Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Februar 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger, die dem die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G (besondere Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) anerkannt sind, begehrt die höhere Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 60.
Er ist 1960 in der Türkei geboren, hat dort acht Jahre die Schule besucht und einen Schulabschluss entsprechend der mittleren Reife erlangt. Er war als Bauer auf einer Baumwoll- und Tomatenplantage tätig. 1995 kam er über die Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Seit 1981 ist er verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und vier Enkelkinder. Er war zuletzt bei einer Spedition beschäftigt, die auch für D1 gefahren ist. Am 20. Juli 2017 erlitt er beim Ausladen von Fenstern einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Luxation der rechten Hüfte zuzog, die operativ versorgt wurde. Seitdem ist der Kläger keiner Beschäftigung mehr nachgegangen und bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Am 30. November 2011 beantragte er bei dem Landratsamt F1 (LRA) erstmals die Feststellung des GdB, welches nach versorgungsärztlicher Stellungnahme des Z2 (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule [Teil-GdB 20] mit Bescheid vom 2. Mai 2011 einen GdB von 20 seit dem 1. November 2010 feststellte.
Während des Widerspruchsverfahrens wurde am 14. Februar 2012 zusätzlich die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ beantragt.
Im Entlassungsbericht der F2 klinik über die stationäre Rehabilitation vom 7. Dezember bis 28. Dezember 2016 wurden als Diagnosen ein chronisch-rezidivierendes Lendenwirbelsäulen-LWS-Syndrom, Unterarmschmerzen rechts, eine Gonalgie sowie Unterschenkelschmerzen rechts, Fußschmerzen rechts bei Mittelfußarthrose und eine Depression benannt. Leichte körperliche Arbeiten könnten vollschichtig ausgeführt werden, für die letzte berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit sei das Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränkt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne einer betrieblichen Umsetzung seien eingeleitet worden.
Der Kläger habe über Lendenbeschwerden mit ständiger Ausstrahlung bis in den rechten Fußbereich mit einer Schmerzintensität zwischen 8 und 9 berichtet. Hinzu komme eine eingeschränkte Gehstrecke auf circa 1.000 Meter ohne Hilfsmittel. Weiter seien Knie- und Unterschenkelschmerzen sowie Fußschmerzen rechts angegeben worden. Während des Aufenthaltes sei keine Schmerzlinderung und keine Besserung der Beweglichkeit erzielt worden.
Die Kernspintomographie (MRT) aus Dezember 2015 zeige eine hochgradige osteoligamentäre Spinalkanalstenose L3/4. Das Zeichen nach Lasèque sei rechts positiv bei 45°, die Muskeleigenreflexe seien seitengleich mittellebhaft, der PSR rechts nicht auslösbar. Das Gangbild sei kleinschrittig und hinkfrei, an den unteren Extremitäten sei die Hüftgelenksbeweglichkeit abgesehen von einer eingeschränkten Innenrotation beidseits frei. Die Beweglichkeit der Kniegelenke habe für Extension/Flexion 0-0-135° betragen, Ergussbildungen bestünden keine. Der Kläger beschreibe Sensibilitätsstörungen im Unterschenkel sowie im Fußbereich rechts (kein Gefühl). Bei der Sozialberatung habe der Kläger über Schwierigkeiten bei seiner beruflichen Tätigkeit beim Be- und Entladen berichtet.
Der B1 bewertete die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30 und die Depression mit einem Teil-GdB von 20. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 13. September 2017 hob das LRA den Bescheid vom 2. Mai 2011 auf und stellte einen GdB von 40 seit dem 14. Februar 2017 fest. Die geltend gemachten gesundheitlichen Merkmale könnten mangels Schwerbehinderteneigenschaft nicht festgestellt werden.
Am 30. November 2017 beantragte der Kläger erstmals die Neufeststellung des GdB. Zur Akte gelangte unter anderem der Entlassungsbericht des P1-Klinikum K1 über den stationären Aufenthalt vom 7. August bis 14. September 2017 nach einem Arbeitsunfall am 20. Juli 2017, bei dem sich der Kläger eine Luxation im rechten Hüftgelenk zugezogen hatte. Danach habe sich im Verlauf eine deutliche Besserung gezeigt. Bei Aufnahme sei der Kläger nur für wenige Schritte an einem Unterarmgehwagen mobil gewesen, bei Entlassung habe er an zwei Unterarmgehstützen selbstständig bei erlaubter Vollbelastung gehen können. Bei anhaltenden neuropathischen Schmerzen aufgrund bekannter lumbaler Spinalkanalstenose rechts größer links im Bereich der unteren Extremitäten sei versuchsweise Pregabalin angesetzt und die Dosis stufenweise erhöht worden. Hierunter sei es zu einer leichten Besserung der neuropathischen Schmerzen gekommen. Die beschriebenen Symptome der Spinalkanalstenose hätten sich überlagernd zu den Beschwerden durch die Acetabulumfraktur gezeigt, sodass es schwierig gewesen sei, zu differenzieren, welche Kausalität die angegebenen Beschwerden hätten. Insbesondere zu Beginn der Maßnahme habe der Kläger starke Schmerzen beschrieben, sodass eine analgetische Medikation mit Morphin erfolgt sei. Radiologisch hätten sich regelrecht einliegende Schrauben und Osteosynthesematerial bei noch abgrenzbarem Frakturspalt gezeigt.
Bei Entlassung habe die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks für Extension/Flexion bei 0-0-95° und für Außen- und Innenrotation bei 30-0-20° gelegen. Psychisch habe sich eine stabile Stimmungslage ohne posttraumatische Ängste gezeigt.
Die MRT der LWS vom 15. Oktober 2017 (H1) zeigte eine hochgradige osteoligamentäre Spinalkanalstenose L2/3 und etwas weniger ausgeprägt bei 4/5 sowie eine geringe osteoligamentäre Spinalkanalstenose L1/2. Eine kompressive Diskopathie habe sich nicht nachweisen lassen.
Am 19. Dezember 2017 beantragte der Kläger die „Nachprüfung“ des Bescheides vom 13. September 2017, mit dem nur ein GdB von 40 festgestellt worden sei.
Nachdem die Berufsgenossenschaft für Verkehr (BG) die medizinischen Unterlagen bezüglich des Arbeitsunfalls vorgelegt hatte, hielt D2 an der bisherigen Bewertung fest. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Spinalkanalstenose sowie die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 30, die depressive Störung mit einem Teil-GdB von 20 und die Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Nach dem Rehabilitationsbericht habe sich das Gehvermögen zwei Monate nach dem Arbeitsunfall deutlich gebessert, sodass keine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes anzunehmen sei. Ein BG-Leiden sei derzeit nicht anerkannt. Die Wirbelsäulen- und Hüftgelenksleiden könnten schwer voneinander getrennt werden. Nach dem Rehabilitationsbericht bestehe eine teils symptomatische, teils angstgesteuerte Belastungs- und Bewegungseinschränkung. Die Hüftbeschwerden seien weitreichend mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten, unabhängig von der Ursache. Zudem bestehe eine Verknüpfung mit dem Wirbelsäulenleiden. Bei angegebener Claudicatio-spinalis Symptomatik könne ein Teil-GdB von 30 angenommen werden.
Mit Bescheid vom 28. März 2018 lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag ab, da die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB nicht vorlägen.
Im Widerspruchsverfahren holte das LRA den Befundschein des K2 ein, der ein chronisch-rezidivierendes LWS-Syndrom bei Zustand nach zweimaliger Dekompression der LWS beschrieb. Die Narbe sei reizlos, das Zeichen nach Lasèque rechts endgradig positiv. Es komme zu keinen motorischen Ausfällen an den unteren Extremitäten. Achillessehnenreflex (ASR) und Patellarsehnenreflex (PSR) seien beidseits seitengleich auslösbar. Aufgrund der Mittelfußarthrose rechts bestehe ein deutlicher Druckschmerz im Mittelfußbereich. Am rechten Kniegelenk zeige sich eine beginnende Retropatellararthrose rechts bei intaktem Bandapparat. Die Beweglichkeit für Extension/Flexion betrage 0-0-130°. Nach Aktenlage würden dem Kläger gelegentlich Schmerzmittel verabreicht.
