I. Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. November 2019 wird abgeändert und der Beitragsbescheid der Beklagten für 2015 vom 22. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird auf Klage unter Abänderung ihres Bescheides vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 verpflichtet, ihre Beitragsbescheide für das Beitragsjahr 2011 vom 13. April 2012, für das Beitragsjahr 2012 vom 19. April 2013, für das Beitragsjahr 2013 vom 25. April 2014 sowie für das Beitragsjahr 2014 vom 18. August 2015 aufzuheben und dem Kläger Beiträge in Höhe von 554,01 € nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 2016 zu erstatten.
III. Im Übrigen wird die Klage des Klägers abgewiesen und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. November 2019 zurückgewiesen.
IV. Die Entscheidungen über die Kosten sowie die Festsetzung des Streitwertes im Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. November 2019 werden aufgehoben.
V. Die Beklagte hat dem Kläger im Berufungsrechtszug 26 % seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt insbesondere die Rückerstattung der seit 1993 gezahlten Beiträge und die Aufhebung des Beitragsbescheides der Beklagten für das Jahr 2015.
Die Beklagte ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie entstand aus der Fusion der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel und der Großhandels- und Lagerei- Berufsgenossenschaft. Der Kläger betrieb ein Geschäft in B-Stadt (Zweirad A.). Die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgängerin: die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel – im Folgenden ebenfalls als Beklagte bezeichnet) versicherte den Kläger seit 1993 als Unternehmer kraft Satzung und erhob seit diesem Zeitpunkt bei dem Kläger Beiträge. Allerdings sind die Verwaltungsunterlagen der Beklagten vor 2002 im Rahmen der Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge verloren gegangen. Folgende Beitragsbescheide konnte die Beklagte noch vorlegen:
Beitragsbescheid 2001 vom 12. April 2002 (zzgl. Säumniszuschlag für frühere Forderungen) |
159,04 € 6,10 € |
Beitragsbescheid 2002 vom 11. April 2003 |
218,88 € 6,00 € |
Beitragsbescheid 2003 vom 14. April 2004 in Gestalt des berichtigten Beitragsbescheides vom 21. Juli 2014 | 178,36 € |
Beitragsbescheid 2004 vom 13. April 2005 | 182,74 € |
Beitragsbescheid 2005 vom 12. April 2006 (zzgl. Säumniszuschlag für frühere Forderungen) |
182,25 € 3,00 € |
Beitragsbescheid 2006 vom 11. April 2007 (zzgl. Säumniszuschlag für frühere Forderungen) |
151,81 € 6,00 € |
Beitragsbescheid 2007 vom 10. April 2008 (zzgl. Säumniszuschlag für frühere Forderungen) |
175,93 € 12,00 € |
Beitragsbescheid 2008 vom 17. April 2009 in Gestalt des berichtigten Beitragsbescheides vom 18. Mai 2009 | 0,00 € |
Für die Jahre 2009 und 2010 hat die Beklagte keine Beitragsbescheide bekanntgegeben. Für die Beitragsjahre nach 2010 wurden folgende Beitragsbescheide vorgelegt:
Beitragsbescheid 2011 vom 13. April 2012 | 190,08 € |
Beitragsbescheid 2012 vom 19. April 2013 (zzgl. Säumniszuschlag für frühere Forderungen) |
174,10 € 1,50 € |
Beitragsbescheid 2013 für die Unternehmerversicherung vom 25. April 2014 | 188,33 € |
Beitragsbescheid 2013 für die Unternehmensversicherung vom 20. Juli 2016 | 0,00 € |
Beitragsbescheid 2014 für die Unternehmerversicherung vom 18. August 2015 (zzgl. Säumniszuschläge für frühere Forderungen) |
185,50 € 1,50 € |
Beitragsbescheid 2014 für die Unternehmensversicherung vom 21. Juli 2016 | 0,00 € |
Beitragsbescheid 2015 für die Unternehmerversicherung vom 22. April 2016 (zzgl. Säumniszuschläge für frühere Forderungen) (Rückstand) |
183,61 € 12,00 € 185,50 € |
Beitragsbescheid 2015 für die Unternehmensversicherung vom 22. Juli 2016 | 0,00 €. |
Aus den Verwaltungsakten der Beklagten ergibt sich weiter, dass dem Kläger der Beitragsbescheid für 2014 vom 22. April 2015 nicht in dessen Betrieb in B-Stadt bekanntgegeben werden konnte. Daraufhin sandte die Beklagte dem Kläger sodann einen Beitragsbescheid für 2014 vom 18. August 2015 an die Privatadresse nach A-Stadt und leitete die Vollstreckung durch das Hauptzollamt Gießen ein. Der Kläger legte bei der Vollstreckungsstelle Einspruch ein und teilte mit, dass er ab 2005 keinen Umsatz und seit 2010 nur „Minus Umsatz“ erzielt habe. Seit „12/2014“ gebe es den Laden nicht mehr. Die Firma Zweirad A. stehe nur noch auf dem Papier. Die Beklagte nahm gegenüber dem Hauptzollamt Stellung und vertrat die Auffassung, dass die Beitragsforderung berechtigt sei. Der Kläger habe von einer seit 2011 bestehenden Befreiungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Gegen den Beitragsbescheid für 2015 vom 22. April 2016 legte der Kläger bei der Beklagten Widerspruch ein und führte insbesondere aus, dass die Beklagte keinen Anspruch auf weitere Beiträge habe. Insbesondere habe er keine Beschäftigten. Er werde von der Beklagten betrogen. Er sei zudem bereits krankenversichert. Seit 2005 seien keine Arbeiten in dem Betrieb verrichtet worden. Die Beklagte habe durch ihn keine Ausgaben. Sie berufe sich auf nicht anwendbare Vorschriften und sie könne sich nicht auf ihre Satzung berufen. Zudem fordere er die „Rückgabe aller Gelder nachdem er die einzige Beschäftigte nicht mehr beschäftigt habe“.
Die Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 28. April 2016, dass ab 2013 die Unternehmerversicherung unter dem Aktenzeichen XXX-1 geführt worden sei und die Mitgliedschaft des Unternehmens für etwaige Beschäftigte unter dem Aktenzeichen XXX-2. Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass sich die rückständigen Beiträge nur auf die Unternehmerversicherung der Jahre 2014 und 2015 bezögen. Für Beschäftigte des Unternehmens seien keine Beiträge erhoben worden. Am 1. Juli 2016 versuchte eine Mitarbeiterin der Beklagten Kontakt zu dem Kläger aufzunehmen. Sie stellte in B-Stadt fest, dass die Fensterscheiben des Fahrradgeschäfts verklebt waren und keine Geschäftstätigkeit mehr feststellbar war. Ein Nachbar habe mitgeteilt, dass seit ca. einem ¾ Jahr kein Fahrradgeschäft mehr betrieben werde.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2016 stellte die Beklagte sodann das Ende der Unternehmerversicherung fest wegen der Einstellung des Betriebs des Klägers zum 31. Dezember 2015. Es bestünde noch ein offener Betrag in Höhe von 391,61 €. Darin seien 10,50 € Säumniszuschläge enthalten.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2016 stellte die Beklagte zudem in der Unternehmensversicherung das Ende ihrer Zuständigkeit fest wegen der Einstellung des Betriebs des Klägers zum 31. Dezember 2014. Es bestünde noch ein offener Betrag in Höhe von 1,50 €, der wegen Geringfügigkeit nicht erhoben werde.
