S 210 BA 196/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 BA 196/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 BA 38/24
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Erhält die ehrenamtlich tätige Vizepräsidentin eines eingetragenen Vereins, der die Interessen seiner Mitglieder – einer Berufsgruppe – in der Öffentlichkeit und gegenüber staatlichen Organen vertritt, für ihre Tätigkeit eine signifikante Aufwandsentschädigung (hier: Aufwandspauschale von bis zu 4.000,- € monatlich), so liegt eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor.

 

ENTWURF

Sozialgericht Berlin

 

 

S 210 BA 196/20

 

verkündet am
18. April 2024

 

 

 

 

 

 

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

         ,
 

 

- Klägerin -

Proz.-Bev.:

… Rechtsanwälte,  

 

gegen

        

Deutsche Rentenversicherung Bund,  

Ruhrstr. 2, 10709 Berlin,
 

- Beklagte -

         … e. V.,  

…,
 

- Beigeladener -

 

 

hat die 210. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 18. April 2024 durch den Richter am Sozialgericht … sowie die ehrenamtliche Richterin Frau … und den ehrenamtlichen Richter Herrn … für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen. 

 

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin als Vizepräsidentin des D. e.V. sozialversicherungspflichtig ist.

 

Die Klägerin ist als selbstständige Rechtsanwältin in Köln in eigener Kanzlei tätig. Vom 07.06.2013 bis zum 14.06.2023 war sie Vizepräsidentin des D… e.V. Im Jahr 2019 übernahm sie in diesem Zusammenhang die Aufgabe als Schatzmeisterin.

 

Bis zum 30.06.2019 erhielt die Klägerin für ihre Tätigkeit eine monatliche Entschädigung von 1.500,- €. Vom 01.07.2019 bis zum 31.05.2023 betrug die Entschädigung 4.000,- € im Monat. Seit Juni 2023 wurde sie wieder auf 1.500,- € reduziert.

 

Im – zum Verfahren beigeladenen – D. sind laut dessen eigener Darstellung auf seiner Homepage (https://anwaltverein.de/de/interessenvertretung/anwalt-der-anwaelte; Zugriff 28.03.2024) in mehr als 250 örtlichen Anwaltvereinen ca. 60.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammengeschlossen, um sich gemeinsam für die Wahrnehmung gleichgerichteter Interessen einzusetzen. Der Verein sei der „Anwalt der Anwälte“. Über seine Lobbyarbeit nehme er direkten Einfluss auf die parlamentarische Willensbildung und die Willensbildung der Exekutive von Bund, Ländern und Europäischer Union. Gem. § 3 Abs. 1 1. Hs. seiner Satzung (vom 12.11.2010, zuletzt geändert auf der Mitgliederversammlung vom 10.11.2023), ist Zweck des Vereins als Berufsverband die Wahrung, Pflege und Förderung aller beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft und des Anwaltsnotariats. Er will durch die Stärkung des Anwaltsberufs einen Beitrag zur Festigung der verfassungsmäßigen Rechtsordnung leisten und insbesondere zur Wahrung von Grund- und Menschenrechten beitragen sowie die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am Recht fördern (§ 3 Abs. 2 S. 3 der Satzung).

 

In der Satzung ist des Weiteren unter anderem geregelt:

 

§ 13 Mitgliederversammlung – Aufgaben

 

(1) Die Mitgliederversammlung ist zuständig für

a. die Wahl der Mitglieder des Vorstands

b. die Bestellung des/der Kassenprüfers/-in und seines/ihres Vertreters bzw. seiner/ihrer Vertreterin

c. die Genehmigung des Jahresabschlusses

d. die Entlastung des Vorstands

e. die Festsetzung er Mitgliedsbeiträge und Umlagen sowie den Erlass oder die Änderung der Beitragsordnung

f. die Änderung der Satzung

g. die Auflösung des Vereins

h. die Entscheidungen nach § 3 Abs. 5 Satz 2

i. die ihr an anderer Stelle dieser Satzung übertragenen Aufgaben

j. die Festsetzung einer Aufwandsentschädigung der Mitglieder des Vorstands, die auch die zeitliche Beanspruchung berücksichtigen und auch pauschalierend festgesetzt werden kann.

 

§ 19 Vorstand – Aufgaben

 

(1) Der Vorstand ist für alle Vereinsangelegenheiten zuständig, soweit diese nicht der Mitgliederversammlung oder anderen Vereinsorganen in der Satzung übertragen sind. Er kann dem/der Präsidenten/-in und dem Präsidium weitere Aufgaben übertragen.

 

(2) Der Vorstand bestimmt die angemessene Aufwandsentschädigung für den/die Präsidenten/-in und die Mitglieder des Präsidiums, die auch die zeitliche Beanspruchung berücksichtigen und auch pauschalierend festgesetzt werden kann.

