L 3 R 166/22

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 678/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 3 R 166/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Beschäftigungen im Agrochemischen Zentrum (ACZ) Forst und im Pflanzenschutzamt Cottbus erfüllen nicht die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung von weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem hat.

Der am ... 1952 geborene Kläger absolvierte nach seiner Berufsausbildung mit Abitur von September 1972 bis August 1976 ein Studium an der M.-Universität H.. Ausweislich der Urkunde der Universität vom 28. Juli 1976 wurde ihm der akademische Grad Diplom-Agraringenieur verliehen. Nach dem Studienabschluss war er von September 1976 bis März 1977 als Leitungsassistent im Agrochemischen Zentrum (ACZ) F. tätig. Anschließend war er dort bis März 1984 Abteilungsleiter Pflanzenschutz. Es folgte von März 1984 bis März 1988 eine Tätigkeit im Pflanzenschutzamt C., zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und ab März 1987 als Abteilungsleiter. Mit der Urkunde der M.-Universität H. vom 25. Juni 1985 wurde ihm der akademische Grad „doctor agriculturarum (Dr. agr.)“ verliehen. Von März 1988 bis November 1990 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Phytopathologie in A..

Am 15. August 2017 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.

Mit Bescheid vom 22. März 2018 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen des § 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) erfüllt seien. Sie stellte den Zeitraum vom 1. März 1988 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften zu B. und der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu B. (Zusatzversorgungssystem Nr. 5 der Anlage 1 zum AAÜG) mit den dazugehörigen Entgelten fest. Dagegen legte der Kläger am 19. April 2018 Widerspruch ein und begehrte auch die Feststellung des Zeitraumes vom 28. Juli 1976 bis zum 28. Februar 1988 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2018 zurück und führte zur Begründung aus, das ACZ F. und das Pflanzenschutzamt C. seien weder volkseigene Produktionsbetriebe (Industrie oder Bau) noch solchen im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 24. Mai 1951 (im Folgenden: 2. DB) gleichgestellt gewesen. Die davorliegende Ausbildung an einer Hochschule bzw. Fachschule oder sonstigen Bildungseinrichtung erfülle die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG ebenfalls nicht. Denn die Ausbildung sei kein Bestandteil eines Beschäftigungsverhältnisses gewesen.

Dagegen hat der Kläger am 2. August 2018 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Verpflichtung der Beklagten begehrt, seine Beschäftigungszeiten im Zeitraum vom 1. September 1976 bis zum 29. Februar 1988 als Zugehörigkeitszeiten zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG, im Folgenden: AVItech) und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt. Beide Arbeitsorte seien einem volkseigenen Betrieb gleichzusetzen. Dies treffe sowohl auf die Tätigkeit im ACZ F. wie auch im Pflanzenschutzamt C. zu. So hätten im ACZ Forst umfangreiche Bau- und Transportmaßnahmen (landwirtschaftlicher Wegebau, Bautransporte, Kran- und Schachtarbeiten usw.) durchgeführt werden müssen. Das Pflanzenschutzamt C. sei eine nachgeordnete Facheinrichtung beim Rat des Bezirkes gewesen und habe somit keiner staatlichen Leitung unterstanden. Die staatliche Leitung sei die Pflanzenschutzinspektion gemäß Pflanzenschutzverordnung der DDR gewesen, die direkt beim Rat des Bezirkes angesiedelt gewesen sei. Die Pflanzenschutzinspektion sei dem Pflanzenschutzamt weisungsberechtigt gewesen und habe keinen Institutscharakter wie das Pflanzenschutzamt besessen. Das Pflanzenschutzamt habe u.a. über eine Laborabteilung, eine meteorlogische Station, Versuchsfelder, einen Versuchsgarten und auch einen eigenen Fuhrpark verfügt. Insoweit sei davon auszugehen, dass das Pflanzenschutzamt einer wissenschaftlichen Einrichtung gleichzustellen sei. Die Aufgaben der ACZ seien in § 9 der Pflanzenschutzverordnung beschrieben worden. Das Aufgabenspektrum der Pflanzenschutzämter sei in § 12 der Durchführungsbestimmung zur Pflanzenschutzverordnung vom 16. Oktober 1978 beschrieben worden. Außerdem werde auf den Artikel bzw. Aufsatz „30 Jahre Pflanzenschutzämter bei den Räten der Bezirke in der DDR - Entwicklung und Aufgaben“, veröffentlicht im Nachrichtenblatt für den Pflanzenschutz in der DDR (Heft 6/1990, Jahrgang 44, Blatt 63 bis 66 der Gerichtsakten) verwiesen.