Am 6. Dezember 2016 hat der Kläger Klage vor dem Amtsgericht Mannheim erhoben, das den Rechtsstreit zuständigkeitshalber durch Beschluss vom 7. Dezember 2017 an das Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) verwiesen hat. Vor der Verweisung hat die Beklagte am 18. Dezember 2017 den Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid für 2015 vom 22. April 2016 zurückgewiesen. Die Beklagte habe die Satzungsänderung ab dem 1. Januar 2011 insbesondere im Internet und auch in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt veröffentlicht. Zudem wies die Beklagte darauf hin, dass nach der Auskunft des Gewerbeamtes B-Stadt das Gewerbe des Klägers im Juli 2015 noch angemeldet gewesen sei.
Der Kläger hat im Rahmen des Klageverfahrens zunächst insbesondere vorgetragen, dass er sich gegen die Beiträge für 2014 und 2015 wende sowie vier Beiträge in Höhe von insgesamt 742,00 € zuzüglich Zinsen zurückerstattet haben möchte. Ergänzend hat er außerdem ausgeführt, dass ihm das Mietverhältnis seines Fahrradgeschäftes zum 31. Dezember 2013 gekündigt worden sei und der Auszug auch im Jahr 2014 stattgefunden habe bzw. dass seit Ende 2014 keine Geschäftsräume mehr vorhanden gewesen seien. Er sei von der Beklagten vorsätzlich nicht über die seit dem 1. Januar 2011 gegebene Befreiungsmöglichkeit informiert worden. Er habe auch kein amtliches Mitteilungsblatt der Beklagten erhalten. Unternehmer seien versicherungsfrei. Sollte es so sein, dass nur für Personal Beiträge zu zahlen sind, fordere er die Beiträge ab 1993 zuzüglich Zinsen zurück. Er habe auch nie einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen. Die Beklagte solle einen solchen Vertrag vorlegen. Außerdem habe er schon vor 1999 gekündigt. Von 1993 bis 2013 habe er 3.657,03 € an Beiträgen gezahlt. Diese fordere er mit Verzinsung zurück.
Das Sozialgericht hat am 20. November 2019 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides für 2015. Die Beklagte habe die Beitragsforderung zu Recht erhoben, da der Kläger als Unternehmer pflichtversichert gewesen sei. Es habe zur Begründung dieser Versicherung keines Vertrages oder gesonderten Antrages bedurft. Einen ab 1. Januar 2011 möglichen Befreiungsantrag habe der Kläger nicht gestellt, obwohl die Beklagte den Kläger über diese Möglichkeit informiert habe. Da der Kläger seit 29. Mai 1993 bei der Beklagten kraft Satzung versichert gewesen sei, habe er auch keinen Anspruch auf Rückforderung der bereits gezahlten Beiträge ab 1993. Es sei davon auszugehen, dass das Gewerbe des Klägers noch bis Ende 2015 bestanden habe.
Der Kläger hat gegen das am 23. November 2019 zugestellte Urteil am 18. Dezember 2019 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte am 25. November 2020 einen weiteren Bescheid erlassen, mit dem der Antrag des Klägers auf Erstattung aller Beiträge ab 1993 bis 2013, in denen er keine Beschäftigten hatte, abgelehnt wurde, ebenso wie die Aufhebung des Beitragsbescheides für das Jahr 2014. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2021 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Für den Inhalt, die Verfügungssätze und die Begründung des Bescheides der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 wird auf Akten-Id: 169 der Verwaltungsakte der Beklagten zu dem Aktenzeichen XXX-1 sowie auf Bl. 242 bis 244 der Gerichtsakte Bezug genommen. Daraufhin hat der Kläger in dem Berufungsverfahren vom 13. Februar 2021 (Eingang beim Hessischen Landessozialgericht: 16. Februar 2021) ein „sofortiges Einschreiten des HLSG“ gefordert. Im Hinblick auf den Widerspruchsbescheid hat auch die Beklagte ein weiteres Schreiben des Klägers erhalten, welches sie an das Sozialgericht weitergeleitet hat mit der Bitte um Prüfung, ob es sich dabei um eine Klage handele. Das Sozialgericht hat der Beklagten am 15. September 2021 mitgeteilt, dass das Schreiben des Klägers nicht als Klage ausgelegt werde, nachdem der Kläger trotz mehrerer gerichtlicher Schreiben nicht reagiert habe.
Im Berufungsverfahren ist der Kläger mit dem Urteil des Sozialgerichts nicht einverstanden. Der Kläger hat insbesondere vorgetragen, dass er ohne Vertrag nicht abkassiert werden dürfe. Eine Satzung sei „weder ein Recht noch ein Gesetz“. Er wisse gar nicht, wofür er die Beiträge bezahlen und an wen er sich im Leistungsfall wenden soll. Das Sozialgericht habe außerdem den Akten entnehmen können, dass er der Beklagten bereits mitgeteilt habe, dass das Geschäft seit Ende 2014 geschlossen gewesen sei. Er müsse keine weiteren Beweise vorlegen; vielmehr müsse die Beklagte die Verträge vorlegen, aus denen sich die geltend gemachte Beitragspflicht des Klägers ergeben solle.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. November 2019 sowie den Beitragsbescheid der Beklagten für 2015 vom 22. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017 aufzuheben,
2. die Beklagte auf Klage unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 zu verpflichten, ihre Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 1993 bis 2014 aufzuheben und an ihn 3.657,03 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Der Senat hat dem Kläger mit Schreiben vom 5. März 2020 und vom 30. März 2020 die Möglichkeit eröffnet, Akteneinsicht im Landessozialgericht oder in einem wohnortnäheren Gericht oder einer wohnortnäheren Behörde zu nehmen, wovon der Kläger keinen Gebrauch gemacht hat. Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen die damalige Berichterstatterin sind mit Beschluss vom 27. April 2020 und vom 28. Juli 2020 zurückgewiesen worden (L 3 SF 21/20 AB und L 3 SF 44/20 AB). Eine Anhörungsrüge des Klägers wurde am 23. Juli 2020 zurückgewiesen (L 3 U 114/20 RG).
Der Senat hatte bereits am 10. Juni 2020 einen Hinweis erteilt, mit dem die Beklagte aufgefordert wurde, die maßgeblichen Satzungen vorzulegen sowie den Nachweis eines Feststellungsbescheides über die Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers bzw. über die Aufnahme des Unternehmens des Klägers in das Unternehmerverzeichnis bzw. über die Ausstellung und Übergabe eines Mitgliedsscheines vorzulegen. Die Beklagte hat soweit möglich die angeforderten Unterlagen vorgelegt bzw. auf ihr Internet-Archiv verwiesen. Einen Aufnahmebescheid oder einen Mitgliedsschein konnte die Beklagte nicht vorlegen. Sie legte stattdessen einen Stammdatenausdruck aus ihrem Großrechner vor, woraus sich insbesondere das Versanddatum des Aufnahmebescheides ergeben soll. Die Beklagte hat weiter mitgeteilt, dass sie sich einen Vergleich vorstellen könne, was der Kläger jedoch abgelehnt hat. Auf eine weitere Anfrage des Senats, Nachweise vorzulegen oder Zeugen zu benennen, wann genau das Einzelhandelsgeschäft „Zweirad-A.“ geschlossen worden sei, hat der Kläger nicht reagiert. Im Juni 2022 hat der Kläger Verzögerungsrüge erhoben.
