L 7 BA 77/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 BA 236/21
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 BA 77/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Unter bestimmten Umständen können externe Ärztinnen und Ärzte, die in einem Krankenhaus bei Abrechnung des Krankenhauses mit den Krankenkassen der Patienten tätig werden, als Selbständige und nicht als abhängig Beschäftigte beurteilt werden.

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beigeladenen zu 1).

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000,00 Euro.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1 in seiner Tätigkeit als Gynäkologe im Operationsbereich (OP) der Klägerin, einer Frauenklinik.

Der Beigeladene zu 1, Professor für Gynäkologie, war von Januar bis Juni 2018 als angestellter Arzt bei der Klägerin tätig. Nach Beendigung dieser Tätigkeit trat der Beigeladene zu 1 im Januar 2019 als Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis "M GbR" (im Folgenden: GbR) bei. Der GbR gehören zwei weitere Gynäkologen als Gesellschafter an; hinzu kommen bei der GbR angestellte Ärztinnen und Ärzte. Schwerpunkt der GbR sind minimalinvasive gynäkologische Eingriffe.

Die GbR hat ihre Praxis am Flughafen A (Jahresmiete 62.000 €), zusätzlich einen Raum in der W-Klinik (Jahresmiete 6.600 €), jedoch keinen OP. Die GbR hat weitere laufende Ausgaben für die Praxis, vor allem in Form von Personalkosten für angestellte Fachärzte und nichtärztliche Mitarbeiter. Ferner wurden auch für Ausstattung, medizinische Geräte und Marketing Investitionen getätigt.

Da die GbR über keinen eigenen OP verfügt, wurde eine Kooperation mit der Klägerin über die Bereitstellung von OP-Kapazitäten inklusive Infrastruktur und OP-Team seitens der Klägerin an die GbR vereinbart. Die Klägerin hat keinen Einfluss darauf, welcher der für die GbR tätigen Ärzte die jeweilige OP durchführt; dies wird allein von der GbR bestimmt. Der Kooperationsvertrag wurde zunächst mündlich geschlossen und am 22.05.2020 auch schriftlich niedergelegt. Nach dem bei den Akten befindlichen Kooperationsvertrag werden die Ärzte der GbR bei der Klägerin weisungsfrei tätig.

Die GbR ist aufgrund des Vertrages zu bestimmten Zeiten zur Nutzung des OPs und der dort befindlichen Geräte berechtigt. Die ärztlichen Leistungen (OP und stationäre Versorgung) werden seitens der Klägerin gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet. Von den Zahlungen der Krankenkasse erhält die GbR einen bestimmten Prozentsatz, mindestens 19%, wobei für jeden anstehenden Angriff separat verhandelt zwischen der Klägerin und der GbR. Privatversicherte werden im Rahmen der streitgegenständlichen Kooperation nicht operiert.

Während der Operationen arbeitet der jeweilige Arzt der GbR mit dem nichtärztlichen OP-Team der Klägerin zusammen und ist diesem gegenüber auch weisungsberechtigt. Sofern ein Assistenzarzt, der bei der Klägerin angestellt ist, mit im OP tätig ist, was nur der Fall ist, wenn die GbR nicht einen eigenen Assistenzarzt einsetzt, unterliegt auch dieser dem Weisungsrecht des Operateurs der GbR.

Die Patientinnen und Patienten, die im Rahmen der Kooperation im OP der Klägerin operiert werden, werden ausschließlich von der GbR akquiriert. Nach der OP werden sie stationär im Rahmen des Krankenhausbetriebes der Klägerin betreut, wobei die GbR verpflichtet ist, regemäßige Visiten bei diesen Patientinnen durchzuführen, und auch in eigener Verantwortung eine Rufbereitschaft für Notfälle zu organisieren.

Vertragliche Verpflichtungen des Beigeladenen zu 1 gegenüber der Klägerin bestehen nicht. Vertragspartner ist alleine die GbR. Demzufolge besteht auch kein Anspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen zu 1 auf Erbringung konkreter Arbeitsleistungen, etwa auf Durchführung einer bestimmten OP zu einer bestimmten Zeit, oder auf seine Anwesenheit oder Einsatzbereitschaft zu bestimmten Zeiten.

