L 6 SB 2323/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 2823/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2323/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Juli 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die höhere Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 30.

Er ist 1963 geboren, hat nach der Hauptschule eine Ausbildung zum Fachmann für Handel und Versand abgeschlossen und war bei einer Firma für Aluminiumprodukte im Zweischichtsystem als Arbeiter in der Produktion, zuletzt in der Abfallentsorgung beschäftigt. Seit 2022 ist er krankgeschrieben und steht nach seinen Angaben – bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis – vor der Aussteuerung. Die Ehefrau des Klägers, mit der er seit 2019 verheiratet war, ist im Oktober 2023 an Darmkrebs verstorben, seitdem bewohnt der kinderlose Kläger die Mietwohnung alleine und versorgt seine vier Katzen (vgl. Anamnese B1 und V1).

Am 15. Januar 2020 beantragte er bei dem Landratsamt K1 (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der Klinik in der Z1, Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, über die stationäre Behandlung vom 15. September bis 25. Oktober 2019. Danach habe der Kläger angegeben, dass sich seine Depressionen seit einem Jahr erneut verschlechtert hätten. Er leide unter einer gedrückten Stimmungslage, innerer Unruhe, einer Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Er sei massiv angespannt und fühle sich kraftlos. Seine Kaufsucht (Internet) sei weiterhin vorhanden.

Vom äußeren Erscheinungsbild und Verhalten habe der Kläger altersentsprechend gewirkt, die Stimmungslage sei durchgängig gedrückt, die affektive Schwingungsfähigkeit in Richtung des depressiven Pols herabgesetzt. Auffassung und Merkfähigkeit seien ebenso wie das Alt- und Kurzgedächtnis intakt. Der Rapport sei flüssig, der Kläger bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert. Das Denken sei grüblerisch eingeengt, aber inhaltlich unauffällig. Anamnestisch sei die letzte schwere depressive Episode vor circa 10 Jahren nach der Trennung von der letzten Partnerin gewesen. Klinisch habe ein ausgeprägter Muskelhartspann im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und Brustwirbelsäule (BWS) bestanden, ansonsten seien die Wirbelsäule und die Extremitäten ohne Befund gewesen, ebenso sei der orientierende neurologische Befund unauffällig.

Der Kläger gebe an, kaum den Haushalt bewältigen zu können, er fühle sich träge und phlegmatisch. Der Schlaf sei gestört, er könne schlecht ein- und durchschlafen. Seit Jahren habe er eine Kaufsucht, kaufe in „stressigen Zeiten“ impulsiv vor allem Technikgeräte, CDs, DVDs sowie Bücher, teils ohne diese anschließend zu benutzen. Er leide unter Zwangshandlungen, müsse jeden Morgen mehrere Räume kontrollieren, bevor er das Haus verlassen könne.

Gegen Ende der Behandlung habe sich die depressive Stimmung sowie der Antrieb deutlich gebessert gezeigt. Der Kläger habe sich gut psychophysisch stabilisieren, körperlich gut erholen und konstruktive Einsichten in die eigenen Verhaltens- und Beziehungsmuster sowie seine Persönlichkeitsstruktur erlangen können. Ebenfalls habe sich ein verstärktes Bewusstsein für emotionale Kommunikation insbesondere im Kontakt mit der Partnerin und der Mutter abgezeichnet. Eine leichte Grübelneigung sowie Zukunftssorgen in Bezug auf die Zeit nach Entlassung hätten persistiert. Ebenfalls seien Kontroll- und Waschzwänge sowie eine erhöhte innere Anspannung weiter vorhanden gewesen. Eine ambulante Psychotherapie werde empfohlen.

K2 bewertete versorgungsärztlich die seelische Störung, die Suchtkrankheit (Kaufsucht) und die Zwangshandlungen mit einem GdB von 30, den das LRA mit Bescheid vom 4. März 2020 ab dem 15. Januar 2020 feststellte.

Am 28. April 2021 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB und machte unter anderem einen Diabetes geltend, der mit Metformin 1000 (1-0-1) und einer entsprechenden Diät therapiert werde.

Das LRA holte den Befundschein des H1 ein, der eine weiterhin zunehmende depressive Verstimmung, Angstzustände, Stress und Konflikte am Arbeitsplatz beschrieb, weiter eine Spiel- und Kaufsucht. Die Behandlung erfolge medikamentös mit Sertralin 50 mg (1-0-0) und Gesprächstherapie.

Der S1 teilte mit, dass der Diabetes des Klägers mit Metformin behandelt werde, Hypoglykämien träten keine auf. Blutzuckermessungen seien momentan nicht notwendig. Der Langzeitwert (HbA1c) liege bei 5,9 %.

H2 sah versorgungsärztlich für den Diabetes keinen Teil-GdB von wenigstens 10 und weiterhin einen Gesamt-GdB von 30.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2021 lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag ab, da keine wesentliche Änderung eingetreten sei.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass wegen der depressiven Erkrankung bereits drei Klinikaufenthalte erforderlich gewesen seien. Diese müsse als chronifiziert betrachtet werden. In der Vergangenheit sei es wegen der Depression zu langen Fehlzeiten gekommen, weshalb eine Wiedereingliederung durchgeführt worden sei. Die Kauf- und Spielsucht sei mittlerweile so ausgeprägt, dass man ihm keine Verfügung über seine Bankkonten mehr belassen könne. Seine Ehefrau habe sämtliche Kreditkarten an sich nehmen müssen, um unsinnige Ausgaben zu vermeiden. Die Kontrollzwänge seien so ausgeprägt, dass er das Haus nicht verlassen könne, ohne alles kontrolliert zu haben. Wegen des Waschzwanges bestünden bereits Hautprobleme, er sei nicht mehr davon abzuhalten, die Hände mit Benzin zu waschen. Weiter bestünden relevante Probleme an der Wirbelsäule, hier habe ein Bandscheibenvorfall bereits ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit geführt.