Das Sozialgericht Magdeburg hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2022 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das ACZ F. sowie das Pflanzenschutzamt C. seien weder volkseigene Produktionsbetriebe noch gleichgestellte Betriebe gewesen. Sie seien weder organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen, noch sei ihr Hauptzweck auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen. Nach Aktenlage seien Baumaßnahmen keine Hauptaufgabe des ACZ F. gewesen. Sie hätten sich vielmehr in das Gesamtkonzept - Pflanzenschutz -eingeordnet. Auch eine Gleichstellung im Sinne der AVI-Verordnung sei nicht festzustellen, da die Aufzählung der gleichgestellten Betriebe in § 1 Abs. 2 der 2. DB abschließend sei und die Beschäftigungsbetriebe des Klägers nicht enthalte. Der Zeitraum vom 1. September 1976 bis zum 29. Februar 1988 sei auch keinem anderen Zusatzversorgungssystem der DDR zuzuordnen. Entsprechendes sei durch den Kläger auch nicht beantragt worden.

Gegen das ihm am 19. Mai 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Juni 2022 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er sei im Zeitraum vom 1. September 1976 bis zum 29. Februar 1988 weder in einem privaten noch genossenschaftlichen Betrieb beschäftigt gewesen. Das Pflanzenschutzamt C. sei eine staatliche Einrichtung (nachgegliederte Facheinheit des Rates des Bezirkes C. analog dem Bezirkshygieneinstitut oder dem Veterinärinstitut des Bezirkes) gewesen. Das ACZ F. sei weder ein Privat- noch ein Genossenschaftsbetrieb gewesen. Beide Arbeitsorte seien einem volkseigenen Betrieb gleichzusetzen.

Das ACZ F. habe nach Jahresplänen gearbeitet. Diese seien wie bei den Industrie- oder Baubetrieben von der staatlichen Leitung (Räte der Kreise, Bezirke oder Ministerien) vorgegeben worden. Auf die Jahrespläne hätten verschiedene Ministerien Einfluss gehabt. Neben Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen seien durch das ACZ F. u.a. umfangreiche Transportaufgaben abzusichern gewesen, und zwar nicht nur im Bereich der Landwirtschaft. Der umfangreiche Fuhrpark und die Krantechnik hätten auch außerhalb der Landwirtschaft gemäß Jahresplanaufgaben, aber auch durch kurzfristige staatliche Anweisungen in anderen Bereichen (Straßenwinterdienst, Bauwesen, Handel und Versorgung) eingesetzt werden müssen. Das Verkehrsministerium habe dabei neben dem Landwirtschaftsministerium einen erheblichen Einfluss auf das Aufgabenspektrum gehabt. Diese zusätzlichen Auflagen hätten stets längerfristigen Charakter gehabt. In den Wintermonaten seien durch das ACZ F. des Weiteren umfangreiche Bau- und Transportmaßnahmen (landwirtschaftlicher Wegebau, Bautransporte, Kran- und Schachtarbeiten, jährlich mehrere Monate Bauarbeiten auf den Flugplätzen P.- und D. aufgrund des vorhandenen Technikparks als staatliche Auflagen) durchgeführt worden. Hierbei seien Produktionskennziffern zu erfüllen gewesen. Die Realisierung der erforderlichen Arbeiten sei damit den Vorgaben der Planwirtschaft gefolgt. So habe in diesem Bereich die Vorgabe einer Umsatzgenerierung im Bereich von zwei Millionen Ostmark gegolten. Das ACZ F. sei einem VEB gleichzustellen. Die Aufgaben, Arbeitsweise sowie staatliche Planung der ACZ werde in der „Anordnung zur Entwicklung der agrochemischen Zentren als Basen industriemäßiger Pflanzenproduktion“ vom 7. August 1972 (GBl. DDR Teil II S. 645) in den §§ 1 bis 3 geregelt. Aus der gesetzlichen Grundlage gehe hervor, dass das ACZ einem VEB gleichzustellen sei, da die Charakteristika eines VEB vorlägen (staatliches Eigentum, Planaufgaben, staatliche Vorlagen, Unterstellungen den jeweiligen Räten der Kreise, Vorgaben für die Jahresplanung, usw.). In seinem Arbeitsvertrag vom 31. Juli 1976 sei unter „Arbeitnehmerverpflichtung“ festgelegt worden, dass das sozialistische Eigentum zu mehren sei. Die ACZ seien selbstständige Betriebe gewesen, die als zwischenbetriebliche Einrichtungen (ZBE) sowohl mit VEB - wie z. B. den VEB Kreisbetrieben für Landtechnik - und Genossenschaften usw. zusammengearbeitet hätten. Der Status ZBE habe nichts mit der Eigentumsform wie VEB, Genossenschaft oder Privatbesitz zu tun, sondern habe seine Bewandtnis ausschließlich darin, dass mit verschiedenen Betrieben unterschiedlichster Eigentumsformen oder Unternehmen zusammengearbeitet worden sei. Das ACZ habe beispielsweise auch mit privaten Handwerksbetrieben wirtschaftliche Beziehungen unterhalten. Das ACZ F. habe gesonderten Bedingungen unterlegen. In die Gründung des ACZ sei kein genossenschaftliches Eigentum eingeflossen. Die landwirtschaftlichen Betriebe hätten unter schwierigsten Bedingungen, bedingt durch die Grenze zu Polen, den Braunkohletageabbau im Arbeitsbereich, ausgedehnten Waldgebieten und einem militärischen Sperrgebiet, welches permanent habe umfahren werden müssen, gearbeitet. Zum Betreuungsbereich des ACZ F. hätten zwei Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) gehört, sodass ständig andere Arbeitsbereiche zur Auslastung der umfangreich vorhandenen Technik hätten gefunden werden müssen. So habe das ACZ F. den Charakter eines Baubetriebes gehabt, nicht im Sinne eines zum Umgang mit Beton, Zement und Baumaterialien bestimmten Betriebes, sondern im Sinne des Einsatzes der stark vom Wetter abhängigen Kran- und Fahrzeugtechnik, deren Einsatz flexibel ähnlich einem Baubetrieb zu organisieren gewesen sei. Das ACZ F. habe mitunter monateweise Baumaßnahmen durchgeführt. Es habe im Kreis F. neben dem VEB Kraftverkehr zu den Betrieben gehört, welche die meisten Lkw, Traktoren und Krantechnik vorgehalten hätten.

