unter Beachtung des Arthroskopieberichts vom 13.4.2012 eine ausgeprägte Meniskusverkalkung im linken Kniegelenk, die darauf hindeutet, dass sie zeitlich deutlich vor der Knorpelschädigung vorlag, und bejaht für die Kammer nachvollziehbar das Vorliegen einer primären Meniskopathie. 

Soweit schließlich Dr. H. als konkurrierende Ursache auf Kalziumphosphatablagerungen im rezessierten Meniskusgewebe hinweist (s. dazu pathologisch-anatomisches Gutachten vom 27.4.2018), ist dem Prof. Dr. F. schlüssig und überzeugend entgegengetreten: Konkurrierend kann danach eine sog. Chondrokalzinose nur dann sein, wenn sie dem Manifestwerden des Meniskusschadens zeitlich vorangeht. Vorliegend wurden die Kalziumpyrophosphat-Ablagerungen jedoch überhaupt erst 2012 festgestellt und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem linksseitig bereits eine hochgradige Meniskopathie vorlag. Von einer konkurrierenden Ursache kann daher nicht ausgegangen werden.   

(3) Hingegen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass auch am rechten Kniegelenk des Klägers das medizinische Schadensbild der BK 2102 vorliegt. Hierbei stellt die Kammer wesentlich auf das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. R. ab. Dieser sieht aufgrund der in den Jahren zuvor erfolgten Meniskusschäden keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für eine berufliche Verursachung. Er sieht in dem im November 1985 erlittenen Unfall, in dessen Folge eine Außenteilmeniskusentfernung stattfand, ein maßgebliches Schadensereignis. Allerdings schätzt er den Riss auch nicht als traumatisch bedingt ein. Hierzu ist auch der Kammer eine definitive Einschätzung letztendlich nicht möglich, weil unklar ist, ob neben dem Riss des Außenmeniskus damals auch Begleitverletzungen vorlagen oder nicht; medizinische Unterlagen dazu fehlen. Eine primäre Meniskopathie vermag Dr. R. bei dem damals erst 26-jährigen Kläger jedenfalls nicht festzustellen. Ob eine Anomalie des Meniskus vorlag, vermutet Dr. R. nur; Nachweise dafür liegen nicht vor. Weiter weist Dr. R. darauf hin, dass ein Schadensbild unter Ausschluss der Hinterhörner nicht als belastungskonform gelte, da diese bei Dauerzwangshaltungen besonders belastet sind (vgl. Schönberger a.a.O. Kap.8.10.5.9.1., S. 663). Rechtsseitig ist jedoch ein Schaden an den Innenmeniskushinterhörnern bei den Operationsberichten aus 1986 und 1987 nicht erwähnt worden, so dass auch dies gegen ein belastungskonformes Schadensbild spricht. Der Arztbericht vom 6.1.1987 erwähnt ferner ein aktuelles Rotationstrauma, über das nichts näher bekannt ist. Der Arthroskopiebericht vom 28.5.1987 beschreibt die Entfernung eines Korbhenkelregenerates. Dr. R. sieht darin präarthrotische Faktoren und sieht auch die weiter entstehenden Meniskusschäden als darauf zurückzuführen an. Insgesamt fehlt es demnach an einem belastungskonformen Schadensbild.

Hingegen folgt die Kammer den Gutachten Prof. Dr. F. und Prof. Dr. S. im Hinblick auf das rechte Knie nicht. Prof. Dr. S. sieht bereits 1986 eine Meniskopathie rechts für gegeben und darauf aufbauend eine sekundäre Gonarthrose. Seine Diskussion in diesem Zusammenhang erfolgt eher in Abgrenzung zur BK 2112; Ausführungen, warum rechtsseitig bei der entsprechenden medizinischen Vorgeschichte eine beruflich verursachte Meniskopathie anzunehmen sein soll fehlen. Auch Prof. Dr. F. würdigt die medizinische Vorgeschichte des rechten Kniegelenkes nicht ausreichend. Zwar liegen aus den Jahren 1986 und 1987 nur spärliche Unterlagen vor, was aber nicht dazu führen kann, mangels weiterer Informationen, die berufliche Verursachung anzunehmen. Gerade wenn es sich nicht um die typischen Belastungszonen (=Innenmeniskushinterhorn) handelt, die damals geschädigt waren, muss der berufliche Ursachenzusammenhang deutlich festgestellt und begründet werden. Diesem Erfordernis genügen die Aussagen der beiden vorgenannten Sachverständigen zur Überzeugung der Kammer nicht.

bb) Mithin war der Bescheid vom 6.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2003 rechtswidrig und seitens der Beklagten aufzuheben.

Die Bescheidaufhebung hat die Beklagte ab dem 24.4.2012 vorzunehmen. Hinsichtlich des Zeitpunktes hat die Kammer auf die arthroskopische Operation am linken Knie am 23.4.2012 abgestellt, weil zu diesem Zeitpunkt die Meniskusschäden deutlich nachzuweisen sind. 

b) Der Kläger hat vor dem dargestellten, von der Kammer zugrunde gelegten medizinischen Hintergrund Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt; dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 27.6.2000 – B 2 U 14/99 R -, Urteil vom 2.5.2001 – B 2 U 24/00 R -). In welchem Ausmaß die Unfallfolgen die Erwerbsmöglichkeiten im allgemeinen Arbeitsleben beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie nach Erkenntnissen auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Zur Einschätzung der MdE sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleichmäßige und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26.11.1987 – 2 RU 22/87; BSG, Urteil vom 30.6.1998 – B 2 U 41/97 R -). Die Erfahrungswerte sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (BSG, Urteil vom 19.12.2000 – B 2 U 49/99 R). 

In Anwendung dieser Grundsätze war dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren. Hierbei orientiert sich die Kammer an der Einschätzung, die Dr. R., Prof. Dr. S. sowie Prof. Dr. F. abgegeben haben. Alle drei Sachverständigen kommen zu dem Ergebnis, dass vorliegend aufgrund der beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen eine MdE von 20 v.H. besteht. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens und Nachweises der erforderlichen Funktionseinschränkungen bestehen unterschiedliche Einschätzungen. Während Prof. Dr. S. und Dr. R. den Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers bei Prof. Dr. S. annehmen (= 16.1.2014) schließt sich die Kammer der Einschätzung von Prof. Dr. F. an, der die bei dem Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen ab 4/2012 für gegeben ansieht. Die Kammer sieht als schlüssigen, objektivierbaren Anhaltspunkt für den Rentenbeginn den Tag der Operation am 23.4.2012 an.

Der Rentenbeginn richtet sich nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. Danach werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Ausgehend davon, dass am Tag der Operation am 23.4.2012 alle Voraussetzungen der Rentengewährung, also neben den erfüllten Voraussetzungen der BK 2102 auch die erforderlichen Funktionseinschränkungen gegeben waren, war der Rentenbeginn mithin mit dem 24.4.2012 festzusetzten.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
 

Rechtskraft
Aus
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