Das LRA holte den Befundschein des S2 ein, der gelegentliche Vorstellungen des Klägers wegen Rückenschmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) beschrieb. Fachärztliche Befunde lägen ihm hierzu keine vor. Es bestehe ein rezidivierendes endogenes Ekzem, welche mit lokaler Therapie gut behandelbar sei. Der Kläger sei wiederholt vorstellig geworden wegen leichter bis mittelgradiger (depressiver) Episoden und leide unter Kaufsucht. Der Diabetes sei diätisch gut eingestellt, Folgeschäden seien nicht bekannt.

M1 legte versorgungsärztlich dar, dass drei stationäre Aufenthalte des Klägers dokumentiert seien. Nach dem Aufenthalt 2019 sei es zu einer guten Teilremission gekommen, es habe eine verbesserte Affektwahrnehmung bestanden und eine emotionale Stabilisierung. Fortbestehend seien eine leichte Grübelneigung, Kontroll- und Waschzwänge gewesen, psychotische Symptome hätten sich nicht gezeigt. Das Ausmaß einer schweren Zwangskrankheit lasse sich weder dem Bericht über die stationäre Behandlung noch aus dem Berichten des Psychiaters entnehmen. Weder die Hauterkrankung noch das Wirbelsäulenleiden könnten mit Teil-GdB von mehr als 10 bewertet werden.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S3 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2021 zurück. Eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten, da keine Verschlimmerung vorliege. Nach dem dritten stationären Aufenthalt 2019 habe eine gute Teilremission erzielt werden können. H1 berichte über eine depressive Verstimmung, Angstzustände auf dem Hintergrund von Stress und Konflikten am Arbeitsplatz, weiterhin werde eine Spielsucht angegeben. Die Behandlung erfolge mit Sertralin 50 mg und Gesprächstherapie. Das Ausmaß einer schweren Störung, wie z.B. einer schweren Zwangskrankheit werde nicht erreicht. Das endogene Ekzem sei unter lokaler Behandlung gut beherrschbar, ein messbarer GdB folge daraus nicht. Ein GdB-relevantes Wirbelsäulenleiden sei nicht festgestellt worden, es erfolge nach den Angaben des Hausarztes nur eine gelegentliche Vorstellung wegen Rückenschmerzen.

Am 22. Dezember 2021 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat.

Der S4 hat über eine einmalige Vorstellung am 16. September 2021 berichtet. Der Kläger habe über ein gewisses Instabilitätsgefühl im Bereich der Wirbelsäule berichtet. Es habe kein Sensibilitätsdefizit und keine Einschränkung der Kraft bestanden. Im Röntgen habe sich eine Osteochondrose vorwiegend der LWS gezeigt.

Der S2 hat angegeben, den Kläger seit 2015 zu behandeln. Bei chronischer psychovegetativer Überlastung und rezidivierenden depressiven Episoden schätze er den GdB auf 30.

Der S1 hat bekundet, den Kläger diabetologisch zu behandeln. Zu einer kardiologischen Untersuchung sei er nicht erschienen. Die letzte Vorstellung sei am 26. April 2021 erfolgt.

Der H1 hat ausgeführt, den Kläger zuletzt am 14. Juni 2022 behandelt zu haben. Seit April 2021 bestünden depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, Angstzustände und Konzentrationsstörungen. Er gebe an, ohne medikamentöse Unterstützung nicht schlafen zu können. Zwangsgedanken und Kontrollzwänge seien beschrieben worden, es bestünden Konzentrationsstörungen, Kommunikationsschwierigkeiten am Arbeitsplatz und in der Beziehung zu seiner Familie. Es komme zu zunehmenden depressiven Episoden und chronischen Schmerzen im HWS- und LWS-Bereich. 2021 seien somatoforme Erkrankungen wie Diabetes Mellitus festgestellt worden, ein GdB von 60 werde empfohlen. Eine stationäre Behandlung habe nicht stattgefunden.

Zur Akte ist der vorläufige Arztbrief der Medizinischen Klinik des Gesundheitsverbundes Landkreis K1 über die stationäre Behandlung vom 29. Juli bis 4. August 2022 gelangt. Der Kläger habe über seit Tagen zunehmende schmerzhafte Gelenkschwellungen, insbesondere an den Händen, Sprunggelenken und Knien berichtet. Seit wenigen Tagen sei Fieber hinzugekommen, vor einer Woche habe ein antibiotisch behandelter Harnwegsinfekt bestanden. Im Labor habe sich ein erhöhtes CRP gezeigt. In der Zusammenschau der Befunde sei eine reaktive Arthritis anzunehmen, das rheumatologische Labor sei unauffällig gewesen. Unter Ibuprofen sei es zu einer partiellen Remission der Schmerzen, Gelenkschwellungen und Entzündungsparameter gekommen. Eine ambulante kardiologische Verlaufskontrolle werde empfohlen. Die Computertomographie (CT) habe keine Lungenarterienembolie, keine Infiltrate und keine Pleuraergüsse gezeigt. In der Echokardiographie bestehe eine mittelschwere pulmonale Hypertonie.