Das Pflanzenschutzamt C. sei eine nachgeordnete Facheinrichtung beim Rat des Bezirkes gewesen - keine staatliche Leitung. Die staatliche Leitung sei die Pflanzenschutzinspektion gemäß Pflanzenschutzverordnung der DDR gewesen. Diese sei direkt beim Rat des Bezirkes angesiedelt gewesen. Die Pflanzenschutzinspektion sei gegenüber dem Pflanzenschutzamt weisungsberechtigt gewesen und habe keinen Institutscharakter wie das Pflanzenschutzamt gehabt. Das Pflanzenschutzamt habe u.a. eine Laborabteilung, Lichtfallen zur Insektenbestimmung, eine meteorologische Station, Versuchsfelder, einen Versuchsgarten, eine Quarantäneinspektion und einen eigenen Fuhrpark gehabt und habe Auftragsarbeiten verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen der DDR (z. B. Feststellung und Bestimmung von Schaderregern im Verantwortungsbereich) durchgeführt. Das Pflanzenschutzamt sei einer wissenschaftlichen Einrichtung, wie z. B. einem Institut der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (AdL) gleichzusetzen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Mai 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 22. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2018 zu verpflichten, seine Beschäftigungszeiten vom 1. September 1976 bis zum 29. Februar 1988 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das ACZ F. sei kein volkseigener Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Zur Entstehungsgeschichte der ACZ als solche bringe sie - die Beklagte - einen Auszug aus dem Werk „Landwirtschaft in der DDR“ von K. S., A. GmbH, 2009, Seiten 158 bis 163, in das Verfahren ein. Diesbezüglich wird auf Blatt 120 bis 123 der Gerichtsakten verwiesen. Bei dieser inmitten stehenden Wirtschaftseinheit habe es sich um eine zwischenbetriebliche Einrichtung (ZBE), getragen und gebildet als Kooperation mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe im Sinne des § 13 des Gesetzes über die LPG vom 2. Juli 1982 gehandelt). Zu den sogenannten kooperativen Einrichtungen im Sinne von § 13 des Gesetzes über die LPG habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits mit Urteil vom 10. April 2002 (B 4 RA 34/01 R) entschieden, dass diese keine volkseigenen Produktionsdurchführungsbetriebe gewesen seien. Als zwischenbetriebliche Einrichtungen hätten sie nicht dem Anwendungsbereich des Zusatzversorgungssystems der AVItech angehört. Das ACZ F. sei auch keine einem volkseigenen Produktionsdurchführungsbetrieb gleichgestellte Wirtschaftseinheit gewesen. Aus § 1 Abs. 2 der 2. DB ergäben sich hierfür keine Anhaltspunkte. In dem abschließenden Katalog der dort aufgeführten „Einrichtungen“ werde es nicht genannt. Es sei insbesondere kein Forschungsinstitut, sondern Dienstleistungszentrum für Agrochemie und Pflanzenschutz gewesen.