Ebensowenig besteht ein direkter Anspruch des Beigeladenen zu 1 gegen die Klägerin auf Vergütung, wenn er im OP der Klägerin tätig wird. Welcher Anteil der von der Klägerin an die GbR geleisteten Zahlungen letztlich dem Beigeladenen zu 1 zufließt im Rahmen der internen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen, ua etwa der Mitgesellschafter der GbR zur Gewinnverteilung, entzieht sich sowohl dem Einfluss, als auch der Kenntnis der Klägerin.

Soweit von Seiten der Krankenkassen Kürzungen gegenüber der Klägerin vorgenommen werden, kürzt die Klägerin auch ihre prozentuale Zahlung an die GbR entsprechend. Zuviel geleistete Beträge werden mit den weiteren Zahlungen verrechnet.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 beantragten bei der Beklagten die Statusfeststellung für die streitgegenständliche Tätigkeit des Beigeladenen.

Nach entsprechender Anhörung erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 09.03.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2021, mit welchem sie die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund einer abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin feststellte; in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Die Gesichtspunkte für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung würden überwiegen. Die Klägerin sei nicht berechtigt, die fachliche und organisatorische Leitung der Abteilung für Gynäkologie an die GbR auszulagern. Der Beigeladene zu 1 sei weisungsgebunden und in die Organisation der Klägerin eingegliedert. Er werde als Erfüllungsgehilfe der Klägerin im Rahmen der Behandlung der Patientinnen tätig. Seine Tätigkeit sei hinsichtlich Zeit, Art und Umfang fremdbestimmt. Er sei weisungsberechtigt gegenüber dem Personal der Klägerin und stelle seine Dokumentation für die Krankenakte der Klägerin zur Verfügung. Merkmale für eine selbständige Tätigkeit lägen nicht vor.

Hiergegen erhoben die Klägerin und der Beigeladene zu 1 Klage. Die Klage des Beigeladenen zu 1 ist beim Sozialgericht München unter Az S 31 BA 240/21 anhängig und ruht bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens.

Der Klage der Klägerin gab das Sozialgericht München mit Urteil vom 23. Juni 2022 in vollem Umfang statt unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 09.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2021 bei gleichzeitiger Feststellung der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1 für seine Tätigkeit bei der Klägerin.

Eine vom BSG vorgegebene Abwägung aller Umstände, die für oder gegen eine Beschäftigung sprechen, erübrige sich, da es bereits an der Grundvoraussetzung in den Eintritt in den Abwägungsvorgang fehle, nämlich dem Bestehen irgendwelcher vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Der Kooperationsvertrag sei nicht zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 geschlossen worden, sondern zwischen der Klägerin und einer GbR, die als Außengesellschaft bei der Teilnahme am Rechtsverkehr rechtsfähig ist. Rechte und Pflichten aus dem Kooperationsvertrag ergäben sich nur zwischen diesen Vertragsparteien. Der Beigeladene zu 1 sei Gesellschafter der GbR, werde aber dadurch selbst nicht zur Vertragspartei. Auch eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 AÜG käme nicht in Betracht, da der Beigeladene zu 1 als Mitgesellschafter kein Arbeitnehmer der GbR sei. Dieses Ergebnis entspreche dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände (GKV Spitzenverband Berlin, Deutsche Rentenversicherung Bund Berlin, Bundesagentur für Arbeit Nürnberg) zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 01.04.2022, wo es auf Seite 17 heißt: "Ist der Auftragnehmer eine rechtsfähige Personengesellschaft (z.B. OHG, KG, GmbH & Co. KG, Partnerschaftsgesellschaft, GbR), schließt dies ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber im Regelfall aus."

Die Annahme der Beklagten, der Beigeladene zu 1 sei fremdbestimmt hinsichtlich Zeit, Ort und Art seiner Tätigkeit im OP der Klägerin, sei im Übrigen eine reine Behauptung, die sich weder an Hand des Vertrages, noch an Hand der tatsächlichen Umstände der streitgegenständlichen Tätigkeit als zutreffend erweise.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Der Betriebszweck der GbR umfasse die Krankenhausbehandlung bei der Klägerin nicht, so dass der Beigeladene zu 1 nicht im Rahmen des Aufgabenfeldes der GbR tätig geworden sei. Die Klägerin habe als Krankenhaus Leistungen selbst und nicht durch Dritte zu erbringen. Dementsprechend habe das Sächsische LSG mit Urteil vom 30.04.2008 - L 1 KR 103/07 entschieden, das § 2 KHEntgG nur ergänzende oder unterstützende Leistungen Dritter zulasse. Die GbR erbringe jedoch die Gesamtleistungen gegenüber Patienten, was nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Die im Kooperationsvertrag enthaltenen Regelungen seien nicht zulässig. Es handle sich insoweit um einen Umgehungstatbestand, der rein formalen Charakter habe (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.03.2022 - L 1 BA 54/18). Maßgebend seien im Ergebnis die tatsächlichen Verhältnisse, wonach die GbR Ärzte in das Krankenhaus der Klägerin entsende. Bei der Gewichtung sei darauf abzustellen, dass der Beigeladene zu 1 bei seiner Tätigkeit in den Betrieb der Klägerin eingebunden sei. Ein unternehmerisches Risiko habe der Beigeladene zu 1 nicht; die Ausgaben der GbR, deren Gesellschafter der Beigeladene zu 1 sei, stünden nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der Klägerin.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 2022 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 09.03.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2021 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.        

Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Gesellschaftsvertrag ergäbe sich, dass Gesellschaftszweck der GbR auch die Tätigkeit in Krankenhäusern sei (§ 3 des Gesellschaftsvertrages). Von der Zulässigkeit der im Kooperationsvertrag vereinbarten Regelungen seien Fragen der Zulässigkeit der Abrechnungen und des Versorgungsvertrages zu trennen. Eine Tätigkeit Dritter im Krankenhaus sei - wie im Kooperationsvertrag vereinbart - im Übrigen zulässig, wie sich aus der Rechtsprechung des BVerwG ergäbe (BVerwG, Urteil vom 26.02.2020 - Az 3 C 14.18)

Mit Schriftsatz vom 07.03.2023 hat die Beklagte nochmals unter Bezugnahme auf entsprechende Rechtsprechung dargelegt, dass die ihrer Meinung nach rechtliche Unzulässigkeit des Kooperationsvertrages wesentlich sei und dazu führe, dass im Ergebnis lediglich auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sei. Der Beigeladene zu 1 habe wegen des ungültigen Kooperationsvertrages rechtlich zulässig nicht für die GbR tätig werden können, sondern sei unabhängig vom Kooperationsvertrag als Einzelperson tätig geworden. Als Einzelperson sei der Beigeladene zu 1 bei seiner Tätigkeit im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich notwendigen Abwägung als abhängig beschäftigt zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Tätigkeit eines Arztes in einem Krankenhaus regelmäßig fremdbestimmt und stelle sich allein schon wegen der Eingliederung in den Betrieb des Krankenhauses als abhängige Beschäftigung dar.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen, insbesondere auf den bei den Akten befindlichen Kooperationsvertrag und den Gesellschaftsvertrag der GbR.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23. Juni 2022 den Bescheid der Beklagten vom 09.03.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2021 aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

1. Versicherungspflicht in der Sozialversicherung besteht (hier nur entscheidungserheblich Rentenversicherung § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, Recht der Arbeitsförderung § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III), wenn die betreffende Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem bzgl Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl etwa BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 R 25/10 R).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich danach aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG aaO).

Nach der Rechtsprechung des BSG gelten für die Beurteilung von ärztlichen Tätigkeiten im Krankenhaus keine abweichenden Maßstäbe (vgl für Honorarärzte BSG, Urteile vom 4. Juli 2019 - B 12 R 2/18 R, B 12 R 11/18 R, B 12 R 5/19 R, B 12 R 20/18 R, B 12 R 10/18 R, B 12 R 22/18 R, B 12 R 12/18 R). Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit erfolgt bei solchen Fallgestaltungen nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass die Tätigkeit von Ärzten in Krankenhäusern - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Bei der Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus Besonderheiten aufweist. Deshalb können einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden. Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden. (vgl etwa BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 2/18 R Rz 21).

Diese regulatorischen Rahmenbedingungen bedingen im Regelfall die Eingliederung ärztlichen Krankenhauspersonals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen, wobei letztendlich aber auch die vertragliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit ausschlaggebend sein kann. Denn trotz dieses krankenhausrechtlichen Rahmens kann die Tätigkeit von Ärzten in einem Krankenhaus ausnahmsweise - sogar von Honorarärzten, die direkt (und nicht wie hier im Dreiecksverhältnis zwischen Krankenhaus, einer Gesellschaft und einem für die Gesellschaft mittelbar tätigen Arzt) ihre Tätigkeit ausüben - eine selbständige sein.