Weiter gelangte der Entlassungsbericht über die Komplex-Stationäre-Rehabilitation (KSR) in der Berufsgenossenschaftlichen U1 (BGU) T1 vom 28. März bis 3. Mai 2018 zur Akte. Danach habe sich der stationäre Aufenthalt komplikationslos gestaltet. Trotz ausführlicher Bemühungen habe ein Verzicht auf die Unterarmgehstützen nicht erreicht werden können. Der Kläger sei aufgrund der persistierenden Beschwerden insbesondere im Bereich des rechten Hüftgelenks, aber auch wegen der Beschwerden im Bereich des rechten Unterschenkels auf den Einsatz von Unterarmgehstützen angewiesen. Hauptbefundlich hätten ausgeprägte Hüftgelenksbeschwerden rechts bestanden, daneben aber auch eine angespannte psychische Situation, die durch den konsiliarischen Psychiater als eine depressive Episode eingeordnet worden sei. Hinsichtlich der Spinalkanalstenose bestehe kein operationspflichtiger Interventionsbedarf, die Beschwerden seien vor dem Unfall kompensiert und stellten nicht den Hauptfokus der Symptomatik dar. Die MRT des Schädels habe keine Traumfolgen gezeigt, ein hirnorganisches Psychosyndrom könne deshalb ausgeschlossen werden.
Im Zwischenbericht der BGU T1 über die ambulante Vorstellung am 4. Juni 2018 wurde ein hinkendes Gangbild beschrieben. Die Beweglichkeit der rechten Hüfte für Extension/Flexion habe 0-0-110° betragen, die für Innen-/Außenrotation 20-0-10°. Es bestünden kein Beckenkompressions- und kein Leistendruckschmerz. Das Zeichen nach Lasèque sei positiv, die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität intakt.
M1 sah nunmehr für das Wirbelsäulensyndrom einen Teil-GdB von 40. Nach den vorliegenden Berichten bestehe auch sechs Monate nach dem Unfall noch eine deutliche Funktionsminderung im Sinne eines chronischen Schmerzsyndroms des rechten Hüftgelenks mit Ausstrahlung in das rechte Bein.
Mit Abhilfe-Bescheid vom 26. Juli 2018 stellte das LRA einen GdB von 50 seit dem 30. November 2017 fest.
Am 2. August 2019 beantragte der Kläger zum zweiten Mal die Neufeststellung des GdB sowie die der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“. Vorgelegt wurde der Zwischenbericht der BGU T1 über die ambulante Vorstellung am 13. Juli 2018. Danach bestünden anhaltende Beschwerden im Bereich des rechten Beines nach dorsaler Hüftluxation mit Acetabulumfraktur des hinteren Pfeilers mit persistierender Gefühlsstörung und Belastungsschmerzen der rechten Hüfte sowie diffus ausstrahlende Schmerzen im Bereich der LWS und ins rechte Knie und Fuß. Eine OP-Indikation hinsichtlich der LWS solle geprüft werden.
Im Entlassungsbericht der M2-Klinik über die stationäre Behandlung vom 4. Juni bis 16. Juli 2019 wurde dargelegt, dass sich bei dem Kläger infolge des Arbeitsunfalls eine Anpassungsstörung und Depression entwickelt habe. Als körperliche Beschwerden seien belastungsabhängige, ziehende Hüftschmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein bis zum Fuß angegeben worden. Es bestünden seitengleiche Muskeleigenreflexe. Die Koordination sowie das Gang- und Standbild seien unauffällig, Nervendehnenzeichen bestünden nicht. Der Finger-Boden-Abstand (FBA) liege bei 25 cm, außer dem rechten Hüftgelenk seien die Gelenke der oberen und unteren Extremitäten frei beweglich. Feinmotorik, Koordination und Sensibilität seien unauffällig, es finde sich kein Hinweis auf ein fokal neurologisches Defizit.
Bei Aufnahme sei der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen. Im Kontakt wirke er zurückhaltend und misstrauisch. Auffassung und Gedächtnis schienen leicht, Konzentrations- und Merkfähigkeit deutlich reduziert. Im Affekt wirke er deprimiert, niedergedrückt, rat- und hoffnungslos. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei eingeengt. Von Traumaerleben sei berichtet worden. Psychomotorisch wirke er herabgesetzt. Das formale Denken sei geordnet, leicht verlangsamt. Inhaltlich sei er eingeengt auf die vergangenen und aktuellen ihm zugefügten Ungerechtigkeiten. Während des Aufenthalts habe der psychische Zustand etwas stabilisiert werden können.
Das LRA holte den Befundschein des T2 ein, der ausführte, dass sich der Kläger eine Hüftgelenksluxation zugezogen habe und gleichzeitig unter einer langstreckigen Spinalkanalstenose leide. Er gebe nach wie vor Beschwerden in der rechten Hüfte mit einem brennenden Schmerz an, der in den äußeren Oberschenkel ausstrahle. Er sei gehfähig für kürzere Strecken, benötige aber einen Handstock zur partiellen Entlastung des rechten Beines. Ein Rollstuhl sei nicht erforderlich.
S1 bewertete versorgungsärztlich nunmehr die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die depressive Störung mit chronischem Schmerzsyndrom je mit einem Teil-GdB von 30 sowie die Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes/Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenkes mit einem Teil-GdB von 40, sodass sich ein Gesamt-GdB von 60 ergebe. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichens „G“ seien erfüllt. Insgesamt seien die Beschwerden chronifiziert und eine Besserung sei auch zwei Jahre nach dem Unfall nicht eingetreten.
Mit Bescheid vom 11. November 2019 hob das LRA den Bescheid vom 26. Juli 2018 auf und stellte einen GdB von 60 seit dem 2. August 2019 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ fest.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass ein GdB von mindestens 70 vorliege und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „B“ (ständige Begleitung) erfüllt seien.
Das LRA erhob einen weiteren Befundschein bei T2, der ausführte, dass der Kläger nach der Fraktur noch unter Schmerzen im Bereich der Hüftregion rechts leide. Er benötige zur Entlastung des rechten Beines einen Gehstock. Im weiteren Verlauf sei ein posttraumatisches Belastungssyndrom aufgetreten, weshalb sich der Kläger in der M2-Klinik befunden habe, eine wesentliche Besserung der Symptomatik sei nicht eingetreten. Eine Begutachtung durch die BG sei vorgesehen.
Ergänzend legte er den Verlaufsbericht des Universitätsklinikums F3 über die ambulante Behandlung vom 27. September 2019 vor. Danach habe sich ein hinkendes Gangbild rechts gezeigt. Die Weichteile und die Narbe seien reizlos. Die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks sei für den damaligen Unfall sehr gut und schmerzfrei mit einer möglichen Extension/Flexion von 10-0-120° und Außen-/Innenrotation von 30-0-30°. Im Bereich der Leiste bestehe kein Rotationsschmerz. Lediglich bei der übermäßigen passiven Innenrotation würden stechende Schmerzen beklagt. Bei der Untersuchung der Linksseitenlage zeige sich das Punktum maximum der Beschwerden direkt dorsal des Trochanters. Die Computertomographie (CT) habe keine wesentliche posttraumatische Coxarthrose links gezeigt. Auch der fehlende Rotationsschmerz und die fehlenden Leistenschmerzen sprächen nicht für das Vorliegen einer Coxarthrose. Die Schmerzen deuteten auf eine lokale Problematik von Seite des Zugangs. Eine operative Revision sei wenig sinnvoll, es werde die lokale Infiltration empfohlen.
Im weiteren Verlaufsbericht aufgrund ambulanter Untersuchung vom 6. März 2020 wurde ein unverändertes Beschwerdebild beschrieben. An der rechten Hüfte zeigten sich reizlose Narben- und Hautverhältnisse bei einer möglichen Beweglichkeit für Extension/Flexion von 0-0-120°, Außen-/Innenrotation 90°. Im Bereich der Leiste komme es zu keinem Rotationsschmerz. An der LWS bestünden ebenfalls reizlose Haut- und Narbenverhältnisse und kein Druckschmerz über der Dornfortsatzreihe. Angegeben würden Schmerzen von der LWS bis in den Fuß mit brennendem Charakter und Schmerzzunahme bei Inklination. Bei der Kniegelenksextension und der Zehenhebung/-beugung seien beidseits volle Kraftgrade erreicht worden, ein sensitives Defizit werde nicht beschrieben. Die CT zeige eine abgeschlossene Konsolidierung im Frakturbereich.
Das LRA zog das fachorthopädische Gutachten des S2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 25. März 2019 im Auftrag der BG bei. Dieser führte aus, dass der Kläger eigenständig an einer rechtsseitig geführten Gehhilfe in Entlastungshinken der rechten unteren Extremität mobil sei. Der Entkleidungsvorgang sei selbstständig erfolgt, allerdings sehr langsam und schmerzbedingt erschwert, was gestenreich unterstrichen worden sei. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden keine äußerlichen Auffälligkeiten bei reizfreiem Integument. Bei gleichmäßiger Belastung beider unterer Extremitäten und Beckengeradstand zeige sich die Wirbelsäule im Lot. Bei Einnahme einer Schonhaltung mit Entlastung der rechten unteren Extremität durch Linksneigung des Oberkörpers komme es zu einem leichten Beckenhochstand rechts und konsekutiver skoliotischer Fehlhaltung der LWS. Über den Dornfortsätzen der LWS bestehe kein Druck- oder Klopfschmerz. Der FBA sei mit 27 cm schmerzbedingt deutlich eingeschränkt bei weitestgehend regelhafter Entfaltung der LWS. Die übrige Wirbelsäule zeige sich klinisch unauffällig.
