L 13 R 2185/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2380/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2185/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2022 wird abgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 24. Januar 2024 wird abgewiesen.

Die Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung

 


Tatbestand

Der Kläger macht mit seinem Rechtsmittel den früheren Beginn einer Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend.

Der im Jahr 1964 geborene Kläger, gelernter Maschinenschlosser, war zuletzt als Maschineneinrichter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2017 ist der Kläger durchgängig arbeitsunfähig erkrankt.

Einen ersten Antrag des Klägers auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. November 2018 ab.

Am 25. September 2019 beantragte der Kläger abermals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er brachte hierzu vor, er sei seit dem 24. Oktober 2016 arbeitsunfähig erkrankt. Nach Ausschöpfung des Anspruchs auf Krankengeld sei ein Arbeitsversuch gescheitert. Dies zeige, dass er schwer erkrankt sei, er sei körperlich und psychisch ein Wrack.

Die Beklagte zog ärztliche Befundberichte, u.a. einen Arztbrief der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin der Kliniken O1 vom 29. November 2019 über dortige teilstationäre Aufenthalte des Klägers vom 16. Juli – 22. August 2019 und vom 16. Oktober – 22. November 2019 bei. Dort sind beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig in schwerer Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (DD Fibromyalgiesyndrom), eine Coxarthrose (rechts mehr als links), eine seronegative rheumatoide Arthritis sowie ein Zustand nach Ossikelabtragung im Kniegelenk links (Oktober 2017) bei Morbus Osgood-Schlatter diagnostiziert worden.

Nach sozialmedizinischer Überprüfung der ärztlichen Unterlagen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 8. Januar 2020 ab. Der Kläger erfülle die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht, da er in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Auf den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch veranlasste die Beklagte dessen Begutachtung bei ihrer ärztlichen Untersuchungsstelle. H1, stellte in seinem Gutachten vom 10. Februar 2020 einen Hinweis auf eine Anpassungsstörung, differentialdiagnostisch eine Dysthymie, ohne eine zum Untersuchungszeitpunkt relevante depressive Symptomatik, eine Somatisierung (insb. somatoforme Schmerzangabe) sowie Hüft- und Kniebeschwerden links fest. Er hat u.a. ausgeführt, die mnestischen und intellektuellen Funktionen des Klägers seien für einfache bis durchschnittliche Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend. Die Grundstimmung sei nicht depressiv. Die affektive Schwingungsfähigkeit, der Antrieb und die Psychomotorik seien unauffällig. Es bestehe keine Affektlabilität, keine Agitation und keine Hemmung. Bei der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung hätten sich Zeichen einer Aggravation gezeigt. H1 vertrat die Einschätzung, dass dem Kläger die Ausübung einer leichten bis mittelschweren Tätigkeiten sechs Stunden täglich und mehr zumutbar sei.

Die Beklagte ließ den Kläger ferner durch den S1 begutachten. Dieser diagnostizierte beim Kläger in seinem Gutachten vom 18. Juni 2020 eine Ischiolumbalgie bei degenerativen Veränderungen. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule würden den Befund eines in Alter, Körpergröße, Gewicht und Konstitution vergleichbaren Patienten nicht wesentlich übersteigen. S1 erachtete den Kläger für in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich und mehr ausüben zu können.

Nach einer sozialmedizinischen Überprüfung wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers gestützt auf die Einschätzungen in den eingeholten Gutachten mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2020 zurück. Begründend führte sie aus, unter Berücksichtigung der bestehenden Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Dem Kläger sei die Ausübung von leichten bis mittelschweren Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht, ohne Zeitdruck sechs Stunden täglich und mehr zumutbar.

Hiergegen hat der Kläger am 14. September 2020 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, er leide an einer schweren psychischen Störung. Die Agentur für Arbeit habe festgestellt, dass er in seiner Leistungsfähigkeit soweit eingeschränkt sei, dass er dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Zudem sei bei ihm eine rheumatoide Arthritis festgestellt worden. Aus den vorliegenden Befunden und Berichten gehe hervor, dass sein Gesundheitszustand eine Arbeitsaufnahme nicht zulasse. Er sei nicht mehr in der Lage drei Stunden täglich zu arbeiten. Dies gelte in Ansehung der psychischen Erkrankung auch für körperlich leichte Tätigkeiten. Die Gutachter der Beklagten hätten sich nicht mit seiner Vorgeschichte auseinandergesetzt und hätten keine ausreichende Anamnese erhoben.

Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den Inhalt des angegriffenen Widerspruchsbescheides vom 18. August 2020 entgegengetreten. Sie hat unter Vorlage eines Versicherungsverlaufs mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente letztmals bei einem Leistungsfall im April 2022 vorlägen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Die M1 hat in ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2020 ausgeführt, dass der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung auf der Basis einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Zudem bestehe eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Der Zustand des Klägers habe sich seit Februar 2020 verschlimmert. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei in zeitlicher Hinsicht auf unter drei Stunden täglich reduziert. Die A1 hat in ihrer Stellungnahme vom 19. Oktober 2020 mitgeteilt, der Kläger leide u.a. an einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig in schwerer Episode), einer nichtorganischen Insomnie, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer chronischen Schmerzstörung (DD: Fibromyalgiesyndrom), einer Coxarthrose, einer seronegativen rheumatoiden Arthritis, einer chronischen Polyarthritis sowie einem Z.n. Ossikelabtragung im linken Kniegelenk. Der Kläger sei sehr depressiv, antriebslos, demotiviert und leide sehr stark an einem ausgeprägten Schmerzsyndrom (Ganzkörperschmerz). Seit Juni 2020 sei er auf Opioide eingestellt, dies beeinträchtige die psychische Befindlichkeit zusätzlich erheblich. Der Kläger sei nach ihrer Einschätzung nicht in der Lage, irgendwelche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Das SG hat sodann T1 zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zur Leistungsfähigkeit des Klägers beauftragt. In seinem nervenärztlichen Fachgutachten vom 8. Juni 2021 hat T1 beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung (schwere Episode ohne psychotische Symptome), eine posttraumatische Belastungsstörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen u. psychischen Faktoren sowie eine Morton'sche Metatarsalgie Digg. II / III rechts diagnostiziert. T1 hat die Einschätzung vertreten, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von mehr als drei Stunden täglich verrichten zu können. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit sei ab Mitte 2018 anzunehmen. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit könne bei Ausschöpfung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten innerhalb von drei Jahren teilweise wegfallen.

Die Beklagte ist der gutachterlichen Einschätzung des T1 unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des N1 vom 15. Juli 2021 entgegengetreten, woraufhin T1 in einer ergänzenden Stellungnahme vom 31. Dezember 2021 seine Diagnosen und seine Leistungseinschätzung bekräftigt hat.

Mit Urteil vom 27. Juni 2022 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2020 verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab dem 1. Juli 2021 befristet bis 30. Juni 2024 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger sei seit dem 17. Dezember 2020 nicht mehr in der Lage, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als drei Stunden täglich ausüben zu können; er sei voll erwerbsgemindert. Das SG hat sich hierbei auf die gutachterliche Einschätzung des T1 gestützt. Dieser habe, so das SG, nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers unter Würdigung aller vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger selbst leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden täglich verrichten könne. Der von T1 erhobene Befund (u.a. gedrückte und labile Stimmung, Interessenverlust, Verlust der Freude an Aktivitäten, vorzeitige Ermüdung) trage, so das SG, diese Einschätzung. Die Einwände der Beklagten gegen die gutachterliche Einschätzung, eine fehlende Beschwerdevalidierung und eine fehlende Plasmaspiegeluntersuchung, bedingten keine abweichende Beurteilung. Der Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit sei, so das SG weiter, erst mit dem Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers durch T1 am 17. Dezember 2020 belegt. Zwar habe der Gutachter selbst ausgeführt, der Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung sei auf Mitte 2018 zu datieren. Er habe hierzu auf die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte verwiesen, die die Annahme eines früheren Leistungsfalls jedoch nicht trügen. Auch durch die Entlassungsberichte der (teil-)stationären Behandlungen des Klägers sei ein früherer Leistungsfall nicht bewiesen. Gegen einen früheren Eintritt des Leistungsfalles spreche vielmehr das Gutachten von H1 vom 10. Februar 2020. Der dortige Untersuchungsbefund beinhalte insofern keine gravierenden psychischen Einschränkungen. Bei einem Leistungsfall am 17. Dezember 2020 seien auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Rente beginne nach § 101 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit, weswegen die Rente ab dem 1. Juli 2021 zu leisten sei. Die Rente sei nach § 102 Abs. 2 SGB VI (bis zum 30. Juni 2024) zu befristen.