Letztlich kommt es bei derartigen Fallgestaltungen auf die vom Tatsachengericht zu treffenden Feststellungen zur praktischen Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen an (BSG, Urteil vom 20.07.2023 - B 12 R 15/21 R Rz 18). Selbst wenn wegen der für das Krankenhaus vorgegebenen regulativen Rahmenbedingungen im Regelfall kein Raum für selbstständige Werk- oder Dienstleistungen verbleibt, ist festzustellen, ob im konkreten Einzelfall das Gesamtbild gegebenenfalls von abweichenden Verhältnissen geprägt war (BSG aaO).

2. Nach Auffassung des Senates stellt sich im vorliegenden konkreten Einzelfall das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die GbR bei der Klägerin so dar, dass es sich um eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 handelt. Das Gesamtbild ist geprägt vom Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und der GbR und die darauf basierende praktische Durchführung.

Der Kooperationsvertrag ist - anders als die Beklagte meint - nicht ungültig. Das BSG hat zwar noch nicht ausdrücklich entschieden, ob und in welchem Umfang eine selbstständige ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus leistungs- und vergütungsrechtlich zulässig ist. Hiervon gehen der BGH und das BVerfG in gewissem Umfang aus. Nachdem der Kooperationsvertrag gegen kein gesetzliches Verbot verstößt, ist in Bezug auf die Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 von der Gültigkeit des Vertrages auszugehen, unabhängig davon, ob der Vertrag im Hinblick auf das Krankenhaus- und Krankenkassenrecht rechtlichen Bedenken begegnet. Denn für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des konkreten Arbeitseinsatzes ist die leistungs- und vergütungsrechtliche Einordnung des Kooperationsvertrages letztlich unerheblich. Nach der im Sozialversicherungsrecht für die Beurteilung von Tätigkeiten herrschenden Eingliederungstheorie kommt es unabhängig von diesen gesetzlichen Vorgaben entscheidend lediglich auf die tatsächlichen Umstände der Erbringung einer Tätigkeit an (vgl BSG, Urteil vom 20.07.2023 - B 12 R 15/21 R Rz 18).

Ausgehend davon, dass der - gültige - Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und der GbR die rechtmäßige Grundlage des Tätigwerdens des Beigeladenen zu 1 für die GbR bei der Klägerin ist, stellen sowohl der Kooperationsvertrag als auch seine praktische Durchführung (vgl BSG Urteil vom 20.07.2023 - B R 15/21 R) die Beurteilungsgrundlage dar.

Hieraus ergibt sich ein Gesamtbild dergestalt, dass auch unter Beachtung der vom BSG in seinen Urteilen vom 20.07.2023 (B 12 R 15/21 R, B 12 BA 4/22 R, B 12 BA 1/23 R) aufgestellten Grundsätze bzgl der Tätigkeit Dritter, die als Gesellschafter oder Beschäftigte einer Gesellschaft in einem Krankenhaus tätig werden, der Beigeladene zu 1 als Selbständiger anzusehen ist.

a) Der Beigeladene zu 1 übte - ebenso wie die anderen Ärztinnen und Ärzte der GbR - seine Tätigkeit bei der Klägerin weisungsfrei aus.

Die Weisungsfreiheit ergibt sich zunächst aus der entsprechenden Regelung des Kooperationsvertrags. Die Operationen erfolgten auch in tatsächlicher Hinsicht ohne Weisungen seitens der Klägerin. Die Klägerin stellte der GbR lediglich die Ressourcen zur Verfügung. Die Operation führte der von der GbR bestimmte Arzt bzw das Ärzteteam der GbR in eigener Verantwortung aus, ohne dass die Klägerin auch bei der praktischen Durchführung Vorgaben machte.

b) Es lag keine den vom BSG zur Tätigkeit von Ärzten in Krankenhäusern entschiedenen Fällen (vgl etwa BSG, Urteile vom 4. Juli 2019 - B 12 R 2/18 R, B 12 R 11/18 R, B 12 R 5/19 R, B 12 R 20/18 R, B 12 R 10/18 R, B 12 R 22/18 R, B 12 R 12/18 R) vergleichbare Eingliederung vor.

Die Ärztinnen und Ärzte der GbR sollten nach dem Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und der GbR ausschließlich Patientinnen und Patienten der GbR, für die keine Operationsmöglichkeit in den Räumen der GbR vorhanden war, bei der Klägerin operieren. Nach dem Kooperationsvertrag konnte die Klägerin die GbR nicht beauftragen, andere als von der GbR benannte Patienten zu operieren.

c) Bei der Durchführung der jeweiligen Operationen fehlte es beim Beigeladenen zu 1 und auch den übrigen Ärztinnen und Ärzten der GbR an dem für eine abhängige Beschäftigung typischen Merkmal der Pflicht zur höchstpersönlichen Erbringung der Dienstleistung.