Der Senat hat nach der mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2023 schriftlich einen rechtlichen Hinweis erteilt. Die Beklagte hat sodann ihre bisherigen Auffassungen wiederholt und meint, dass eine Bekanntgabe des Aufnahmebescheides vom 16. Juli 1993 fingiert sei. Beitragsbescheide über 0,- € für 2009 und 2010 seien nicht zum versandt gekommen. Der Kläger wiederholt seinerseits seine Rechtsauffassung. Er meint insbesondere, dass die Beklagte beweispflichtig sei. Seine Erstattungsforderung sei nach Handelsgesetzbuch (HGB) mit 8 % zu verzinsen. Verjährung sei nicht eingetreten. Jährliche Zahlungen würden nie verjähren. Zudem hat der Kläger erneut Verzögerungsrüge erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung und die Klage des Klägers sind im tenorierten Umfang teilweise begründet. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen und seine Klage abzuweisen.
Streitgegenstand ist neben dem Urteil des Sozialgerichts zunächst das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Beitragsbescheides für das Jahr 2015 vom 22. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017. Hiergegen wendet sich der Kläger in zulässiger Weise mit einer reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2023 auch beantragt. Dass der anwaltlich nicht vertretene Kläger insoweit zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 erklärt hat, dass dies nicht Streitgegenstand sei, ändert daran nichts. Denn bei der gebotenen Auslegung des klägerischen Begehrens (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG), geht es dem Kläger darum, keinen weiteren Beitragsforderungen der Beklagten ausgesetzt zu sein. Dies geht nur, wenn der Kläger den Beitragsbescheid der Beklagten für das Jahr 2015 mit einer Anfechtungsklage angreift.
Weiter ist Streitgegenstand der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 sowie das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 1993 bis 2014 sowie auf Erstattung der gezahlten Beiträge für die Beitragsjahre 1993 bis 2013 in Höhe von 3.657,03 € nebst Zinsen. Zwar enthielt der Beitragsbescheid für das Jahr 2015 insoweit keine Regelung und damit keinen Verwaltungsakt. Darin heißt es vielmehr ausdrücklich: „Der Gesamtbeitrag 2015 sowie eventuell ausgewiesene Säumniszuschläge sind am 15.05.2016 fällig. Die Fälligkeit eines eventuellen Rückstandes ergibt sich aus dem/den betreffenden Bescheid/en“. Somit informierte der Beitragsbescheid für das Jahr 2015 nur über den für 2014 geltend gemachten Beitragsrückstand. Mit einem etwaigen Erstattungsanspruch des Klägers beschäftigt sich der Beitragsbescheid für 2015 gar nicht. Der im Laufe des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 kann somit nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sein, soweit mit ihm nach Maßgabe des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die Rücknahme des Beitragsbescheides für die Jahr 1993 bis 2014 und ein Erstattungsanspruch abgelehnt wurde, weil durch ihn der hier angefochtene Beitragsbescheid für das Jahr 2015 vom 22. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017 weder abgeändert noch ersetzt worden ist. Der Bescheid kann auch nicht gemäß § 96 SGG analog zum Streitgegenstand geworden sein. Zwar hat der 2. Senat des BSG in Beitragsstreitigkeiten in der Vergangenheit § 96 SGG analog angewendet, wenn im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses weitere Beitragsbescheide für Folgezeiträume ergehen, die von demselben Träger auf derselben rechtlichen Grundlage erlassen und mit derselben Begründung angefochten werden wie der ursprüngliche Bescheid, der das Verfahren ausgelöst hatte (BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 – B 2 U 14/06 R – juris Rn 14 mwN). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor, da hier gerade frühere Bescheide vor dem Beitragsjahr 2015 angegriffen werden sollen.
Allerdings ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Überprüfungsbescheides der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 hinsichtlich der Aufhebung der Beitragsbescheide für die Beitragszeiträume von 1993 bis 2014 und im Hinblick auf die damit gleichzeitig verfügte Ablehnung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs des Klägers im Wege der zulässigen Klageänderung zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Im Rahmen dieser Prüfung ist die Frage der Zulässigkeit der Klageänderung von der Frage nach der Zulässigkeit der geänderten Klage zu unterscheiden ist (vgl Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 99 Rn 10 mwN). Eine Klageänderung und damit auch eine Klageerweiterung ist auf der Grundlage von § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 99 SGG grundsätzlich auch in der Berufungsinstanz zulässig (vgl BSG, Urteil vom 2. Februar 2012 – B 8 SO 15/10 R – juris Rn 12; BSG, Urteil vom 20. Mai 2014 – B 1 KR 2/14 R – juris Rn 11; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl 2020, § 99 Rn 12 mwN). Ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG, insbesondere in der einzig in Betracht kommenden Variante des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG, liegt hier zwar nicht vor, da nunmehr mit dem (Überprüfungs-)Bescheid der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 ein neuer Verwaltungsakt und damit ein neuer Klagegrund zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden ist (vgl dazu: Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl § 99 Rn 8; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl 2022, § 99 Rn 2b mwN).
Jedoch liegen die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1, 2 SGG vor. Denn eine Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG liegt insbesondere vor bei Einbeziehung eines weiteren Klagebegehrens, etwa, wenn nunmehr – wie hier - ein anderer Bescheid aufgehoben bzw. ein anderer Verwaltungsakt mit der Verpflichtungsklage begehrt werden soll (vgl Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 99 SGG (Stand: 15. Juni 2022), Rn 12; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 99 Rn 2 mwN). Hier hat der Kläger in dem am 16. Februar 2021 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz zu erkennen gegeben, dass er mit dem Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2021 nicht einverstanden ist und er hat eine „Einschreiten des HLSG“ begehrt. Daher ist ausgehend von seinem Klageziel, auch für 2014 keine Beiträge zahlen zu müssen sowie Beiträge für 1993 bis 2013 erstattet zu erhalten, das klägerische Begehren dahingehend auszulegen (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG), dass er klageerweiternd die Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 im Berufungsverfahren begehrt sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Beitragsbescheide für den Zeitraum von 1993 bis 2014. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2023 auch beantragt. Vorliegend hat sich die Beklagte zudem im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG rügelos auf die erweiterte Klage eingelassen. Sie hat nämlich weder auf den klageerweiternden Schriftsatz des Klägers noch auf den Hinweis des Senats vom 16. Mai 2023 der Klageänderung widersprochen, obwohl sie damit auf die Klageänderung sowie auf die Voraussetzungen des § 99 SGG hingewiesen worden war. Vielmehr hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2023 rügelos die Zurückweisung der Berufung sowie die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat sich zudem zuvor bereits mit Schriftsatz vom 5. Juni 2023 rügelos in der Sache zu dem Hinweis vom 16. Mai 2023 eingelassen, wobei sich der Vortrag inhaltlich auch auf die geänderte Klage im Hinblick auf die Zeit von 2011 bis 2014 bezieht. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG auch als sachdienlich zu betrachten ist, um den Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beizulegen, so dass ein weiterer Prozess vermieden werden kann (vgl dazu: Schmidt in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, SGG § 99 Rn 10). Eine Rückerstattung für die Beitragsjahre 2014 und 2015 macht der Kläger nicht geltend, da er – wie etwa im Schriftsatz vom 29. Juni 2020 vorgetragen - die Forderungen der Beklagten für die Beitragsjahre 2014 bis 2015 nicht beglichen hat.
Soweit der Kläger den geltend gemachten Zinsanspruch für den im Streit stehenden Erstattungsanspruch in Höhe von 3.657,03 € im Rahmen des Berufungsverfahren von 5 % auf 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz erhöht hat, handelt es sich um eine kraft Gesetzes zulässige Klageänderung (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG).
Weitere zulässige Streitgegenstände sind – neben den zutreffenden Kostenentscheidungen - nicht ersichtlich und weitere Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2023 auch nicht gestellt.