Auch das Pflanzenschutzamt C. sei keine zusatzversorgungsrechtlich relevante Einrichtung. Als nachgeordnete Facheinrichtung beim Rat des Bezirkes C. unterfalle es ebenfalls nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der vom Kläger ausschließlich beantragten AVItech. Nur am Rande sei angemerkt, dass für die Dauer der Beschäftigung des Klägers im Pflanzenschutzamt C. auch keine Zusatzversorgungszeiten im Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG (Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates) festgestellt werden könnten. Nachgeordnete Einrichtungen - wie das Pflanzenschutzamt C. - zählten nicht zu den vom Zusatzversorgungssystem Nr. 19 erfassten Verwaltungseinheiten.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 18. November 2022 hat der Senat den Kläger zu einer in Betracht kommenden Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Die Beklagte hat eine Abschrift dieses Schreibens erhalten. Der Kläger hat nachfolgend ergänzend argumentiert, das ACZ hätte auch VEB Kreisbetrieb für landwirtschaftliche Chemiesierung heißen können. In der Landwirtschaft der DDR seien auch maßgeblich VEB tätig gewesen und nicht nur LPG. Dass die Entwicklung einiger ACZ in einer anderen Geschwindigkeit und Richtung verlaufen sei, habe häufig einer regionalen Dynamik unterlegen. Das ACZ sei somit eine gleichgestellte Einrichtung gewesen. Allein der Technikbestand eines ACZ sollte hierfür ein richtungsweisender Aspekt sein. Produktionsprodukte seien nicht nur fertig gedüngte Felder, sondern auch landwirtschaftlicher Wegebau, Bau von Lagerplätzen, gesicherte Straßen im Winterdienst bis hin zum Flugplatzbau gewesen. Insoweit sei ein ACZ als VEB mit Industriecharakter zu bewerten. Soweit die Beklagte vortrage, das ACZ sei insbesondere kein Forschungsinstitut, sondern Dienstleistungszentrum für Agrochemie und Pflanzenschutz gewesen, sei dies eine völlig falsche Darstellung. Vom Ministerrat der DDR sei der Dienstleistungsgedanke die ACZ betreffend auf das schärfste bekämpft worden. Ein ACZ-Leiter hätte seine Abberufung bzw. die Streichung seiner Jahresendprämie riskiert, wenn wir diese Position vertreten hätte. Er - der Kläger - sei selber Zeuge solcher scharfen Auseinandersetzungen gewesen. Die ACZ hätten insgesamt bei der Chemiesierung der Landwirtschaft der DDR aktiv mitwirken und nicht nur eine Dienstleistungsecke bedienen sollen. Die Bekämpfung des Dienstleistungsgedankens habe in der Praxis zum damaligen Zeitpunkt einen breiten Raum eingenommen. Insbesondere habe sich das Ministerium für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft permanent in derartige Diskussionen eingeschaltet. Disziplinarmaßnahmen gegen Vertreter des Dienstleistungsgedankens seien wirkungsvoll angezeigt und durchgeführt worden. Er - der Kläger - erkläre sich mit einer Entscheidung durch Beschluss im Sinne von § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG einverstanden. Da die Rechtssache nach seiner Auffassung grundsätzliche Bedeutung habe, rege er an, die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.

II.

Der Senat durfte den Rechtsstreit durch Beschluss im Sinne von § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Der Kläger ist hierzu gehört worden.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech vom 1. September 1976 bis zum 29. Februar 1988.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 5 RS 4/09 R -, juris, RdNr. 11). Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R -, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2 S. 11).