Gegen das ihm am 30. Juni 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. August 2022, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, mit der er die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab der Antragstellung geltend macht. Zu deren Begründung bringt er vor, das Krankheitsbild, das die ihm zugesprochene Rente begründe, läge bereits seit dem Jahr 2019 vor. Er sei wegen der von T1 diagnostizierten Erkrankungen, u.a. einer rezidivierenden depressiven Störung ab dem 4. Januar 2019 arbeitsunfähig gewesen. Die Agentur für Arbeit habe bereits im Jahr 2019 festgestellt, dass er in seiner Leistungsfähigkeit soweit eingeschränkt sei, dass er nur noch weniger als 15 Stunden wöchentlich arbeiten könne. Auch sei er im Jahr 2019 über lange Zeiträume stationär wegen der Gesundheitsstörungen behandelt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2022 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2020 in der Fassung des Bescheides vom 24. Januar 2024 zu verurteilen, ihm bereits ab dem 1. September 2019 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil. Ergänzend hat die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahm von H2 vom 3. Mai 2023 vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2024 hat die Beklagte mitgeteilt, dass mit Bescheid vom 19. April 2024 die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 30. Juni 2027 weiterbewilligt worden sei.

Einem Vorschlag des Senats, das Verfahren vergleichsweise dahingehend zu beenden, dass als Leistungsfall die zeitliche Mitte zwischen den Untersuchungen des Klägers durch H1 und T1, der Juli 2020, angenommen wird und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 1. Februar 2021 gewährt wird, hat der Kläger nicht zugestimmt.

Der Senat hat sodann die behandelnde M1 erneut schriftlich als sachverständige Zeugin einvernommen. In ihrer Stellungnahme vom 30. März 2023 hat diese u.a. ausgeführt, den Kläger seit dem 9. November 2018 zu behandeln. Nach dem Tod seiner Tochter im Jahr 2004 und der sich anschließenden 10- jährigen Leidensgeschichte sei er in einem desolaten Zustand zu ihr gekommen. Sodann sei eine halbstationäre psychiatrische Behandlung in die Wege geleitet worden, die u.a. im O1 Klinikum in A1 durchgeführt worden sei. Im dortigen Bericht vom 22. November 2019 sei eine EU-Rente empfohlen worden. Physiologische Parameter seien in ihrer Praxis nicht erhoben worden. Eine erste Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers habe sich nach den Klinikaufenthalten 2019 ergeben, als der Kläger seine Problematik immer mehr voll bewusst wahrgenommen habe und den Intrusionen nichts entgegensetzen konnte. Eine zweite Verschlimmerung sei nach der Hirnblutung 2021 eingetreten. Aus ihrer Sicht sei die Leistungsfähigkeit über den gesamten Zeitraum auf unter drei Stunden täglich abgesunken gewesen.

Unter dem 15. Februar 2024 hat die Beklagte mitgeteilt, sie gehe aufgrund einer an sie gerichteten Nachricht des Klägerbevollmächtigten davon aus, dass der Kläger nunmehr dem Vergleichsvorschlag des Senats konkludent zugestimmt habe, weswegen sie dem Kläger mit Bescheid vom 24. Januar 2024 die Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt habe. Hierzu hat sie ihren Bescheid vom 24. Januar 2024 vorgelegt, mit dem sie dem Kläger „aufgrund des Vergleichs vom 28. November 2022“ eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2021 befristet bis zum 30. Juni 2024 i.H. eines monatlichen Leistungsbetrages von 2.038,84 € (Zahlbetrag: 1.804,38 €) bewilligt hat. Klägerseitig ist hierzu vorgebracht worden, dass die Beklagte mit dem Schreiben, auf welches die Beklagte Bezug genommen habe, nur dazu aufgefordert worden sei, jedenfalls die Rente, zu deren Gewährung die Beklagte durch das SG verurteilt worden sei (ab dem 1. Juli 2021), auszuzahlen. Eine Zustimmung zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag sei nicht erteilt worden. Durch den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2024 habe sich der Rechtsstreit jedoch nunmehr zumindest dahingehend erledigt, dass feststehe, dass Rentenbeginn zumindest der 1. Februar 2021 (und nicht der 1. Juli 2021) sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2024 geworden sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2024 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und unter Heranziehung von § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (vgl. § 143 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Streitgegenstand ist der initial vom Kläger angegriffene Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2020 (Widerspruchsbescheid vom 18. August 2020), mit dem diese den Antrag des Klägers auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 25. September 2019 abgelehnt hat. Nachdem das SG die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger unter Aufhebung dieses Bescheides eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab dem 1. Juli 2021 befristet bis zum 30. Juni 2024 zu gewähren und die Beklagte kein Rechtsmittel gegen ihre Verurteilung eingelegt hat, ist der Senat nur dazu berufen, über eine Rentengewährung bereits ab der Antragstellung im September 2019, konkret ab dem 1. September 2019, zu befinden.

