L 12 AS 790/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2139/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 790/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 09.01.2024 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit nicht absenderbestätigter De-Mail vom 28.10.2023 hat der Kläger unter Beifügung eines Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 26.10.2023, mit welchem Widersprüche des Klägers betreffend die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2023 bis 30.11.2023 und gestützt auf die Geltendmachung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung zurückgewiesen worden sind, Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Der ansonsten in lautmalerischer Wiedergabe wohl des M1 Dialekts erhobenen und auch dadurch im Wesentlichen unverständlichen Klage war folgender Zusatz beigefügt:
Zu De-Mail-KOM grundsätzlich: § 5 Abs. 3 De-Mail-Gesetz iVm § 5 Abs. 1 Nr. 2 De-Mail-Gesetz (Verschlüsselung und qeS / feS) gelten für die entsprechenden Diensteanbieter. Absenderbestätigungen in diesem rechtlich-technischen Kontext sind die Erfüllung eines Luxusbedürfnisses (siehe auch Art. 8 eIDAS-VO).“

Das SG hat den Kläger auf eine mögliche Formunwirksamkeit seiner Klageerhebung hingewiesen und anschließend die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.01.2024 nach vorheriger Anhörung als unzulässig abgewiesen, da sie nicht formwirksam erhoben worden sei. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 11.01.2024 zugestellt worden.

Der Kläger hat am 19.02.2024 mit nicht absenderbestätigter De-Mail dem SG mitgeteilt: „Der Rechtebehelf (Art. 47 GRC) wird aufrecht erhalten wegen Unterwanderung durch JC M3 (Jobcenter M2) des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II … Begründung: 1. Die KdU werden vom JC hier seit 06/2022 nicht vollständig bezahlt (24 qm-Bude, Lude!), es fehlen monatlich ca. 80 Euro, was dann hier vom Regelsatz zu bezahlen ist“. Auch dieses Schreiben enthielt den Hinweis, dass der Kläger ausschließlich in elektronischer Form kommuniziere und denselben „grundsätzlichen“ Hinweis zur Kommunikation mit De-Mail wie bereits die Klage.

Das SG hat dieses Schreiben an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit der Bitte um Prüfung in eigener Zuständigkeit, ob darin eine Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 09.01.2024 zu sehen sei, zugeleitet. Die vom Senat postalisch an den Kläger versandte Eingangsbestätigung hat der Kläger wieder an das LSG Baden-Württemberg zurückgeleitet mit dem per Mail zugeleiteten Bemerken, als „Brief papierhaft“ eingegangene Post könne er nicht bearbeiten und er erwarte eine unverzügliche Übersendung in elektronischer Form. Der Kläger hat auch in der Folgezeit ausschließlich per nicht absenderbestätigter De-Mail mit dem Senat kommuniziert.

Mit Verfügung vom 22.03.2024 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass seine nicht absenderbestätigte De-Mail als Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 09.01.2024 gewertet werde und weder diese noch die nachfolgenden De-Mails den Formanforderungen an die Einlegung einer Berufung entsprechen würden und deshalb beabsichtigt sei, die im Übrigen auch verfristete Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Mit Verfügung vom 02.04.2024 ist der Kläger neuerlich darauf hingewiesen worden, dass das von ihm gewählte nicht absenderbestätigte De-Mailformat nicht den Formanforderungen entsprechen würde, weshalb der Senat mit ihm weiterhin nur auf postalischem Wege verkehren werde.

Der Kläger und der Beklagte haben keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unzulässig. Denn der Kläger hat diese nicht formgerecht und nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt.

Dabei legt der Senat die De-Mail des Klägers vom 19.02.2024 unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips zu dessen Gunsten als Berufung aus. Denn der Kläger hat die mit „Rechtsbehelf“ bezeichnete De-Mail zeitnah (wenngleich nicht innerhalb der Berufungsfrist, vergleiche hierzu später) zur Zustellung des Gerichtsbescheids vom 09.01.2024 an das SG adressiert und – neben vielen weiteren unverständlichen und völlig fern der Sache liegenden Ausführungen – für den streitgegenständlichen Zeitraum die Höhe der Kosten der Unterkunft, welche in den mit der ursprünglichen Klage angegriffenen Bescheiden thematisiert worden sind, angegriffen.

Die Berufung ist aber weder form- noch fristgerecht eingelegt worden und daher gemäß § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gemäß § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Gerichtsbescheid vom 09.01.2024 ist dem Kläger am 11.01.2024 zugestellt worden. Der Lauf der einmonatigen Berufungsfrist hat daher am 12.01.2024 begonnen und, da der 11.02.2024 ein Sonntag gewesen ist, mit Ablauf des 12.02.2024 geendet (vgl. 64 SGG).
 
Da als erstmalige Berufungseinlegung frühestens die nicht absenderbestätigte De-Mail vom 19.02.2024 Betracht kommt, ist die Berufung, ungeachtet der Frage der Formwirksamkeit, nicht innerhalb der Berufungsfrist erfolgt. Mögliche Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 67 SGG hat der Kläger trotz entsprechenden Hinweises nicht benannt und sind auch nicht ersichtlich.

Darüber hinaus ist die Berufungseinlegung mittels nicht absenderbestätigter De-Mail auch formunwirksam. Der Kläger hat seine Berufung weder beim LSG Baden-Württemberg noch beim SG schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt bzw. in entsprechender Form die Berufungseinlegung bestätigt. Eine alternativ mögliche Einlegung als elektronisches Dokument gemäß § 65a SGG ist bislang nicht formgerecht erfolgt. Denn nach § 65a Abs. 3 Satz 1 SGG muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Ein sicherer Übermittlungsweg in diesem Sinne ist auch der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt (§ 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Kläger hat die von ihm per De-Mail an das LSG Baden-Württemberg übersandten elektronischen Dokumente nicht qualifiziert elektronisch signiert oder sie mit einer Absenderauthentifizierung versehen lassen, also sich die sichere Anmeldung in seinem De-Mail-Konto bei Versand bestätigen lassen. Er hat vielmehr durchgehend während des gesamten Berufungsverfahrens trotz der Hinweise des Senats ausschließlich auf nicht absenderbestätigte De-Mails zurückgegriffen.

Die Erfordernisse für eine formgerechte elektronische Kommunikation mit dem Gericht sind dem Kläger im Übrigen ohnedies bekannt. Auf diese Erfordernisse ist der Kläger bereits wiederholt, zuletzt im Gerichtsbescheid des SG vom 09.01.2024 und im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.01.2024 (Az. L 7 AS 2922/23), hingewiesen worden. Dass dem Kläger die Erfordernisse an eine formgerechte elektronische Kommunikation bewusst sind, wird im Übrigen auch aus dem regelmäßig seinen Schriftsätzen beigefügten Textbaustein bezüglich der aus seiner Sicht gebotenen bzw. nicht gebotenen Anforderungen an die elektronische Kommunikation nach dem SGG deutlich („Absenderbestätigungen in diesem rechtlich-technischen Kontext sind die Erfüllung eines Luxusbedürfnisses“).

Nach alledem war die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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