L 4 KR 211/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2362/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 4 KR 211/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger über den 31. März 2022 hinaus freiwilliges Mitglied der Beklagten ist.

Der 1978 geborene Kläger studierte Germanistik und Philosophie und ist nach seinen eigenen Angaben als Hauslehrer tätig. Er ist seit dem 1. Juli 2016 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Die Höhe der durch den Kläger zu entrichtenden Beiträge ist Gegenstand zahlreicher Verfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg.

Mit bei der Beklagten am 26. Januar 2022 eingegangenem Schreiben, bat der Kläger sein Schreiben vom 26. November 2021, mit welchem er eine Pausierung seiner Mitgliedschaft angefragt habe, als Kündigung zu werten. Mit Schreiben vom 8. Februar 2022 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Kündigung zum 31. März 2022 wirksam werde, wenn bis dahin ein Nachweis über dessen zukünftige Krankenversicherung vorliege. Nachdem der Kläger einen entsprechenden Nachweis nicht vorlegte, erteilte die Beklagte ihm am 1. April 2022 eine Versicherungsbescheinigung und teilte mit, dass seine Kündigung nicht wirksam geworden sei, da er innerhalb der Kündigungsfrist keinen Nachweis über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorgelegt habe. Die Mitgliedschaft werde daher ab dem 1. April 2022 fortgeführt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Kündigung sei wirksam, es handle sich schließlich um eine freiwillige Versicherung. Der Beitrag sei überhöht, die Beklagte könne ihn nicht zwingen, bei ihr weiterhin versichert zu bleiben. Er könne der Versicherungspflicht finanziell nicht nachkommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2022 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Da der Kläger bis zum 31. März 2022 keinen Nachweis über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorgelegt habe, sei seine Kündigung nicht wirksam geworden. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben sei die Beklagte verpflichtet, seine Mitgliedschaft fortzuführen.

Hiergegen erhob der Kläger am 18. August 2022 Klage beim SG. Es bestehe entgegen der Bezeichnung gar keine freiwillige Versicherung. Da faktisch Versicherungspflicht bestehe, müssten die Beiträge auch bezahlbar sein; die Erhebung eines zu großen Beitrags verstoße gegen die Menschenwürde. Er habe wirksam gekündigt. Zwar sei es gesetzlich vorgesehen, eine andere Krankenversicherung mitzuteilen, ein Wechsel der Krankenkasse sei ihm aber angesichts der erhöhten Beiträge nicht möglich gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Nach vorheriger Anhörung wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2023 ab. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, mit der der Kläger die Feststellung begehre, dass seine Mitgliedschaft bei der Beklagten beendet sei, sei zulässig, aber nicht begründet. Er könne die begehrte Feststellung nicht verlangen, weil sein Versicherungsverhältnis mit der Beklagten nicht durch Kündigung beendet worden und er über den 31. März 2022 hinaus Mitglied der Beklagten geblieben sei. Auch wenn es sich bei einem Versicherungsverhältnis um ein solches der freiwilligen Versicherung handle, sei dessen Beendigung nur in den gesetzlich geregelten Fällen möglich. Vorliegend komme lediglich § 191 Nr. 3 erster Halbsatz Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht, wonach die freiwillige Mitgliedschaft u.a. mit dem Wirksamwerden der Kündigung (§ 175 Abs. 4 SGB V) ende. Gemäß § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V sei eine Kündigung der Mitgliedschaft zum Ablauf des übernächsten Monats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erkläre. Die Kündigung werde gemäß § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweise. Vorliegend habe der Kläger zwar eine entsprechende Kündigungserklärung abgegeben, jedoch unstreitig keinen Nachweis über die Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bzw. das Bestehen einer anderweitigen Versicherung im Krankheitsfall vorgelegt. Damit sei seine Kündigung nicht wirksam geworden. Der Umstand, dass der Kläger nach eigenem Bekunden die Beiträge nicht aufbringen könne, führe zu keinem Sonderkündigungsrecht. Zugrunde zu legen seien grundsätzlich die beitragspflichtigen Einnahmen, wobei gem. § 240 Abs.4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen gelte. Mit dieser Mindestgrenze solle verhindert werden, dass sich eine freiwillige Versicherung zu Lasten der Versichertengemeinschaft allzu billig „gekauft“ werden könne. Deswegen dürfe dieser Betrag selbst bei einkommenslosen Mitgliedern nicht unterschritten werden. Für diejenigen, die den sich aus dem Mindestlohn ergebenden Mindestbetrag nicht zahlen könnten, habe nicht die Versichertengemeinschaft, sondern die Sozialhilfe (bzw. Grundsicherung) einzutreten. Der vom Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verstoß gegen die Menschenwürde sei vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