Vor dem Hintergrund des derart bestimmten Streitgegenstandes ist die Berufung des Klägers zulässig. Die Berufung und die geänderte Klage des Klägers sind jedoch nur teilweise begründet und im Übrigen zurück- bzw. abzuweisen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides der Beklagen für das Jahr 2015 sowie einen Anspruch auf teilweise Aufhebung des Überprüfungsbescheides der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021, auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Beitragsbescheide für die Beitragsjahr 2011 bis 2014 sowie auf Erstattung der gezahlten Beiträge für die Beitragsjahre 2011 bis 2013 in Höhe von 554,01 € nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 2016. Darüber hinaus stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Im Einzelnen:
Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides der Beklagten für das Jahr 2015 vom 22. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2017, so dass insoweit die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) begründet ist. Die Beklagte hat zu Unrecht Beiträge für das Jahr 2015 erhoben.
Das Sozialgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass für den Kläger zunächst seit 1993 eine Versicherung in der Gesetzlichen Unfallversicherung bestand. § 3 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sieht nämlich seit 1. Januar 1997 vor, dass die Satzung bestimmen kann, dass und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten erstreckt. Ebenso sah bis zum 31. Dezember 1996 die Regelung des § 543 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung ab 1. Januar 1964 vor, dass die Satzung des Trägers der Unfallversicherung die Versicherung auf Unternehmer erstrecken kann, die nicht schon kraft Gesetzes versichert sind. Diese Vorschriften ermächtigen die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung zu regeln, ob sich die Versicherung insbesondere auf Unternehmer erstrecken soll und unter welchen Voraussetzungen dies geschieht. Die Norm weist dem Versicherungsträger damit die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 – B 2 U 18/10 R – juris Rn 49; Angermaier in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl, § 3 SGB VII (Stand: 15. Januar 2022), Rn 8; vgl auch § 3 SGB VII, § 34 SGB IV). Die Satzungen der Unfallversicherungsträger konkretisieren die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung kraft Satzung. Die Satzungen sind – entgegen der Auffassung des Klägers - unmittelbar geltendes Recht mit materiellem Regelungsgehalt (Angermaier in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 3 SGB VII (Stand: 15. Januar 2022), Rn 8). Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 – 1 BvR 518/62 – juris Rn 103). Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen. Satzungen als autonom gesetztes objektives Recht sind durch die Gerichte nur daraufhin überprüfbar, ob sie mit dem Gesetz, das die Ermächtigung enthält, oder mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (vgl BSG, Urteil vom 11. April 2013 – B 2 U 8/12 R – juris Rn 16; Angermaier in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl, § 3 SGB VII (Stand: 15. Januar 2022), Rn 35; Wietfeld in: BeckOK, SGB VII, Stand: 1. Juni 2023, Rn 9.1). Gegen diese durch Satzungsrecht begründete Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung auch der selbständigen Unternehmer und die damit verbundenen Beitragsverpflichtungen bestehen keine grundsätzlichen rechtlichen, insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BSG, Urteil vom 9. Dezember 1993 – 2 RU 49/92 – juris Rn 16; BSG, Urteil vom 11. November 2003 – B 2 U 16/03 R – Leitsatz; BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 1985 - 1 BvR 282/85 – NJW 1986, 1095). Die Versicherung der Unternehmerinnen und Unternehmer kraft Satzung beginnt mit Erfüllung der in der Satzung genannten Voraussetzungen, in der Regel mit Aufnahme der Tätigkeit (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1993 – B 2 U 8/12 R – juris Rn 17; Ziegler in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 5. Aufl 2018, Rn 6; Lilienfeld in: BeckOGK, SGB VII Stand 1. September 2015, Rn 4; Wietfeld in: BeckOK, SGB VII, Stand: 1. Juni 2023, Rn 23). Es bedarf also gerade keines Antrages des Unternehmers (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1993 – 2 RU 49/92 – juris Rn 17; Wietfeld in: BeckOK, SGB VII, Sand: 1. Juni 2023, Rn 24; Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, § 3 Rn 22) oder eines Vertrages, weshalb sich die Beklagte im vorliegenden Verfahren auch gar nicht darauf beruft, dass sie mit dem Kläger einen Vertrag für eine Versicherung kraft Satzung geschlossen habe. Die Versicherung kraft Satzung endet in der Regel mit der Einstellung der nach der Satzung versicherten Tätigkeit. Bei Einstellung des Unternehmens besteht Versicherungsschutz bis zum Ende der Abwicklungsarbeiten (vgl Angermaier in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 3 SGB VII (Stand: 15. Januar 2022), Rn 57; Lilienfeld in: BeckOGK, SGB VII Stand 1. September 2015, Rn 4b; Wietfeld in: BeckOK, SGB VII, Sand: 1. Juni 2023, Rn 23). Die Aufhebung der Versicherung kraft Satzung für die Zukunft ist auch durch Satzungsänderung möglich (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011, juris Rn 45; Lilienfeld in BeckOKG, Stand 1. September 2015, § 3 SGB VII, Rn 4). Nach § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind die Unternehmerinnen und Unternehmer jeweils selbst beitragspflichtig.
Im vorliegenden Fall ist der Kläger seit 1993 als Betreiber des Unternehmens „Zweirad-A.“ als Unternehmer im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII (vgl bis zum 31. Dezember 1996: § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO) anzusehen, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht bzw. auf dessen Rechnung das Unternehmen ging. Der Kläger war auch zunächst als Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert. Die Satzung der Beklagten vom 22. Mai 1975 sah jedenfalls in der Fassung seit 1. Januar 1993 in § 40 Abs. 1 ausdrücklich vor, dass die Versicherungspflicht auf die Unternehmer erstreckt wird. Die Versicherung kraft Satzung endet gemäß § 44 Abs. 1 dieser Satzung mit Wegfall ihrer Voraussetzungen (vgl Bl 202 ff der Gerichtsakte). Auch in der Satzung der Beklagten vom 20. November 1997 findet sich in § 41 Abs. 1 in der jeweiligen Fassung die ausdrückliche Regelung, dass die Versicherungspflicht im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auf die Unternehmer erstreckt wird. Danach endet die Versicherungspflicht kraft Satzung, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (§ 45 Abs. 1 Satz 1 der Satzung vom 20. November 1997 - vgl www.bghw.de/satzung-und-gefahrtarif/archiv). An der Versicherungspflicht der Unternehmer kraft Satzung hat sich auch durch die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Satzung der Beklagten bis zum 31. Dezember 2010 zunächst nichts geändert. Diese Satzung der Beklagten sah bis zum 31. Dezember 2010 in §§ 41, 46 insbesondere Folgendes vor:
§ 41 Kreis der Versicherten
(1) Die Versicherungspflicht wird auf die Unternehmerinnen und Unternehmer erstreckt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
(2) (…)
§ 46 Beendigung der Versicherung
(1) Sind die Voraussetzungen für die Versicherung kraft Satzung nicht mehr erfüllt, so endet sie mit dem Wegfall der Voraussetzungen. Liegen über den nach Satz 1 maßgebenden Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung (§ 48 der Satzung) vor, so endet die Versicherung mit dem Schluss des Kalendermonats, in dem die Berufsgenossenschaft der Unternehmerin bzw. dem Unternehmer die Beendigung mitgeteilt hat. Die Berufsgenossenschaft hat die Mitteilung unverzüglich vorzunehmen.