Weiter ist der vorläufige Arztbrief sowie der Entlassungsbericht der M2 S5-Klinik über die stationäre Behandlung und Rehabilitation vom 17. August bis 23. September 2022 vorgelegt worden. Die Aufnahme sei zur diagnostischen Abklärung und Therapieeinstellung erfolgt. Der Kläger sei in gutem Allgemein- und adipösen Ernährungszustand gewesen. Es fänden sich synovitische Schwellungen über beiden Sprunggelenken, an der BWS und LWS bestehe kein Klopfschmerz. Neurologisch imponierten keine Auffälligkeiten. Die Sonographie der Sprunggelenke zeige einen mit einer Sprunggelenksynovitis beidseits vereinbaren Befund. Die Kniegelenke wiesen kleine Gelenkergüsse vauf, vereinbar mit einer Kniegelenksynovitis beidseits.

Die Entlassung für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metallarbeiter sei noch als arbeitsunfähig erfolgt. Bei weiter rückläufigen Beschwerden sei zu erwarten, dass der Kläger die letzte Tätigkeit wieder ausüben können. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine vollschichtige Leistungsfähigkeit. Psychisch sei der Kläger freundlich zugewandt, zeitlich, örtlich und zur Person orientiert, inhaltliche oder formale Denkstörungen zeigten sich keine.

Im psychiatrischen Konzil habe der Kläger depressive Symptome seit mehr als 10 Jahren berichtet. Die Probleme hätten mit Mobbing am Arbeitsplatz begonnen, insgesamt habe er sich dreimal einer psychosomatischen Behandlung unterziehen müssen. Alle drei Wochen werde eine ambulante Gesprächstherapie durchgeführt, hierunter sei es zu einer guten Stabilisierung gekommen. Die Spielsucht habe er überwunden, die Kaufsucht könne er besser kontrollieren. Vor drei Jahren habe er erstmals geheiratet, die finanzielle Aufsicht habe er seiner Ehefrau übergeben, womit er gut zu Recht komme. Seine 89-jährige Mutter und die körperlich behinderte Schwester wohnten in der Nähe, um diese kümmere er sich nebenbei. Mit Sertralin morgens und Amineurin abends bestehe eine gute Kompensation.

Der Kläger habe motiviert und regelmäßig an allen Anwendungen teilgenommen, Komplikationen seien keine aufgetreten. Durch die Steroidbehandlung mit Lodotra sei es zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden gekommen. Das CRP sei während des Aufenthaltes negativ geworden und die Hautveränderungen komplett verschwunden.

Der Kläger sei zur Rheumakomplextherapie mit massiven Arthriden und einem Erythema nodosum aufgenommen worden. Unter medikamentöser Behandlung sei es zu einer deutlichen Besserung der Gelenkschmerzen und Schwellungen beidseits gekommen, die Hautveränderungen hätten sich deutlich weniger druckschmerzhaft gezeigt. Die Laborbefunde hätten einen negativen HLA B27 mit negativer Autoimmunserologie ergeben. Insgesamt habe die Symptomatik ganz erheblich verbessert werden können.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des S6 vorgelegt. Danach seien die Angaben des H1 nicht geeignet, eine Änderung des festgestellten GdB zu begründen. Es sei weder eine schwere seelische Störung dokumentiert, noch seit Oktober 2019 eine stationäre Behandlung erfolgt. Die seelische Störung sei nicht mehr als mittelgradig ausgeprägt.
Weiter hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des B1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 17. Mai 2023 erhoben. Diesem gegenüber hat der Kläger berichtet, alleine mit dem eigenen PKW angereist zu sein, Fahrtauglichkeit werde angegeben.

Er habe eine Depression, es falle ihm schwer, Dinge zu erledigen. Manchmal sitze er eine halbe Stunde, ohne etwas zu machen. Er leide unter einer Kaufsucht, wenn es ihm nicht gut gehe, kaufe er CDs und Filme, aber auch unverhältnismäßig viele Lebensmittel. Wenn er das Haus verlasse, müsse er alles kontrollieren. Beim Kontrollieren dürfe nichts dazwischenkommen, sonst müsse er wieder von vorne beginnen. Letztlich bestehe ein Waschzwang, er müsse sich die Hände waschen, vor allem, wenn etwas klebrig oder fettig sei. Vor längerer Zeit habe er dazu mal Benzin genutzt. Von dieser Waschmethode habe er sich distanzieren können. An körperlichen Beschwerden bestünden gelegentliche Schmerzen in den Händen, vor allem den Fingergelenken.

Neurologisch habe sich ein aufrechter, flüssiger Gang mit normaler Schrittlänge und Geschwindigkeit sowie physiologischer Mitbewegung der Arme gezeigt. Die Muskeleigenreflexe seien seitengleich mittellebhaft auslösbar, das Zeichen nach Lasèque beidseits negativ. Fußspitz- und Fersengang seien problemlos möglich, in der Einzelprüfung bestehe allseits ein Kraftgrad 5. Die Feinmotorik sei beidseits intakt, es zeigten sich keine Paresen, keine umschriebenen Muskelarthrophien und ein regelrechter Muskeltonus. Trophische Veränderungen würden verneint. Die Koordination sei sicher, ohne gerichtete Fallneigung. Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfindung sowie Vibrations- und Gelenklagempfindung seien allseits regelrecht.

