L 2 R 290/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 23 R 95/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 290/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 167/23 B
Datum
Kategorie
Urteil


I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. September 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch in der Berufungsinstanz keine Kosten zu erstatten.

III.  Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer höheren Altersrente durch Verzicht auf einen Abschlag aufgrund eines Versorgungsausgleichs.

Der Kläger wurde durch Urteil vom 12. April 2001 von seiner Ehefrau geschieden. Das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Augsburg führte einen Versorgungsausgleich zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau, B. A., für den Zeitraum vom 1. Februar 1976 bis 30. April 2000 dahingehend durch, dass vom Versicherungskonto des Klägers bei der Landesversicherungsanstalt Hessen (Rechtsvorgängerin der Beklagten) auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 795,50 DM, bezogen auf den 30. April 2000, übertragen wurden. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaft war in Entgeltpunkte umzurechnen. Die Entscheidung des Amtsgerichts Augsburg ist seit dem 6. Juni 2001 rechtskräftig.

Auf Antrag des Klägers bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 24. November 2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1. Januar 2009. In der Anlage 5 wurden die Auswirkungen des zulasten des Versicherungskontos durchgeführten Versorgungsausgleichs dargestellt. Der Abschlag betrug 16,4734 Entgeltpunkte.

Am 4. Oktober 2010 teilte die DRV Schwaben der Beklagten mit, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers am 16. August 2010 verstorben sei. Diese habe vom 1. Juli 2006 bis 31. August 2010 eine Regelaltersrente bezogen.

Am 2. Februar 2011 beantragte der Kläger, die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Entgeltpunkte aus dem Versicherungskonto der verstorbenen geschiedenen Ehefrau zurück zu übertragen. Mit Bescheid vom 17. Februar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Nach § 37 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) werde ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person verstorben sei. Die Anpassung finde jedoch nur statt, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen habe. Da die ausgleichsberechtigte Person mehr als 36 Monate Rentenleistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen habe, sei der Antrag auf Anpassung abzulehnen. Hiergegen legte der Kläger am 4. März 2011 Widerspruch ein, den er am 11. April 2011 zurücknahm.

Mit Schreiben vom 6. Januar 2020 beantragte der Kläger die Überprüfung des Abschlages durch Versorgungsausgleich und verwies auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16. Mai 2018 (XII ZB 466/16), woraus sich ein Anspruch auf Neuberechnung der Rentenpunkte ergebe. Er beantragte die Rückübertragung der im Versorgungsausgleich an die verstorbene geschiedene Ehegattin übertragenen Werte. Auf Nachfrage der Beklagten beim Amtsgericht Augsburg wurde mitgeteilt, dass das Verfahren über die Anpassung des Versorgungsausgleichs des Klägers zuständigkeitshalber an das örtlich zuständige Amtsgericht Groß-Gerau abgegeben worden sei. Das Amtsgericht Groß-Gerau übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 20. Juli 2020 folgende Mitteilung an den Kläger vom 14. Juli 2020 zur Kenntnis: „§ 37 VersAusglG behandelt die "Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person“. Einen solchen Antrag scheinen Sie stellen zu wollen. Wird er, wie hier, abschlägig beschieden, ist das Sozialgericht zur Entscheidung zuständig. Wie die Deutsche Rentenversicherung Hessen unter dem 26.02.2020 ausgeführt hat, sind "etwaige andere Abänderungsanträge“ beim Familiengericht einzureichen. Ein solcher Fall lag der von Ihnen zitierten BGH-Entscheidung zugrunde. Es wird angeregt, dass Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen oder eine Rentenberatungsstelle aufsuchen, falls Sie das Verfahren weiterbetreiben möchten. Ich werde derzeit nichts weiter veranlassen.“

Mit Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung vom 9. September 2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Kürzung der Rente durch den Versorgungsausgleich ab, weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die ausgleichsberechtigte Person B. A. habe länger als 36 Monate Rente aus dem durch Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen. Die Rente des Klägers werde daher weiterhin um den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich gekürzt.

Hiergegen legte der Kläger am 23. September 2020 Widerspruch ein. § 37 Abs. 2 VersAusglG sei verfassungswidrig. Es sei nicht hinzunehmen, dass er einen Eingriff in seine Rentenleistung hinnehmen müsse, wenn seine geschiedene Ehefrau bereits verstorben sei. 

