Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17. März 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der durch den Kläger zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung streitig.
Der 1978 geborene Kläger studierte Germanistik und Philosophie und ist nach seinen eigenen Angaben als Hauslehrer tätig. Er ist seit dem 1. Juli 2016 bei der Beklagten zu 1 freiwillig versichertes Mitglied und zugleich bei der Beklagten zu 2 Pflichtmitglied.
Die Höhe der durch den Kläger zu entrichtenden Beiträge war wiederholt Gegenstand von Verfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 berechnete die Beklagte zu 1 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 1. Januar 2019 neu (Krankenversicherungsbeitrag 160,94 €, Pflegeversicherungsbeitrag 34,26 €). Der Bescheid erging auch im Namen der Beklagten zu 2. Mit Bescheid vom 10. Januar 2020 berechnete die Beklagte zu 1 auch im Namen der Beklagten zu 2 die Beiträge ab dem 1. Januar 2020 neu und setzte sie in Höhe von monatlich insgesamt 199,60 € (164,56 € Krankenversicherung, 35,04 € Pflegeversicherung) fest. Im Rahmen der Angaben zur Berechnung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung gab der Kläger im Juni 2020 an, seinen Lebensunterhalt aus erzielten Einkünften aus einer Tätigkeit als „Hauslehrer + Deutschlehrer privat“ in Höhe von 800,00 € zu bestreiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2020 wies die Beklagte zu 1 auch im Namen der Beklagten zu 2 die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 16. Januar 2019 und 10. Januar 2020 zurück. Die hiergegen beim SG (S 2 KR 4332/19) erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2020 zurückgewiesen. Dagegen legte der Kläger beim LSG Baden-Württemberg Berufung ein (L 11 KR 2499/20). Mit Bescheid vom 13. Januar 2021 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge ab dem 1. Januar 2021 neu fest (Krankenversicherungsbeitrag 169,98 €, Pflegeversicherungsbeitrag 36,19 €). Mit Urteil vom 22. Juni 2021 wies das LSG Baden-Württemberg die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 27. Juli 2020 zurück und die Klage gegen den Bescheid vom 13. Januar 2021 ab. Die Revision des Klägers wurde durch das Bundessozialgericht (BSG, B 12 KR 5/12 R) mit Beschluss vom 19. August 2021 als unzulässig verworfen.
Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2021 aufgefordert hatte, aktuelle Angaben zur Berechnung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu machen, erklärte dieser mit Schreiben vom 30. August 2021, dass er hierauf und auch auf „zukünftige Erhebungsbögen“ nicht mehr reagieren und weitere Einkommensbögen „ungelesen wegwerfe(n)“ werde; wesentliche Änderungen werde er von sich aus mitteilen. Mit Schreiben vom 20. September 2021 teilte die Beklagte daraufhin mit, dass der aktuelle Beitragsbescheid weiterhin gültig bleibe.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2021 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass er nicht freiwillig versichert sei. Auf dem Bundesgebiet bestehe eine Versicherungspflicht, so dass er gesetzlich versichert sei. Die angebliche freiwillige Versicherung sei ein Konstrukt, das auf ihn nicht zutreffe.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2022 berechnete die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2022 für den Kläger neu (Krankenversicherungsbeitrag 169,98 €, Pflegeversicherungsbeitrag 37,29 €). Hiergegen hatte der Kläger bereits am 24. Januar 2022 Klage beim SG (S 3 KR 273/22) erhoben; das Verfahren ist noch beim SG anhängig. Mit Bescheid vom 5. Januar 2023 berechnete die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2023 für den Kläger neu (Krankenversicherungsbeitrag 177,67 €, Pflegeversicherungsbeitrag 38,48 €). Mit weiterem Bescheid vom 19. Januar 2023 setzte die Beklagte die Beiträge ab dem 1. Februar 2023 unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze fest (Krankenversicherungsbeitrag 783,04 €, Pflegeversicherungsbeitrag 169,58 €).