Nach Festlegung einer bestimmten Operation hatte die Klägerin kein Mitbestimmungsrecht, welcher Arzt der GbR die Operation als Verantwortlicher durchführt. Dies wurde innerhalb der GbR unabhängig von der Klägerin entschieden. Von der GbR konnte auch nach Vereinbarung eines konkreten Operationstermins mit der Klägerin noch frei entschieden werden, welche Ärzte der GbR die Operation letztendlich durchführen. Auch hätte die GbR noch während der Operation ihre operierenden Ärzte ohne Mitspracherecht der Klägerin jederzeit auswechseln können. Die für eine abhängige Beschäftigung typische Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung war angesichts dieser Vertragsgestaltung hier nicht gegeben.

d) Die Tätigkeit wurde vom Beigeladenen zu 1 nicht in einer für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Weise verrichtet (vgl BSG Urteil vom 20.07.2023 - B 12 BA 1/23 R Rz 22).

Sozialversicherungsrechtlich ist eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 zwar als Gesellschafter der GbR für die Klägerin als einen Dritten nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 20.7.2023 - B 12 BA 1/23 Rz 15) zwar nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil ausdrückliche vertragliche Beziehungen nur zwischen der GbR und der Klägerin bestehen. Anders als in den vom BSG am 20.07.2023 entschiedenen Fallgestaltungen (vgl B 12 R 15/21 R, B 12 BA 4/22 R, B 12 BA 1/23 R), bei denen trotz Vertrages eines Krankenhauses mit einer Gesellschaft eine abhängige Beschäftigung des für die Gesellschaft Tätigen angenommen wurde, handelt es sich hier jedoch um keine Ein-Personen-Gesellschaft, bei der nur der Gesellschafter und Geschäftsführer tätig wurde, sondern um eine Gesellschaft mit mehreren Arztinnen und Ärzten - sei es als Gesellschafter oder als bei der GbR abhängig Beschäftigte, die im jeweiligen Einzelfall dann für die GbR tätig werden konnten und wurden. Dem entspricht es, dass der Kooperationsvertrag im Namen der GbR geschlossen wurde und der Beigeladene zu 1 oder andere Ärzte der GbR (Mitgesellschafter oder bei der GbR angestellte Ärzte) nicht namentlich als Vertragspartei benannt wurden (vgl BSG Urteile vom 20.07.2023 - B 12 R 15/21 R, B 12 BA 4/22 R, B 12 BA 1/23 R), sondern im konkreten Einzelfall die GbR als solche Vertragspartner war und die GbR die Durchführung der Operation eigenständig organisierte.

Organisiert ein Unternehmen - hier die GbR - die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen trotz Tätigkeit in einem Krankenhaus nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt der nach vertraglicher Vereinbarung - hier der Kooperationsvertrag - das Unternehmen vertraglich nach wie vor selbst verpflichtet, spricht das für eine selbständige Tätigkeit des für das Unternehmen Tätigen (vgl BSG Urteile vom 20.07.2023 - B 12 BA 1/23 R Rz 20). Die zur Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen des Unternehmens eingesetzten Arbeitnehmer (bzw Gesellschafter) unterliegen dann nicht den Weisungen des Drittunternehmens, sondern denen des beauftragten Unternehmens und sind dessen Erfüllungsgehilfen (vgl BSG aaO Rz 20). Diese Kriterien entsprechen denen für die sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit (BSG aaO Rz 21).

Hier schuldete die GbR nicht die Überlassung einer Person zur Arbeitsleistung in Form der Dienstleistung (vgl BSG aaO), sondern nur die Einhaltung der Vorgaben des Kooperationsvertrages bei der Durchführung von Operationen samt Nachbehandlung in Eigenregie der GbR. Die geschuldete Tätigkeit war ihrer Art nach nicht als Dienstleistung für die Klägerin unter Eingliederung in den Betrieb der Klägerin durchzuführen und unter deren Weisungsregime auszuüben. Die Tätigkeit sollte nach den Gesamtumständen in einer Weise erbracht werden, wie sie für die Beauftragung eines Dritten mit einer selbständigen und abgrenzbaren Tätigkeit und gerade nicht für ein Beschäftigungsverhältnis iS von § 7 Abs 1 SGB IV typisch ist. Insbesondere kam der GbR ein unternehmerischer Gestaltungsspielraum (vgl BSG Urteil vom 20.07.2023 - B 12 BA 1/23 R Rz 22) zu. Denn die Tätigkeit - die Operation eines ausschließlich von der GbR bestimmten Patienten - war ergebnis- oder projektbezogen und nicht als fortlaufende Aktivität für die Klägerin im Rahmen ihrer üblichen Behandlungen im Krankenhaus angelegt (vgl BSG aaO).