Mit Schreiben vom 24. November 2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Inhalt des Schreibens vom 9. September 2020 identisch mit dem Bescheid vom 17. Februar 2011 sei. Das Schreiben enthalte lediglich die bereits im Bescheid vom 17. Februar 2011 getroffene Regelung nochmals, entfalte also selbst keine weitere eigenständige Regelung hoheitlicher Art mit Außenwirkung im Sinne eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes. Es handele sich daher nicht um einen Bescheid. Soweit das Schreiben vom 9. September 2020 mit einem Widerspruch angefochten worden sei, sei dieser Widerspruch genauso wie eine Klage unzulässig, weil kein neuer Verwaltungsakt vorliege, der gesondert anfechtbar wäre. Das Begehren des Klägers könne nur über einen Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs Erfolg haben. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass eine vom Familiengericht sodann tatsächlich vorgenommene Abänderung frühestens mit Datum der Antragstellung beim Familiengericht Wirkung entfalten könne. Auch in dem Urteil vom 16. Mai 2018 des BGH, auf welches sich der Kläger zur Begründung seines Widerspruchs bezogen habe, habe der dortige Kläger einen Abänderungsantrag beim zuständigen Familiengericht gestellt gehabt. Da der Kläger sich nicht damit einverstanden erklärte, dass sein Antrag mit diesem Schreiben erledigt sei, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2021 als unzulässig zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12. März 2021 zum Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 27. September 2022 die Klage abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 4, 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage sei zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2021 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage sei zulässig. Das Schreiben der Beklagten vom 9. September 2020 sei entgegen der Auffassung der Beklagten als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu bewerten. Der Antrag des Klägers im Jahr 2020 sei als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X bezüglich des bestandskräftigen Bescheides vom 17. Februar 2011 auszulegen. Soweit die Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 9. September 2020 sowie im Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2021 nicht auf die Regelung des § 44 SGB X eingegangen sei, sei dies unbeachtlich für die Rechtmäßigkeit der Bescheide. Die Begründung des Bescheides vom 9. September 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2021 enthalte diesbezüglich die im Rahmen des § 44 SGB X zu prüfenden erforderlichen Voraussetzungen, so dass eine Entscheidung in der Sache vorliege. Soweit die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurückgewiesen habe, sei die Widerspruchsbegründung unbeachtlich. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des ablehnenden Bescheides vom 17. Februar 2011. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf ungekürzte Auszahlung seiner Altersrente richtet sich nach § 37 VersAusglG. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 VersAusglG für die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die geschiedene und verstorbene Ehegattin des Klägers habe in dem Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 31. August 2010 eine Regelaltersrente im Sinne des SGB VI bezogen, mithin 50 Kalendermonate. Soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 37 Abs. 2 VersAusglG rüge, schließe sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in der Entscheidung vom 11. Februar 2015 (B 13 R 9/14 R) an. Es bleibe dem Kläger indes unbenommen, beim zuständigen Familiengericht eine Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 51 VersAusglG zu beantragen. Sofern seitens des Familiengerichts die Abänderung des Versorgungsausgleichs erfolge, sollte der Kläger diese Entscheidung unverzüglich bei der Beklagten einreichen.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 6. Oktober 2022 zugestellte Urteil am 4. November 2022 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er Anspruch auf Zahlung seiner ungekürzten Altersrente habe. Die Beklagte müsse sich unabhängig vom etwaigen Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 VersAusglG entgegenhalten lassen, dass sie bereits Leistungen an den Kläger seit dem Jahr 2010 zurückhalte und sie bezüglich der mittlerweile aufgelaufenen Rentenleistungen ungerechtfertigt bereichert sei. Die ungerechtfertigte Bereicherung ergebe sich aus § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach sei derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der durch Leistungen eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt habe oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintrete. Im vorliegenden Fall sei der gesetzgeberisch bezweckte Erfolg nicht eingetreten, weil Frau B. A. bereits am 16. August 2010 verstorben sei und insofern die Versorgung der Verstorbenen auch nicht mehr gewährleistet werden könne. Eine ähnliche Argumentationslinie ergebe sich bei Anwendung von § 242 BGB. Danach seien Leistungen so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erforderten. Die Argumentation des Klägers sei nicht nur sehr gut nachzuvollziehen, sondern sie biete auch Anlass dafür, derartige Versorgungsfälle in einem anderen Lichte zu betrachten. Der Kläger habe Rentenanwartschaften mit dem Ziel erworben, sowohl seine eigene finanzielle Sicherheit im Alter, aber auch die finanzielle Sicherheit seiner Ehefrau, später seiner geschiedenen Ehefrau sicherzustellen. Es handele sich bei Rentenanwartschaften nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BSG um eigentumsähnliche Rechte im Sinne von Art. 14 Grundgesetz (GG), weswegen durch den Tod der geschiedenen Ehefrau und durch die Weigerung der Beklagten einer Rückübertragung der Anwartschaften an den Kläger in sein Eigentumsrecht nach Art. 14 GG eingegriffen werde.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. September 2022 sowie den Bescheid vom 9. September 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine nicht durch einen Abschlag wegen Versorgungsausgleich gekürzte Altersrente ab dem 17. August 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist – wie das Sozialgericht – der Ansicht, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. September 2020 zulässig gewesen sei. Gleichwohl seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anpassung der Rente des Klägers wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person nach § 37 VersAusglG nicht erfüllt. Aufgrund dieser einschlägigen gesetzlichen Regelung sei der klägerische Vortrag hinsichtlich einer ungerechtfertigten Bereicherung oder eines Verstoßes gegen Treu und Glauben unter Heranziehung des BGB nicht nachzuvollziehen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 9. und 13. Juni 2023 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. September 2022 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 9. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2021 war nicht aufzuheben, da er rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts handelt es sich bei dem Antrag des Klägers nicht um einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X bzgl. des Bescheides vom 17. Februar 2011, denn ausweislich seiner Formulierung im Schreiben vom 6. Januar 2020 beantragte er aufgrund einer zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2018 erneut die Überprüfung des Abschlags aufgrund des Versorgungsausgleichs. Er nahm in diesem erneuten Antrag nicht auf den Bescheid vom 17. Februar 2011 Bezug.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aussetzung der Kürzung seiner Altersrente – weder ab dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau im Jahr 2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt.

