L 12 AL 3450/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AL 2581/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3450/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.11.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu    erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Auszahlung von 10.352,33 €, welche die Beklagte zu 2 nach rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung an die Beklagte zu 1 wegen der Erbringung von Arbeitslosengeld erstattet hatte.

Die Klägerin, die seit 18.05.2020 erkrankt ist, beantragte nach der Aussteuerung durch die Krankenversicherung (zum 19.10.2021) am 31.08.2021 bei der Beklagten zu 1 Arbeitslosengeld. Im Antrag gab sie an, nicht arbeitslos, sondern arbeitsunfähig zu sein. Vom 23.10.2020 bis 12.11.2020 sowie vom 13.07.2021 bis 20.08.2021 erhielt die Klägerin von der Beklagten zu 2 Übergangsgeld während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

Mit Bescheid vom 04.11.2021 in Gestalt des Bescheides vom 31.08.2022 bewilligte die Beklagte zu 1 der Klägerin Leistungen ab 20.10.2021 für 450 Kalendertage in Höhe eines Zahlbetrages von 23,60 € täglich (monatlich 708,00 €) bis 30.09.2022 und ab 01.10.2022 in Höhe von 21,14 € täglich (634,20 € monatlich). Mit Bescheid vom 20.08.2022 bewilligte die Beklagte zu 1 der Klägerin eine Einmalzahlung in Höhe von 100,00 € in Umsetzung des Maßnahmepakets zum Umgang mit hohen Energiekosten. Sie bezog in der Zeit vom 20.10.2021 bis 18.01.2023 von der Beklagten zu 1 Leistungen in Höhe von insgesamt 10.454,33 €.

Mit Bescheid vom 20.01.2023 bewilligte die Beklagte zu 2 der Klägerin – auf deren Antrag vom 13.10.2021 hin – eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.12.2020 bis 31.08.2024 bei Einsetzen der laufenden Leistungen zum 01.03.2023 in Höhe von monatlich 860,90 € brutto (Auszahlungsbetrag: 764,48 €). Für die Zeit vom 01.12.2020 bis 28.02.2023 bewilligte die Beklagte zu 2 der Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 19.257,88 € und berücksichtigte dabei u.a. einen Rentenzahlbetrag von 726,46 € in 2021 und von 765,35 ab Juli 2022.

Die Beklagte zu 1 machte mit Schreiben vom 01.02.2023 bei der Beklagten zu 2 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 10.352,33 € nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und von 12.749,72 € nach § 335 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geltend. Für die Zeit vom 20. bis 31.10.2021 legte die Beklagte zu 1 einen Rentenanspruch in Höhe von 281,21 € zugrunde.

Mit weiterem Schreiben vom 01.02.2023 informierte die Beklagte zu 1 die Klägerin, dass aufgrund der Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 20.10.2021 bis 18.01.2023 der Anspruch auf Rente in Höhe von insgesamt 10.352,33 € als erfüllt gelte.

Mit Schreiben vom 20.02.2023 informierte die Beklagte zu 2 die Klägerin, dass betreffend die Nachzahlung von der Beklagten zu 1 ein Erstattungsanspruch ein Betrag in Höhe von 10.352,33 € und von der DAK Gesundheit ein Betrag von 7.030,26 € geltend gemacht worden seien.

Im Oktober 2023 wandte sich die Klägerin an die Beklagte zu 1 und bat um Auszahlung der einbehaltenen 10.352,33 €.

Die Beklagte zu 1 wies die Klägerin mit Schreiben vom 16.10.2023 darauf hin, dass die Beklagte zu 1 einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 habe. Eine Rückforderung von der Klägerin erfolge nicht. Jedoch könne auch keine doppelte Auszahlung erfolgen.

Die Klägerin hat am 23.10.2023 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Das SG hat die Klage als auch gegen die Beklagte zu 2 gerichtet angesehen, da die Klägerin letztlich die Auszahlung einer von der Beklagten zu 2 bewilligten Leistung begehre.

Unter dem 31.10.2023 übersandte die Beklagte zu 1 einen Ausdruck der Zahlungsdaten, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin insgesamt 10.354,32 € erhalten habe (10/21: 283,20 €, 11/21-9/22: 708,00
 €, 10/22-12/22: 634,20 €, 1/23: 380,52 €). Die Einmalzahlung in Höhe von 100,00 € ist nicht aufgeführt.

Nach mehreren ausführlichen Hinweisen hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.11.2023 abgewiesen. Zwar stehe der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf die begehrten
10.352,33 € gegen die Beklagte zu 2 zu. Dieser Anspruch gelte jedoch als erfüllt, da die Klägerin bereits Leistungen von der Beklagten zu 1 erhalten habe.

Am 11.12.2023 hat die Klägerin sich an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg gewandt. Sie habe die volle Erwerbsminderungsrente Mitte 2021 beantragt, diese sei am 20.01.2023 bewilligt worden. In diesem Zeitraum sei keine Rentenleistung von 726,46 € auf ihrem Konto eingegangen, sondern nur das Arbeitslosengeld. Die Nachzahlung der Erwerbsminderungsrente in Höhe von 10.352,33 €, die die Beklagte zu 2 an die Beklagte zu 1 gezahlt habe, sei nicht an sie ausgezahlt worden. Die einbehaltene Rentennachzahlung betrage 19.257,88 €. Sie sei aufgrund ihrer Krankheit verpflichtet gewesen, Arbeitslosengeld zu beantragen, neben dem Arbeitslosengeld habe sie keine Rente erhalten. Ihr habe Rente und Arbeitslosengeld parallel zugestanden. Die von der Beklagten aufgelisteten 1.340,88 € habe sie nie bekommen.


Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.11.2023 aufzuheben und die Beklagte zu 2 zu verurteilen, weitere 10.352,33 € von der mit Bescheid vom 20.01.2023 bewilligten Nachzahlung an sie auszuzahlen.


Die Beklagte zu 1 beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2 hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte zu 1 gibt an, bei den Beträgen von 1.340,88 € in der Rubrik KV-, PV- und RV-Zahlungen handele es sich nicht um Zahlbeträge, sondern um das der Rentenversicherung zu meldende Entgelt für die Rentenversicherung (RV-Entgelt) sowie das KV-Entgelt. Der Klägerin stünde entweder Arbeitslosengeld oder Rente zu.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 23.02.2024 haben die Klägerin und die Beklagte zu 1 und mit Schreiben vom 10.04.2024 die Beklagte zu 2 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.


Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen nebst beigezogener Verwaltungsakte der Beklagten zu 1 verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.



Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet.

Zutreffend hat das SG dargelegt, dass eine sachliche Legitimation (Passivlegitimation) der Beklagten zu 1 (Bundesagentur für Arbeit) fehlt, da diese die von ihr zu erbringenden Leistungen unstreitig erbracht hat. Wie auch das SG ist der Senat der Auffassung, dass selbst wenn die Beklagte zu 1 die Erstattung von 10.352,33 € zu Unrecht erhalten hätte, die Klägerin ausschließlich im Verhältnis zur Beklagten zu 2 (Rentenversicherung) eine Auszahlung erreichen könnte, da diese die Leistungen bewilligt (Bescheid vom 20.01.2023), aber nicht vollständig ausgezahlt hätte. Lägen die Voraussetzungen der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nicht vor, hätte die Klägerin einen Anspruch auf die Auszahlung der weiteren 10.352,33 € gegen die Beklagte zu 2, sie hätte zu Unrecht an die Beklagte zu 1 Leistungen erstattet und müsste diese von der Beklagten zu 1 zurückfordern. 

Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der dem Grunde nach bestehende Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 wegen den Eintritts der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X erloschen ist, zumal die Klägerin den Erhalt des Arbeitslosengeldes nicht bestreitet. Der Senat sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen des SG (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte zu 1 fordere von der Beklagten zu 2 mehr als sie (die Klägerin) erhalten habe, ist dies nicht zutreffend. Die Beklagte zu 1 forderte von der Beklagten zu 2 insgesamt 10.352,33 €. An die Klägerin ausbezahlt wurde jedoch folgendes:

 

 

Insgesamt

Oktober 2021

283,20 €

283,20 €

November 2021 - September 2022

708,00 €

7.788,00 €

August 2022 – Einmalzahlung Energiekosten

100,00 €

100,00 €

Oktober 2022 - Dezember 2022

634,30 €

1.902,60 €

Januar 2023

380,52 €

380,52 €

 

 

10.454,32 €

Dass die Beklagte zu 1 einen geringeren Erstattungsbetrag geltend gemacht hat, als sie tatsächlich an die Klägerin geleistet hatte, belastet die Klägerin nicht. Dies rührt zum einen daher, dass die Einmalzahlung nicht erstattet verlangt wurde, und zum anderen, dass die anteilig errechnete Rente der Klägerin im Oktober 2021 nur 281,21 € betrug und damit unter dem von der Beklagten zu 1 gezahlten Betrag von 283,20 € lag. Die Beklagte zu 1 hat somit nach § 103 Abs. 2 SGB X das erstattet verlangt, was sie tatsächlich an die Klägerin geleistete hatte, jedoch nur bis zu dem Betrag, den die Beklagte zu 2 bewilligt hatte.

Soweit die Klägerin anmerkt, dass in der Zahlungsübersicht der Beklagten zu 1 der Betrag von 1.340,88 € erwähnte werde, den sie nicht erhalten habe, handelt es sich nicht um Zahlbeträge, sondern um das der Rentenversicherung zu meldende Entgelt für die Rentenversicherung (RV-Entgelt) sowie das KV-Entgelt. Der Betrag von 1.340,80 € wurde der Erstattungsforderung auch nicht zugrunde gelegt (s.o.).

Letztlich irrt die Klägerin in der Annahme, dass ihr sowohl Leistungen der Beklagten zu 1 als auch der Beklagten zu 2 zustehen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass sie in der gesamten Zeit des Leistungsbezugs nicht arbeitsfähig war. Jedoch sehen die gesetzlichen Regelungen in diesen Fällen, um die Leistungsberechtigten während der langwierigen Ermittlungen der Rentenversicherung nicht mittellos zu lassen, einen Anspruch gegen die Arbeitslosenversicherung (§ 145 Abs. 1 SGB III) und bei Bewilligung einer Rente einen Erstattungsanspruch der Bundesagentur direkt gegen die Rentenversicherung vor (§ 145 Abs. 3 SGB III).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG:

Grunde für die Zulassung der Revision bestehen nicht.


 

Rechtskraft
Aus
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