Psychisch sei der Kläger wach, zeitlich, örtlich, situativ und zur Person voll orientiert. Im Gespräch sei er anfangs zurückhaltend, im Verlauf zunehmend lebhafter, mitteilsam und kooperativ. Hinweise auf formale der inhaltliche Denkstörungen zeigten sich nicht. Der Gedankengang sei flüssig und präzise, ohne Hinweis auf Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Die Stimmung zum Zeitpunkt der Untersuchung sei euthym, wenngleich der Kläger eine depressive Symptomatik berichte. In Abhängigkeit der Inhalte habe er spontan gelacht, affektiv sei er gut modulationsfähig und auslenkbar. Anamnestisch bestünden Hinweise auf eine anankastische Persönlichkeitsstruktur mit Kontrollimpulsen und gelegentlichen Kontrollzwängen, ohne dass die Symptomatik den beruflichen oder privaten Alltag allzu sehr störe. Eine relevante Antriebsstörung bestehe nicht, eine psychomotorische Anspannung sei nicht zu erkennen. Wahrnehmungsstörungen bestünden keine, Mnestik und höhere kognitive Funktionen seien ungestört. Hinweise auf Simulation oder Aggravation fänden sich nicht.

Es habe sich ein weitgehend regelrechter psychischer Befund gezeigt, derzeit ohne Hinweise auf das Vorliegen einer tiefergehenden depressiven Störung. Die 33 Punkte im Beck’schen Depressionsinventar entsprächen einer schweren depressiven Störung, was weder mit dem Tagesablauf noch der Alltagskompetenz und auch nicht mit dem psychischen Befund vereinbar sei. Der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Sertralin habe laborchemisch im unteren therapeutischen Bereich gelegen, Amitryptilin sei im Serum nicht nachweisbar gewesen.

Der Kläger sei problemlos in der Lage, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen und sich um seine schwer kranke Ehefrau zu kümmern. Daneben werde die 89-jährige Mutter versorgt. Die berichteten Kontrollzwänge und Kontrollgedanken erfüllten nicht die Kriterien einer Zwangsstörung, vielmehr sei eine zwanghaft anankastische primäre Persönlichkeitsstruktur des Klägers gegeben. Die Symptomatik sei nicht derart schwer ausgeprägt, dass sie einer mittelschweren oder schweren seelischen Beeinträchtigung entspräche. Soweit ein chronisches Schmerzsyndrom beschrieben werde, finde sich kein interventionelles Verfahren zur Therapie der Schmerzen. Auf die regelmäßige Einnahme eines Analgetikums sei der Kläger nicht angewiesen. Der bisherige GdB von 30 sei adäquat eingeschätzt.

Die derzeitigen psychischen Symptome in Form einer weitgehend remittierten, aber medikamentös behandelten depressiven Störung, die Zwangshandlungen einschließlich der Kaufsucht, seien mit einem GdB von 30 zutreffend bewertet. Dies beinhalte bereits eine Limitierung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die bei dem Kläger gegenwärtig nicht zu erkennen sei. Auf neurologischem Fachgebiet beständen keine Einschränkungen. Der Einschätzung des H1 mit einem GdB von 60 könne nicht gefolgt werden, da diese nicht an den Bewertungsvorgaben orientiert sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2023 abgewiesen. Für die seelische Störung mit Kauf- und Spielsucht sowie Kontrollzwang betrage der GdB 30, der Ansatz eines höheren GdB komme nicht in Betracht. Dagegen spreche der von dem Sachverständigen B1 erhobene psychische Befund. Dieser habe ebenfalls dargelegt, dass eine bewertungsrelevante Schmerzerkrankung nicht bestehe. Die Wirbelsäulenerkrankung sei mit einem Teil-GdB von 10 zu berücksichtigen, aus dem Diabetes folge ein solcher nicht.

Am 11. Juli 2023 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das Sachverständigengutachten leide an einem erheblichen Mangel, da es den Widerspruch zwischen dem Ergebnis der rudimentär durchgeführten Testverfahren und dem gutachterlichen Fazit nicht auflöse. Seine – des Klägers – Fehlzeit habe im Jahr 2022 fünf Monate betragen und im Jahr 2023 habe er noch keinen einzigen Tag gearbeitet. Die Beeinträchtigungen seien bereits im Entlassungsbericht der Klinik in der Z1 vom 27. November 2019 thematisiert worden. Weiter hat er eine Aufstellung über Krankheitszeiten vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Juli 2023 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 4. März 2020 einen Grad der Behinderung von 70 seit dem 28. April 2021 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des V1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 5. Dezember 2023 erhoben. Diesem gegenüber hat der Kläger angegeben, dass seit 30 Jahren eine arterielle Hypertonie bekannt sei, die medikamentös behandelt werde. Der Diabetes werde medikamentös behandelt, Insulinspritzen seien nicht notwendig, Folgeerkrankungen nicht aufgetreten.

Der Orthopäde habe ihm hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden, die seit vier Jahren bekannt seien, Krankengymnastik verordnet. Eine Schmerzmedikation werde nicht benötigt. Unter den Kontrollzwängen leide er seit seiner Jugend. Seit 13 Jahren sei er bei H1 zur neurologischen und psychiatrischen Behandlung, bei diesem sei auch eine Gesprächstherapie absolviert worden. Eine zusätzliche Therapie bei einem Psychologen finde nicht statt.

Sein ganzes Leben habe er mit der Kaufsucht gekämpft, vor drei Jahren, nach seiner Heirat, sei das Geld von seiner Frau zugeteilt worden. Diese sei im vergangenen Jahr an Darmkrebs erkrankt und 2023 verstorben. Seit dem Tod der Ehefrau habe er circa 400 CDs gekauft. Auch die anderen Zwänge, Wasch- und Kontrollzwänge, seien über die Jahre geblieben.