Der Versorgungsausgleich ist mit der Rechtskraft und der daraus folgenden Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts durchgeführt (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI). Ab diesem Zeitpunkt ist der Ausgleichsberechtigte Gläubiger der Rentenleistungen aus den im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften und der Rentenversicherungsträger ist auch nur ihm gegenüber nicht nur leistungsberechtigt, sondern auch leistungsverpflichtet. Nach § 76 Abs. 1 SGB VI wird ein zugunsten oder zulasten von Versicherten durchgeführter Versorgungsausgleich durch einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten berücksichtigt - vorliegend ein Abschlag von 16,4734 Entgeltpunkten bei dem Kläger.

Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf ungekürzte Auszahlung seiner Altersrente richtet sich nach § 37 VersAusglG in der ab dem 1. September 2009 geltenden Fassung. § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG bestimmt, dass bei Tod der ausgleichsberechtigten Person auf Antrag ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt wird. 

Eine nachträgliche Anpassung ist nur gerechtfertigt, wenn der Ausgleichsberechtigte noch keine oder nur geringe Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen hat. Deshalb ist die Anpassung nach § 37 Abs. 2 VersAusglG nur möglich, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen oder begründeten Anrecht nicht länger als 36 Monate Leistungen erhalten hat. Der Anpassungsanspruch endet also nach Ablauf von drei Jahren ab dem Beginn der Versorgung. Sofern zugunsten des Ausgleichsberechtigten mehrere Anrechte übertragen worden sind, ist die Frist für jedes einzelne Anrecht gesondert zu ermitteln (Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 37 VersAusglG [Stand: 28.04.2020], Rn. 17). 

Diese Voraussetzungen für die Anpassung sind vorliegend nicht erfüllt. Die Ausgleichsberechtigte bezog Rentenleistungen unter Berücksichtigung der übertragenen Rentenanwartschaften in einem Zeitraum von 50 Monaten.

§ 37 Abs. 2 VersAusglG stellt allein darauf ab, ob eine Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht durch den Ausgleichsberechtigten nicht länger als 36 Monate bezogen worden ist. Durch das Abstellen auf den Versorgungsbezug des Ausgleichsberechtigten in § 37 Abs. 2 VersAusglG soll (lediglich) klargestellt werden, dass bei der Bestimmung des anpassungsunschädlichen Drei-Jahres-Zeitraums eines Versorgungsbezugs Zahlungen an Hinterbliebene des Ausgleichsberechtigten aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht außer Betracht bleiben (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, B 13 R 9/14 R, SozR 4-5796 § 37 Nr. 2; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2017, L 11 R 4695/16, juris). Weitere Berechnungen sind nicht erforderlich und nicht vorausgesetzt.

Die Begrenzung des Wegfalls der Versorgungskürzung auf Fälle eines Rentenbezugs von bis zu 36 Monaten ist mit dem Grundgesetz vereinbar; die Regelung verstößt insbesondere nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 2 GG (Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 37 VersAusglG [Stand: 28.04.2020], Rn. 18; BSG, a. a. O. unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 5. Juli 1989, 1 BvL 11/87, u.a., BVerfGE 80, 297-315; LSG Halle (Saale), Urteil vom 10. Oktober 2013, L 1 R 471/12; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2016, L 3 R 916/15, beide juris). Die entsprechenden Argumente hat das Sozialgericht in seiner ausführlichen Darstellung schon referiert, auf eine erneute Darstellung wird verzichtet. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des BSG in dem Urteil vom 11. Februar 2015, B 13 R 9/14 R, zu eigen und schließt sich ihnen an. Auch der Senat sieht keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Regelung.