 

(3) Beschlüsse des Vorstands werden in Sitzungen oder außerhalb von Sitzungen durch Abstimmungen in Textform gefasst. Die Sitzungen werden vom/von der Präsidenten/-in einberufen. Abstimmungen in Textform werden von ihm/ihr veranlasst. Beschlussfähig ist der Vorstand, wenn mindestens neun Mitglieder anwesend sind. Für Abstimmungen in Textform ist vom/von der Präsidenten/- in eine angemessene Frist zur Beantwortung zu bestimmen. Stimmabgaben, die nach Ablauf der Frist eingehen, bleiben außer Betracht.

 

(4) Der Vorstand hat mindestens alle zwei Jahre einen Anwaltstag auszurichten.

 

(5) Der Vorstand gibt sich eine Geschäftsordnung, die mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder geändert und aufgehoben werden kann. Diese Geschäftsordnung hat insbesondere die Abstimmungsmodalitäten, Protokollwesen und den Informationsaustausch mit dem Präsidium zu regeln.

 

§ 21 Präsidium

 

(1) Der Vorstand wählt aus der Mitte seiner gewählten Mitglieder auf Vorschlag des/der Präsidenten/-in mindestens vier Vizepräsidenten/-innen.

 

(2) Die Amtszeiten der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten enden mit der Amtszeit des/der Präsidenten/der Präsidentin. Sie bleiben bis zur Neuwahl eines Präsidenten/einer Präsidentin im Amt.

 

(3) Der/die Präsident/in und die gewählten Vizepräsidenten/-innen bilden das Präsidium. Sie sind gesetzlicher Vorstand im Sinne des § 26 Abs. 1 BGB.

 

(4) Der Verein wird im Sinne des § 26 Abs. 2 BGB vertreten durch den/die Präsidenten/-in oder durch eine/n Vizepräsidenten/-in zusammen mit einem/einer weiteren Vizepräsidenten/-in.

 

(5) Außerdem gehören dem Präsidium die gewählten Mitglieder des Vorstands, die das Amt des/der Präsidenten/-in innehatten, für die Dauer eines Jahres ab Ende ihres Amtes mit beratender Stimme an.

 

(6) Das Präsidium hat das Vermögen des Vereins, seine Finanzen und Beteiligungen zu verwalten und die Sitzungen des Vorstands vorzubereiten. Dem Präsidium obliegt zudem die Leitung des Vereins unter Beachtung der Beschlüsse des Vorstands. Das Präsidium kann sich eine Geschäftsordnung geben.

 

Am 08.08.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens teilte sie unter anderem mit, in ihrer Schwerpunkttätigkeit als Schatzmeisterin den Hauptgeschäftsführer und Chef der Buchhaltung, das Budget und die Zahlung der Mitgliedsbeiträge zu überwachen. Gegebenenfalls bereite sie Vorlagen für Präsidium und Vorstand vor. Sie erhalte Beratung durch Wirtschaftsprüfer und sei bei allen strategischen Fragen eingebunden. Sie erhalte keine fachlichen Weisungen, sei in Berlin, Köln und bei Terminen im In- und Ausland tätig. Sie vertrete den Präsidenten repräsentativ in Nordrhein-Westfalen oder bei persönlicher Verhinderung. Ausgehend von einer Stundenwoche von 55 - 60 Stunden wende sie 20 - 25 % ihrer Arbeitszeit für den Beigeladenen auf. Sie sei gegenüber der Mitgliederversammlung rechenschaftspflichtig, eine Kontrolle ihrer Tätigkeit finde aber nicht statt.

 

Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2020 fest, dass die Tätigkeit der Klägerin seit 07.06.2013 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sozialversicherungspflichtig sowie in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei sei. Die Tätigkeit beinhalte dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen. Die Klägerin führe die laufenden Geschäfte und entscheide über die Organisation. Sie habe Beschlüsse des Gesamtvorstands und der Mitgliederversammlung umzusetzen. Es werde für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung gezahlt. Zwar habe sie eine weitgehende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Ausübung ihrer Tätigkeit, dennoch überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Ein Dienstverhältnis zum Beigeladenen sei mittels der Wahl begründet worden und werde durch die Satzung geregelt. Der Klägerin obliege die Leitung des Vereins unter Beachtung der Beschlüsse des Gesamtvorstands. Sie sei funktionell in den geschäftlichen Organismus ihres Auftraggebers eingegliedert. Es gebe keinen Spielraum für eine im wesentlichen freie Ausgestaltung der Tätigkeit.

 

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2020 unter Hinweis auf ihren Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.