Der Einbeinstand sei links komplikationslos möglich, rechts nicht. Inspektorisch bestehe eine seitengleich normal entwickelte Muskulatur. Bei der Untersuchung des Hüftgelenks seien ischialgieforme Schmerzen angegeben worden. Das inspektorisch unauffällige rechte Kniegelenk ohne palpatorischen Gelenkerguss zeige eine Druckschmerzhaftigkeit über dem lateralen Gelenkspalt bei bestehender Bandstabilität und uneingeschränkter Beweglichkeit. Die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks sei schmerzbedingt eingeschränkt. Die unfallbedingte MdE sei mit 10 v. H. einzuschätzen. Das Unfallereignis sei nicht wesentliche Ursache der ischialgieformen Beschwerden inklusive Sensibilitätsstörungen der rechten unteren Extremität, die der vorbestehenden absoluten Spinalkanalstenose zugerechnet werden müssten.
Weiter wurde das Gutachten des K3, im Auftrag der BG, beigezogen. Dieser führte am 29. Januar 2020 aus, dass es bei dem Unfall zu einer Schädelprellung gekommen sei, diese habe als Bagatellverletzung keine Folgen hinterlassen. Der Kläger habe sich nach dem Unfallereignis nur an Schmerzen in der Hüfte erinnern können und daran, dass er zum selbstständigen Bewegen kaum mehr fähig gewesen sei. Die jetzt geklagten Beschwerden bezögen sich schwerpunktmäßig auf Schmerzen in der rechten Hüfte unter Belastung, die so ausgeprägt seien, dass der Kläger weder länger stehen noch laufen könne. Ruheschmerzen seien nicht vorhanden. Als Folge dieser Schmerzen sei es zu weitreichenden Beeinträchtigungen, nicht nur im Tagesablauf, sondern auch in sozialer Hinsicht gekommen. Es liege ein gravierendes depressives Syndrom vor, das sich, nachdem die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) abgeklungen sei, nun als reaktiv depressives Krankheitsbild mit parasuizidalen Gedanken und einer schweren allgemeinen Verzweiflung und Lebensunlust darstelle. Es bestehe eine starre Affektlage bei eher vermehrter Schwingungsfähigkeit. Der Antrieb sei nicht auffällig verändert. Der Kläger schildere, wie er sich mit der Bedrohung seiner vitalen Existenz durch die körperliche Erkrankung ständig bedroht sehe. Das Denken sei auf die Beschäftigung mit der Krankheit eingeengt. Sonst bestünden keine auffälligen Veränderungen der Denkweise.
Die körperliche Erkrankung führe auch in psychischer Hinsicht zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität. Schon vor dem Unfallereignis hätten depressive Verstimmungszustände bestanden, die allerdings nur in dem früheren Bericht aus der Rehabilitationsklinik im Jahr 2010 geschildert worden seien. Die unfallbedingte MdE werde auf 50 v.H. eingeschätzt, diese könne sich durch geeignete Therapiemaßnahmen bessern. Der Kläger sei in der Lage, im Rahmen des familiären Zusammenlebens unfallbedingte Beeinträchtigungen für die gewöhnliche und regelmäßig vorkehrende Verrichtung im Laufe des täglichen Lebens auszugleichen, die Ehefrau unterstütze ihn dabei.
Die K4 führte aus, dass jetzt BG-Gutachten vorlägen, die eine unfallbedingte MdE von insgesamt 50 v.H. feststellten. Eine PTBS liege aktuell nicht vor, sondern vor allem seelische Beeinträchtigungen und Depressionen (GdB 40). Das chronische Schmerzsyndrom im Bereich der rechten unteren Extremität werde bei der Bewertung der Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks berücksichtigt. Rein orthopädisch betrage der Teil-GdB hierfür nur 10. Unfallunabhängig bestehe eine Spinalkanalstenose, die im Juni 2020 erneut operiert worden sei. Eine Besserung sei zu erwarten, eine Erhöhung des GdB (Teil-GdB 30) komme nicht in Betracht. Ein höherer Gesamt-GdB sei nicht vertretbar. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen „B“ seien nicht gegeben. Es bestehe keine erhebliche Gangunsicherheit. Die Angaben in der Widerspruchsbegründung seien teilweise falsch. Eine Gehstrecke von lediglich 20 Metern werde von den ärztlichen Gutachten widerlegt. Dort werde wiederholt vor der Operation der Spinalkanalstenose eine Wegstrecke von 200 bis 300 Meter beschrieben.
Mit Bescheid vom 21. August 2020 lehnte die Beklagte die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „B“ ab.
Zur Akte gelangte das Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 15. September 2020 mit der Empfehlung eines Pflegegrades 2, befristet bis 1. Mai 2021 aufgrund eines strukturierten Telefoninterviews. Hiernach verneinte K5 versorgungsärztlich eine Änderung der Beurteilung, da keine neuen objektivierten medizinischen Befunde vorlägen.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. November 2019 wies das Regierungspräsidium S5 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2020 zurück. Die vorgenommene Erhöhung des GdB auf 60 gebe das Ausmaß der eingetretenen Änderung wieder, eine weitere Erhöhung lasse sich nicht begründen. Hinsichtlich des Merkzeichens „B“ sei ein gesonderter Bescheid ergangen.
Am 4. Dezember 2020 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat.
Der C1 hat bei dem Kläger eine intermittierende Lumboischialgie mit Wurzelreizsyndrom L5 rechts neben einer Claudicatio spinalis bei degenerativen Veränderungen der LWS mit Spinalkanalstenose beschrieben. Es finde sich im Segment L5 ein sensibles Defizit, die evozierten Potentiale zeigten sich rechtsseitig etwas verzögert. Klinisch und elektrophysiologisch ergebe sich kein Nachweis einer motorischen Beteiligung. Die Einschränkungen auf neurologischem Fachgebiet seien entsprechend degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen mit einem GdB von 20 zu bewerten, wobei ein chronisches Schmerzsyndrom der LWS darin bereits enthalten sei. Die Anerkennung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erscheine weitreichend.
Die M3 hat mitgeteilt, dass der Kläger unter erheblichen psychischen Belastungen infolge des Arbeitsunfalls leide. Das ständige Gedankenkreisen um die kaum beeinflussbare Schmerz- und Unfallsituation beeinträchtige die sozialen und kommunikativen Kompetenzen, sodass es zu einer erheblichen Isolation gekommen sei. Die Einschränkungen durch die seelische Erkrankung seien mindestens mit einem GdB von 50 zu bewerten.
Der T2 hat bekundet, den Kläger im Rahmen des Arbeitsunfalls behandelt zu haben, die letzte Behandlung sei am 24. März 2021 gewesen. Der Kläger habe über fortbestehende und brennende Schmerzen von der rechten Gesäßregion in das rechte Bein ziehend berichtet, sodass weiterhin die Einnahme von Schmerzmitteln unerlässlich sei. Eine körperliche Untersuchung bezüglich der bestehenden Symptomatik sei seit längerer Zeit nicht mehr durchgeführt worden.
Der Z1 hat beschrieben, den Kläger letztmals am 9. April 2019 gesehen zu haben. Seinerzeit sei eine mittelgradige depressive Episode und ein chronisches Schmerzsyndrom bei Spinalkanalstenose diagnostiziert worden. Über den Verlauf könne er keine Angaben machen.
Der S3 hat angegeben, den Kläger hausärztlich zu behandeln. Dieser gebe Dauerschmerzen am rechten Hüftgelenk an, die sich durch Belastung verschlimmerten. Ebenso würden dauerhafte Schmerzen im LWS-Bereich beschrieben. Ergänzend hat er weitere Befundberichte vorgelegt, darunter den Entlassungsbericht der T3 klinik K1 über die stationäre Behandlung vom 8. bis 29. Juli 2020.
Danach sei die Behandlung nach durchgeführter Spondylodese L2/3, L3/4 und L4/5 erfolgt. Bei Aufnahme sei der Kläger ohne Unterarmgehstützen nur schlecht mobil gewesen. Es habe sich ein sehr kleinschrittiges, langsames und humpelndes Gangbild gezeigt. Die Wirbelsäule sei frontal im Lot, die Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) in allen Ebenen gut und schmerzfrei möglich. Das Zeichen nach Lasèque sei beidseits bei etwa 40° positiv, ASR und PSR seien beidseits schlecht auslösbar. Es zeige sich eine leichte Kraftminderung der Beinstrecker und Hüftbeuger bei intakter Sensibilität.