(2) (…)
(vgl www.bghw.de/satzung-und gefahrtarif/archiv)
Erst mit dem Fünften Nachtrag vom 6. Mai 2010 sah die Satzung der Beklagten ab dem 1. Januar 2011 im Hinblick auf die Unternehmerversicherung kraft Satzung davon abweichend vor:
§ 41 Fortführung der am 31.12.2010 bestehenden Pflichtversicherung (einschließlich der Zusatzversicherungen) der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie ihrer im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten und Ehegattinnen
(1) Die am 31.12.2010 aufgrund §§ 41 und 44 der Satzung bestehenden Pflichtversicherungen einschließlich der Zusatzversicherungen werden ab dem 01.01.2011 nach den am 31.12.2010 geltenden Satzungsregelungen - ausgenommen der §§ 42, 44 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 - weitergeführt. Eine Pflichtversicherung besteht, wenn sie bis zum 31. Dezember 2010 formell festgestellt ist oder bis zu diesem Zeitpunkt eine Anmeldung des Unternehmens bei der BGHW eingegangen ist.
(2) Unternehmerinnen und Unternehmer sowie ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten und Ehegattinnen werden auf schriftlichen Antrag von der Pflichtversicherung nach Abs. 1 befreit. Die Befreiung wird entsprechend § 53 Abs. 1 der Satzung mit Ablauf des Monats wirksam, in dem ein schriftlicher Antrag bei der BGHW eingegangen ist.
(3) Eine Änderung der Versicherungssumme erfolgt über eine Befreiung von der Pflichtversicherung und Abschluss einer freiwilligen Versicherung. § 6 Abs. 2 Satz 3 SGB VII bleibt unberührt.
(vgl www.bghw.de/satzung-und-gefahrtarif/archiv)
Vor diesem Hintergrund hat der Senat – wie bereits dargelegt - zwar keine Zweifel, dass der Kläger als Unternehmer zunächst seit 1993 kraft Satzung pflichtversichert war, ohne dass es dafür eines Vertrages bedurfte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass insoweit Ausnahmeregelungen für den Kläger einschlägig gewesen sein könnten (vgl dazu etwa § 3 Abs. 2 SGB VII bzw §§ 542, 543 RVO; § 40 Abs. 2 der Satzung der Beklagten seit 1. Januar 1993 – Bl 210 der Gerichtsakte bzw seit 1997 bis zum 31. Dezember 2010: § 41 Abs. 2 der jeweiligen Satzung der Beklagten - www.bghw.de/satzung-und-gefahrtarif/archiv). Die Satzungen der Beklagten bewegen sich insoweit innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung und es ist nicht ersichtlich, dass diese gegen höherrangiges Recht verstoßen. Sie treten gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) – wie hier – am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung bzw. mit dem in der jeweiligen Satzung bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Es bestehen auch keine Zweifel, dass die Satzungen der Beklagten in ihrer jeweiligen Fassung von den zuständigen Behörden im Sinne des § 34 SGB IV genehmigt wurden und - wie sich aus § 57 Abs. 1 der Satzung (Stand 1. Januar 1993), § 58 der Satzung vom 20. November 1997 und § 76 der Satzung ab 1. Januar 2008 in ihren jeweiligen Fassungen ergibt – insbesondere im amtlichen Mitteilungsblatt der Beklagten und im Internet öffentlich bekannt gemacht worden sind (vgl Bl 212, 214 der Gerichtsakte sowie www.bghw.de/satzung-und-gefahrtarif/archiv). Dahingestellt bleiben kann dabei zunächst auch, ob dem Kläger jemals ein Aufnahmebescheid bekannt gegeben wurde. Denn ein solcher Bescheid hat lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl BSG, Urteil vom 17. Februar 1971 – 7/2 RU 74/68 – juris Rn 11; BSG, Urteil vom 23. Januar 2018 – B 2 U 4/16 R – juris Rn 12). Die Beitragspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesetz bzw. aus der Satzung und besteht deshalb unabhängig von ihrer Feststellung durch Verwaltungsakt mit Beginn der Unternehmereigenschaft (vgl auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Februar 2020 – L 3 U 340/19 – juris Rn 59). Dass der Kläger die Unternehmerpflichtversicherung kraft Satzung 1999 wirksam gekündigt haben könnte ist weder nachgewiesen noch ist ersichtlich, dass die Satzung der Beklagten bis zum 31. Dezember 2010 bzw. das Gesetz überhaupt eine Kündigungsmöglichkeit der Unternehmerpflichtversicherung kraft Satzung vorgesehen hat.
Etwas anderes ergibt sich aber gerade für die Zeit ab dem 1. Januar 2011. Die insoweit maßgeblichen Satzungen der Beklagten sprechen dafür, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2011 nicht mehr kraft Satzung pflichtversichert war, so dass der Beitragsbescheid für das Jahr 2015 rechtswidrig ist.
Denn nach § 41 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in den Fassungen ab dem 1. Januar 2011 wird eine am 31. Dezember 2010 aufgrund §§ 41 und 44 der Satzung bestehende Pflichtversicherung ab dem 1. Januar 2011 nach den am 31. Dezember 2010 geltenden Satzungsregelungen weitergeführt. Eine weiterzuführende Pflichtversicherung soll nach § 41 Abs. 1 Satz 2 der Satzung jedoch ab dem 1. Januar 2011 nur dann bestehen, wenn sie bis zum 31. Dezember 2010 formell festgestellt ist oder bis zu diesem Zeitpunkt eine Anmeldung des Unternehmens bei der Beklagten eingegangen ist.