Hiergegen hat der Kläger am 17. Januar 2023 beim SG zum LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er habe wirksam gekündigt, weil die Kosten, die die Beklagte erhebe, auch bezahlbar sein müssten. Er sei nicht freiwillig, sondern pflichtversichert. Eine Kündigung sei sehr wohl möglich durch externe Bedingungen, auch wenn sie gesetzlich nicht festgehalten seien. Zahlungen an die gesetzliche Krankenversicherung müssten von jedermann bezahlbar sein. Der Senat müsse sich der sozialen Frage zuwenden und sich fragen, ob ein System, das dermaßen überschuldet und defizitär sei und seit Jahren trotz Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen nicht mehr funktioniere, durchlaufende Beitragserhöhungen gerettet werden könne. Zwar sei für die Wirksamkeit der Kündigung gesetzlich vorgesehen, eine andere Krankenversicherung mitzuteilen, was ihm aber nicht möglich sei. Da auch andere Krankenversicherungsträger ihre Beiträge erhöht hätten, sei ihm ein Wechsel nicht möglich. Das SG verstehe das soziale Problem nicht, wenn es allein auf die bloßen gesetzlichen Regelungen zum Wechsel eingehe. „Wie hohl“ müsse man als Richter sein, wenn man nicht sehe, dass eine „andere GEMEINSCHAFT“ für ihn aufkommen würde, wenn er „in die Sozialhilfe gehe“. Er müsse aber nicht in die Sozialhilfe, nur weil er zum Mindestlohn arbeite.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Januar 2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2022 aufzuheben und festzustellen, dass ein Versicherungsverhältnis mit der Beklagten seit dem 1. April 2022 nicht mehr besteht.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden sowie die Entscheidungsgründe im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 7. September 2023 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 SGG. Die im Streit stehende Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG)

2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Feststellung, dass ein Versicherungsverhältnis mit der Beklagten seit dem 1. April 2022 nicht mehr besteht. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Mitgliedschaft des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung bei der bei der Beklagten eingerichteten Pflegekasse. Der Kläger richtete seine Klage lediglich gegen die beklagte Krankenkasse. Auch das SG entschied nur im Hinblick auf die Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung. Ohnehin folgt die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) kraft Gesetzes aus der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung.

3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat in dem mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2023 die rechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft dargelegt und unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags zutreffend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen diese Voraussetzungen bei dem Kläger nicht erfüllt waren. Der Senat macht sich die entsprechenden Ausführungen des SG zu eigen und schließt sich dieser Beurteilung auch in Kenntnis des Berufungsvorbringens des Klägers aufgrund eigener Prüfung in vollem Umfang an. Er nimmt daher auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Weitergehende Darlegungen sind nicht geboten. Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren keine Gründe vorgebracht, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Auch im Berufungsverfahren wurde durch den Kläger kein Nachweis über die Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bzw. das Bestehen einer anderweitigen Versicherung im Krankheitsfall vorgelegt. Der Kläger hat vielmehr ausdrücklich bestätigt, keine anderweitige Versicherung im Krankheitsfall abgeschlossen zu haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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