Der Verlauf habe sich aufgrund der sprachlichen Barriere schwierig gestaltet. Bei der Abschlussuntersuchung sei der Kläger am Gehstock mobil, bezüglich der Schmerzen im Rücken habe sich die Symptomatik gebessert. Nach Gehen über 10 Minuten komme es zu starken Schmerzen, teilweise in das rechte Bein ausstrahlend. Die Narbenverhältnisse seien lokal reizlos, bei der orientierend neurologischen Untersuchung hätten keine Pathologien bestanden. Motorische Ausfällen zeigten sich keine.
Die MRT der LWS vom 27. März 2020 (S4) hat bei anlagebedingt engem knöchernen Spinalkanal eine multisegmentale Spinalkanalstenose mit Punctum maximum bei LWK 2/3 aufgewiesen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des H2 vorgelegt. Danach werde im neurologischen Befundbericht für das Wirbelsäulenleiden ein Teil-GdB von 20 vorgeschlagen. Dem nervenärztlichen Befundbericht könne nicht mehr als eine stärker behindernde Störung entnommen werden, die mit einem Teil-GdB von 40 weiterhin zutreffend bewertet sei. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten, auch intrafamiliär, seien nicht dokumentiert.
Zur Akte gelangt ist weiter der Befundbericht des B2 über die MRT der LWS vom 17. März 2022. Danach zeigte sich eine degenerativ bedingte linksseitig betonte relative Spinalkanalstenose in Höhe L2/3, auch der übrige Befund der LWS mit relativen spinalen Engen sei kontant.
Weiter hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des B3 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 21. Juni 2022, unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin, erhoben. Dieser hat ausgeführt, dass der Kläger, auf die Frage, weshalb die Untersuchung erfolge, spontan begonnen habe, den Arbeitsunfall zu schildern. Er habe Schmerzen in der Hüfte und heute vergessen, die Medikamente einzunehmen. Die BG bezahle nur die Medikamente und das Krankenhaus, die Rentenversicherung gewähre Rente. Er habe Suizidgedanken, wenn er sehe, wie andere zur Arbeit gingen. Er habe schon die Absicht gehabt, sich etwas anzutun. Dem Kläger sei auf seine Bitte hin gestattet worden – wegen der Schmerzen – aufzustehen, er sei aber dennoch sitzen geblieben. Er habe wiederholt angegeben, früher keine Beschwerden gehabt zu haben. Rückenschmerzen habe er jetzt keine mehr.
Er wolle an den Unfall nicht erinnert werden. Der Stapler sei hinten dran gewesen. Der Chef habe ihm gedroht, wenn er nicht ablade, könne er die Kündigung abholen. Die Fenster seien dann auf ihn gefallen. Er sei kurz weg gewesen und dann mit dem Helikopter nach L1 gebracht worden. Er habe zwei Monate auf der rechten Seite nichts gespürt und zwei Monate nicht laufen können. Es habe ihn gekränkt, dass sein Chef ihn nach dem Unfall nicht angerufen habe. Er könne nicht Auto fahren, habe Angst, wenn er D1-LKWs sehe.
Bei der Untersuchung sei die HWS-Beweglichkeit nicht eingeschränkt gewesen, die LWS-Entfaltung sei nach Stabilisierungs-OP weitgehend aufgehoben. Das rechten Bein werde im Sitzen unter Vermeidung des Sitzens auf dem rechten Gesäß gestreckt und außen rotiert gehalten. Der Oberschenkelumfang liege rechts wie links bei 46 cm, der Unterschenkelumfang rechts bei 33 cm und links bei 31 cm. Die Beweglichkeit im Hüft- und Kniegelenk habe bei deutlichem Gegenhalten nicht geprüft werden können. Ein passives Kniebeugen sei ebenfalls nicht möglich, die auffallende Hyperkeratose über beiden Knien sei als sicheres Zeichen einer nicht eingeschränkten Beugefunktion des Knies zu werten, an der Fußsohle bestünden seitengleiche Belastungszeichen mit Hornhautbildung.
Die Armreflexe seien seitengleich, der PSR rechts wäre bei willkürlicher Streckung nicht zu beurteilen. Die Oberschenkelmuskulatur werde im Liegen kräftig innerviert, bei Aufforderung zur Beinstreckung zeige sich die Tendenz einer Beinhebung, das Knie rechts werde als eingesteift bzw. hochgradig spastisch innerviert dargeboten. Bei Prüfung der Sensibilität komme es zur Angabe einer Hypästhesie. Die Hauttemperatur sei seitengleich, trophische Veränderungen bestünden keine.
Trotz erkennbar guter Deutschkenntnisse seien die gestellten Fragen überwiegend auf Türkisch über die Dolmetscherin beantwortet worden. Der Kläger sei zu Ort, Zeit und Person orientiert. Er habe detailliert das Unfallereignis mit einer vom ihm erkannten Gefährdungssituation und bei Hinweis auf Drohung des Chefs mit Entlassung beschrieben. Weiter werde die als unzureichend erlebte Beachtung der Folgeerscheinungen des Unfalls durch den Chef mit emotionalem Ausdruck beschrieben. Es würden Albträume, Schlafstörungen und unvermitteltes Wiedererscheinen des Unfallereignisses ohne erkennbares Hyperarousal beschrieben – auch in der wiederholten detaillierten Wiedergabe des Unfalls.
Die Auffassung sei nicht beeinträchtigt, klinisch zeige sich bei Darstellung der Vorgeschichte kein Hinweis auf Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen. Unfallbedingt werde ein Verlust der Selbstständigkeit mit Einschränkung von Alltagsaktivitäten dargestellt. Der Kläger erscheine niedergestimmt, auf kritisches Nachfragen sei eine Neigung zur Unduldsamkeit gegeben, dann auch im Affekt moduliert. Trotz Schmerzausdruck bestehe eine erkennbare Schwingungsfähigkeit, konzentriertes zielbestimmtes Verhalten sei möglich. Bei der Untersuchung sei eine Präsentation von Sensibilitätsstörungen dem Laienverständnis folgend bei erheblicher Suggestation festzustellen gewesen. Im Labor habe sich kein Hinweis auf eine regelhafte Einnahme einer schlafanstoßenden antidepressiven Medikation oder der Einnahme von Schmerzmitteln ergeben.
Bei der Untersuchung habe der Kläger die Unfallfolgen in den Vordergrund seiner Beschwerden gestellt. Dies habe den Eindruck vermittelt, als meine er, als handele sich um eine Untersuchung der BG. Dementsprechend habe er Rückenbeschwerden verneint, die Fragestellung habe ihm dann vermittelt werden können. Er habe über Schmerzen im rechten Bein bzw. der ganzen rechten Körperseite sowie eine Wesensänderung nach dem traumatischen Ereignis mit Hilfebedarf, Suizidgedanken, Schlafstörungen und Albträumen im Sinne einer PTBS geklagt. Der allgemeinmedizinische Befund sei unauffällig. Seitens des Haltungs- und Bewegungsapparates bestehe ein Zustand nach Stabilisierungsoperation der LWS. Die symmetrische Oberschenkel-, Unterschenkel- und Fußmuskulatur und die seitengleichen Belastungszeichen an den Fußsohlen stünden im Gegensatz zu dem präsentierten Gangbild mit gestreckt gehaltenem Knie und Benutzung eines Unterarmgehstocks sowie seitengleichen Belastungszeichen über den Knien, was mit der angebotenen Beugehemmung im Knie nicht vereinbar sei. Bei der Prüfung der Sensibilität entsprechend dem Laienverständnis seien Sensibilitätsausfälle bzw. Störungen angegeben worden, die neurologisch nicht einzuordnen gewesen seien.
Psychopathologisch habe bei der Untersuchung eine ausgeprägte Präsentation von Hilflosigkeit imponiert, es liege ein als wesentlich bewusstseinsnah präsentiertes Beschwerdebild vor. Nach der Klinik bestehe im Ausdruck, der Psychomotorik, der Affektmodulation und der gegebenen Konzentration kein Hinweis auf ein zum Untersuchungszeitpunkt gegebenes wesentliches depressives Erleben. Der Schweregrad des vorgebrachten depressiven Erlebens müsse im Hinblick auf die Fähigkeit zu zielbestimmten Verhalten bei der Untersuchung und Beharrungsvermögen in der Durchsetzung der Interessen im Verlauf relativiert werden. Im Laborbefund habe sich kein Hinweis auf eine regelhafte bzw. ausreichend dosierte Schmerz- oder antidepressive Therapie ergeben. In der Zusammenschau der Vorgeschichte und des aktuell gegebenen Befundes sei das psychische Befinden bzw. Verhalten im Sinne einer Akkulturationsproblematik erklärbar.