Seine Stimmung habe unter dem Tod der Ehefrau gelitten. Er benötige lange zum Einschlafen. Manchmal könne er durchschlafen, meistens bestehe eine Durchschlafstörung. Zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr stehe er auf, mittags schlafe er drei bis vier Stunden. Er fühle sich morgens gerädert, der Schlaf sei nicht erholsam. Er schnarche nachts. Ein Schlafapnoesyndrom sei bisher nie ausgeschlossen worden. Der Appetit sei über den Tag nicht so gut, abends esse er unsinnig viele Süßigkeiten. In den letzten zwei Monaten habe er von 93 kg auf 85 kg abgenommen.

Seit 2022 sei er arbeitsunfähig geschrieben, stehe kurz vor der Aussteuerung. Er habe unter der Krankheit seiner Ehefrau gelitten. Seit ihrem Tod lebe er allein, Kinder habe er nicht, nur vier Katzen, die er versorge. Vor Corona sei Fitness sein Hobby gewesen, er habe regelmäßig ein Fitness-Studio besucht. Zuletzt habe er nur noch zu Hause Übungen gemacht.

Er habe keine engen Freundschaften mehr. Es gebe einzelne Freunde, die durch seine Frau in sein Leben gekommen seien. Er verabrede sich nicht mit Freunden und Bekannten. Als er noch gearbeitet habe, habe es mehr soziale Kontakte gegeben. Corona habe die Kontakte kaputt gemacht.

Die Stimmung sei weiterhin traurig und depressiv, er sei in Trauer um seine Ehefrau. Früher habe er gerne gelesen, habe zwei Lieblingsautoren. Inzwischen lese er keine Bücher mehr. Er kämpfe jeden Tag gegen die Kaufsucht und habe dabei körperliche Beschwerden. Früher habe er die Kraft gehabt, die Kaufhäuser zu meiden. Inzwischen gehe er in das Kaufhaus und mache sich vor, dass er einfach nur schauen wolle. Er gehe circa dreimal die Woche in die Stadt und jedes Mal in ein Kaufhaus. Pro Woche kaufe er circa 10 CDs, die Menge wolle er wieder verringern. Zusätzlich kaufe er weitere DVDs und Blue-rays. Er versuche, nur günstige Produkte zu erstehen. Er schaue gerne Horror- und Gewaltfilme. Die Filme, die er kaufe, sehe er sich an, die Musik werde nur teilweise gehört. Im Internet kaufe er momentan nicht.

Die Kontrollzwänge träten beim Verlassen der Wohnung auf. Er sei sich der Sinnlosigkeit der Tätigkeiten bewusst. Die derzeitige Therapie bestehe aus dem Cortison-Präparat Lodotra, Sertralin morgens, Amitriptylin abends, Promethazin, Bromzepam, bei Bedarf. H1 besuche er einmal im Monat.

Zum Tagesablauf habe der Kläger angegeben, nach dem Aufstehen zu frühstücken und dabei die Katzen zu füttern. Er spiele am Handy und werde „ewig“ nicht mit dem Frühstück fertig. Er sitze nach zwei Stunden immer noch am Tisch, die Umwelt komme ihm wie ein Traum vor. Er könne sich schlecht entscheiden, endlich aufzustehen. Die Energie fehle für den nächsten Schritt. Über den Tag sei es schwierig, sich zu den Haushaltstätigkeiten zu motivieren. Er komme nicht in die Gänge. Teilweise telefoniere er über den Tag mit Leuten, die er aber nicht treffe. Derzeit müsse er den Nachlass seiner Frau erledigen. Diese habe noch eine eigene Wohnung in K1 besessen, die aufgelöst werden müsse. Circa einmal die Woche besuche er den Bruder der Ehefrau, gehe mit ihm spazieren oder auch zum Essen. Derzeit koche er sich nicht täglich eine warme Mahlzeit. Abends richte er sein Abendessen, spiele mit den Kerzen (richtig: Katzen) und versorge sie. Danach schaue er fern. Abends gehe er nicht raus. Zwischen 0.00 Uhr und 1.00 Uhr gehe er zu Bett. Früher habe er am Wochenende mit der Ehefrau Ausflüge unternommen, zuletzt nicht mehr. Im August 2023 sei er mit der Ehefrau noch in Urlaub gewesen, für eine Woche in Seefeld und vier Tage in München.

Neurologisch hätten sich keine Paresen und keine Tonuserhöhungen gezeigt. Ästhesie und Algesie seien als unauffällig angegeben worden. An der rechten Hand sei die Haut sehr trocken mit Schwielen an den Ansätzen der Finger. Bei Inklination und Elevation komme es zu keiner Schmerzausstrahlung in die Arme. Über der LWS bestehe kein Druckschmerz, das Zeichen nach Lasèque sei beidseits negativ, das Gangbild unauffällig.

Der Kläger sei mit 45 Minuten Verspätung in Begleitung einer Freundin zur Untersuchung erschienen. Er habe den Weg mit dem Zug zurückgelegt und Schwierigkeiten mit Verspätungen gehabt. Er sei unauffällig und gepflegt gekleidet, der Kontakt wäre angemessen. Fragen würden offen ohne Vorbehalt beantwortet, Hinweise für Aggravation oder Simulation bestünden nicht.,

Es werde eine schlechte Stimmung berichtet, im Vordergrund stehe die Trauer um die Ehefrau. Er lache nur selten, über seine Katzen könne er sich freuen. In der Untersuchung sei die emotionale Schwingungsfähigkeit deutlich eingeschränkt, der Kläger habe nur gelegentlich gequält gelacht. Die Psychomotorik erscheine unruhig und angespannt, zu Beginn habe ihm Schweiß auf der Stirn gestanden. Beim Sortieren der Befunde habe er hektisch und desorganisiert gewirkt. Geschildert würden Zukunftsängste, sonstige irrationale Ängste würden verneint.