Mit Zahlungserinnerung vom 29. November 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für den Zeitraum vom 1. Dezember 2020 bis 30. September 2021 noch offene Forderungen in Höhe von 37,24 € - hiervon 6,50 € Nebenforderungen (1,50 € Säumniszuschläge und 5,00 € Mahngebühren) - bestünden. Am 2. Dezember überwies der Kläger an die Beklagte 30,74 € (Quittung Bl. 76 der Verwaltungsakte). Auf seine Einwände gegen die Forderungshöhe legte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2021 ausführlich dar, dass in den Monaten Dezember 2020, Februar 2021, März 2021, Juli 2021, August 2021 und September 2021 jeweils nicht der gesamte Versicherungsbeitrag gezahlt worden sei. Insoweit wird auf Bl. 78 ff. der Verwaltungsakte verwiesen.
Bereits am 9. Dezember 2021 hatte der Kläger unter Vorlage der Zahlungserinnerung vom 29. November 2021 Klage beim SG erhoben und vorgetragen, es sei unklar, warum die Beträge nachgefordert würden, da er den jeweils neuesten Betrag „ganz und zeitig“ überwiesen habe. Er habe zwischenzeitlich auch den geforderten Betrag überwiesen, nicht jedoch die Mahngebühr, da das Bürgerliche Gesetzbuch vorsehe, dass einmalig ohne Gebühr gemahnt werden könne. So hätte die Beklagte ihm zunächst ein Hinweisschreiben zusenden müssen, in dem stehe, was für Beträge warum nicht gezahlt worden seien. Er habe mit der Beklagten vereinbart, dass er nicht unbedingt am 15. eines Monats zahlen müsse, sodass eine Zahlung von Mahngebühren nicht in Betracht komme. Die Liste der Beklagten zeige zudem nicht, warum zu den Monatsbeträgen diese Lücken entstanden seien. Die Kranken- und Pflegeversicherung müsse auch für solche Personen bezahlbar sein, die sich in atypischen Arbeitsverhältnissen befänden oder durch die restriktiven und spalterischen Corona-Maßnahmen besonders in Mitleidenschaft gezogen worden seien. Die Erhöhungen der letzten Jahre seien sinnwidrig zum Zweck der Versicherung, da er sich diese Erhöhungen nicht leisten könne. Daher habe er die Versicherung gekündigt; der hieraus resultierende Versicherungsverlust sei auch das Verschulden des Sozialgerichts.
Die Beklagten traten der Klage entgegen; die Beitragsforderung sei rechtmäßig. Die Beklagte zu 1 wertete die Klage zugleich als Überprüfungsantrag und stellte mit Bescheid vom 5. Januar 2022 fest, dass die Beitragsforderung nicht zu beanstanden sei. Die Nebenforderungen in Höhe von insgesamt 6,50 € seien durch die Kasse niedergeschlagen worden und das Beitragskonto zwischenzeitlich bis einschließlich Dezember 2021 ausgeglichen.