Es bestehe eine Bewegungseinschränkung der LWS ohne sichere radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen, eine Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, eine mögliche rezidivierende depressive Störung sowie eine Anpassungsstörung nach Arbeitsunfall.
Orientierung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis, Antrieb und Affektivität seien uneingeschränkt. Die Partizipationsfähigkeit des Klägers sei nicht beeinträchtigt. Es ergäben sich Einschränkungen in Bezug auf die Wiederaufnahme der letzten Tätigkeit als Kraftfahrer bei Beschwerden im rechten Bein und in der LWS. Die lebenspraktischen Fähigkeiten hinsichtlich einer selbstständigen Lebensführung seien nicht eingeschränkt. Eine familiäre Integration als auch außerfamiliäre soziale Beziehungen seien möglich. Die Einschränkung bestünden im Wesentlichen in der Einengung des Denkens, des Erlebens in der Durchsetzung von Ansprüchen aus den Folgen des Arbeitsunfalls. Das Ausmaß der Auswirkung einer depressiven, hypochondrischen Störung auf die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei bei den bewusstseinsnah ausgeweiteten psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen nur eingeschränkt zu bewerten. Eine soziale Anpassungsstörung sei daraus nicht abzuleiten.
Der Teil-GdB aus der operierten Spinalkanalstenose sei mit 20 einzuschätzen, die berichteten depressiven Episoden und die Schmerzstörung könne unter Berücksichtigung der Befunde ein Teil-GdB von 20 anerkannt werden. Die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit Schmerzsymptomatik in der rechten Hüfte sei im Zusammenwirken mit einem GdB von 30 zu bewerten. Bei fehlenden Hinweisen auf kognitive Einschränkungen, Fehlen einer wesentlichen depressiven Verunsicherbarkeit und der Beschwerdepräsentation sei der Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten. Aufgrund des Befundes liege eine wesentliche Gehbehinderung nicht vor. Das Merkzeichen „B“ könne ebenfalls nicht begründet werden.
Im Nachgang ist der Entlassungsbericht der Klinik am V1 über die stationäre Behandlung vom 4. bis 25. Oktober 2022 vorgelegt worden. Danach habe sich im Ersteindruck eine ambivalent erscheinende Behandlungsmotivation gezeigt, Psychopharmaka würden derzeit keine eingenommen. Der FBA habe wegen Rückenschmerzen bei 20 cm gelegten, es zeigten sich Verspannungen der Muskulatur im HWS-LWS-Bereich. Es bestehe eine Bewegungseinschränkung bei Heben und Tragen von schweren Leisten (richtig: Lasten) bei langem Gehen, Sitzen und Stehen. Der Visus sei mit einer Brille korrigiert, das Hörvermögen regelrecht.
Psychisch sei das Interaktions- und Ausdruckverhalten besorgt und klagend, es bestünden keine Bewusstseinsstörungen. Der Kläger sei zu allen Qualitäten voll orientiert. Der Antrieb sei leicht vermindert, sozialer Rückzug werde berichtet. Eine Verstärkung körperlicher Beschwerden bei psychischer Belastung sei sichtbar geworden.
Als Auslöser der depressiven Symptomatik und der PTBS sowie der chronischen Schmerzstörung könne der Arbeitsunfall angenommen werden. Durch die empfundenen starken Schmerzen, die Beeinträchtigungen und die ungewollten Erinnerungen habe der Kläger eine depressive Symptomatik, eine Schmerzstörung und eine PTBS entwickelt. Bis zum Arbeitsunfall habe er regelmäßig gearbeitet und seine Familie problemlos ernähren können. Durch das Fehlen positiver Bewältigungsstrategien werde die Symptomatik aufrechterhalten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Februar 2023 abgewiesen. Die Depression sei mit einem Teil-GdB von 40 ausreichend bemessen, insbesondere habe B3 keinen Hinweis auf ein wesentliches depressives Erleben gesehen. Im Laborbefund habe kein Hinweis auf eine regelhafte bzw. ausreichend dosierte medikamentöse Therapie bestanden. Auch der letzte stationäre Behandlungsbericht verneine eine aktuelle psychiatrische und medikamentöse Behandlung. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Spinalkanalstenose seien mit einem GdB von 30 ebenfalls mit als ausreichend bewertet. C1 habe angegeben, dass der Kläger an einer intermittierenden Lumboischialgie mit Wurzelreizsyndrom L5 rechts neben einer Claudicatio spinalis bei degenerativen Veränderungen der LWS mit Spinalkanalstenose leide. Es läge ein sensibles Defizit, jedoch keine motorische Beteiligung vor. B3 habe eine Bewegungseinschränkung der LWS ohne sichere radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen festgestellt. Bei einem Teil-GdB von 40 für die seelischen Störungen, einem Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenveränderungen und einem Teil-GdB von 30 für die Einschränkungen der rechten Hüfte und des rechten Fußes in Zusammenschau mit dem chronischen Schmerzsyndrom sei ein Gesamt-GdB von 60 ausreichend und angemessen.
Am 9. März 2023 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass er nicht nur eine Pfannenfraktur erlitten habe, sondern auch der Hauptnerv in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Weiter einschränkend seien die noch in der Hüfte befindlichen Schrauben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Februar 2023 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 11. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2020 sowie unter weiterer Rücknahme des Bescheides vom 26. Juli 2018 einen Grad der Behinderung von mindestens 70 seit dem 2. August 2019 festzustellen,
hilfsweise, ein Sachverständigengutachten zu folgenden Fragen einzuholen:
Wurde bei den im Zusammenhang mit dem Unfall von 2017 erstellten Gutachten bzw. Operations- und Befundberichten sowie Behandlungen übersehen, dass im Zusammenhang mit der Fraktur in der Hüfte der Nervus ischiadicus geschädigt worden ist?
Ist davon auszugehen, dass spezielle Untersuchungen in Bezug auf die Schädigung des Nervus ischiadicus vor der Untersuchung des Herrn K3 am 9. Mai 2019 nicht erfolgt sind?
Hat die dauerhafte Schädigung des Nervus ischiadicus Folgen in Bezug auf den Grad der Behinderung des Klägers, indem dadurch – auch schmerzbedingt – seine Beweglichkeit erheblich eingeschränkt wird?
weiter hilfsweise, zu den Fragen ein Ergänzungsgutachten nach § 109 SGG bei M1 einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Sachverständigengutachten des M1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 27. Juni 2023 erhoben. Danach sei der Kläger an zwei Unterarmgehstützen mobilisiert gewesen, es würden immobilisierende Schmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein beklagt. Diese Problematik bestehe seit dem Arbeitsunfall vom 20. Juli 2017. Zusätzlich sei eine Spinalkanalstenose bekannt, die operiert worden sei. Die Beschwerden seien durch die Operationen nicht besser geworden, aktuell nehme er regelmäßig Schmerzmittel ein. Er beziehe nur eine kleine Rente und sei auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie angewiesen. Vor seinem Unfall habe er sehr viel gearbeitet, er sei lange Kraftfahrer gewesen und habe diese Tätigkeit bis zu dem Unfall intensiv ausgeführt.
Beim Betreten des Untersuchungszimmers sei das Gangbild auffällig unrund und unsicher gewesen. Das rechte Bein werde schlenkerartig nach vorne bewegt. Das Aus- und Anziehen gestalte sich schwierig. Der Kläger befinde sich in etwas reduziertem Ernährungs- und Allgemeinzustand. Er sei örtlich und zeitlich voll orientiert, klar bei Bewusstsein und antworte adäquat. Auffällig sei, dass der Kläger in der Lage sei, auf dem Stuhl normal zu sitzen. Dies sei vordergründig nur auf der linken Gesäßhälfte möglich, unter entsprechender Seitneigung nach links. Die rechte Gesäßhälfte werde leicht angehoben und das rechte Bein dabei abstützend zur Hilfe genommen.