Darüber hinaus ist auch der Versorgungsausgleich selbst sowohl mit Art. 14 Abs. 1 GG als auch Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980, 1 BvL 17/77, BVerfGE 53, 257-313). Mit dem Versorgungsausgleich werden anlässlich der Scheidung Anrechte im Sinne des § 2 Abs. 1 VersAusglG aus einer Versorgung wegen Alters oder Invalidität zwischen den Ehepartnern wechselseitig ausgeglichen, indem alle in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten in selbständige Anrechte geteilt werden (§§ 1 und 2 VersAusglG). Der Versorgungsausgleich führt damit zu Kürzungen dieser durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Renten und Anwartschaften der ausgleichspflichtigen Person und zur Übertragung entsprechender eigenständiger Anrechte auf die ausgleichsberechtigte Person. Die Regelungen über den Versorgungsausgleich bestimmen damit Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfG, a.a.O.). Der Versorgungsausgleich berücksichtigt dabei insbesondere die Vorgaben der Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG gehört zum Wesen der auf Lebenszeit angelegten Ehe im Sinne der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG die gleiche Berechtigung beider Partner (vgl. bereits BVerfG, Urteil vom 29. Juli 1959, 1 BvR 205/58, BVerfGE 10, 59-89), die auch nach Trennung und Scheidung der Eheleute auf ihre Beziehungen hinsichtlich Unterhalt und Versorgung (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 7. Juni 1967, 1 BvR 76/62, BVerfGE 22, 93-100) sowie die Aufteilung des früher ihnen gemeinsam zustehenden Vermögens (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 24. März 1976, 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64-88) wirkt. Das BVerfG hat wiederholt dargelegt, dass im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG auch die unmittelbaren Leistungen der Frau bei der Führung des Haushalts und der Pflege und Erziehung der Kinder als Unterhaltsleistungen anzusehen sind, die gleichwertig neben der Unterhaltsleistung durch Bereitstellung der notwendigen Barmittel stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1974, 1 BvL 22/71, BVerfGE 37, 217-265 m.w.N.). Deshalb dürfen die während der Ehe nach Maßgabe der von den Ehegatten vereinbarten Arbeitsteilung gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsanrechte nach Scheidung der Ehe gleichmäßig auf beide Partner verteilt werden.

Dem Vortrag des Klägers sind auch keine weiteren, insbesondere keine den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG als grob unbillig erscheinen lassenden Umstände zu entnehmen. Danach findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er angesichts der gesamten Umstände des Einzelfalls grob unbillig wäre. Soweit der Kläger vorträgt, dass eine unbillige Härte insoweit vorliege, als nach dem Tod seiner früheren Ehefrau der alleinige Zweck des Versorgungsausgleichs weggefallen und es infolgedessen unverhältnismäßig sei, dass eine Anpassung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage von § 37 Abs. 1 VersAusglG Fall ausscheide, ergibt sich nicht anderes. Aus Gründen der Gesetzessystematik kann eine grobe Unbilligkeit nicht mit Umständen begründet werden, deren Auswirkungen auf den Versorgungsausgleich der Gesetzgeber an anderer Stelle bereits ausdrücklich geregelt und berücksichtigt hat. Der Umstand, dass die frühere Ehefrau des Klägers als im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgleichsberechtigte Person verstorben ist, führt gemäß § 37 Abs. 2 VersAusglG nur dann zur Anpassung des Versorgungsausgleichs nach Absatz 1 der Vorschrift, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat. Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Wertung kann der Umstand, dass die frühere Ehefrau des Klägers verstorben, er aber weiterhin ausgleichspflichtig ist, nicht grob unbillig im Sinne von § 27 VersAusglG sein, weil dann diese gesetzgeberische Wertung konterkariert würde.

Der Kläger kann auch keine ungekürzte Auszahlung aus einem anderen Rechtsgrund erlangen; insbesondere kommt keine andere Alternative der §§ 32 ff. VersAusglG in Betracht.

Da die Beklagte die Altersrente zu Recht aufgrund des Versorgungsausgleichs kürzt, ergibt sich – unabhängig von der Frage – ob die Regelungen der §§ 812 ff. BGB im Sozialversicherungsrecht vorliegend herangezogen werden könnten – keine Bereicherung ohne Rechtgrund und damit auch keine ungerechtfertigte. Der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB vermag kein anderes Ergebnis zu begründen, denn die Regelungen der §§ 33 ff. VersAusglG enthalten differenzierte Reglungen, um Fehlern bei Bestimmung des Versorgungsausgleichs oder eingetretenen Änderungen der Verhältnisse Rechnung zu tragen. Die Anwendung einer Generalklausel kommt deshalb nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
 

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