Beschrieben werde eine ausgeprägte Antriebsstörung, Konzentration und Gedächtnis seien derzeit schlecht. Er sei vergesslich und könne sich den Inhalt eines Buches nicht mehr merken, weshalb er nicht mehr lese. Hinweise für ausgeprägtere kognitive oder mnestische Defizite bestünden nicht. Die Auffassung sei ungestört, beschrieben würden Kontrollzwänge, zwanghaftes Kaufen, daneben Waschzwänge, wenn klebrige Gegenstände angefasst würden. Hinweise für Wahn- oder Ich-Störung zeigten sich keine, Suizidgedanken seien verneint worden.

Der Kläger leide seit zwei Jahren an einem Diabetes mellitus Typ II und werde mit oraler Medikation versorgt. In der neurologischen Untersuchung hätten keine Hinweise für eine Folgeerkrankung im Sinne einer diätischen Neuropathie vorgelegen. Seit mehreren Jahren bestünden Wirbelsäulenbeschwerden, eine Schmerzmedikation werde nicht eingenommen. Neurologisch hätten sich keine Hinweise für eine zervikale oder lumbale Wurzelreizsymptomatik ergeben.

Seit der Jugendzeit bestünden Kontrollzwänge, in den Jahren 2015, 2016 und 2019 seien Behandlungen in der Psychosomatischen Klinik in der Z1 erfolgt. Berichtet würde von einem Zwang zu sinnlosen Einkäufen, der seit der Jugendzeit bestehe. Er habe zwischen 4.000 und 5.000 Bild- und Tonträger besessen und zweimal für die Einkäufe auch Kredite aufgenommen. In schlechten Zeiten habe er täglich bis zu 15 CDs erstanden. Nach seiner Heirat vor drei Jahren sei dies nicht mehr möglich gewesen, weil seine Ehefrau ihm das Geld zugeteilt habe. Internetkäufe habe sie unterbunden. Seit dem Tod der Ehefrau kaufe er wieder vermehrt ein, die fehlende Sinnhaftigkeit seines Tuns sei ihm bewusst.

Nach dem Tod der Ehefrau sei die Stimmung weiter eingebrochen, er habe sich sozial zurückgezogen und leide an einer Antriebsstörung. Es falle ihm schwer, sich zu Haushaltstätigkeiten zu motivieren. Über den Tag bestehe eine ausgeprägte Müdigkeit. Er schlafe nachmittags circa drei Stunden. Es werde über einen nicht erholsamen Schlaf mit Schnarchen berichtet. Unter Umständen bestehe zusätzlich ein Schlafapnoesyndrom. Eine entsprechende Abklärung sei bislang nicht erfolgt. Daneben könne die Antriebs- und Energielosigkeit als typische depressive Symptomatik eingeordnet werden.

In der psychischen Untersuchung habe sich eine deutlich eingeschränkte emotionale Schwingungsfähigkeit mit psychomotorischer Unruhe gezeigt. Der Kläger beschreibe eine Konzentrationsstörung, weshalb er nicht mehr lesen könne, früher habe er viele Fantasy-Romane gelesen. In der psychometrischen Testung habe sich das Bild einer ausgeprägten depressiven Verstimmung ergeben, daneben sei die Testung auch mit einer Zwangsstörung vereinbar.

Diagnostisch könne für das gesamte Erwachsenenleben von einer Zwangsstörung mit Zwangshandlungen ausgegangen werden. Daneben bestehe eine rezidivierende depressive Störung mit derzeit mittelgradiger bis schwerer Ausprägung.

Die Zwangsstörungen führten zu mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, entsprechend einem GdB von 50. Die depressive Störung begründe eine erhebliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, sodass ein GdB von 40 angemessen sei. Der Gesamt-GdB sei auf 60 einzuschätzen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 10. Juli 2023, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf höhere Neufeststellung des GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 17. Dezember 2021 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 4. März 2020 abgewiesen worden ist.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 16. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats kann er die höhere Neufeststellung des GdB nicht beanspruchen. Die Einschätzungen des Sachverständigen V1 haben nicht zu überzeugen vermocht, nachdem dieser vorwiegend die Angaben des Klägers referiert hat und seine – rechtliche – Bewertung des GdB weder mit den Bewertungsvorgaben korrespondiert noch die Darlegungen des Sachverständigen B1 zu erschüttern vermochten. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigstens 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 4. März 2020 auch zur Überzeugung des Senats nicht vorliegt. Dieser Vergleichsbescheid basiert im Wesentlichen auf den Befunden der Klinik in der Z1 über die stationäre Rehabilitationsbehandlung 2019, auf die sich der Kläger selbst beruft, wodurch aber eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand nicht zu belegen ist.


Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest
, dass der GdB mit 30 weiterhin zutreffend bewertet ist.

