Die vom Grundsicherungsträger für das Jahr 2019 als angemessen ermittelten Unterkunftskosten in der Stadt Halle (Saale) werfen für einen Drei-Personen-Haushalt keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 8. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag der Kläger auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren die Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Halle. In der Sache machen sie einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von März bis August 2019 geltend. Streitig ist zwischen den Beteiligten, in welchem Umfang der Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) als Bedarf zu berücksichtigen hat.
Die drei Kläger bezogen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Beklagten. Sie wohnten zunächst in einer Wohnung in der G. in H. Im März 2015 wies der Beklagte sie darauf hin, dass ihre KdUH unangemessen hoch seien, und forderte sie auf, die Kosten zu senken. Im Mai 2016 zogen die Kläger – ohne Zustimmung des Beklagten – in eine Wohnung in der G. 9.
Der Beklagte hatte den Klägern zuletzt Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für die Zeit bis Ende Februar 2019 bewilligt. Am 18. Februar 2019 stellten sie einen Weiterbewilligungsantrag. Dabei gaben sie ihre KdUH mit insgesamt 609 € an (Grundmiete: 440 €, Nebenkosten 125 €, Heizkosten 44 €). Diesen Weiterbewilligungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2019 ab, weil die Kläger aufgrund ihres anzurechnenden Einkommens nicht hilfebedürftig seien. Bei der Prüfung des Leistungsanspruchs berücksichtigte er neben den Regelbedarfen und einem Mehrbedarf für Alleinerziehende eine Grundmiete i.H.v. 312,51 €, Nebenkosten i.H.v. 125,01 € und Heizkosten i.H.v. 44,01 €. Diesen Bedarfen stellte er das Einkommen der Kläger aus Erwerbstätigkeit, Unterhaltsvorschuss, Kindesunterhalt und Kindergeld gegenüber und kam zu dem Ergebnis, dass das Einkommen die Bedarfe übersteige. Zu den berücksichtigten Unterkunftskosten führte er aus, dass die Bedarfe aufgrund seiner neuen Angemessenheitsrichtwerte überprüft bzw. angepasst worden seien. Danach würden die KdUH ab dem 1. März 2019 i.H.v. 481,50 € berücksichtigt.
Dagegen legten die Kläger am 1. April 2019 Widerspruch ein. Da der Beklagte über kein schlüssiges Konzept bezüglich der Unterkunftskosten verfüge, bemesse sich deren Angemessenheit nach den Werten der Wohngeldtabelle, die um einen Sicherheitszuschlag von 10 % zu erhöhen seien. Zudem könne eine Überschreitung der angemessenen Bruttokaltmiete durch geringere Heizkosten kompensiert werden. Sie könnten deshalb in eine Wohnung ziehen, die insgesamt bis zu 749,38 € kostet (angemessene Bruttokaltmiete nach der Wohngeldtabelle: 563,00 €, Sicherheitszuschlag: 56,30 €, maximale Heizkosten laut Heizspiegel: 130,08 €). Dies sei bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zu den KdUH führte er aus, dass die Bruttokaltmiete der Kläger unangemessen sei. Für einen Drei-Personen-Haushalt habe er aufgrund eines schlüssigen Konzepts und dessen Fortschreibung einen Grenzwert von 437,50 € als Angemessenheitsgrenzwert festgeschrieben. Diesen überstiegen die tatsächlichen Kosten der Kläger. Ihre Heizkosten seien dagegen angemessen. Auf § 22 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende) könnten die Kläger sich nicht berufen, weil sie ohne Zusicherung in ihre jetzige Wohnung gezogen seien. Deshalb könnten von Anfang an nur die angemessenen Kosten übernommen werden.
Am 20. Oktober 2019 haben die Kläger beim SG H. Klage erhoben. Streitig sei im Wesentlichen die Übernahme der tatsächlichen KdUH. Nach Aufforderung des Gerichts haben sie Unterlagen zu ihrem im streitigen Zeitraum erzielten Einkommen vorgelegt.
Auf dieser Grundlage hat das SG den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2024 unter Abänderung des Bescheids vom 1. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2019 verurteilt, den Klägern für März 2019 Leistungen i.H.v. 95,04 € zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach seinen Berechnungen überstieg das Einkommen der Kläger ihren Bedarf im April 2019 um insgesamt 31,95 €, im Mai 2019 um 191,64 €, im Juni 2019 um 95,66 €, im Juli 2019 um 390,21 € und August 2019 um 83,54 €. Bei seinen Berechnungen hat das Gericht – abgesehen von Rundungsdifferenzen ebenso wie der Beklagte – KdUH i.H.v. 481,52 € pro Monat berücksichtigt. Es seien nur die angemessenen Kosten zu übernehmen. Auf Grundlage des schlüssigen Konzepts des Beklagten sei für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger im streitigen Zeitraum eine Bruttokaltmiete von 427,70 € angemessen. Der Beklagte habe darüber hinaus sogar einen Betrag von 437,50 € berücksichtigt. Diesen hat auch das SG in seine Berechnungen eingestellt. Zur Begrenzung der KdUH-Leistungen habe es keiner erneuten Kostensenkungsaufforderung bedurft. Die Warn- und Hinweisfunktion einer solchen Aufforderung bleibe auch bei einem kurzzeitigen Ausscheiden aus dem Leistungsbezug weiterhin wirksam, soweit die zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten führenden Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben seien. Hier habe keine nennenswerte Unterbrechung des Leistungsbezugs vorgelegen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 10. Januar 2024 zugestellt worden.