Die Wirbelsäule sei achsgerade, die thorakale Kyphose sei normal, die Lendenlordose leicht abgeflacht, sodass sich im Sagittalprofil der Wirbelsäule eine relative physiologische Rückenform darstelle. Der Thorax sei symmetrisch regulär geformt. Die Taillendreiecke seien leicht asymmetrisch, Schulter- und Beckenstand fast gerade. Der FBA betrage 25 cm und sei damit reduziert. Die Beweglichkeit der HWS liege für Vor-/Rückneigung bei 40-0-35°, für Seitneigung rechts/links bei 30-0-30° und für die Rotation rechts/links bei 45-0-45°. Die Bewegungen könnten mit üblicher Geschwindigkeit ausgeführt werden. Es bestehe eine linksseitige Schmerzhaftigkeit in der Seit- und Rotationsbewegung. Die klinische Untersuchung ergebe einen leichten paravertebralen Muskelhartspann der tiefen Nackenmuskulatur sowie der vertebralen Gelenkrotatoren. Grobneurologisch ergebe sich kein Nachweis eines sensomotorischen Defizits im Schulterbereich.
An der BWS/LWS zeige sich kein relevanter paravertebraler Hartspann der BWS und keine segmentalten Sensibilitätsstörungen. Das Zeichen nach Ott liege bei 30:30,5 cm, das Zeichen nach Schober bei 10:12 cm. Die Seitneigung des Rumpfes sei mit 20-0-20° möglich, die Rotation mit 15-0-15°. Der FBA belaufe sich auf 25 cm. Die klinische Untersuchung ergebe keinen Druckschmerz der LWS, ein Stauchungsschmerz sei ebenfalls nicht auslösbar. Auffällig sei ein paravertebraler Druckschmerz der unteren LWS beidseits. Das Zeichen nach Lasèque sei links negativ, rechts deutlich positiv. Rechts bestehe ein klarer Dehnungsschmerz des Nervus ischiadicus. Die Beurteilung der groben Kraft zeige Kraftgrade V nach Janda. Bei der Überprüfung der Sensibilität bestehe ein Defizit in den Dermatomen L4 Bis S 1 rechtsseitig. Der ASR und der PSR seien rechts leicht abgeschwächt, der Zehen- und Hackenstand möglich.
Bei der Untersuchung der oberen Extremitäten zeigten sich beidseits freie und normgerechte Beweglichkeiten. Sensomotorische Defiziten seien nicht nachweisbar. An den unteren Extremitäten betrage die Beweglichkeit der Hüftgelenke für Streckung/Beugung 0-0-110° rechts und 0-0-120° links sowie die der Kniegelenke 0-0-130° beidseits.
In der Untersuchung zeige sich in der Beweglichkeit ein normwertiges Hüftgelenk mit einer Abduktionskraft von 5/5 nach Janda, ebenso bestehe eine Beugekraft von 5/5 nach Janda. Insgesamt sei die Beugung aber schmerzhaft eingeschränkt, insbesondere die Beugung und gleichzeitige Innenrotation des rechten Hüftgelenks. Ein Leistendruckschmerz oder Trochanterdruckschmerz bestehe nicht. Motorisch liege keine Auffälligkeit hinsichtlich einer Kraftschwäche vor. Die rechte untere Extremität zeige eine reduzierte Umfangsmessung gegenüber rechts. Auffällig sei ein sensibles Defizit in den rechten Dermatomen, die Reflexe der rechten Extremität seien ebenfalls gegenüber links abgeschwächt. Ein Druck- oder Klopfschmerz über der BWS oder der LWS liege nicht vor. Auffällig sei hingegen ein paravertebraler Druckschmerz der unteren LWS beidseits. Die oberen Extremitäten seien unauffällig, ebenso HWS und Kopf. Die Beschwerden hätten ihre Ursache in einer ausgeprägten mechanischen Irritation des Nervus ischiadicus an der am hinteren Acetabulum befindlichen eindrücklichen Ossifikationen. Die Neurolyse, das Abtragen der Ossifikationen und das Entfernen der einliegenden Platte sei dringend zu empfehlen, hierdurch sollten sich die Beschwerden deutlich bessern.
Das Beschwerdebild einer Spinalkanalstenose und die von dem Kläger vorgetragenen ischialgieformen Schmerzen rechts passten nicht wirklich zusammen. Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass die Wirbelsäulenoperation 2020 mit langstreckiger Versteifung der Wirbelkörper und Dekompression der Nervenwurzeln bei ihm keine Beschwerdelinderung hervorgerufen habe. In diesem Zusammenhang müsse darauf hingewiesen werden, dass es diesem vor dem Unfall problemlos möglich gewesen sei, einen LKW mit 300 kg schweren Paletten zu be- und entladen. Erst anschließend seien die ischialgieformen Schmerzen aufgetreten, welche so akut mit einer chronischen und vor dem Unfall weitgehend unauffälligen Spinalkanalstenose nur unzureichend zu erklären seien.
Die Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes sei mit einem Teil-GdB von 40, der Teilausfall des Nervus ischiadicus mit einem Teil-GdB von 30, die Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke von 50 bis 100 m mit einem Teil-GdB von 60, die erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaße mit einem Teil-GdB von 60 und die Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 50 zu bewerten. Im Funktionssystem „Beine und Rumpf“ ergebe sich ein GdB von 60, ebenso ein Gesamt-GdB von 60.
Zuletzt hat der Kläger den Bericht der B4 über die ambulante Untersuchung vom 2. Januar 2024 zur Akte gereicht. Danach habe sich an der rechten Hüfte eine reizlose Narbe gezeigt, die Beweglichkeit für Extension/Flexion habe bei 0-10-135° gelegen, die Innen-/Außenrotation sie mit 0-0-30° möglich gewesen. Bei Kraftminderung im rechten Bein seien die Gangvaria vorführbar und die Kennmuskulatur im Seitenvergleich nicht abgeschwächt.
Weiter ist der Befundbericht des O1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 15. Dezember 2023 vorgelegt worden. Dieser hat ausgeführt, dass der Befund status idem zu den vorigen Konsultationen gewesen sei. Der Fersenstand rechts sei nicht möglich aufgrund eines Kraftdefizit, nicht bedingt durch Schmerzen. In der Zusammenschau gehe er am ehesten von einer traumatischen Nervenläsion im Rahmen des Traumas aus. Der Kläger gebe an, dass sich die Schmerzen und Lähmungen mit dem Unfall eingestellt hätten. Die drei durchgeführten Wirbelsäulenoperationen hätten die Schmerzen nicht beeinflussen können.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 10. Februar 2023 mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB unter Abänderung des Bescheides vom 11. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 30. November 2020 sowie unter weiterer teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 26. Juli 2018 abgewiesen worden ist. Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „B“ mit dem Bescheid vom 21. August 2020 gesondert entschieden hat und im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid hierüber ausdrücklich nicht entschieden worden ist. Der Bescheid ist damit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).
Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 11. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, den Gesamt-GdB im Rahmen der Neufeststellung auf mehr als 60 zu erhöhen. Aus dem im Berufungsverfahren erhobenen Sachverständigengutachten des M1 ergibt sich nichts anderes, da dieser keine Befunde erhoben hat, die sich auf die GdB-Bewertung entscheidungserheblich auswirken. Darauf, dass seine rechtliche Bewertung des GdB nicht nachvollziehbar ist und nicht den einschlägigen Bewertungsvorgaben entspricht, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da es sich hierbei nicht um eine medizinische Frage handelt. Hinsichtlich des Gesamt-GdB hat er im Übrigen die Entscheidung des Beklagten mit 60 bestätigt. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigstens 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, nachdem zur Überzeugung des Senats gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 26. Juli 2018 jedenfalls keine weitere wesentliche Änderung eingetreten ist, als sie der Beklagte durch die Neufeststellung des GdB mit nunmehr 60 bereits berücksichtigt hat.
Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB nicht mehr als 60 beträgt.
Die vorwiegenden Funktionseinschränkungen des Klägers liegen im Funktionssystem „Rumpf“, welches insgesamt mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten ist.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.
Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Ausgehend von diesen Maßstäben liegen bei dem Kläger mittelgradige Einschränkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, die mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sind. Die Funktionseinschränkungen werden in erster Linie durch die Stabilisierungsoperation der LWS begründet, durch die die Entfaltung weitgehend aufgehoben ist, wie der Sachverständige B3 befundet hat. Passend hierzu hat der Sachverständige M1 das Zeichen nach Schober mit 10:12 cm und den FBA mit 25 cm bestimmt. Die Seitneigung des Rumpfes war mit nur 20-0-20° möglich, die Rotation mit 15-0-15° und damit hälftig eingeschränkt. Ebenso zeigte sich die Beweglichkeit der BWS mit einem Zeichen nach Ott von 30:30,5 cm limitiert.
An der HWS bestanden mit einer Beweglichkeit für Vor-/Rückneigung mit 40-0-35°, Seitneigung rechts/links 30-0-30° und Rotation 45-0-45° nur in einzelnen Bewegungsrichtungen mehr als endgradige Bewegungseinschränkungen, sodass in diesem Wirbelsäulenabschnitt das Ausmaß mittelgradiger Funktionseinschränkungen weiterhin nicht erreicht wird. Korrespondierend hierzu haben S2, dessen Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren der BG der Senat im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet, und der Sachverständige B3 eine freie Beweglichkeit der HWS befundet.