 

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht. Sie macht insbesondere geltend: Es gebe keine vertraglichen Vereinbarungen mit dem Beigeladenen. Eine Weisungsgebundenheit, auch nicht als höherwertige Tätigkeit im Rahmen einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess, bestehe nicht. Eine Eingliederung in die Betriebsorganisation erfolge nicht, sie habe die freie Wahl von Ort und Zeit. Als Vizepräsidentin sei sie Organ des Vereins und vertrete zusammen mit anderen Vizepräsidenten den Beigeladenen gerichtlich und außergerichtlich. Es gebe weder einen rechtlichen noch tatsächlichen Weisungsgeber. Die Mitgliederversammlung könne ihre Wiederwahl zwar verweigern, hierin sei aber keine Weisungsmöglichkeit zu sehen. Sie könne nach der Wahl nicht ohne weiteres abberufen werden und sei keinesfalls wie ein Arbeitnehmer kündbar. Zwar könne der Gesamtvorstand oder das Präsidium sie – die Klägerin – überstimmen. Da aber nicht sie, sondern die hauptamtliche Geschäftsführung des Beigeladenen die Beschlüsse betreffend die laufenden Geschäfte ausführe, könne daraus nichts zur Weisungsgebundenheit hergeleitet werden. Sie sei ehrenamtlich tätig und verfolge mit der Tätigkeit keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern engagiere sich aus ideellen Zwecken für den Beigeladenen. Eine Vergütungserwartung verbinde sie damit nicht. Finanzielle Zuwendungen schlössen die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht prinzipiell aus, jedenfalls, wenn sie wie in ihrem Fall nur Aufwände abdeckten, wobei auch Zeitaufwand und Verdienstausfall entschädigt werden könnten. Auch eine Pauschalierung der Aufwandsentschädigung sei zulässig. Die gezahlten Aufwandsentschädigungen seien auch nicht übermäßig hoch, jedenfalls werde die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschritten.

 

Die Klägerin beantragt,

 

unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 20.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2020 festzustellen, dass ihre Tätigkeit für den D. e.V. als dessen Vizepräsidentin vom 07.06.2013 bis zum 14.06.2023 keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung war.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie verteidigt ihre angegriffene Entscheidung unter Bezugnahme auf Ausgangs- und Widerspruchsbescheid.

 

Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, schließt sich in der Sache der Klägerin an.

 

Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung am 18.04.2024 persönlich angehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. §§ 54 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihre Tätigkeit für den Beigeladenen ist sozialversicherungspflichtig nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Recht der Arbeitsförderung.

 

Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 7a Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung geltenden Fassung. Danach entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund über Anträge auf Statusfeststellung auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.

 

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (st. RSpr., z.B. BSG, Urteil vom 11.11.2015, -B 12 KR 13/14 R-, BSGE 120, 59-69 und juris, Rn. 18, mit zahlreichen weiteren Nennungen zur RSpr.).

 

Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin mit der Übernahme der Tätigkeit als Vizepräsidentin des Beigeladenen, die später mit der Schwerpunkttätigkeit als Schatzmeisterin verknüpft wurde, kein unternehmerisches Risiko eingegangen ist und keine Investitionen getroffen hat. Auch hat sie für diese Tätigkeit keine eigene Betriebsstätte eingerichtet, sondern – wie sie in der mündlichen Verhandlung berichtet hat – lediglich (auch) ihre bereits für die berufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin eingerichtete Anwaltskanzlei und deren personelle und sächliche Infrastruktur genutzt. Es ist aber entscheidend darauf abzustellen, ob zielgerichtet für die zu bewertende Tätigkeit eine Betriebsstätte eingerichtet oder Investitionen getroffen wurden, was hier gerade nicht der Fall ist. Aus dem gleichen Grund kann auch der Umstand, dass die Klägerin angesichts des mit der Ausübung des Amts der Vizepräsidentin verbundenen Zeitaufwands ein gewisses unternehmerisches Risiko in Bezug auf ihre Anwaltstätigkeit – insbesondere deren Reduzierung – eingegangen ist, nicht für eine selbstständige Tätigkeit sprechen.