Eine Einschränkung des streitgegenständlichen Zeitraums folgt vorliegend nicht bereits dadurch, dass der Kläger dem Vergleichsvorschlag des Senats vom 28. November 2022 (Rentenbeginn am 1. Februar 2021) zugestimmt hat. Anders als die Beklagte angenommen hat, kann dem an diese gerichteten Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 22. Januar 2024 eine derartige Erklärung nicht entnommen werden. Dieser hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass jedenfalls die Rentenzahlung ab dem 1. Juli 2021 geschuldet werde. Erklärungsinhalte, die den Schluss tragen könnten, dass sich der Kläger, anders als zuvor im gerichtlichen Verfahren kundgetan, mit einer Rentengewährung ab dem 1. Februar 2021 einverstanden erklärt, beinhaltet das Schreiben nicht.

Indes hat die Beklagte aufgrund des vermeintlichen Vergleichsschlusses dem Kläger mit ihrem Bescheid vom 24. Januar 2024 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 1. Februar 2021 (bis zum 30. Juni 2024) bewilligt. Dieser Bescheid erschöpft sich nicht darin, das erstinstanzliche Urteil umzusetzen. Der Bescheid ist vielmehr gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit dem Inhalt wirksam, mit dem er dem Kläger gegenüber bekannt gegeben worden ist. Da die Beklagte mit dem Bescheid eine Rentengewährung ab dem 1. Februar 2021 verfügt hat, weist dieser im Hinblick auf den Zeitraum vom 1. Februar – 30. Juni 2021 einen eigenen Regelungsgehalt auf. Da der Bescheid zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben worden ist oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hat (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), ist der Bescheid für die Beteiligten und den Senat bindend, weswegen der Senat nicht (mehr) dazu berufen ist, über eine Rentengewährung vom 1. Februar – 30. Juni 2021 zu befinden. Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger für diesen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, folgt bereits aus dem Bescheid der Beklagten. Dass sich die Beklagte über das Zustandekommen eines Vergleichs insofern getäuscht hat, führt insofern zu keiner abweichenden Beurteilung.

Der Bescheid vom 24. Januar 2024 ist gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden; der Senat entscheidet hierüber auf Klage hin (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. Februar 2010 - B 13 R 61/09 R -, in juris, dort Rn. 15 m.w.N.).

Mithin ist in Ansehung dieser Gegebenheiten im vorliegenden Verfahren (nur noch) streitgegenständlich, ob der Kläger bereits ab dem 1. September 2019 bis zum 31. Januar 2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen kann. Da im gegebenen Zusammenhang § 101 Abs. 1 SGB VI für den Rentenbeginn maßgeblich ist, der bestimmt, dass befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Monats nach Eintritt der Erwerbsfähigkeit geleistet werden, ist in Ansehung des streitbefangenen Zeitraums nur ein Leistungsfall relevant, der bis Mai 2020 eingetreten ist, von Bedeutung. Ein späterer Eintritt der (vollen) Erwerbsminderung kann nicht zu einem Rentenbeginn vor dem 1. Februar 2021 führen. Dies gilt insb. (auch) deshalb, als ein Fall des § 101 Abs. 1a SGB VI nicht vorliegt.

Inhaltlich dringt der Kläger mit seinem Begehren der früheren Rentengewährung über einen Rentenbeginn bereits vor dem 1. Februar 2021 hinaus, nicht durch; er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 1. September 2019 bzw. vor dem 1. Februar 2021.


Nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) oder Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer - unabhängig von der Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Hieraus folgt, dass grundsätzlich allein eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher (quantitativer) Hinsicht eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen vermag, hingegen der Umstand, dass bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Situation nicht mehr verrichtet werden können, einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nicht zu begründen vermag.