Der Teil-GdB im Funktionssystem ist aufgrund der gesicherten Spinalkanalstenose auf 40 zu erhöhen, nachdem diese mehrfach radiologisch gesichert werden konnte (vgl. die MRT Befunde aus 2015 und zuletzt aus 2022 [B2]) und auch operativ behandelt worden ist. C1 hat in seiner sachverständigen Zeugenauskunft hierzu schlüssig dargelegt, dass von der Spinalkanalstenose nur eine sensible, aber keine motorische Beteiligung ausgeht (vgl. auch den Rehabilitationsentlassungsbericht der Klinik K1), sodass diese – unter Berücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms – mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten ist (vgl. auch das Sachverständigengutachten des B3). Eine weitergehende Berücksichtigung scheidet insbesondere vor dem Hintergrund aus, dass B3 durch die Laboruntersuchungen nachweisen konnte, dass – entgegen der Angaben des Klägers z.B. gegenüber T2 – keine regelmäßige Schmerzmedikation eingenommen wird. Dass M1 die erneuten gegenteiligen Angaben ihm gegenüber überprüft hätte, lässt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen.
Dass der Kläger zuletzt gegenüber dem Sachverständigen B3 geschildert hat, unter keinen Rückenbeschwerden mehr zu leiden, ist erkennbar dem Umstand geschuldet gewesen, dass er – worauf der Sachverständige ausdrücklich hinweist – zunächst davon ausgegangen ist, dass es sich um eine Begutachtung hinsichtlich des Arbeitsunfalls handelt.
Eine weitere Erhöhung aufgrund der erlittenen Fraktur an der Hüfte scheidet demgegenüber aus.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 führt eine Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (Streckung/Beugung nur bis 0-10-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig zu einem GdB von 10 bis 20 und beidseitig zu einem GdB von 20 bis 30.
Eine derart ausgeprägte Bewegungseinschränkung besteht bei dem Kläger nicht. Vielmehr entnimmt der Senat dem Verlaufsbericht des Universitätsklinikums F3 vom 27. September 2019, damit zeitnah zum Zeitpunkt des Neufeststellungsantrages, dass die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks bei 0-10-120° gelegen hat, sich also eine Einschränkung der Streckung zeigte, die Beugung aber deutlich über 90° lag. Eine wenigstens geringgradige Einschränkung im Sinne der VG besteht daher nicht. Der weitere Verlaufsbericht vom 6. März 2020 beschreibt keine Limitierung der Streckung mehr (0-0-120°) und M1 hat die Beweglichkeit – korrespondierend zu den Vorbefunden – mit 0-0-110° rechts und 0-0-120° links befundet. Nichts anderes ergibt sich aus dem zuletzt vorgelegten Bericht der B5, die die Beweglichkeit mit 0-10-135° befundet hat und damit geringer eingeschränkt als noch bei M1. Dementsprechend hat S2 für den Folgezustand nach dem Arbeitsunfall nur eine MdE von 10 v.H. gesehen und die BG hat gestützt hierauf einen Anspruch auf Verletztenrente abgelehnt.
Soweit M1 eine Spinalkanalstenose in Zweifel zieht und stattdessen eine Schädigung des Nervus ischiadicus sehen will, folgt hieraus nichts Anderes. Für die Feststellung des GdB kommt es nämlich nur auf die finale Betrachtung der Funktionseinschränkungen und nicht auf deren Ursächlichkeit an. Dementsprechend entnimmt der Senat bereits dem Bericht der P1-klinik K1, dass sich nicht abgrenzen lässt, welche der geklagten Beschwerden der Spinalkanalstenose zuzuschreiben sind und welche sich als Folgen der Hüftverletzung darstellen, da eine gegenseitige Überlagerung besteht. Dem hat sich die D2 angeschlossen. Daraus folgt für die Bewertung des GdB gleichzeitig, dass die Funktionseinschränkungen einheitlich im Funktionssystem „Rumpf“ zu bewerten sind, auch wenn die Auswirkungen sich vorwiegend im Funktionssystem „Beine“ zeigen. Eine Doppelbewertung scheidet jedenfalls aus.
Nicht entscheidungserheblich ist daher, dass M1 seine These zur klinischen Irrerelevanz der Spinalkanalstenose auf unzutreffende Anknüpfungstatsachen stützt, wenn er glauben machen will, der Kläger habe seiner beruflichen Tätigkeit als LKW-Fahrer mit dem Bewegen schwerer Lasten vor dem Arbeitsunfall uneingeschränkt nachkommen können. Vielmehr ist schon dem Rehabilitationsentlassungsbericht der F2-klinik aus 2016, damit vor dem Unfall, zu entnehmen, dass das Leistungsvermögen in der Tätigkeit als LKW-Fahrer wegen der Wirbelsäulenbeschwerden auf drei- bis unter sechs Stunden eingeschätzt und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben empfohlen wurden. Die von M1 angenommene Leistungsfähigkeit hat daher tatsächlich nicht bestanden. Ebenso stützt sich O1 nur auf die anamnestischen Angaben des Klägers, ohne diese zu hinterfragen, sodass seine Darlegungen schon deshalb nicht überzeugen können.
Soweit. M1 einen Einzel-GdB von 30 allein wegen der Schädigung des Nervus ischiadicus sehen will, überzeugt dies nicht. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 führt der vollständige Ausfall des Nervens zu einem GdB von 60, bei dem Kläger besteht indessen – nach M1 – nur eine mechanische Irritation. Diese begründet, so M1 weiter, nur einen Dehnungsschmerz, die grobe Kraft war jedoch nicht eingeschränkt. Motorische Auffälligkeiten werden von dem Sachverständigen ausdrücklich verneint und nur auf ein auffälliges sensibles Defizit verwiesen.
Gegen eine Höherbewertung spricht weiter, dass der B3, für den Senat überzeugend, herausgearbeitet hat, dass die symmetrische Oberschenkel-, Unterschenkel- und Fußmuskulatur ebenso wie die seitengleichen Belastungszeichen über den Knien im Gegensatz zu dem präsentierten Gangbild mit gestreckt gehaltenem Knie und der Benutzung eines Unterarmgehstocks stehen, der behauptete Mindergebrauch also unplausibel ist. Weiter weist er darauf hin, dass die angegebenen Sensibilitätsstörungen neurologisch nicht einzuordnen, also anatomisch nicht schlüssig gewesen sind. Passend hierzu ist schon in der KSR keine objektive Notwendigkeit zur Nutzung von Unterarmgehstützen gesehen worden und die B6-Klinik hat Gang- und Stand als unbeeinträchtigt beschrieben wie Nervendehnungszeichen verneint.
Aus Vorstehendem folgt gleichzeitig, dass ein Teil-GdB im Funktionssystem „Beine“ nicht besteht. Soweit sich aus der Spinalkanalstenose bzw. der von M1 gesehenen Schädigung des Nervus ischiadicus Auswirkungen auf die Beine ergeben, sind diese bereits durch die Erhöhung des Teil-GdB im Funktionssystem „Rumpf“ berücksichtigt, eine Doppelbewertung darf nicht erfolgen (vgl. oben). Dies ist versorgungsärztlich mehrfach nicht beachtet worden, wenn trotz freier Beweglichkeit der Hüftgelenke und bereits berücksichtigter Erhöhung des Teil-GdB im Funktionssystem „Rumpf“ aufgrund der Spinalkanalstenose im Funktionssystem „Beine“ zusätzlich ein Teil-GdB bis zu 40 (vgl. insbesondere die versorgungsärztliche Stellungnahme des S1) gesehen worden ist. C1 hat in diesem Zusammenhang auch zu Recht in Frage gestellt, ob die Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ vorgelegen haben, was vorliegend nicht streitgegenständlich ist.
Soweit der Kläger bei dem Sachverständigen B3 eine Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit demonstriert hat, hat dieser bereits schlüssig dargelegt, dass die seitengleichen Belastungszeichen über den Knien mit der angebotenen Beugehemmung nicht vereinbar gewesen sind. Eine Prüfung der Beweglichkeit scheiterte bei B3 an dem Gegenspannen des Klägers. Die Richtigkeit der Schlussfolgerungen ist indessen durch den Sachverständigen M1 bestätigt worden, da dieser die Beweglichkeit beider Kniegelenke mit 0-0-130° und damit nicht wenigstens geringgradig eingeschränkt im Sinne der VG, Teil B, Nr. 18.14 (Streckung Beugung nur bis 0-0-90°) befundet hat. Dies korrespondiert wiederum mit den Darlegungen der B6-Klinik, dass Gang- und Stand nicht eingeschränkt gewesen sind (vgl. bereits oben).