 

Dagegen war die Klägerin als Vizepräsidentin und den damit verbundenen Aufgaben in die Organisation des Beigeladenen eingegliedert. Ihre Tätigkeit war darauf ausgerichtet, zusammen mit weiteren Präsidiums- und Vorstandsmitgliedern den Vereinszweck – Interessenvertretung der Rechtsanwaltschaft gegenüber Bund, Ländern und Europäischer Union – zu fördern und zu verwirklichen. Hierzu dienten sowohl die Wahrnehmung repräsentativer Termine im In- und Ausland, vornehmlich auch in Nordrhein-Westfalen, als auch die Leitung des Vereins und Mitwirkung an seiner Willensbildung als Mitglied in dessen Kollegialorganen Vorstand und Präsidium sowie dessen rechtliche Vertretung zusammen mit einem weiteren Präsidiumsmitglied (§ 21 Abs. 4 der Satzung). Besonders deutlich wird die Förderung des Vereinszwecks auch mit der Wahrnehmung des Amts der Schatzmeisterin, denn ohne eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage und geordnete Finanzen, deren Überwachung die wichtigste Aufgabe der Klägerin war, wäre der Vereinszweck nicht zu realisieren. Im Übrigen oblag der Klägerin als Mitglied des Präsidiums auch von Seiten der Satzung des Beigeladenen die Verwaltung des Vermögens, der Finanzen und der Beteiligungen (§ 21 Abs. 6 S. 1 der Satzung). All diese Tätigkeiten übte sie im Sinne der Rechtsprechung des BSG in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess – worunter hier die Verwirklichung des Vereinszwecks des Beigeladenen zu verstehen ist – aus.

 

Dass die Klägerin in örtlicher und zeitlicher Hinsicht der Ausübung ihrer Tätigkeit konkreten Weisungen von für den Beigeladenen handelnden Personen nicht unterworfen war, spricht nicht gegen eine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV. In dem hier zu beurteilenden Bereich der höheren Dienstleistungen, die die Klägerin für den Beigeladenen erbrachte, kommt es auf diese Kriterien nicht entscheidend an, zumal solche Dienstleistungen mittels remote work mittlerweile im Allgemeinen völlig ortsungebunden und kaum abhängig von festen Arbeitszeiten – wie auch im Fall der Klägerin – erbracht werden können.

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist allerdings eine Weisungsgebundenheit im Sinne der vom BSG aufgestellten Kriterien zu erkennen. Ihr Einwand, sie sei allenfalls durch die Mitgliederversammlung abwählbar, aber nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar weisungsbedungen und kündbar, greift zu kurz. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 23.02.2021 – B 12 R 15/19 R –, juris, zur Sozialversicherungspflicht eines Mitglieds des Vorstands einer gemeinnützigen Stiftung entscheidend auf die anzuwendenden gesetzlichen Regelungen und darauf abgestellt, dass das Vorstandsmitglied dem Willen der anderen Vorstandsmitglieder der Stiftung unterlag und nicht die Rechtsmacht hatte, ihm nicht genehme Beschlüsse des Vorstands zu verhindern (BSG a.a.O., Rn. 20). Vorliegend kommt noch die Bindung der Klägerin an die Beschlüsse des Vorstands und des Präsidiums sowie ggf. der Mitgliederversammlung hinzu.

 

Gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 BGB finden auf die Geschäftsführung des Vorstands die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB entsprechende Anwendung. Vorstand im Sinne des § 26 BGB ist vorliegend das Präsidium (§ 21 Abs. 3 S. 2 der Satzung). Aus § 665 BGB, wonach der Beauftragte nur unter bestimmten Umständen von den Weisungen des Auftraggebers abweichen darf, ergibt sich, dass ein Beauftragter grundsätzlich an die Weisungen des Auftraggebers gebunden ist (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 26). Als Auftraggeber kommt hierbei insbesondere die Mitgliederversammlung in Betracht, die als oberstes Organ des Vereins die Angelegenheiten des Vereins zu ordnen hat, soweit diese nicht von einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind (Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, § 32, Rn. 1). Die Befugnisse der Mitgliederversammlung können durch die Satzung verstärkt oder eingeschränkt werden (§ 40 BGB; Ellenberger a.a.O.). Gemäß § 21 Abs. 6 S. 2 der Satzung obliegt dem Präsidium die Leitung des Vereins unter Beachtung der Beschlüsse des Vorstands.

 

In § 13 Abs. 1 der Satzung sind die Befugnisse der Mitgliederversammlung explizit aufgezählt, ohne einzelne Entscheidungen betreffend die Führung der Geschäfte durch das Präsidium zu erwähnen. Ob darin eine Beschränkung im Hinblick auf die Angelegenheiten des Vereins insoweit zu verstehen ist, als dass Vorstand und Präsidium nicht von Rechts wegen an Einzelweisungen enthaltene Beschlüsse der Mitgliederversammlung gebunden wären, kann im Hinblick auf die hier interessierende Frage dahinstehen. Zu konstatieren ist jedenfalls, dass die Mitgliederversammlung über die Genehmigung des Jahresabschlusses (§ 13 Abs. 1 Bst. c. der Satzung) sowie die Entlastung des Vorstands (§ 13 Abs. 1 Bst. d. der Satzung) entscheidet und damit mindestens indirekten Einfluss auf das Handeln der Vorstands- und Präsidiumsmitglieder ausüben kann. Explizit ist das Präsidium aber an die Vorgaben des Vorstands gebunden (§ 21 Abs. 6 S. 2 der Satzung). Zudem obliegen die Aufgaben nach § 21 Abs. 6 der Satzung dem Präsidium als Kollegialorgan und nicht der Klägerin als Organmitglied. Dieses entscheidet durch die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 28 i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 3 BGB), da abweichende Regelungen in der Satzung nicht getroffen wurden. Damit ergibt sich jedenfalls gegenüber Vorstand und Präsidium eine Weisungsgebundenheit, die nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die Frage eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht anders beurteilt werden kann, als dies das BSG im o.g. Urteil vom 23.02.2021 für die Weisungsgebundenheit eines Mitglieds des Vorstands einer gemeinnützigen Stiftung entschieden hat.