Nach vorheriger Anhörung wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2022 ab. Das Begehren des Klägers sei dahingehend auszulegen, dass er sich zum einen gegen die geforderten Gesamtbeträge wende, womit ausweislich der Verwaltungsakte ausschließlich die der Zahlungserinnerung vom 29. November 2021 zugrundeliegende Beitragsnachforderung in Höhe von 30,74 € (betreffend den Zeitraum 1. Dezember 2020 bis 30. September 2021) gemeint sein könne. Zudem wende er sich gegen die - ebenfalls in der Zahlungserinnerung vom 29. November 2021 genannten - Nebenforderungen in Gestalt von Säumniszuschlägen und Mahngebühren in Höhe von 6,50 €. In dem Schreiben vom 7. Januar 2022 beziehe er sich auf den Überprüfungsbescheid vom 5. Januar 2022 und klage „gegen den Status und den Wortgebrauch der freiwilligen Versicherung“. Dies sei als Klage gegen die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung dem Grunde nach auszulegen, wie sie der Kläger bereits in seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 13. Oktober 2021 moniert habe. Begehrt sei nach objektiver Wertung insoweit eine gerichtliche Feststellung, dass - in seinem Falle - keine Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung bestehe. Soweit sich die Klage gegen die der Zahlungserinnerung vom 29. November 2021 zugrundeliegende Beitragsnachforderung in Höhe von 30,74 € richte, sei die Klage bereits unzulässig. Soweit die Nachforderung den Zeitraum 1. Dezember 2020 bis 31. Dezember 2020 betreffe, sei der zugrundeliegende Beitragsbescheid vom 10. Januar 2020 bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend. Für den Zeitraum 1. Januar 2021 bis 30. September 2021 sei die erhobene Klage aufgrund doppelter Rechtshängigkeit unzulässig, da der Bescheid vom 13. Januar 2021 über die Festsetzung von Beiträgen für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2021 Gegenstand des beim Sozialgericht Freiburg bereits anhängigen Verfahrens S 6 KR 275/21 sei. Soweit sich die Klage gegen die Erhebung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen in Höhe von 6,50 € richte, sei sie ebenfalls unzulässig, weil der Kläger aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Niederschlagung insoweit nicht mehr beschwert sei und daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe. Soweit sich der Kläger ganz allgemein gegen die Festsetzung von Beiträgen im Rahmen seiner freiwilligen Versicherung wende, sei die zulässige Klage, mit der die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werde, unbegründet. Für freiwillige Mitglieder wie den Kläger werde die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei würden die gesetzlichen Vorgaben des § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) gelten. Nach § 250 Abs. 2 SGB V und § 59 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) müssten die freiwillig Versicherten den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag allein tragen. Die BeitrVerfGrsSz seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbar und verfassungsrechtlich auch im Hinblick auf die demokratische Legitimation des GKV-Spitzenverbandes nicht zu beanstanden. Die freiwillige Krankenversicherung ziehe schließlich - was verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden sei - die Pflegepflichtversicherung und eine entsprechende Beitragsverpflichtung nach sich.
Hiergegen hat der Kläger am 22. März 2022 beim SG Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das SG habe sein Anliegen verkannt und falsch wiedergegeben. Beklagt sei nicht, dass er keine Beiträge mehr zahlen wolle, sondern dass die Beklagte/der Gesetzgeber die Beiträge laufend erhöhe, so dass er auch bei freiwilliger Versicherung und gerade bei geltender Versicherungspflicht nicht zahlen könne. Er klage daher gegen die laufenden Erhöhungen. Die freiwillige Versicherung sei nicht ein Konstrukt, das auf ihn zuträfe, sondern der Ausdruck „beiße“ sich mit der allgemeinen Versicherungspflicht. Wenn aber die Beiträge zu hoch würden, könne der Pflicht nicht nachgekommen werden. Nur das moniere er. Beklagt werde lediglich, dass er durch die Erhöhungen der Beklagten, die hierin nur dem Gesetzgeber folge, seine Beiträge nicht zahlen könne. Seine Klage sei nicht auszulegen gewesen, weil er eine klare Klage geschrieben habe. Er wende sich gegen die Erhöhung, nicht gegen seinen Versichertenstatus oder gegen die freiwillige Versicherung. In einem zweiten Schritt wende er sich auch gegen die falsche Begrifflichkeit der freiwilligen Versicherung. Er sei pflichtversichert. Die Probleme kämen daher, dass er pflichtversichert sei. Es gelte Versicherungspflicht, also müsse die Versicherung auch bezahlbar sein. Die Klage werde dahingehend verdeutlicht, dass die Beträge „relational zu seinem Einkommen“, das er aber nicht verbessern könne, zu hoch ausfielen und vor allem widerspruchshaft gegen die geltende Versicherungspflicht seien. Sogar die Aussetzung der Krankenkassenmitgliedschaft führe zur Schuldenanhäufung, obwohl er keinerlei Leistung in Anspruch nehme. Die Erhöhungen, die zum Risiko und zum Endergebnis des Verlustes der Versicherung, der konkreten, nicht der Versicherungspflicht, führten, liefen dem Gedanken der bezahlbaren Versicherungen, die vom Sozialstaatsgedanken getragen werde, zuwider. Daher sei seiner Berufung stattzugeben. Es solle der Gesetzgeber, wie er auch schon beantragt habe, durch Urteil dahin bewegt werden, die Beiträge nicht weiter zu erhöhen bzw. die letzten Erhöhungen zurückzunehmen. Klageinhalt sei die ständige Erhöhung der Beträge durch die Beklagte „gegen jede Vernunft“. Das andere, was das SG „hineinmische“, sei „angesichts des Klagekerns einfach unbedeutend“. Anknüpfungspunkt sei der Sozialstaatsgedanke, dass Beiträge, zumal eine Pflicht bestehe, auch bezahlbar sein müssten. Ukrainische und andere Flüchtlinge erhielten derzeit Krankenversorgung ohne Beitragszahlungen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17. März 2022 aufzuheben und festzustellen, dass die Erhöhungen der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagte in der Vergangenheit rechtswidrig waren und in der Zukunft grundsätzlich, jedenfalls aber soweit sie nicht an die konkrete Einkommenssituation angepasst sind, unzulässig sein werden.
