L 9 AS 3036/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 4474/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3036/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. September 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Mehrbedarf wegen Umgangsrechts mit dem anderen Elternteil) in den Sommerferien 2021.

Der Kläger Ziff. 1 (geboren 1943) und B1 (geboren 1971) haben drei gemeinsame Kinder (die Kläger Ziff. 2 bis Ziff. 4): B2 und B3 (jeweils geboren 2007) sowie H1 (geboren 2008). H2 und B1 sind nicht miteinander verheiratet, üben aber die elterliche Sorge gemeinsam aus.

Der Beklagte hatte in der Vergangenheit von April 2006 bis April 2013 B1 und den drei Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gewährt. Im Anschluss daran wurden die Leistungen nicht weitergewährt, weil der Beklagte vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit H2 ausgeht. Sowohl B1 als auch der im Bereich des Blumenhandels selbstständig tätige H2 lehnten es ab, der Aufforderung nachzukommen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des H2 offenzulegen, weil keine Bedarfsgemeinschaft mit dem Kindesvater bestehe. Durch Ermittlungen der Polizei und der Finanzdienstleistungsaufsicht im Jahr 2013 waren dem Beklagten insgesamt 26 Konten bei verschiedenen Banken verteilt auf alle Familienmitglieder bekannt geworden, davon 12 bzw. 13 Konten des H2. Der wiederholten Aufforderung des Jobcenters, Kontoauszüge der letzten drei Monate für alle 26 laufenden Konten vorzulegen, ist H2 gar nicht und B1 nur für ein Konto nachgekommen (SG Stuttgart, Beschluss vom 4.7.2013 – S 22 AS 2429/13 ER – sowie Bl. 30-46, 83 der Gerichtsakte S 22 AS 2429/13 ER).

Die Familie versucht seither, weiterhin Leistungen nach dem SGB II für B1 und die drei Kinder zu erhalten. Im Zusammenhang damit sind eine Vielzahl von sozialgerichtlichen Verfahren anhängig gemacht worden, allein beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nur unter dem Namen der B1 für sich und die Kinder seit 2011 bis Ende 2020 über 550 Verfahren; seit April 2021 beim erkennenden Senat für alle Familienmitglieder in unterschiedlichen Konstellationen über 75 Verfahren.

Im vorliegenden Fall beantragte H2 als gesetzlicher Vertreter seiner drei Kinder mit E-Mail vom 01.07.2023 „Mehrbedarf wegen Umgangsrechts mit dem anderen Elternteil vom 29.07.2023 bis 12.09.2021 über 12 Stunden/46 Tage zu je 12,43 € = 1.715,34 €“. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 09.07.2021 für die drei Kinder ab, weil die Voraussetzungen für einen besonderen Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II nicht vorlägen.

Den hiergegen am 10.07.2021 von H2 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2021 als unbegründet zurück (Geschäftszeichen W-62102-01172/21). Dieser Widerspruchsbescheid wurde - nachdem Klage hiergegen soweit ersichtlich nicht erhoben wurde - bestandskräftig.

Am 06.08.2021 erhob Rechtsanwalt E1 als Prozessbevollmächtigter für die Kläger nochmals Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.07.2021. Diesen weiteren Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2021 als unzulässig (Geschäftszeichen W-62102-01287/21).

Gegen den Bescheid vom 09.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2021 hat der Prozessbevollmächtigte namens und in Vollmacht von A1 (gemeint: A2) B4, B3, B5 (gemeint: H3) und H2 am 02.12.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben und die Verpflichtung des Beklagten, den Klägern unter Aufhebung des Bescheides vom 09.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2022 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 12.09.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger Ziff. 4 sich – erstmals im eigenen Namen mit Widerspruch durch den Prozessbevollmächtigten vom 06.08.2021 – gegen den Bescheid vom 09.07.2021 wende, sei der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2021 nicht zu beanstanden. Denn ein Widerspruch, welcher sich gegen einen Bescheid wende, der keine Beschwer für den Widerspruchsführer enthalte, sei unzulässig. Vorliegend habe der Kläger Ziff. 4 für seine Kinder – die Kläger Ziff. 1 bis 3 – einen Mehrbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts beantragt. Nur hierüber habe der Beklagte mit Bescheid vom 09.07.2021 entschieden.

Den – erneuten – Widerspruch durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger Ziff. 1 – 3 habe der Bevollmächtigte ebenfalls zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der Bescheid vom 09.07.2021 sei aufgrund des Widerspruchs durch den Kläger Ziff. 4 bereits Gegenstand eines Vorverfahrens gewesen. Er habe nicht zugleich anderweitig angefochten werden können. Ein erneuter Widerspruch gegen einen Bescheid, der Gegenstand eines Vorverfahrens sei, sei unstatthaft und somit unzulässig (mit Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.07.2018 - L 10 R 3653/17 -, juris Rn. 23 m.w.N.) Der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2021 sei auch nicht etwa deshalb aufzuheben, weil der Beklagte über den gleichwohl vom Prozessbevollmächtigten der Kläger erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.07.2021 gesondert entschieden habe. Ebenso wie der Beklagte verpflichtet sei, über Anträge zu entscheiden, auch wenn er sie für unzulässig halte (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 36/02 R, juris), habe er einen Widerspruch zu bescheiden, auch wenn dieser unzulässig sei (mit Verweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 18.02.2004 - L 1 KR 71/03 -, juris). Denn nach § 88 Abs. 2 SGG sei auch für Widersprüche die Untätigkeitsklage vorgesehen, so dass wie bei Anträgen auch bei Widersprüchen eine grundsätzliche Pflicht zur Entscheidung hierüber bestehe.

Gegen das am 26.09.2022 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte für die Kläger am 25.10.2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Trotz Erinnerung ist weder eine Berufungsbegründung erfolgt noch wurde ein Berufungsantrag gestellt. Der Prozessbevollmächtigte hat lediglich unter Hinweis auf eine von ihm zum SG erhobene Elementenfeststellungsklage (S 3 AS 58/23) das Ruhen des vorliegenden Verfahrens angeregt.

Auch der Beklagte hat auf die Berufung weder erwidert noch einen Berufungsantrag gestellt.

Auf den Hinweis des Senats, dass er beabsichtige, die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, hat der Kläger Ziff. 4 persönlich mitgeteilt, er sehe hierin eine Verletzung von Klägerrechten und weise die Absicht des Senats zurück

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge und die Prozessakten in den weiteren beim Senat anhängigen Verfahren Bezug genommen.


II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht beim SG (§ 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) erhobene Berufung der Kläger ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 12.09.2022 zu Recht abgewiesen. Es hat unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen und Heranziehung einschlägiger Rechtsprechung zutreffend dargelegt, dass die Klage unbegründet ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des (wenigen) Vorbringens der Kläger uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Nachdem die Kläger im Berufungsverfahren keinerlei Ausführungen zur Sache gemacht und sich auch nicht mit der – zutreffenden – Begründung des SG auseinandergesetzt haben, besteht für den Senat kein Anlass zu weiteren Ausführungen. Insbesondere besteht keine Veranlassung, das Ruhen des Verfahrens in Betracht zu ziehen, denn weder sind im vorliegenden Verfahren materielle Fragen der Anspruchsberechtigung überhaupt Prüfungsgegenstand noch können die Kläger mit ihrem Feststellungsbegehren durchdringen (vgl. insoweit den Beschluss des Senats im Verfahren L 9 AS 1052/23).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.




 

Rechtskraft
Aus
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