 

Dass die Mitgliederversammlung oder die Kollegialorgane selten bis gar nicht von dem skizzierten Weisungsrecht Gebrauch gemacht haben, ist unerheblich (vgl. BSG a.a.O., Rn. 27). Das BSG hat sich mit seiner Rechtsprechung stets gegen eine so genannte „Schönwetterselbstständigkeit“ gewandt – also eine Beurteilung der Stimmrechtsverhältnisse und deren Ausübung nur außerhalb konfliktfreier Zeiten (vgl. hierzu Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. (Stand: 06.09.2021), § 7 Rn. 106 m.w.N., zu GmbH-Geschäftsführern). Das BSG stellt allein auf die rechtliche Möglichkeit der Weisungserteilung und die rechtliche Gebundenheit des Angewiesenen ab, nicht aber darauf, ob tatsächlich Weisungen erteilt wurden. Denn die Relevanz der Weisungsmöglichkeit zeigt sich stets nur im Konfliktfall. Dass solche während der Tätigkeit der Klägerin möglicherweise selten bis gar nicht aufgetreten sind bzw. Konflikte einvernehmlich gelöst werden konnten, ist folglich nicht relevant. Denn eine Abhängigkeit der Statuszuordnung von rein faktischem, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, juris, Rn. 32)

 

Nach alledem kommt es auch nicht darauf an, dass die laufenden Geschäfte des Beigeladenen durch eine hauptamtliche Geschäftsführung besorgt werden. Denn dies ändert nichts an der rechtlichen Weisungsgebundenheit der Klägerin gegenüber Vorstand und Präsidium in Bezug auf die Tätigkeiten, die sie für den Beigeladenen wahrgenommen hat.

 

Das Fehlen eines gesonderten (schriftlichen) Dienstvertrags hat für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung keine Bedeutung (BSG, Urteil vom 23.02.2021, - B 12 R 15/19 R -, juris, Rn. 19), da der Begriff der Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV weder ein (faktisches) Arbeitsverhältnis noch einen zivilrechtlichen Vertrag voraussetzt. Zu Recht hat die Beklagte daher darauf abgestellt, dass das Dienstleistungsverhältnis der Klägerin mit dem Beigeladenen aufgrund der Wahlen zum Vorstandsmitglied durch die Mitgliederversammlung (§ 19 Abs. 1 Bst. a. der Satzung) und zum Präsidiumsmitglied durch den Vorstand (§ 21 Abs. 1 der Satzung) begründet worden und durch die Satzung geregelt wird.

 

Zusammenfassend zeigt sich, dass Kriterien, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen würden, vorliegend nicht erfüllt sind. Umgekehrt sind die Kriterien für eine Beschäftigung, insbesondere die Eingliederung in den satzungsmäßigen Betrieb des Beigeladenen im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe, zu bejahen. Es besteht ein rechtlich bindendes Weisungsrecht mindestens des Vorstands und des Präsidiums gegenüber der Klägerin. Auch im Übrigen entspricht das Bild der Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen einer leitenden Angestellten eines Unternehmens oder einer Geschäftsführerin einer juristischen Person, die im Wesentlichen frei und eigenverantwortlich, aber im Zweifel gegenüber Vorstand oder Gesellschaftern, weisungsgebunden ist, und für die nach ständiger Rechtsprechung des BSG ebenfalls das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses anzunehmen ist.

 

Für die Annahme einer Beschäftigung spricht ferner die Zahlung eines festen monatlichen Entgelts, hier die von Klägerin und Beigeladenem als Aufwandsentschädigung bezeichnete Zahlung von 1.500,- € bzw. 4.000,- € monatlich. Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich dabei nicht lediglich um eine Erstattung von der Klägerin aufgewandter Kosten, sondern um eine Vergütung ihres für die Ausübung des Amts aufgewendete Zeit.