Die Beklagten beantragten,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 7. September 2023 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Denn er wendet sich grundsätzlich gegen die Höhe der von ihm zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und damit gegen Beitragsforderungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.
2. a) Die Klage richtete sich von vornherein nicht nur gegen die zu 1 beklagte Krankenkasse, sondern auch gegen die zu 2 beklagte Pflegekasse, weshalb eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite – auch noch im Berufungsverfahren – möglich und keine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG ist (vgl. Urteile des Senats vom 23. Februar 2018 – L 4 KR 807/17 – www.sozialgerichtsbarkeit.de und 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 17). Zwar hatte der Kläger in der Klageschrift die Pflegekasse nicht ausdrücklich bezeichnet. Er wandte sich aber gegen die Gesamtbeitragsforderung; nach dem erkennbaren Klagebegehren betraf die Klage daher von Anfang an nicht nur die Höhe der Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch zur Pflegeversicherung.
b) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das vom Kläger ausdrücklich formulierte Begehren, festzustellen, dass die Erhöhungen der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagte in der Vergangenheit rechtswidrig waren und in der Zukunft grundsätzlich, jedenfalls aber soweit sie nicht an die konkrete Einkommenssituation angepasst sind, unzulässig sein werden. Mit seinen Ausführungen zur Berufungsbegründung wendet er sich, was bereits seinem Vorbringen im Klageverfahren zu entnehmen ist, nicht gegen die grundsätzliche Verpflichtung zur Beitragszahlung. Er stellt vielmehr klar, dass er sich grundsätzlich gegen die laufenden Erhöhungen wendet, aufgrund derer er die Beiträge nach seinen Angaben nicht mehr zahlen kann. Der Kläger führt insoweit konkret aus, es „solle der Gesetzgeber dahin bewegt werden, nicht weiter zu erhöhen bzw. die letzten Erhöhungen zurückzunehmen“. Er betont ausdrücklich, dass er sich nicht gegen seinen Versichertenstatus oder die freiwillige Versicherung als solche wendet, sondern gegen die Höhe der zu entrichtenden Beiträge und deren Erhöhung. Darin liegt keine Klageänderung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 SGG). Nach §153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG gilt die Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache oder wegen Nebenforderungen nicht als Klageänderung. §153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG kann auch eingreifen, wenn ein Kläger auf ein sinngemäß schon im ursprünglichen Antrag enthaltenes Begehren umstellt (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 99 Rn. 4a). So verhält es sich hier, da sich der Kläger in seiner Klageschrift vom 3. Dezember 2021 noch gegen die von den Beklagten konkret geforderten Gesamtbeiträge und die Mahn- und Säumniszuschläge wandte (vgl.: „Daher klage ich gegen die geforderten Gesamtbeträge bzw. jeweils gesondert gegen die Mahn- und Säumnisgeühr und gegen den Betrag. Dieser ist nicht zu zahlen bzw. von der DAK zurückzuzahle.“) und dieses konkrete Begehren - hierzu sogleich - nicht mehr aufrecht erhält.