Der Beigeladene zu 1 nutzte dementsprechend bei seiner Tätigkeit lediglich die Ressourcen der Klägerin für die Durchführung der Operationen. Der Beigeladene zu 1 verrichtete dabei nicht die üblicherweise von bei der Klägerin angestellten Ärzten zu erbringenden Tätigkeiten, nämlich die Operation von Patienten, die das Krankenhaus ohne Einfluss des Operierenden ausgewählt und für die das Krankenhaus im Rahmen des regelmäßigen Ablaufs im Krankenhaus auch alle übrigen Abläufe vorgegeben hat. Vielmehr hat der Beigeladene zu 1 nur die von der GbR ausgewählten Patienten zu den von der Klägerin mit der GbR vereinbarten Zeiten - weisungsfrei auch in jeder anderen Hinsicht - operiert. Arbeitszeiten waren dem Beigeladenen zu 1 nicht vorgegeben; vom Beigeladenen zu 1 wurden Termine vorgeschlagen.

e) Anders als bei einer Ein-Personen-Gesellschaft konnte im Einzelfall die Vergütung durch das Krankenhaus dann auch nicht einer bestimmten Person, nämlich dem einzigen Gesellschafter und Geschäftsführer der Ein-Personen-Gesellschaft, zugeordnet werden.

Es erfolgte zwischen der Klägerin und der GbR keine stundenweise Abrechnung von Dienstleistungen der GbR, sondern es fand eine Abrechnung über im Einzelfall verhandelte Pauschalen statt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, wie die von der Klägerin aufgrund des Kooperationsvertrages an die GbR gezahlte Vergütung letztlich intern an den Beigeladenen zu 1 weitergeleitet wurde. Die Vergütung der operierenden Gesellschafter und angestellten Ärztinnen und Ärzte wurde ausschließlich innerhalb der GbR festgelegt.

Soweit es aufgrund der Abrechnung der Krankenkassen im Einzelfall nachträglich zu Veränderungen der Vergütung der GbR kam, wurde nicht die Abrechnung der betreffenden Operation zwischen der GbR und der Klägerin verändert. Stattdessen kam es nach dem Kooperationsvertrag zu Verrechnungen bei anderen Operationen, auch von anderen Operateuren.

f) Letztlich trägt der Beigeladene zu 1 als Gesellschafter der GbR ein wirtschaftliches Risiko.

Bei der GbR fallen Fixkosten in erheblichem Maße an (ua Miete, Personalkosten). Hierzu leistet die Vergütung durch die Klägerin für die Operationen der GbR einen wesentlichen Deckungsbeitrag. Die Operationen ergänzen das Tätigkeitsfeld der GbR als Praxis für Gynäkologie und sind damit für den wirtschaftlichen Erfolg insgesamt mit maßgeblich. Nach dem im Gesellschaftervertrag festgelegten Gesellschaftszweck ist die GbR darauf ausgerichtet, in Zusammenarbeit mit der Klägerin operativ tätig zu werden, also einen erheblichen Teil ihres wirtschaftlichen Erfolges aus dieser Kooperation sicherzustellen. Der Beigeladene zu 1 wird insoweit als Gesellschafter der GbR unternehmerisch und damit als Unternehmer mit entsprechendem wirtschaftlichem Risiko tätig. Der Beigeladene zu 1 trägt als Gesellschafter (anteilig) das finanzielle Risiko für die GbR.

Im Ergebnis stellt sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin seinem "Gesamtbild" nach als selbständige Tätigkeit dar: Die zulässigerweise von der GbR im Einzelfall übernommenen Aufträge führt die GbR als Unternehmen selbständig durch und bedient sich dabei ihres Personals, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um Gesellschafter der GbR, bei der GbR angestellte Ärztinnen und Ärzte oder gar von der GbR beauftragte Dritte handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.

Die Revision wird zugelassen, § 160 SGG.

Der Streitwert wird entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu Statusverfahren festgesetzt auf 5.000,00 Euro.

 

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