 

Das BSG hat zur Abgrenzung von Aufwandsentschädigung bei der unentgeltlichen Ausübung von Ehrenämtern zur vergüteten Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses seinem Urteil vom 23.02.2021, a.a.O., Rn. 30 und 31, folgende Maßstäbe aufgestellt:

 

„Der beschäftigungstypischen Eingliederung des Beigeladenen in die Organisation der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass die Vorstandsmitglieder ihr Amt nach den Bestimmungen der Satzung ehrenamtlich ausübten (§ 5 Abs 6 bzw 8 der Satzung). Der in der Entscheidung des Senats vom 16.8.2017 (B 12 KR 14/16 R - BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31, RdNr 26) aufgestellte Grundsatz, die organschaftliche Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person führe regelmäßig nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit iS des § 7 Abs 1 SGB IV, greift hier nicht. Die Tätigkeit des Beigeladenen erhielt ihr Gepräge nicht durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit. Bei objektiver Betrachtung lag keine ehrenamtliche, sondern vielmehr eine entgeltliche Tätigkeit zu Erwerbszwecken vor.

 

Wie der Senat in seinem Urteil vom 16.8.2017 ausführlich dargelegt hat (B 12 KR 14/16 R - BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31, RdNr 26 ff), ist die Entgeltlichkeit zwar kein absolut zwingendes Kriterium einer abhängigen Beschäftigung, jedoch für diesen Typus bildend, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde. Das Versicherungsverhältnis als solches erfordert, dass aus der Beschäftigung Erwerbseinkommen erzielt wird, aus dem sozial angemessene Beiträge zur Finanzierung des jeweiligen Systems geleistet werden können. Demgegenüber ist die Unentgeltlichkeit des Ehrenamtes Ausdruck dafür, dass keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht. Dies ist im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (vgl Urteil vom 29.8.2012 - 10 AZR 499/11 - BAGE 143, 77) insbesondere der Fall, wenn Tätigkeiten ihrer Art oder den Umständen nach mit keiner berechtigten Vergütungserwartung verbunden sind. Finanzielle Zuwendungen schließen die Unentgeltlichkeit nicht aus, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdecken oder zum Ausgleich für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall erbracht werden (vgl auch BFH Urteil vom 31.1.2017 - IX R 10/16 - BFHE 256, 250 <Zuwendungen für eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter>). Die Erwerbsmäßigkeit beurteilt sich dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen. Dazu ist zu klären, was vom ehrenamtlich Tätigen im konkreten Fall normativ oder mangels rechtlicher Regelung nach allgemeiner Verkehrsanschauung - von Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz abgesehen - ohne Entlohnung seiner Arbeitskraft erwartet werden kann. Die Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks ohne Erwerbsabsicht muss objektiv erkennbar vorliegen; die gewährte Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen.“

 

Nach diesen Maßstäben, die sich die Kammer zu eigen macht, ist vorliegend von einer Erwerbstätigkeit der Klägerin und nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit auszugehen.

 

Hierfür spricht zunächst, dass die Satzung des Beigeladenen in ihren §§ 13 Abs. 1 Bst. j. und 19 Abs. 2, wonach von den zuständigen Vereinsorganen eine Aufwandsentschädigung für Vorstands- und Präsidiumsmitglieder festzusetzen bzw. zu bestimmen ist, die auch die zeitliche Beanspruchung berücksichtigen und pauschalierend festgesetzt werden kann, von der – zwar dispositiven (§ 40 BGB), gleichwohl als Ausgangspunkt vom Gesetzgeber aufgestellten – normativen Erwartung des Vereinsrechts abweicht, wonach Vorstandsmitglieder unentgeltlich tätig sind (§ 27 Abs. 3 S. 2 BGB, der mit Wirkung vom 01.01.2015 – laut der Gesetzesbegründung klarstellend – aufgenommen wurde). Der für ein Vorstandsamt vorgesehene Aufwendungsersatz nach § 27 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 670 BGB umfasst nur die Vermögensopfer mit Ausnahme der Arbeitszeit und Arbeitskraft. Aufwendungsersatz, der pauschal und für die Aufwendung von zeitlicher Beanspruchung – und damit dafür, dass während der Ausübung des Vorstandsamts die Arbeitskraft nicht im eigenen Beruf eingesetzt werden kann – gezahlt wird, ist zivilrechtlich als Entlohnung einzuordnen (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rn. 33).