Soweit das SG das Begehren dahingehend sachdienlich ausgelegt hatte, dass der Kläger sich neben der Feststellung, dass keine Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung bestehe, gegen die in der Zahlungserinnerung vom 29. November 2021 genannte Beitragsforderung in Höhe von 30,74 € und die Nebenforderungen in Gestalt von Mahngebühren und Säumniszuschlägen in Höhe von 6,50 € wende, hat der Kläger dieses Begehren im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt, der durch das SG vorgenommenen sachdienlichen (und meistbegünstigenden) Auslegung vielmehr ausdrücklich widersprochen, indem er ausgeführt hat, „das andere, was das SG hineinmische, sei angesichts des Klagekerns einfach unbedeutend“. Darin liegt eine Klagerücknahme (§ 102 SGG), die auch noch im Berufungsverfahren zulässig ist. Im Übrigen hat sich der Bescheid über die Erhebung von Säumnis- und Mahngebühren vom 29. November 2021 durch die erfolgte Aufhebung der Beklagten zu 1 mit Bescheid vom 5. Januar 2022 erledigt (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>).
3. Die auf die Feststellung, dass die Erhöhungen der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagte in der Vergangenheit rechtswidrig waren und in der Zukunft grundsätzlich, jedenfalls aber soweit sie nicht an die konkrete Einkommenssituation angepasst sind, unzulässig sein werden, gerichtete Klage, ist unter keinem Gesichtspunkt zulässig.
a) Die Feststellungsklage ist mit diesen Begehren unzulässig. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. § 55 Abs. 2 SGG regelt, dass unter Abs. 1 Nr. 1 der Regelung auch die Feststellung fällt, in welchem Umfange Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.
Es kann dahinstehen, ob die Höhe der Beiträge, die lediglich ein Element der Beitragspflicht darstellt, zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. Soweit der Kläger sich gegen die bereits erfolgten und ihm gegenüber geltend gemachten Erhöhungen der Beitragspflicht wendet, ist die Feststellungsklage jedenfalls aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes unzulässig (dazu aa); soweit er die Feststellung der Unzulässigkeit einer Beitragserhöhung für die Zukunft begehrt, fehlt es an einem für die vorbeugende Feststellungsklage erforderlichen speziellen, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichteten Interesse (dazu bb).
aa) Die Feststellungsklage ist unzulässig, wenn bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen, ohne dass ein weitergehendes Feststellungsinteresse besteht. Dies gilt auch, wenn eine solche Klage noch nicht anhängig ist, der Kläger eine solche aber erheben könnte und kein weitergehendes Feststellungsinteresse besteht. Die Möglichkeit, zukünftig Leistungsklage zu erheben, schließt eine Feststellungsklage nicht aus, wenn dem Kläger das Abwarten unzumutbar ist (zum Subsidiaritätsgrundsatz vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 55 Rn. 19a, b).
Die Beitragsbescheide vom 16. Januar 2019 für die Zeit ab dem 1. Januar 2019, vom 10. Januar 2020 für die Zeit ab 1. Januar 2020 und vom 13. Januar 2021 für die Zeit ab 1. Januar 2021 sind bestandskräftig (§ 77 SGG, Gerichtsbescheid des SG vom 27. Juli 2020, Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22. Juni 2021, Beschluss des BSG vom 19. August 2021). Eine Feststellungsklage mit dem Ziel, ein unanfechtbar abgeschlossenes Beitragsrechtsverhältnis für eine weitere inhaltliche Überprüfung zu öffnen, ist unzulässig. Für die Überprüfung stehen nach dem Willen des Gesetzgebers nur die besonderen abschließenden Aufhebungsregeln des SGB X (§§ 44 ff. SGB X) und die hieran anknüpfende (eingeschränkte) gerichtliche Kontrolle über Anfechtungs- und Verpflichtungsklage als vorrangiger Rechtsschutz zur Verfügung. Dieser würde bei Zulassung einer Feststellungsklage zur weiteren inhaltlichen Überprüfung des konkretisierten Beitragsrechtsverhältnisses unterlaufen, etwa dann, wenn das auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hin durchgeführte gerichtliche Verfahren für den Kläger nicht zum Erfolg führt (BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 – B 12 KR 13/15 R – juris, Rn. 26 f.). Zwar hat das BSG in der Vergangenheit bei Streitigkeiten über die richtige Berechnung von Beiträgen eine - an sich unzulässige - (Elementen-)Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGG für statthaft gehalten, wenn ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, die Anfechtungsklage aber nicht zu einer Sachentscheidung geführt hat (BSG, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.). Ein vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend aber nicht gegeben.