Im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ beträgt der Teil-GdB, entgegen der versorgungsärztlichen Darlegungen (vgl. insbesondere die versorgungsärztliche Stellungnahme des H2), nicht mehr als 20, wie letztlich auch vom Sachverständigen B3 angenommen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Krankenversicherung) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).
Diese Maßstäbe sind vorliegend anzuwenden und es ist keine Beurteilung nach den VG, Teil B, Nr. 3.1.1 (Grundsätze der Bewertung von Hirnschäden) vorzunehmen, nachdem sich der in der KSR zunächst geäußerte Verdacht auf einen Hirnschaden durch den Arbeitsunfall in der MRT des Schädels nicht bestätigt hat, also Traumafolgen im Gehirn ausgeschlossen werden konnten.
Mehr als eine leichtere psychische Störung ist bei dem Kläger nicht objektiviert, wie sich aus den überzeugenden Darlegungen des B3 ergibt. Dieser hat bei dem Kläger vielmehr Auffassung, Gedächtnis und Merkfähigkeit als unauffällig befundet. Die Schwingungsfähigkeit war trotz des Schmerzausdruckes erhalten, ein konzentriertes und zielbestimmtes Verhalten möglich, so dass im Wesentlichen ein Normalbefund besteht. Soweit in den Vorbefunden (vgl. insbesondere die sachverständige Zeugenauskunft der M3) eine PTBS thematisiert worden ist, konnte B3 eine solche schlüssig ausschließen. Der Kläger war in der Untersuchung nämlich in der Lage, detailliert und wiederholt über das Unfallereignis zu berichten, ohne dass sich ein erkennbares Hyperarousal zeigte. Wie plausibel die Annahme einer PTBS ist, obwohl der Kläger eine zeitweise Bewusstlosigkeit nach dem Unfallereignis schildert, kann deshalb dahinstehen. Dass der Unfallhergang in der B6-Klinik hinreichend hinterfragt worden wäre, lässt sich dem Entlassungsbericht nicht entnehmen. Im Übrigen ist der Kläger auch dort als wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert beschrieben worden. Die leichten Beeinträchtigungen von Auffassung und Gedächtnis sowie die deutlicheren von Konzentrations- und Merkfähigkeit konnte der Sachverständige B3 nicht bestätigen. Ebenso haben sich die von dem Gutachter K3 beschriebenen Einschränkungen nicht bestätigt, abgesehen davon, dass sich auch dieser weder mit dem Unfallereignis selbst hinreichend auseinandergesetzt, noch die Angaben des Klägers, im Gegensatz zu B3, kritisch hinterfragt hat.
Für den Senat überzeugend hat B3 dargelegt, dass sich bei dem Kläger psychopathologisch eine ausgeprägte Präsentation von Hilflosigkeit zeigte, während Ausdruck, Psychomotorik, Konzentration und Affektmodulation keine Hinweise auf ein wesentliches depressives Erleben ergaben. Vielmehr müssen die Beschwerdeangaben, so der Sachverständige weiter, im Hinblick auf die Fähigkeit zu zielbestimmten Verhalten bei der Untersuchung und dem Beharrungsvermögen in der Durchsetzung der Interessen im Verlauf deutlich relativiert werden. Dass eine inhaltliche Einengung auf die empfundenen Ungerechtigkeiten bestehe, ist bereits von der B6-Klinik dargelegt, aber nicht gewürdigt worden, was B3 demgegenüber getan hat.
Die Ausführungen des B3 werde letztlich dadurch gestützt, dass seine Laboruntersuchungen einen negativen Befund hinsichtlich der regelmäßigen Einnahme von Antidepressiva (zum negativen Befund auch hinsichtlich Schmerzmitteln vgl. bereits oben) ergeben haben. Passend hierzu hat auch die Klinik V1 dokumentiert, dass keine Psychopharmaka eingenommen werden. Auch wenn die Angaben des Klägers wiederum nicht kritisch hinterfragt worden sind, lässt sich dem Bericht ebenso nur ein leicht verminderter Antrieb entnehmen, bei voller Orientierung zu allen Qualitäten, was der Bewertung des B3 nicht entgegensteht.
Im Funktionssystem „Augen“ (vgl. VG, Teil B, Nr. 4.3) sowie im Funktionssystem „Ohren“ (vgl. VG, Teil B, Nr. 5.2.1) bestehen keine Teil-GdB, nachdem dem Entlassungsbericht der Klinik V1 zu entnehmen ist, dass der Visus mit einer Brille korrigiert und das Hörvermögen regelrecht ist.
Aus den Teil-GdB von 40 im Funktionssystem „Rumpf“ und 20 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ lässt sich bereits der vom Beklagten angenommene Gesamt-GdB von 60 nicht bilden, jedenfalls aber kein höherer.
Die zuletzt gestellten Beweisanträge hat der Senat abgelehnt, insbesondere ist der Sachverhalt nach Einholung von zwei Gutachten allein im Schwerbehindertenverfahren ausreichend ausermittelt. Das gilt umso mehr, als der klägerische Bevollmächtigte verkennt, dass es für die Bewertung einer Behinderung allein auf die Auswirkungen im täglichen Leben, nämlich der Teilhabe, ankommt, wie es in § 2 Abs. 1 SGB IX zum Ausdruck kommt. Für das vorliegende Verfahren ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, welche Gründe die Funktionseinschränkungen haben. Es bedarf also keiner Abgrenzung, ob die Behinderung konkret Folge einer Spinalkanalstenose, einer möglichen Schädigung des Nervus ischiadicus oder anderer Ursachen ist (Beweisfrage 1). Dessen ungeachtet ist die Frage, ob spezielle Untersuchungen in Bezug auf die – vermeintliche – Schädigung des Nervus ischiadicus nicht erfolgt sind, auf eine negative Tatsache gerichtet und damit einer Beantwortung durch einen Sachverständigen schon gar nicht zugänglich. Soweit die Frage auf die Motive der behandelnden Ärzte abzielt, von entsprechenden Untersuchungen abzusehen, läge eine reine Ausforschung des Sachverhaltes vor, die schon nicht beansprucht werden kann. Ihre Beantwortung würde an den fehlenden Befunden im Übrigen nichts ändern. Darüber hinaus ist die Frage schon deshalb nicht entscheidungserheblich, da es – anders als in der Unfallversicherung – einer finalen und keiner kausalen Betrachtung bedarf.
Darauf, ob eine mögliche Schädigung des Nervus ischiadicus bei Behandlungen oder Untersuchungen zuvor übersehen worden sein könnte, kommt es somit ebenfalls nicht an (Beweisfrage 2), muss folglich ebenso nicht im Rahmen der Frage der Schwerbehinderung weiter aufgeklärt werden. Die Beweisfrage 3 geht schon davon aus, dass die in den beiden Beweisfragen zuvor noch als kontrovers gesehene Frage, ob eine dauerhafte Schädigung des Nervus ischiadicus vorliegt, als Anknüpfungstatsache voraussetzt wird.
Auch insoweit gilt, dass maßgebend allein der Funktionsbefund, nämlich die beschriebene Irritation des Nervs, also keinesfalls ein Totalausfall des Nervs ist. Die behauptete schmerzbedingte Einschränkung der Beweglichkeit ist somit ebenfalls geklärt.
Die für die Entscheidung maßgebenden und allein entscheidenden Funktionsbefunde sind durch die eingeholten ärztlichen Befundberichte und die Sachverständigengutachten bereits erhoben worden, so dass kein weiterer Aufklärungsbedarf von Amts wegen besteht. Die darauf gestützte Bewertung nach den VG ist ohnehin eine rechtliche Frage, die keiner Klärung durch Sachverständige zugänglich ist. Welche Bewegungseinschränkungen vorliegen, ist zuletzt durch den Sachverständigen M1 schon beantwortet worden, eine weitere Beweiserhebung durch ergänzende Befragung desselben auch deshalb nicht durchzuführen, weil es das eine wiederholende Beweiserhebung darstellen würde, auf die kein Anspruch besteht.
Der weitere Antrag, auf ergänzende Anhörung des M1 gemäß § 109 SGG war – außer aus den oben bereits dargelegten Gründen – nach § 109 Abs. 2 SGG als verspätet abzulehnen, nachdem die Terminsbestimmung bereits am 17. Januar 2024 zugestellt und der Antrag erst am 28. Februar 2024 gestellt worden ist. Die Zulassung des Antrags würde jedenfalls zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 4271/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 774/23
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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