 

Des Weiteren stellen die Zuwendungen auch aus objektiver Sicht eine Vergütung dar, die als Gegenleistung für die bei der Ausübung des Amts aufgewendete Arbeitszeit und -kraft gezahlt werden. Der zur Ausübung der in Rede stehenden Vorstands- bzw. Präsidiumstätigkeiten in Betracht kommende Personenkreis besteht ausschließlich aus Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Diese müssen mit der Übernahme eines Vorstands-, erst recht eines Präsidiumsamts, zeitliche Abstriche in der Ausübung ihres eigenen Berufs machen. Damit gehen fast zwangsläufig Einbußen beim Erwerbseinkommen aus Anwaltstätigkeit einher. Daher geht die Kammer davon aus, dass der Beigeladene ohne die Zahlung einer Gegenleistung für den zeitlichen Aufwand Schwierigkeiten haben dürfte, ausreichend Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu finden, die die Vorstandstätigkeiten zu übernehmen bereit wären bzw. sich dies aus Einkommensgründen leisten könnten. Umgekehrt geht aus Sicht der Anwaltschaft dann mit der Übernahme eines Amts verständlicherweise eine Vergütungserwartung einher.

 

Aus diesem Grund sieht die Satzung des Beigeladenen explizit vor, dass die Pauschalen auch die zeitliche Beanspruchung berücksichtigen können. Zur Überzeugung der Kammer steht dies in Bezug auf die hier in Rede stehenden pauschalen Zuwendungen sogar klar im Vordergrund. Denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass ihr neben der monatlichen Pauschale weiterer Aufwendungsersatz, insbesondere für Fahrten nach Berlin und für Übernachtungskosten, geleistet wurde. Damit handelt es sich bei der Pauschale bei weitem nicht um den einzigen Aufwendungsersatz, und ihr Charakter als Entgelt für zeitlichen Aufwand und Einsatz von Arbeitskraft tritt deutlich hervor.

 

Eine entsprechende Zweckbestimmung hat auch der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung geschildert, denn der Beigeladene habe beabsichtigt, dass es „nicht am Geld scheitere“, dass sich ein Anwalt oder eine Anwältin für den Beigeladenen engagieren und einsetzen wolle. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Pauschale folgte nach Einschätzung der Klägerin aus der Motivation, „gute Leute zu locken und Vorstandsmitglieder zu fördern“. Damit erhalten die Zuwendungen ein Gepräge, wie es im Übrigen auch von Arbeitgebern ihren Lohnangeboten und -zahlungen beigemessen wird. Schließlich erfolgte noch eine Orientierung an einer – in Abstrichen – als „marktüblich“ zu qualifizierenden Zahlung, wenn eine „Vergütung wie bei den Kammerpräsidien“, so die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, ermöglicht werden sollte.

 

Damit liegt in der gezahlten Pauschale eine Entlohnung einer Erwerbstätigkeit. Dass die Klägerin die Tätigkeit auch ohne Entschädigung ausgeübt hätte, worauf sie ausdrücklich hingewiesen hat, spielt dagegen keine Rolle. Das BSG hat betont, dass es allein auf die objektive Bewertung der Zahlungen und der Abgrenzung zum Ehrenamt ankomme.

 

Auch die Höhe der monatlichen Zahlungen spricht nicht gegen die Entlohnung von Erwerbsarbeit. Dies könnte nach der Rechtsprechung des BSG, a.a.O., Rn. 35) nur dann anzunehmen sein, wenn es aufgrund ihres Umfang evident wäre, dass lediglich eine ehrenamtliche Entschädigung „honoris causa“ oder zum Ausgleich von Beschwernissen und Einbußen gezahlt würde. Dies könnte bei Zuwendungen naheliegen, die sich erkennbar an einer normativen Ehrenamtspauschale ausrichten oder einer solchen in etwa gleichkommen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zum Einen ist eine Orientierung an einer Ehrenamtspauschale nicht der Satzung zu entnehmen, zum Zweiten ist dies – soweit erkennbar – auch nicht bei der konkreten Bestimmung der Zuwendungshöhe durch den Beigeladenen erfolgt, und zum Dritten ist dies auch nicht an der Höhe der monatlichen oder auf das Jahr hochgerechneten Zahlungen zu erkennen. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, die Zahlungen lägen stets unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, folgt daraus nicht die Anerkennung als reine Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeiten. Einerseits dient die Beitragsbemessungsgrenze lediglich der umfangmäßigen Abgrenzung von Einkommen, die der Gesetzgeber der Sozialversicherungspflicht unterwirft oder nicht. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen werden sowohl jenseits als auch – im Regelfall und in der weit überwiegenden Mehrzahl – diesseits der Beitragsbemessungsgrenze vergütet. Andererseits hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 23.02.2024, - L 4 BA 24/20 -, juris, auf das sich die Klägerin beruft, lediglich festgestellt, dass bei Zahlungen für ein Vorstandsmitglied eines Vereins oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze ein gewichtiges Indiz für dessen Entlohnung vorliegt. Nicht aber hat es entschieden, dass Zuwendungen unterhalb dieser Größe stets ehrenamtliche, nicht sozialversicherungspflichtige Entschädigungen seien.