Der Bescheid vom 12. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2022 (§ 95 SGG), mit dem die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2022 neu berechnet wurden, ist Gegenstand des beim SG noch anhängigen Verfahrens S 3 KR 273/22. Die Bescheide vom 5. Januar 2023 (Neufestsetzung der Beiträge ab 1. Januar 2023) und vom 19. Januar 2023 (Neufestsetzung der Beiträge ab 1. Februar 2023) sind gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Denn diese Bescheide sind zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen, indem sie die Beitragshöhe ab dem 1. Januar bzw. dem 1. Februar 2023 neu festgesetzt und damit frühere Beitragserhebungen abgeändert haben. Die vom Kläger mit den Feststellungsanträgen angeführte Fragen der Höhe der Beiträge und deren Finanzierbarkeit kann inzident in diesen Verfahren geklärt werden. Dass dem Kläger dieses Vorgehen nicht zumutbar wäre, ergibt sich aus dessen Vorbringen nicht.
bb) Die Feststellungsklage ist auch mit Blick auf zukünftige Beitragserhöhungen als vorbeugende Feststellungsklage unzulässig. Bei der vorbeugenden Feststellungsklage muss ein berechtigtes Interesse gerade an einer baldigen vorbeugenden Feststellung, also ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse bestehen (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 8c). Ein entsprechendes Interesse ist vorliegend nicht ersichtlich. Der Kläger kann auch insoweit auf die nachträgliche gerichtliche Überprüfung von zukünftigen Beitragsbescheiden verwiesen werden. Darüber hinaus hält die Rechtsordnung mit dem einstweiligen Rechtsschutz auch ein Verfahren zur gegebenenfalls nötigen effektiven und schnellen Durchsetzung vor.
b) Würde man das Begehren des Klägers (Verhinderung zukünftiger Beitragserhöhungen) als vorbeugende Unterlassungsklage auslegen, würde dies als Prozessvoraussetzung ein besonderes Rechtsschutzinteresse einschließlich einer Wiederholungsgefahr voraussetzen (vgl. nur BSG, Beschluss vom 17. September 2019 – B 3 KR 67/18 B – juris, Rn. 7; Urteil vom 5. Februar 1985 – 6 RKa 40/83 – juris, Rn. 10). Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses muss ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich zu befürchten sein. Das Fehlen dieses besonderen Rechtsschutzinteresses führt zur Unzulässigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage (BSG, Beschluss vom 17. September 2019 – B 3 KR 67/18 B –, a.a.O.). Vorliegend steht schon kein widerrechtliches Vorgehen der Beklagten fest. Die Beitragsbescheide vom 16. Januar 2019 für die Zeit ab dem 1. Januar 2019, vom 10. Januar 2020 für die Zeit ab 1. Januar 2020 und vom 13. Januar 2021 für die Zeit ab 1. Januar 2021 sind - wie bereits dargelegt - bestandskräftig. Der Bescheid vom 12. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2022, mit dem die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2022 neu berechnet wurden, ist Gegenstand des beim SG noch anhängigen Verfahrens S 3 KR 273/22. Die Klage gegen die Zahlungserinnerung vom 29. Januar 2021 hat der Kläger zurückgenommen. Da kein besonderes Rechtsschutzinteresse besteht, wäre eine vorbeugende Unterlassungsklage unzulässig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3764/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 905/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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