Der Nachweis für die den Anspruch begründenden Tatsachen muss hierbei im Wege des sog. Vollbeweises erfolgen. Vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen muss insoweit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 29/06 R -, in juris). Wird die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geltend gemacht, muss mithin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist; bloße Zweifel an der Erwerbsfähigkeit genügen nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2020 - L 5 R 3680/17 -, in juris, dort Rn. 30). Können Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Feststellungslast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt insoweit der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 1996 - 4 RA 1/96 -, in juris). Dies gilt auch für die anhand einer retrospektiven Betrachtungsweise zu beantwortende Frage
(vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. März 2023 - L 10 R 997/22 -, in juris m.w.N.), ab welchem Zeitpunkt eine quantitative Leistungsreduzierung bestand; verbleibende Zweifel am genauen Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung gehen zu Lasten des Versicherten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 2. Mai 2022 - L 2 R 16/21 -; Hessisches LSG, Urteil vom 7. Mai 2021 - L 5 R 206/18 -; LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 23. März 2023, a.a.O., alle in juris).

Unter Berücksichtigung dieser Prämissen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers bereits zum Zeitpunkt der Beantragung der Rente wegen Erwerbsminderung bzw. im Nachgang bis zu einem Zeitpunkt, der zu einer Rentengewährung vor dem 1. Februar 2021 führen würde, dem Mai 2020, in quantitativer Hinsicht abgesunken ist. Der Senat schließt sich insofern der Beweiswürdigung des SG im angefochtenen Urteil an und verweist zur Begründung seiner Entscheidung auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 27. Juni 2022 (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend und betonend ist auszuführen, dass der Senat insofern nicht verkennt, dass die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet bereits im Zeitpunkt der Antragstellung diagnostiziert gewesen sind, i
m Kontext der Frage des Vorliegens einer Erwerbsminderung ist jedoch nicht maßgebend, ob und welche Gesundheitsstörung in welcher Graduierung vorliegt bzw. in vorliegender Konstellation, wann die Gesundheitsstörung vorlag, entscheidend ist vielmehr einzig, ob bzw. ab welchem Zeitpunkt Leistungseinschränkungen bestanden, die der Ausübung einer Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich entgegenstehen. I.d.S. kommt es nicht auf die Diagnosestellung, als auf bestehende Leistungseinschränkungen an (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 30. Juni 2015 - L 6 R 166/08 ZVW -, in juris), ob diese gesichert bestehen und ggf. überwunden werden können.

Zu betonen ist überdies, dass maßgebend für die Annahme einer rentenrechtlich relevanten Leistungseinschränkung ist, ob das in Ansehung der funktionellen Auswirkungen der psychischen Erkrankung verbleibende Fähigkeitsprofil des Versicherten, insb. im Hinblick auf Struktur, Teilhabe und Aktivität, eine Teilnahme am Erwerbsleben zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erlaubt. Grundlage dieses Abgleichs bildet der psychische Befund und die individuelle Ausprägung der verschiedenen psychischen Qualitäten (Bewusstsein, Orientierung, Auffassung/Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen, Gedächtnis, formales und inhaltliches Denken, Wahrnehmung, Ich-Erleben, Affektivität, Antrieb, Flexibilität und subjektives Krankheitsverständnis und Krankheitserleben). Funktionsbeeinträchtigungen, in gegebenem Kontext insb. die geistig-psychische Belastbarkeit, sind im Recht der Erwerbsminderungsrenten nur dann relevant, wenn sie sich auf die Fähigkeit zur Teilhabe unter besonderer Berücksichtigung des Erwerbslebens quantitativ (im Gegensatz zur bloß qualitativen Einschränkungen) auswirken. Das verbleibende qualitative Leistungsvermögen (positiv wie negativ) hat i.d.R. keine prägende Bedeutung für die rentenrechtlich erforderliche Reduzierung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Erst wenn die Beeinträchtigungen durch die psychische Störung so gravierend sind, dass die Lebensführung durch sie geprägt wird, ist von einem quantitativ geminderten Leistungsvermögen auszugehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen in der Regel nicht nur in der Teilhabe am Erwerbsleben manifestieren, sondern in allen Lebensbereichen mehr oder weniger starke Auswirkungen zeitigen. Hieraus folgt, dass von einer Minderung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben auszugehen ist, wenn die psychische Störung die gesamte Lebensführung übernommen hat. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Bezugspunkt der für die Rentengewährung erforderlichen (quantitativen) Leistungsreduzierung der „allgemeine Arbeitsmarkt“ ist. Der Arbeitsmarktbegriff des § 43 SGB VI erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch ein „Angebot“ und eine „Nachfrage“ gibt. „Allgemein“ grenzt hierbei den ersten Arbeitsmarkt von dem zweiten - öffentlich geförderten – Arbeitsmarkt sowie von Sonderbereichen, wie bspw. Werkstätten für behinderte Menschen und anderen geschützten Einrichtungen ab. Übliche Bedingungen umschreibt die Faktoren, die wesentliche Grundlagen des Arbeitsverhältnisses sind. Neben den gesetzlichen Regelungen (bspw. zur Dauer und Verteilung der Arbeitszeit) rechnen auch individuelle Umstände wie kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können, hierzu. Mithin ist für die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung erforderlich, dass die für die Ausübung einer Tätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz nicht (mehr) vorliegen (vgl. Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. [Stand 1. April 2021], § 43 SGB VI, Rn. 164 ff.).