 

Die hier zu beurteilenden Zuwendungen von 18.000,- € bzw. 48.000,- € jährlich übersteigen dagegen

 

- den Grenzwert für die Haftungsprivilegierung von Organmitgliedern, die nur gegen eine geringe Vergütung für ihren Verein tätig werden, von 840,- € jährlich (§ 31a Abs. 1 S. 1 BGB),

 

- die Steuerfreiheitsgrenze für Einnahmen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz [EStG]) von 3.000,- € pro Jahr,

 

- die Grenze für die Umsatzsteuerbefreiung ehrenamtlicher Tätigkeiten nach § 4 Nr. 26 Bst. b) Umsatzsteuergesetz (UStG) für Entgelt nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis, die laut Rundschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27.03.2013 (BStBl. I, S. 452) bei 17.500,- € im Jahr liegt,

 

- die pauschale Grundentschädigung eines Mitglieds einer Berliner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), die gem. § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen, der Bürgerdeputierten und sonstiger ehrenamtlich tätiger Personen (BezVEG) i.V.m. der Bekanntmachung über die Anpassung von Leistungen an Abgeordnete nach dem Landesabgeordnetengesetz vom 25.11.2022 (GVBl. S. 664) im Jahr 2023 1.035,- € monatlich, folglich 12.420,- € jährlich, betrug. Ein stellvertretender Bezirksverordnetenvorsteher erhielt nach § 6 Abs. 2 BezVEG 1.552,50 € monatlich (= 18.630,- € im Jahr; bis ins Jahr 2022 lag der Betrag unter 1.500,- €/Monat bzw. 18.000,- €/Jahr). Lediglich Fraktionsvorsitzende und Bezirksverordnetenvorsteher erhielten im Jahr 2023 2070,- €/Monat bzw. 3.105,- €/Monat und damit über 1.500,-, aber weniger als 4.000,- €/Monat.

 

Vor dem Hintergrund der voranstehenden Vergleiche, die die Kammer in Anlehnung an das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.02.2019, - L 8 R 398/17 -, juris, Rn. 177 ff. vorgenommen hat (vom BSG im Urteil vom 23.02.2021, a.a.O., Rn. 35 im Sinne einer Evidenzkontrolle gebilligt), wird deutlich, dass nichts dafür spricht, dass die pauschalen Zahlungen der Höhe nach offensichtlich nur eine symbolische Entschädigung ehrenhalber darstellen. Nicht zu vergessen ist dabei stets, dass der Klägerin neben der Pauschale noch weitere Aufwände erstattet wurden.

 

Schließlich geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin sich zwar in erster Linie für die Sache des Beigeladenen engagiert und mit dessen Aufgaben und Zielen identifiziert. Die Kammer zweifelt daher nicht an, dass die Klägerin auch ohne Zahlung der monatlichen Pauschale bereit gewesen wäre, das Amt einer Vizepräsidentin zu übernehmen. Gleichwohl geht die Kammer davon aus, dass das Engagement der Klägerin nicht nur uneigennützig war. So ist mit der Ausübung des Amts nach außen wirkendes Prestige und Renommee verbunden. Es ermöglicht den Aufbau und die Pflege eines breitgestreuten Netzwerks. Es ist anzunehmen, dass hiermit durchaus auch persönliche berufliche Vorteile für die Klägerin verbunden sind. Im Übrigen versteht die Klägerin ihre Tätigkeit für den Beigeladenen offensichtlich auch selbst als Teil ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit als selbstständige Anwältin. So hat sie im Verwaltungsverfahren vorgetragen, bei einer Arbeitswoche von ca. 55 - 60 Stunden „etwa 20 - 25 % ihrer Arbeitszeit“ für den Beigeladenen aufzuwenden. Zudem setzt sie ganz selbstverständlich Ressourcen ihrer eigenen Kanzlei für die Tätigkeit für den Beigeladenen ein, obwohl dieser über umfangreiche personelle und sächliche Ressourcen verfügt, auf die die Klägerin zurückgreifen könnte. Damit erweisen sich die Zuwendungen des Beigeladenen letztlich auch unter diesem Blickwinkel als Entgelt für die berufliche Tätigkeit der Klägerin, zumindest für einen Teil der beruflichen Tätigkeit.

 

Nach alledem hat die Beklagte zu Recht die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] und in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) festgestellt. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) steht die hauptberuflich selbstständige Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin entgegen (§ 5 Abs. 5 S. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI), was die Beklagte ebenfalls zutreffend berücksichtigt hat.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Der Beigeladene hat schon keinen Antrag gestellt. Zudem hat er sich in der Sache der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen und ist daher ebenfalls unterlegen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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