Hier ist im Fall des Klägers weder nachgewiesen, dass bis zum 31. Dezember 2010 eine Anmeldung von diesem vorlag, noch, dass es eine formelle Feststellung der Pflichtversicherung kraft Satzung zum 31. Dezember 2010 gab. Insbesondere einen formellen Aufnahmebescheid konnte die Beklagte gerade nicht vorlegen. Zwar hat der Aufnahmebescheid – wie die Beklagte richtig vorträgt - im Grundsatz nur deklaratorische Bedeutung (vgl etwa: BSG, Urteil vom 10. August 2021 – B 2 U 15/20 R – juris Rn 25 mwN). Etwas anderes gilt aber nach dem Wortlaut der Satzung der Beklagten ab dem 1. Januar 2011, die ausdrücklich die formelle Feststellung der Versicherungspflicht des Unternehmers bis zum 31. Dezember 2010 als Voraussetzung für die Fortführung der Unternehmerversicherung ab dem 1. Januar 2011 verlangt. Eine solche formelle Feststellung der Unternehmerversicherungspflicht konnte die Beklagte aber gerade nicht nachweisen. Zwar hat die Beklagte einen Ausdruck aus ihrem elektronischen Datenbestand vom 17. Juli 2020 vorgelegt, wonach ein Aufnahmebescheid am 16. Juli 1993 abgesandt worden sein soll. Dies reicht jedoch zum Nachweis der Voraussetzungen für das Fortbestehen einer Versicherungspflicht kraft Satzung nicht aus. Zum einen vermag die Beklagte - ganz unabhängig von der Frage, ob der Zugang des Bescheides vom 16. Juli 1993 nachgewiesen werden kann – nicht zu beweisen, dass der vermeintliche Bescheid vom 16. Juli 1993 überhaupt inhaltlich den Anforderungen an die „formelle Feststellung der Versicherungspflicht“ als Unternehmer kraft Satzung im Sinne von § 41 Abs. 1 der Satzung entspricht. Mangels Vorlage des Bescheides durch die Beklagte ist nicht erwiesen, welchen Verfügungssatz und welche Begründung dieser Bescheid überhaupt gehabt haben soll. Zum anderen reicht der Ausdruck aus dem Computersystem als Nachweis für die Bekanntgabe – und damit für die Wirksamkeit (§§ 37, 39 SGB X) - des Bescheides vom 16. Juli 1993 nicht aus. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Annahme der Bekanntgabefiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X stützen, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt. Die Voraussetzungen der Bekanntgabefiktion liegen nämlich nicht vor. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Beklagte den dafür erforderlichen Vermerk in den Verwaltungsakten über die Aufgabe des Schriftstückes zur Post angebracht hat (vgl BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R – juris Rn 17; Pattar in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl, § 37 SGB X (Stand: 21. Dezember 2020), Rn 97; Engelmann in: Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 37 Rn 29 mwN). Dies lässt sich dem Ausdruck aus der Computerdokumentation der Beklagten gerade nicht sicher entnehmen, da es dort nur heißt „Aufn-Besch. abges. 16.07.1993“. Es lässt sich dem jedoch gerade nicht entnehmen, dass der Bescheid am 16. Juli 1993 tatsächlich zur Post aufgegeben wurde, da insbesondere unerheblich ist, wann ein Verwaltungsakt etwa an die innerbehördliche Poststelle gelangt oder der Druckauftrag für den Verwaltungsakt erteilt worden ist (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl, § 37 SGB X (Stand: 21. Juli 2020), Rn 97 mwN). Eine Bekanntgabe dieses Bescheides kann die Beklagte ebenfalls nicht beweisen. Dies wäre jedoch erforderlich, weil der Kläger im Schriftsatz vom 19. August 2020 den Zugang des Aufnahmebescheides vom 16. Juli 1993 nach Auffassung des Senats bestritten hat („Weiter zeigt Anlage 3 jedoch jedem wie hier betrogen werden soll, da hier Angaben erscheinen die nicht ab 1993 zugrunde liegen zumal dieser Ausdruck erst am 17.07.2020 fingiert wurde. Weiter Anlage 4 zeigt das Datum 31.07.2020 was mir zuvor auch nie vorlag“). Denn nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X greift die Bekanntgabefiktion gerade nicht, wenn – wie hier - der tatsächliche Zugang des Verwaltungsakts bestritten ist, wobei die Behörde den bestrittenen Zugang des Verwaltungsakts nachzuweisen hat. Dies gelingt ihr im vorliegenden Fall nicht.
Auch der Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 31.Oktober 2008 kann nicht als formelle Feststellung der Unternehmensversicherungspflicht kraft Satzung angesehen werden. Ein solcher Verfügungssatz lässt sich diesem Bescheid weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen. Vielmehr wird nur allgemein die Gefahrklasse des „Unternehmens“ für die Tarifzeit geregelt (vgl Brandenburg/K. Palsherm in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl, § 159 SGB VII (Stand: 15. Januar 2022), Rn 8). In dem Veranlagungsbescheid vom 31.Oktober 2008 heißt es auch nur: „Sehr geehrte Unternehmerin, sehr geehrter Unternehmer, nach dem Gefahrtarif der Sparte Einzelhandel vom 25. Oktober 2007 ist Ihr Unternehmen für die Berechnung der Beiträge ab 01.01.2008 wie folgt neu veranlagt worden: Mischgefahrklasse 2,4“. Eine Regelung zur Unternehmerpflichtversicherung kraft Satzung nach § 3 SGB VII in Verbindung mit der Satzung der Beklagten enthält dieser Bescheid gerade nicht.
Außerdem kann sich die Beklagte auch nicht auf die ergangenen Beitragsbescheide berufen, um die formelle Feststellung des Bestehens einer Pflichtversicherung kraft Satzung bis zum 31. Dezember 2010 nachzuweisen. Denn zum einen wurden mit den Beitragsbescheiden bis 2008 nur der Beitrag „zur Berufsgenossenschaft und die Fremdbeiträge“ bzw. die Beiträge „zur gesetzlichen Unfallversicherung berechnet“ ohne dass diesen Bescheiden ein Verfügungssatz zum Bestehen einer Versicherungspflicht kraft Satzung zu entnehmen ist. Und zum anderen erging vor dem 31. Dezember 2010 der letzte Beitragsbescheid gegenüber dem Kläger mit dem Beitragsbescheid für 2008 vom 17. April 2009 über einen Beitrag von 160,70 € und zwar auch nur mit Wirkung für das Jahr 2008. Dieser Beitragsbescheid wurde dann zudem für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 korrigiert und der Beitrag wurde auf 0,00 € festgesetzt. Für die Beitragsjahre 2009 und 2010 gab die Beklagte nach ihrem ausdrücklichen Vortrag gar keinen Beitragsbescheid bekannt. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat keine formell festgestellte bestehende Unternehmerpflichtversicherung des Klägers kraft Satzung zum Stichtag des 31. Dezember 2010 zu erkennen, die ab dem 1. Januar 2011 fortbestehen könnte. Die fehlende Beitragsfestsetzung für die Jahre 2009 und 2010 spricht sogar vielmehr dafür, dass die Beklagte die Unternehmerpflichtversicherung nach § 3 SGB VII – und somit auch zum Stichtag des 31. Dezember 2010 – damals nicht mehr durchgeführt hat.
Vor diesem Hintergrund liegen hier die Voraussetzungen für die Fortführung der Unternehmerpflichtversicherung nach § 3 SGB VII in Verbindung mit § 41 Abs. 1 der Satzung der Beklagten ab dem 1. Januar 2011 nicht mehr vor. Daher kann hier auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 sein Klagebegehren ergänzend auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen einer Beratungspflichtverletzung aufgrund der ab 1. Januar 2011 geänderten Satzung stützen kann (vgl dazu etwa: Angermaier in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl, § 3 SGB VII (Stand: 15. Januar 2022), Rn 51). Darauf kommt es nicht streitentscheidend an, weil bereits die Voraussetzungen der Fortführung der Unternehmerpflichtversicherung über den 31. Dezember 2010 hinaus nicht vorliegen.
Der Bescheid der Beklagten für das Beitragsjahr 2015 ist zudem auch hinsichtlich der festgestellten Säumniszuschläge von 12,00 € rechtswidrig. Insoweit enthält der Bescheid – anders als für die Beiträge für das Beitragsjahr 2014 - eine Regelung, da die Säumniszuschläge erstmals beziffert und insoweit auch die Fälligkeit für den 15. Mai 2016 bestimmt wurde. Zwar ist die Berechnung der Säumniszuschläge in Höhe von 12,00 € nicht zu beanstanden. Allerdings ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen daraus, dass die Beklagte – wie bereits dargelegt - nicht berechtigt war, Beiträge für die Beitragsjahre 2011 bis 2014 zu erheben und dass insoweit die streitgegenständlichen Beitragsbescheide aufzuheben sind, wie sich aus dem Folgenden ergibt.
Der Kläger hat neben dem Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides der Beklagten für das Jahr 2015 – auf Klage - auch einen Anspruch auf (teilweise) Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021, auf Verpflichtung der Beklagten, ihre Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 2011 bis 2014 aufzuheben sowie auf Erstattung von Beiträgen für die Beitragsjahre 2011 bis 2013 in Höhe von 554,01 € (= Beitragsbescheid 2011: 190,08 € + Beitragsbescheid 2012: 174,10 € + 1,50 € Säumniszuschläge + Beitragsbescheid 2013: 188,33 €) nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 1. Juni 2016.