Am 12. Februar 2024, einem Montag, haben die Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Diese haben sie nicht begründet. Für den zweiten Rechtszug haben sie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist gem. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Die Berufung bedarf aber der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und sie auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Im Streit stehen Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Differenz zwischen der von den Klägern als berücksichtigungsfähig geltend gemachten tatsächlichen Bruttokaltmiete (565,00 €) und der vom SG in seine Leistungsberechnung eingestellten (437,50 €) beträgt zwar 127,50 € pro Monat und damit 765,00 € für den gesamten Streitzeitraum. Aufgrund des unstreitig anzurechnenden Einkommens kämen aber auch unter Berücksichtigung der vollen tatsächlichen KdUH nur weitere Leistungen von insgesamt deutlich weniger als 750 € in Betracht. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat die Berufung zu Recht nicht zugelassen. Es liegt kein Zulassungsgrund i.S.v. § 144 Abs. 2 SGG vor.
a) Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn die Sache eine bisher nicht geklärte, aber klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftigkeit ist nicht gegeben, wenn sich die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt oder nur eine Anwendung schon entwickelter höchstrichterlicher Rechtssätze auf den Einzelfall erfordert. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie konkret für die Lösung des Falles erheblich ist. Solche ungeklärten Rechtsfragen wirft der Rechtsstreit nicht auf.
Sie ergeben sich insbesondere nicht mit Blick darauf, in welcher Höhe im Streitzeitraum die Unterkunftskosten eines Drei-Personen-Haushalts in H. i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende) angemessen waren. Der Beklagte hat seinerzeit den abstrakten Grenzwert für die Bruttokaltmiete bei 437,50 € angesetzt (Arbeitshilfen KdU, Stand: 1. Januar 2019 bzw. 11. März 2019). An diesen Werten hat das SG zugunsten der Kläger festgehalten, auch nachdem der Beklagte sein Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzwerte nachgebessert und zuletzt einen Grenzwert von 427,70 € ermittelt hat (Fortschreibung 2016 des Konzeptes zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft 2018, Bericht vom 20. April 2023). Dass dieser Wert auf einem sog. schlüssigen Konzept beruht, ergibt sich aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Senats.
Ausgangspunkt der Ermittlung des Wertes für die Zeit ab dem 1. Januar 2019 ist das im Auftrag des kommunalen Trägers erstellte Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft 2016 (Neuberechnung, Bericht vom 20. April 2023). Aus diesem ergibt sich für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 ein abstrakter Angemessenheitsgrenzwert für die Bruttokaltmiete eines Drei-Personen-Haushalts von 420,70 €. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 9. November 2023 (L 2 AS 547/19 – juris Rn. 48 ff.) entschieden, dass dieser Wert auf einem schlüssigen Konzept beruht.
Eine grundsätzliche Bedeutung hat sich Sache auch nicht mit Blick darauf, dass der Wert zum 1. Januar 2019 fortgeschrieben worden ist und der Beklagte ab diesem Zeitpunkt nunmehr von einem Grenzwert von 427,70 € ausgeht. In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass ein schlüssiges Konzept regelmäßig erneuert oder fortgeschrieben werden muss, um die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes möglichst zeit- und realitätsgerecht zu erfassen (vgl. Urteil des Senats vom 9. November 2023, a.a.O., Rn. 101). Innerhalb eines Zweijahreszeitraums nach Datenerhebung mit anschließender Datenauswertung und zeitnahem „Inkraftsetzen“ eines Konzeptes kann das erhobene Datenmaterial ohne weitere Fortschreibung zugrunde gelegt werden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 4 AS 33/16 R – juris Rn. 18). Die Maßstäbe für die danach notwendige Fortschreibung sind in der Rechtsprechung ebenfalls geklärt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20 ff.; Urteil des erkennenden Senats vom 30. Mai 2018 – L 2 AS 543/15 – juris Rn. 105 ff.). Neue, ungeklärte Fragen wirft der vorliegende Fall nicht auf. Insbesondere ergibt sich aus der schon vorliegenden Rechtsprechung des Senats, dass der Zweijahreszeitraum, in dem das „Konzept 2016“ des Beklagten Geltung beanspruchen konnte, am 1. Januar 2017 begann (vgl. Urteil vom 9. November 2023, a.a.O., Rn. 102 f.), so dass es ab dem 1. Januar 2019 einer Fortschreibung bedurfte.
Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache schließlich nicht mit Blick auf die von den Klägern für maßgeblich gehaltene Addition der abstrakten Angemessenheitswerte für die Bruttokaltmiete und die Heizkosten. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Gesamtangemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 10 SGB II nur aufgrund einer Festlegung des Grundsicherungsträgers gelten kann (vgl. Urteil vom 9. November 2023, a.a.O., Rn. 119 f. m.w.N.; vgl. auch BT-Drs. 18/8041, S. 41).
b) Es besteht auch keine Divergenz zu einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Divergenz in diesem Sinne meint einen Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen von tragenden abstrakten Rechtssätzen, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn ein Urteil nicht den Kriterien entspricht, die die genannten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 22. April 2021 – B 4 AS 16/21 B – juris Rn. 6). Das Urteil des SG muss auf dieser Abweichung beruhen, d.h. die angefochtene Entscheidung hätte bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem abgewichen worden ist, anders ausfallen müssen. Eine solche Divergenz ist weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich.
c) Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Das Vorliegen eines solchen Verfahrensmangels ist nur auf die Rüge eines Beteiligten hin zu prüfen. Dazu müssen die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, angegeben werden, und aus den Tatsachen muss sich schlüssig ergeben, welcher Mangel gerügt werden soll (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 144 Rn. 36). Eine solche Rüge liegt nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
4. Der Antrag der Kläger auf PKH ist abzulehnen, weil ihre Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).
5. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).