Die bewertungsrelevanten Funktionseinschränkungen des Klägers liegen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, in dem kein höherer Teil-GdB als 30 erreicht wird.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Krankenversicherung) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Ausgehend von diesen Maßstäben ergibt sich aus dem Rehabilitationsentlassungsbericht der Klinik in der Z1 2019, der dem maßgebenden Vergleichsbescheid im Wesentlichen zu Grunde lag, dass die Stimmungslage des Klägers gedrückt und die affektive Schwingungsfähigkeit in Richtung des depressiven Pols herabgesetzt gewesen ist. Auffassung, Merkfähigkeit, Alt- und Kurzzeitgedächtnis sowie der Rapport waren intakt, der Kläger zeigte sich bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert. Bereits dort hat er berichtet, den Haushalt kaum bewältigen zu können, sich träge zu fühlen und unter Ein- und Durchschlafstörungen zu leiden. Weiter ist die seit Jahren bestehende Kaufsucht ebenso beschrieben worden wie die Zwangshandlungen beim Verlassen des Hauses. Eine ambulante Psychotherapie ist empfohlen worden, die depressive Symptomatik konnte gebessert werden, war also einer Behandlung zugänglich.

Eine wesentliche Veränderung ist in diesem Befund nicht objektiviert. Soweit H1 einen Arbeitsplatzkonflikt beschrieben hat, folgt hieraus eine Höherbewertung des GdB nicht, zumal der Kläger nach eigenem Bekunden schon geraume Zeit krankgeschrieben ist und vor der Aussteuerung steht. M1 hat versorgungsärztlich aufgrund der Befunde eine schwere Zwangskrankheit überzeugend verneint.

Dem Entlassungsbericht der M2 S5 vom Herbst 2022 über die stationäre Behandlung und Rehabilitation ist zu entnehmen, dass der Kläger psychisch freundlich zugewandt, zeitlich, örtlich und zur Person orientiert gewesen ist. Es wird eine gute Stabilisierung der Situation beschrieben sowie unter Medikation eine gute Kompensation der seit 10 Jahren bestehenden depressiven Symptome, also gerade keine Befundverschlechterung.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des B1, der den Kläger als im Verlauf der Untersuchung zunehmend lebhafter, mitteilsam und kooperativ beschrieben hat. Der Gedankengang war flüssig und präzise, ohne Hinweis auf Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. In Abhängigkeit der Inhalte konnte der Kläger spontan lachen, war affektiv gut modulationsfähig und auslenkbar.

Soweit sich in den Selbstbeurteilungsbögen auffällige Werte ergaben, ist der Sachverständige seiner zentralen Aufgabe, diese Ergebnisse kritisch zu hinterfragen, gerecht geworden und hat nachvollziehbar aufgezeigt, dass das Ergebnis weder mit dem angegebenen Tagesablauf noch mit dem von ihm – fachärztlich – erhobenen klinischen Befund in Einklang zu bringen gewesen ist. Es geht daher fehl, wenn der Kläger meint, der Sachverständige habe sich einfach über die Ergebnisse der Selbstbeurteilungsverfahren hinwegsetzt. Im Übrigen spricht für die Einschätzungen des B1, dass sich laborchemisch das Präparat Sertralin nur im unteren therapeutischen Bereich zeigte und Amitryptilin überhaupt nicht nachweisbar gewesen ist, eine medikamentöse Behandlung damit nur niedrigdosiert bzw. gar nicht nachweisbar gewesen ist.

Dass der Tod der Ehefrau den Kläger belastet und zu einer Stimmungsverschlechterung geführt hat, wie V1 ausgeführt hat, ist nachvollziehbar, belegt aber eine dauerhafte Befundverschlechterung und insbesondere eine Höherbewertung des GdB nicht. Dementsprechend hat V1 keine relevant abweichenden Befunde zu den Vorbefunden erhoben und nur auf eine derzeit mittel- bis schwergradige Ausprägung der rezidivierenden depressiven Störung hingewiesen. Dies steht einer Bewertung mit einem GdB von 30 nicht entgegen, wobei insbesondere in Rechnung zu stellen ist, dass schwankende Gesundheitszustände nach den VG, Teil A, Nr. 2f mit einem Durchschnittswert zu bewerten sind. B1 hat zuvor keine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beim Kläger gesehen. Die M2 S5 konnte sogar eine deutliche Befundbesserung beschreiben, was die Annahme von Schwankungen unterstreicht.

Daneben lässt sich dem Sachverständigengutachten des V1, im Gegensatz zu dem des B1, nicht entnehmen, dass dieser die angegebene Medikation überprüft hätte, vielmehr sind nur die anamnestischen Angaben des Klägers übernommen worden. Eine Intensivierung der Therapie hat der Sachverständige ebenfalls nicht erhoben, sondern nur einen Termin bei H1 pro Monat. Eine ambulante Psychotherapie, die schon 2019 empfohlen wurde, wird weiter nicht durchgeführt.

Dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers nicht erfolgt ist, zeigt sich weiter daran, dass auf ein Waschen der Hände mit Benzin abgestellt und daraus auf die Schwere der Symptomatik geschlossen wird, obgleich der Kläger B1 selbst berichtet hat, diese Verhaltensweise überwunden zu haben.

Abgesehen davon, dass V1 eine relevante Befundverschlechterung nicht objektiviert, sondern anhand der anamnestischen Angaben des Klägers nur auf seit Jahren bestehende Störungen verwiesen hat, hat er selbst erhoben, dass der Kläger sich noch selbst versorgen und sich um seine vier Katzen kümmern kann. Daneben unterhält er, wenn wohl auch überwiegend telefonisch, soziale Kontakte, besucht den Bruder der verstorbenen Ehefrau und geht mit diesem Spazieren oder Essen. Zur Untersuchung bei V1 ist er ebenfalls in Begleitung einer Freundin erschienen. Weiter sieht der Kläger regelmäßig fern, sodass auch eine Mediennutzung belegt ist. Daneben hat er berichtet, die Wohnung der Ehefrau auflösen zu müssen, was eine durchaus erhaltene Strukturierungsfähigkeit bestätigt.