Der Senat ist für die Entscheidung über diese Ansprüche instanziell zuständig. Im Ausgangspunkt verhält es sich so, dass die Zulässigkeit einer Klageänderung noch nichts über die Zulässigkeit der geänderten Klage aussagt und diese daher eigenständig zu prüfen ist. Die Funktion der Landessozialgerichte ist dabei gemäß § 29 SGG auf die Kontrolle sozialgerichtlicher Entscheidungen und nicht auf die Erstentscheidung eines Rechtsstreits gerichtet, sofern nicht ausnahmsweise eine rechtliche Grundlage für eine erstinstanzliche Entscheidung besteht (vgl BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 5 RE 23/14 R – juris Rn 20; Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – juris Rn 82). Die Frage, ob es an der funktionellen (instanziellen) Zuständigkeit des angerufenen Berufungsgerichts hinsichtlich einer im Berufungsverfahren geänderten Klage fehle, da die Landessozialgerichte nach § 29 Abs. 1 SGG grundsätzlich im zweiten Rechtszug über die Berufung gegen die Urteile der Sozialgerichte entscheiden, ist in der Rechtsprechung und in der juristischen Fachliteratur umstritten (so etwa gegen die instanzielle Zuständigkeit der Landessozialgerichte: BSG, Urteil vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R – juris Rn 14 f.; BSG, Urteil vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R – juris Rn 15; Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl, § 29 SGG (Stand: 15. Juni 2022), Rn 87; Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl, § 99 SGG (Stand: 15. Juni 2022), Rn. 47; für eine instanzielle Zuständigkeit der Landessozialgerichte: BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R – juris Rn 35f für im Berufungsverfahren ergangene Folgebescheide, die nicht von § 96 SGG erfasst werden; Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – juris Rn 81ff; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt; SGG 13. Aufl § 99 Rn 13b; Bieresborn in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG § 99 Rn 43; Burkiczak in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG § 29 Rn 36; vgl zudem: BSG, Urteil vom 23. Januar 2018 – B 2 U 4/16 R – juris Rn 14 unter Verweis auf die Bindung des Revisionsgericht aus § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG, die auch bei einer unzutreffenden Beurteilung der Zuständigkeit durch das Landessozialgericht bestehe). Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass für den Fall einer zulässigen Klageänderung auch im Falle einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz von einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für eine Sachentscheidung des Landessozialgerichts auszugehen ist. Maßgebliches Argument hierfür ist, dass andernfalls die formal bestehende Möglichkeit einer Klageänderung im Berufungsverfahren faktisch leerliefe; ausgenommen wären nur die Fälle aus § 99 Abs. 3 SGG, in denen kraft gesetzlicher Fiktion nicht von einer Klageänderung auszugehen ist. Das Landessozialgericht hätte den Rechtsstreit daher regelmäßig hinsichtlich des durch die Klageänderung eingeführten Streitgegenstandes (abzutrennen und) an das zuständige Sozialgericht zu verweisen. Der mit einer zulässigen Klageänderung verbundene Zweck, bei deren Sachdienlichkeit oder einem entsprechenden Willen der Beteiligten eine einheitliche Entscheidung und ein prozessökonomisches Vorgehen zu ermöglichen, ließe sich in diesem Falle nicht wahren (vgl dazu: Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – juris Rn 81ff.; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt; SGG 13. Aufl 2020, § 99 Rn 13b). Das lässt sich nach Auffassung des Senats mit der Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz und deren Zweck nicht vereinbaren. Diese Zulässigkeit ergibt sich für das sozialgerichtliche Verfahren daraus, dass § 153 Abs. 1 SGG für das Berufungsverfahren auf die Vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren verweist, ohne die Regelungen über die Klageänderung aus § 99 SGG auszunehmen, wobei das daraus erwachsende Argument zusätzlich dadurch gestützt wird, dass der Gesetzgeber für das Revisionsverfahren eine ausdrückliche Regelung (§ 168 Satz 1 SGG) für notwendig erachtet hat, um eine Klageänderung dort auszuschließen (vgl dazu: Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – juris Rn 81ff) Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz – unter bestimmten Bedingungen – offenbar für sachgerecht erachtet, lässt sich kaum damit vereinbaren, im Ergebnis doch nur – nach Verweisung – ein Verfahren vor dem Sozialgericht zu ermöglichen (Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – juris Rn 83f). Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf die geänderte Klage von einer Entscheidung des Senats „auf Klage" auszugehen (Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – Rn 86; BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R – juris Rn 36).
Die insoweit – wie bereits dargestellt – zulässige Klageänderung hat zur Folge, dass mit der Klageänderung die geänderte Klage rechtshängig und das ursprüngliche Klagebegehren durch das neue Klagebegehren ersetzt wird (vgl Behrend in Hennig, § 99 SGG, Rn 76; Berchtold, SGG, 6. Aufl 2021, § 99 Rn. 18). Statthafte Klageart der geänderten Klage ist insoweit die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage. Die Anfechtungsklage zielt hier auf die Aufhebung des Überprüfungsbescheides, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung der Beitragsbescheid für die Beitragsjahre von 1993 bis 2014 (vgl Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X (Stand: 12.04.2023), Rn 154 mwN) und die Leistungsklage auf die Erstattung der Beiträge in Höhe von 3.657,03 € nebst Zinsen (vgl BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 12 RK 85/92 – juris Rn 13). Im Übrigen bestehen im Hinblick auf die geänderte Klage keine Zulässigkeitsbedenken.
Die geänderte Klage ist teilweise begründet, nämlich soweit der Kläger die teilweise Aufhebung des Überprüfungsbescheides der Beklagten vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 begehrt sowie die Verpflichtung der Beklagten, ihre Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 2011 bis 2014 aufzuheben, und soweit er die Erstattung von Beiträgen für die Beitragsjahre 2011 bis 2013 in Höhe von 554,01 € (= Beitragsbescheid 2011: 190,08 € + Beitragsbescheid 2012: 174,10 € + 1,50 € Säumniszuschläge + Beitragsbescheid 2013: 188,33 €) nebst Zinsen in Höhe von 4 % geltend macht. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Die Beitragsbescheide der Beklagten für die Jahre 2011 bis 2014 sind rechtswidrig und somit ist die Beklagte verpflichtet, diese gemäß § 44 SGB X aufzuheben. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Wie bereits dargelegt, hat die Beklagte hier das Recht unrichtig angewandt, weil der Kläger ab dem 1. Januar 2011 nicht mehr die Voraussetzungen der Fortführung einer am 31. Dezember 2010 bestehenden Pflichtversicherung kraft Satzung der Unternehmer erfüllte, und zudem hat die Beklagte aufgrund dieser unrichtigen Rechtsanwendung auch zu Unrecht Beiträge für die Jahre 2011 bis 2014 erhoben.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger auch einen Anspruch auf Erstattung der auf die Beitragsjahre 2011 bis 2013 gezahlten Beiträge in Höhe von 554,01 € hat. Denn gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Letzteres ist hier nicht ersichtlich.
Darüber hinaus stehen dem Kläger keine weiteren Beitragserstattungen zu. Denn zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Beitragsbescheide der Beklagten vor 2011 rechtswidrig sind oder dass der Kläger diese Beiträge für die Beitragsjahre vor 2011 ohne Rechtsgrund gezahlt hat. Hinsichtlich der Beitragsbescheide der Beklagten vor 2011 bestehen keine rechtlichen Bedenken, da der Kläger in dieser Zeit – wie bereits dargelegt - kraft Satzung pflichtversicherter Unternehmer war. Erst am 1. Januar 2011 ist eine Satzungsänderung in Kraft getreten, von der der Kläger hier profitieren kann. Dass die Beiträge in der Zeit vor 2011 der Höhe nach unzutreffend festgesetzt worden sein könnten, ist für den Senat nicht ersichtlich.
