L 7 AS 453/22 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 19 AS 124/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 453/22 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 33/24 C
Datum
Kategorie
Beschluss


1.    Die Wiederaufnahmeklage des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. September 2022 (L 7 AS 52/22) wird als unzulässig verworfen.
2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3.     Die Revision wird nicht zugelassen.
4.    Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.


Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt mit seiner am 21. Oktober 2022 eingegangenen Wiederaufnahmeklage die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 7 AS 52/22, welches der Senat durch Urteil vom 16. September 2022 entschieden hatte.

In dem Berufungsverfahren hatte der Senat die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2021 als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass es bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren gefehlt habe, da der Kläger in seiner Korrespondenz mit dem Senat bewusst keine Wohnanschrift genannt habe. Zur Begründung der Wiederaufnahmeklage führt der Kläger in Hinblick auf diese Begründung u.a. an, dass er gerichtsbekannt obdachlos gewesen sei, wie sich aus der beigefügten Bescheinigung über die Kostenzusage für die Notübernachtungsstätte A-Straße für den Zeitraum vom 27. September 2022 bis 7. November 2022 ergebe. Zudem bestehe ein Anspruch auf Sachurteil und es fehle eine notwendige mündliche Verhandlung.

Mit dem ihm am 10. November 2022 an seine von ihm angegebene Adresse zugestellten Schreiben der Berichterstatterin vom 7. November 2022 ist der Kläger, und mit einfacher Post auch die Beklagte, darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, die Wiederaufnahmeklage ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, weil ein zulässiger Anfechtungsgrund nicht schlüssig behauptet worden sei, und der Kläger sich dazu bis zum 15. Dezember 2022 äußern könne. Hierzu hat sich der Kläger bis zur heutigen Entscheidung nicht in der Sache geäußert. Er hat lediglich schriftlich ausgeführt, er beantrage mündliche Verhandlung und auch ein Obdachloser sei klagebefugt.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.


II.

Die Wiederaufnahmeklage hat keinen Erfolg, denn sie ist unzulässig.

Nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist, als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Diese Regelung ist auch bei unzulässigen Wiederaufnahmeklagen anwendbar (BSG, Beschluss vom 10. Juli 2012, B 13 R 53/12 B, SozR 4–1500 § 158 Nr. 6; vom 23. April 14, B 14 AS 368/13 B, SozR 4–1500 § 179 Nr. 1; vom 17. September 14, B 14 AS 85/14 B, juris; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 158 Rdnr. 6a; Adolf in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., SGG, § 158 Rdnr. 18).

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers ist unzulässig.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage obliegt hier nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 584 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) dem Berufungsgericht, da das vom Kläger angefochtene Urteil von dem Berufungsgericht erlassen wurde.

Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens bestimmt sich nach § 179 SGG, der wiederum auf die entsprechenden Vorschriften in der ZPO verweist. Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich in drei Abschnitte: 
1. Prüfung der Zulässigkeit der Wiederaufnahme, 
2. aufhebendes Verfahren (Prüfung, ob der angegebene Wiederaufnahmegrund vorliegt) und 
3. ersetzendes Verfahren (neue Verhandlung und Entscheidung des früheren Rechtsstreits). Das Gericht darf den jeweils folgenden Abschnitt erst angehen, wenn die Anforderungen im Vorhergehenden erfüllt sind.

Nach § 584 Abs. 1 ZPO ist für Nichtigkeits- und Restitutionsklagen das Berufungsgericht zuständig, wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird. Zwar ist das Berufungsgericht grundsätzlich nur dann zuständig, wenn es die Berufung als zulässig angesehen hat und in der Sache entschieden hat (Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Auflage 2021, § 584 Rdnr. 2). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn es die Berufung zwar als unzulässig verworfen hat, aber in der verwerfenden Entscheidung selbst der Wiederaufnahmegrund gesehen wird (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2022, L 7 AL 28/22 WA, Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Auflage 2021, § 584 Rdnr. 2). So liegt der Fall hier: Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2021 wurden durch Urteil des Berufungsgerichts vom 16. September 2022 als unzulässig verworfen, weil es bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren gefehlt habe, da der Kläger in seiner Korrespondenz mit dem Senat bewusst keine Wohnanschrift genannt habe. Genau gegen diese Verwerfung der Berufung wendet sich der Kläger, indem er angibt, er sei gerichtsbekannt obdachlos gewesen.

Die Wiederaufnahmeklage des Klägers war durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Der Senat konnte die unzulässige Wiederaufnahmeklage nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 158 Satz 1 und 2 SGG verwerfen (zu einer solchen Möglichkeit siehe BSG, Beschluss vom 10. Juli 2012, B 13 R 53/12 B, Juris, Rdnr. 11-16).

Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage ist in jedem Fall die schlüssige Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes, wie sie in §§ 579, 580 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgeführt sind (BSG, Beschluss vom 23. April 2014, B 14 AS 368/13 B, Juris, Rdnr. 9; BSG, Beschluss vom 10. Juli 2012, B 13 R 53/12 B, Juris, Rdnr. 10). Einen solchen Wiederaufnahmegrund hat der Kläger jedoch nicht schlüssig dargelegt, insbesondere wird durch den Einwand, dass er gerichtsbekannt obdachlos gewesen sei, wie sich aus der beigefügten Bescheinigung über die Kostenzusage für die Notübernachtungsstätte A-Straße für den Zeitraum vom 27. September 2022 bis 7. November 2022 ergebe, kein Wiederaufnahmegrund nach §§ 579, 580 ZPO schlüssig dargelegt. Der Kläger macht weder Nichtigkeitsgründe (§ 579 ZPO) geltend, denn diese sind bei der Verletzung elementarer Verfahrensvorschriften denkbar, noch ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers ein Bezug zu den in § 580 ZPO oder § 179 Abs. 2 SGG genannten Wiederaufnahmegründen.
Der Kläger macht damit lediglich eine fehlerhafte Entscheidung des Berufungsgerichts geltend. Diese allein stellt jedoch keinen Wiederaufnahmegrund dar.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Die Revision war mangels Zulassungsgrund i.S.d. § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.

Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussichten für die Wiederaufnahmeklage nicht zu gewähren.
 

Rechtskraft
Aus
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