Dass diese Fähigkeiten beim Kläger bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhanden gewesen sind, oder zu einem folgenden Zeitpunkt, der zu einer Rentengewährung vor dem 1. Februar 2021 führen würde, abgesunken ist, ist für den Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Dies gründet maßgeblich darin, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers durch H1 am 10. Februar 2020 in Ansehung der von H1 erhobenen psychopathologischen Befunde eine quantitative Leistungsreduzierung nicht begründet ist. So hat H1 einen im Wesentlichen unauffälligen psychopathologischen Befund beschrieben und ausgeführt, dass die Grundstimmung des Klägers nicht depressiv gewesen sei, die affektive Schwingungsfähigkeit, der Antrieb und die Psychomotorik unauffällig sei bzw. motivatorischen Faktoren unterliege. H1 hat ferner ausgeführt, dass die mnestischen und intellektuellen Funktionen für einfache bis durchschnittliche Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend gewesen seien. Zwar hat der Kläger anlässlich der Untersuchung durch H1 einen eingeschränkten Tagesablauf beschrieben, der jenseits der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen einen sozialen Rückzug vermittelt, indes hat H1 auf eine aggravierende Darstellung der Situation durch den Kläger hingewiesen.

Auch die Berichte über die teilstationären Behandlungen des Klägers tragen die Annahme einer quantitativen Leistungsreduzierung zur Zeit des jeweiligen Aufenthalts nicht. Im Entlassbericht des Klinikum W1 über den Aufenthalt des Klägers vom 3. Dezember 2018 bis 3. Januar 2019 wird der Kläger zwar als im aktuellen Affekt niedergestimmt und interesselos beschrieben. Zudem werden Antriebsstörung und sozialer Rückzug angegeben. Psychomotorische Störungen und Auffassungsstörungen fanden sich hingegen nicht. Auch ist die Merkfähigkeit und das Gedächtnis als unauffällig beschrieben worden; Konzentrationsstörungen sind hingegen nur als vor allem subjektiv bemerkt beschrieben. Der Bericht der O1 Klinik vom 29. November 2019 über die Aufenthalte im Juli/August 2019 und vom 16. Oktober – 22. November 2019 benennt zwar einen auffälligeren Befund (Stimmungslage deutlich niedergedrückt, affektiv deutlich reduziert schwingungsfähig, Antrieb deutlich reduziert), jedoch ist auch hierdurch nicht mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit belegt, dass die Beeinträchtigungen durch die psychischen Erkrankungen dazu geführt haben, dass bereits zum Zeitpunkt der Behandlungen die Lebensführung durch die Erkrankungen bestimmt gewesen ist. In diesem Sinne hat auch
die behandelnden M1 in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 30. März 2023 ausgeführt, dass es (erst) nach dem Klinikaufenthalt zu einer Verschlechterung gekommen sei. Dass eine rentenbergründende Verschlechterung jedoch vor dem Mai 2020 eingetreten ist, dem Zeitpunkt, zu dem in Ansehung des § 101 Abs. 1 SGB VI, nach dem die Rente nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit erbracht wird, damit eine Rentengewährung vor Februar 2021 möglich wäre, ist wiederrum nicht belegt. Die M1 hat insofern ausgeführt, dass physiologische Parameter von ihr nicht erhoben worden seien.

In Zusammenschau der vorliegenden medizinischen Unterlagen verbleiben für den Senat daher Zweifel daran, dass eine quantitative Leistungsreduzierung bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, der zu einem Rentenzugang vor dem 1. Februar 2021 führen könnte. Dies geht wie oben ausgeführt, zu Lasten des Klägers.

Mithin ist die Berufung des Klägers, soweit mit ihr eine Rentengewährung vor dem 1. Februar 2021 geltend gemacht wird, zurückzuweisen. Die Klage gegen den Bescheid vom 24. Januar 2024 ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet in § 193 SGG und berücksichtigt
im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8) das teilweise Obsiegen des Klägers.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


 

Rechtskraft
Aus
Saved