Zum anderen hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass bis zum 31. Dezember 2011, allerdings nicht wie von der Beklagten angenommen bis zum 31. Dezember 2012, im Hinblick auf die Erstattungsforderung des Klägers Verjährung eingetreten ist. Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjährt ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Allerdings wird die Verjährung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV auch durch schriftlichen Antrag auf die Erstattung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Hier hat die Beklagte ein Antrag des Klägers auf Erstattung bereits im Jahre 2016 erreicht (vgl. Akten-ID 27 der Verwaltungsakte, Seite 7: „Auch fordere ich die Rückgabe aller Gelder“) und nicht erst im Jahre 2017, wie von der Beklagten angenommen, so dass etwaige Erstattungsansprüche des Klägers auf alle Beitragszahlungen vor dem 1. Januar 2012 verjährt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beitragszahlung des Klägers für das Beitragsjahr 2011 erst im Jahre 2012 festgesetzt und fällig wurde und daher auch erst nach dem 1. Januar 2012 entrichtet wurde, so dass insoweit keine Verjährung eingetreten ist. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte für die Zeit bis zum 31. Dezember 2011 auf die Einrede der Verjährung beruft. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es seitens der Beklagten ermessensfehlerhaft, rechtsmissbräuchlich, sittenwidrig sein oder eine unzulässige Rechtsausübung darstellen könnte, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Insbesondere hat die Beklagte ihren Ermessensspielraum zur Erhebung der Einrede der Verjährung erkannt und von diesem ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht, indem sie dem Aspekt der Rechtssicherheit Vorrang eingeräumt hat, zumal der Kläger jedenfalls bis 2013 jahrelang dem Grunde nach widerspruchslos festgesetzte Beiträge gezahlt hat. Der Rechtsauffassung des Klägers, wonach die geltend gemachten Erstattungsforderungen nicht verjähren könnten, folgt der Senat nicht. Diese Rechtsauffassung des Klägers steht im Widerspruch zu der Regelung des § 27 Abs. 2 SGB IV.
Soweit sich der Kläger zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche, die über die zugesprochenen Ansprüche hinausgehen, insbesondere auf Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten beruft, etwa auf das Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, die Verwaltungsgerichtsordnung, das Handelsgesetzbuch oder das Insolvenzrecht, sind diese im vorliegenden Rechtsstreit schon nicht einschlägig und begründen die weiteren vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht. Diese ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass die Beklagte und der Senat Schreiben des Klägers nicht widersprochen habe, dass Schreiben von ihm nicht beantwortet oder das von ihm gesetzte Fristen nicht eingehalten worden seien (etwa im Hinblick auf die Vorlage eines Vertrages mit der Beklagten, dessen Existenz die Beklagte nicht einmal behauptet hat). Insbesondere gibt es im sozialgerichtlichen Verfahren auch kein Versäumnisurteil (vgl dazu etwa: Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl, § 202 SGG (Stand: 15. Juni 2022), Rn 13 mwN).
Der dargelegte, für die Beitragsjahre 2011 bis 2013 bestehende Beitragserstattungsanspruch des Klägers ist gemäß § 27 Abs. 1 SGB IV mit 4 % - und entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz – zu verzinsen. Der Zinsanspruch beginnt nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags. Ein solcher (vollständiger) Erstattungsantrag des Klägers lag der Beklagten hier Mitte April 2016 vor. Die Verzinsung beginnt somit erst nach Ablauf des auf den Antrag (hier Mitte April 2016) folgenden Monats (vgl dazu Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl, § 27 SGB IV (Stand: 1. August 2021), Rn 24; Krauskopf/Stäbler, 117. EL Dezember 2022, SGB IV § 27 Rn 4), hier somit am 1. Juni 2016. Aus dem abschließenden Regelungscharakter des § 27 Abs. 1 SGB IV ergibt sich zudem auch, dass zivilrechtliche Vorschriften über Zins- und Verjährungsfragen nicht ergänzend heranzuziehen sind (vgl Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl, § 27 SGB IV (Stand: 1. August 2021), Rn 10; Krauskopf/Stäbler, 117. EL Dezember 2022, SGB IV § 27 Rn 11), so dass der Kläger seinen geltend gemachten Zinsanspruch in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nicht auf Vorschriften des Handelsgesetzbuches oder des Bürgerlichen Gesetzbuches stützen kann.
Aus den dargelegten Gründen ist die Berufung bzw. die Klage des Klägers nur teilweise begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Kläger führt den Rechtsstreit in seiner Eigenschaft als von der Beklagten zur Beitragszahlung in Anspruch genommener Versicherter im Sinne des § 183 Satz 1 SGG und nicht als Unternehmer, der nicht in diesem Sinne kostenprivilegiert ist im Sinne des § 183 SGG (vgl BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 13/16 R – juris Rn 24). Die Kostenpriviligierung beruht darauf, dass der Kläger sich lediglich gegen die ihn selbst betreffende Erhebung von Beiträgen wendet (vgl dazu auch: BSG, Urteil vom 26. November 2019 – B 2 U 29/17 R – juris Rn 32). Dass zwischen den Beteiligten Streit darüber besteht, ob der Kläger in der Vergangenheit Beiträge für pflichtversicherte Arbeitnehmer bezahlt hat, ändert an der Kostenpriviligierung des Klägers nichts, da der Kläger sich ersichtlich nur dagegen wendet, soweit er selbst zur Beitragszahlung herangezogen wurde (vgl Bl 4 der Gerichtsakte). Damit erübrigt sich auch die Feststellung des Streitwertes nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und die Festsetzung des Streitwertes des Sozialgerichts ist aufzuheben (vgl LSG Bayern, Urteil vom 30. November 2016 – L 2 U 106/14 – juris Rn 56).
Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger im Berufungsrechtszug nur teilweise erfolgreich war, so dass eine Kostenquote zu bilden war (vgl etwa: Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 193 Rn 12a), die im Berufungsrechtszug zugunsten des Klägers 26 % beträgt. Soweit die Klage im Hinblick auf den Beitragsbescheid des Jahres 2015 – anders als im Hinblick auf den bereits vor dem Sozialgericht geltend gemachten Erstattungsanspruch und den aber erst im Berufungsverfahren ergangenen Bescheid der Beklagte vom 25. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2021 - auch schon vor dem Sozialgericht zulässig war, ist das Obsiegen des Klägers im Verhältnis zum Unterliegen derart geringfügig (unter 10 %), dass für das Verfahren vor dem Sozialgericht nach billigem Ermessen keine Kostenquote zugunsten des Klägers gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa: Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl, § 193 SGG (Stand: 15. Juni 2022), Rn 39, 41).
Soweit im vorliegenden Fall durch die Verweisung des Rechtsstreits vom Amtsgericht Mannheim an das Sozialgericht Fulda Mehrkosten angefallen sind, sind diese im sozialgerichtlichen Verfahren nicht dem Kläger aufzuerlegen. Dies folgt daraus, dass nach § 98 SGG die Vorschrift des § 17b Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ausdrücklich keine Anwendung findet (vgl Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl, § 98 SGG (Stand: 15. Juni 2022), Rn 35).
Die Revision ist zuzulassen. Der Rechtsstreit hat namentlich mit Blick auf die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der instanziellen Zuständigkeit des Landessozialgerichts im Falle einer Klageerweiterung stellen, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Zudem kommt eine Zulassung auf der Grundlage von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG in Betracht (so auch: Hessisches LSG, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 – juris Rn 98).