Die Befunderhebung des V1 belegt eine mehr als stärker behindernde Störung, mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, wie sie der Beklagte bereits berücksichtigt hat, nicht. Eine schwere Störung, wie sie für einen GdB von 50 und mehr vorausgesetzt wird, hat er nicht objektiviert, sondern vielmehr ausgeprägtere kognitive oder mnestische Defizite ausdrücklich verneint. Soweit er mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten sehen will, lässt sich auch dies nicht mit seinem Befund vereinbaren, darüber hinaus verkennt er bei seiner – rechtlichen – Bewertung des GdB, dass nach den Vorgaben der VG die schwere Störung sowie die mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten kumulativ vorliegen müssen, was beim Kläger aber gerade nicht der Fall ist, wie dargelegt. Dass die GdB-Bewertung des behandelnden H1 den Bewertungsvorgaben nicht gerecht wird, ist von B1 bereits zutreffend dargelegt worden und S6 hat versorgungsärztlich schlüssig ausgeführt, dass die mitgeteilten Befunde keine schwere Störung erkennen lassen. Dies untermauert er damit, dass keine Intensivierung der Behandlung erkennbar ist.

Im Funktionssystem „Stoffwechsel und innere Sekretion“ ist – in Übereinstimmung mit der versorgungsärztlichen Bewertung (vgl. die versorgungsärztliche Stellungnahme des H2) – kein Teil-GdB festzustellen, insbesondere wird ein solcher nicht durch den festgestellten Diabetes begründet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 15.1 erleiden die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hyperglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt, dieser beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung, der GdB beträgt 20.

Letzteres ist beim Kläger nicht der Fall, nachdem der Diabetes nur medikamentös mit Metformin behandelt wird und damit keine Therapie durchgeführt wird, die Hypoglykämien auslösen kann, wie versorgungsärztlich schlüssig dargelegt worden ist. Daneben sind Folgeerkrankungen schon nicht beschrieben und von V1 nicht zu objektivieren gewesen. Dieser hat insbesondere eine diabetische Neuropathie ausgeschlossen.

Nichts anderes folgt daraus, dass sich der Kläger, wohl nach einem Infekt, stationär zur Rheumakomplexbehandlung befand, da dem Entlassungsbericht der M2 S5 zu entnehmen ist, dass es unter medikamentöser Therapie zu einer deutlichen Besserung der Gelenkschmerzen und der Schwellungen beidseits gekommen ist. Das CRPS wurde im Laufe der Behandlung negativ, der HLA B27 zeigte sich mit einer negative Autoimmunserologie und die Hautveränderungen verschwanden komplett. Das rheumatologische Labor wird als negativ angegeben. Abgesehen davon, ob damit überhaupt eine rheumatologische Erkrankung als gesichert angesehen werden kann, begründet diese jedenfalls keine wesentliche Funktionseinschränkung, somit nicht mehr als leichtgradige Beschwerden (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.2.1) und ist damit nicht bewertungsrelevant.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Berücksichtigung im Funktionssystem „Rumpf“ zu erfolgen hätte. In diesem ist ebenfalls kein Teil-GdB gegeben, nachdem S2 und S4 zwar über geklagte Wirbelsäulenbeschwerden berichtet haben, indessen keine pathologischen Befunde beschrieben sind, die mit einem Teil-GdB zu bewerten wären (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.9). Neurologische Ausfallerscheinungen haben weder B1 noch V1 beschrieben, sondern vielmehr lumbale und zervikale Wurzelreizsymptome verneint, was ebenfalls gegen mittelgradige Funktionseinschränkungen in wenigstens einem Wirbelsäulenabschnitt spricht. Soweit ein chronisches Schmerzsyndrom beschrieben wird, hat B1 überzeugend dargelegt, dass weder eine entsprechende Therapie erfolgt, noch eine Schmerzmedikation besteht. Letztere hat der Kläger gegenüber V1 erneut verneint, sodass eine Bewertungsrelevanz ebenfalls nicht besteht.

Ein Teil-GdB im Funktionssystem „Atmung“ besteht nicht, nachdem V1 das Bestehen eines Schlafapnoesyndroms nur als Verdachtsdiagnose in den Raum stellt, hinsichtlich derer weder eine Untersuchung erfolgt ist, noch ein Befund vorliegt. Die Notwendigkeit einer nasalen Überdruckbeatmung (vgl. VG, Teil B, Nr. 8.7) ist daher nicht belegt.

Im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ ist kein Teil-GdB gegeben, da bei beschriebener Hypertonie eine medikamentöse Behandlung angegeben wird, aber keine pathologischen Befunde (vgl. auch VG, Teil B, Nr. 9.3).

Letztlich ist im Funktionssystem „Haut“ kein Teil-GdB zu berücksichtigen, da S2 nur über ein gut behandelbares Ekzem (vgl. VG, Teil B, Nr. 17.1) berichtet hat und sich aus dem Bericht der M2 ergibt, dass der Hautbefund therapiert werden konnte und bei Entlassung regelrecht gewesen ist.

Der Teil-GdB im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ entspricht damit weiterhin dem Gesamt-GdB, ist mit 30 zutreffend bewertet und eine wesentliche Änderung wird nicht objektiviert.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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