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR Teil I S. 844, im Folgenden: VO-AVItech) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR Teil I S. 487) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorgelegen haben müssen.

Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und die entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Die Beschäftigung des Klägers vom September 1976 bis März 1984 im ACZ F. unterfällt nicht dem Zusatzversorgungssystem der AVItech, da die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Das ACZ F. war schon kein volkseigener Betrieb und konnte damit auch kein volkseigener Produktionsbetrieb sein. Vielmehr handelte es sich - was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist - um eine zwischenbetriebliche Einrichtung (ZBE).

Außerdem war das ACZ F. kein Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Allein ein solcher Betrieb ist in diesem Zusammenhang versorgungsrechtlich relevant. An dieser Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hat der später zuständige 5. Senat des BSG festgehalten (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/10 R -, juris, RdNr. 24). Der Begriff des Produktionsbetriebs der Industrie erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen. Nur eine derartige Massenproduktion im Bereich der Industrie oder des Bauwesens war für eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech von maßgeblicher Bedeutung. Merkmal einer industriellen Massenproduktion ist, dass Sachgüter im Hauptzweck industriell - d.h. serienmäßig wiederkehrend - gefertigt werden. Massenproduktion ist auf die standardisierte und automatisierte Herstellung einer potentiell unbestimmten Zahl von Sachgütern gerichtet (Urteil des erkennenden Senats vom 26. April 2018 - L 3 RS 7/17 -, juris, RdNr. 40 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG).

Die vielfältigen Aufgabenbereiche des ACZ F., die der Kläger anschaulich beschrieben hat, verdeutlichen, dass dieses keine Massenproduktion durchgeführt hat. Neben Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen erledigte das ACZ F. u.a. umfangreiche Transportaufgaben - und zwar nicht nur im Bereich der Landwirtschaft -, Straßenwinterdienst, landwirtschaftlichen Wegebau, Bautransporte, Kran- und Schachtarbeiten und Bauarbeiten auf den Flugplätzen P. und D. Auch § 1 der „Anordnung zur Entwicklung der agrochemischen Zentren als Basen industriemäßiger Pflanzenproduktion“ vom 7. August 1972 zeigt, wie ausdifferenziert das Aufgabenspektrum der ACZ war. Die ACZ waren zuständig für den Umschlag, die Lagerung und den Transport von Mineraldüngemitteln und die Zwischenlagerung von Pflanzenschutzmitteln sowie anderer Agrarchemikalien, die Mineraldüngung und Pflanzenschutzmaßnahmen, die Organisation und den Einsatz von Agrarflugzeugen sowie für vielfältige Aufgaben im Bereich Pflanzenschutz.

Das ACZ F. war auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellt. Aus § 1 Abs. 2 der 2. DB ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. In dem Katalog der dort aufgeführten Einrichtungen werden ACZ nicht genannt. Aus bundesrechtlicher Sicht kommt es bei der Auslegung dieser Durchführungsbestimmung weder auf die praktische Handhabung der Versorgungsordnungen durch die DDR noch auf deren Verwaltungspraxis an. Damit wird ausgeschlossen, dass beliebige Umstände außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnungen vorgegebenen Rahmens, die sich mangels gesicherter faktischer Beurteilungsgrundlage gerade nicht willkürfrei erschließen lassen, bei der Auslegung herangezogen werden. Das bedeutet zugleich, dass es dem Gericht verwehrt ist, über den Rahmen des § 1 AAÜG hinaus Fallgruppen zu entwickeln (BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R -, juris, RdNr. 24).

Die Tätigkeit des Klägers im Pflanzenschutzamt C. von März 1984 bis März 1988 lässt sich ebenfalls nicht dem Anwendungsbereich der AVItech zuordnen. Auch insoweit ist die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt. Ein Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im oben näher definierten Sinn war das Pflanzenschutzamt nicht. Das wird von dem Kläger auch nicht behauptet. Es war auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellt. In dem Katalog der dort abschließend aufgeführten Einrichtungen werden Pflanzenschutzämter nicht genannt. Da der dortige Katalog nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG nicht durch Auslegung erweiterungsfähig ist, kommt es nicht darauf an, ob das Pflanzenschutzamt - wie der Kläger meint - einer wissenschaftlichen Einrichtung, wie z. B. einem Institut der AdL, gleichzusetzen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Rechtskraft
Aus
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