L 13 AL 966/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AL 1964/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 966/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. März 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Klägerin begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes.

Die im Jahr 1958 geborene Klägerin war zuletzt bei der H1 GmbH als Vertriebsbeauftragte versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete nach einem Aufhebungsvertrag aus dem Jahr 2017 mit Ablauf des 31. Januar 2021.

Am 23. Oktober 2020 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Rahmen der Arbeitsbescheinigung ist von der H1 GmbH ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 2020 von 4.778,86 € mitgeteilt worden. Ferner sind Einmalzahlungen im Jahr 2020 von 264,98 € im April 2020, von 2.049,92 € im Mai 2020 und von 1.377,64 € im November 2020 angeführt worden.

Mit Bescheid vom 4. Februar 2021 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2021 für 720 Tage i.H.v. 61,01 € täglich. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 167,94 €, die Lohnsteuerklasse 1, die Lohnsteuertabelle für das Jahr 2021 sowie den allgemeinen Prozentsatz von 60 % zu Grunde.

Nachdem die H1 GmbH neuerlich eine Arbeitsbescheinigung vorgelegt hatte, in der für Januar 2021 ein Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 6.802,45 € und eine weitere Einmalzahlung von 608,92 € im Januar 2021 ausgewiesen waren, änderte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Änderungsbescheid vom 22. Februar 2021 ab und bewilligte der Klägerin Arbeitslosengeld (für 720 Tage ab dem 1. Februar 2021) i.H.v. täglich 62,62 €. Sie legte nunmehr (bei ansonsten unveränderten Berechnungselementen) ein tägliches Bemessungsentgelt i.H.v. 173,97 € zu Grunde.

Mit E-Mail vom 21. April 2021 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Überprüfung des Bescheides vom 22. Februar 2021 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Sie führte hierzu aus, die Festsetzung sei fehlerhaft. Die Beklagte habe bei Ermittlung des maßgeblichen Einkommens das Jahreseinkommen durch einen Teiler von 366 dividiert, weil das vorangegangene Jahr ein Schaltjahr gewesen sei. Dies widerspreche jedoch den Angaben der Bundesagentur auf deren Homepage. Dort werde ein Teiler von 365 benannt. Außerdem habe sie im Jahr 2020 trotz Schaltjahr nicht mehr verdient, weil ihr Monatslohn unabhängig von der Anzahl der monatlichen Tage gezahlt worden sei. Auch sei in ihrem Bekanntenkreis bei der Gewährung von Arbeitslosengeld ein Teiler von 360 angelegt worden.


Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück, weil der Widerspruch außerhalb der Widerspruchsfrist erhoben worden sei.

Mit Bescheid vom 27.04.2021 entschied die Beklagte, dass der Bescheid vom 22. Februar 2021 unverändert bleibe. Die Überprüfung nach § 44 SGB X habe ergeben, dass sie, die Beklagte, weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden sei.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 2. Mai 2021 Widerspruch, mit dem sie vorbrachte, aus § 154 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ergebe sich, dass ein Teiler von 360 anzulegen sei. Konkret sei dort ausgeführt, dass das Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet werde und für jeden vollen Kalendermonat 30 Tage anzusetzen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Begründend führte sie aus, als Bemessungsentgelt für die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei gemäß § 151 Abs. 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe, einzustellen. Für die Berechnung des Arbeitslosengeldes werde der Bemessungszeitraum tagesgenau berechnet. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01. Februar 2020 - 31. Januar 2021. In diesem Zeitraum sei an 366 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt i.H.v. insg. 63.671,37 € erzielt worden. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt (Bemessungsentgelt) von 173,97 €, welches der Bewilligung zu Grunde gelegt worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Mai 2021 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie unter Wiederholung ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren vorgetragen, sie werde doppelt benachteiligt, wenn bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts mit 366 Tagen gerechnet werde und bei der Zahlung von Arbeitslosengeld mit 360 Tagen. Zudem werde die Klägerin im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ungleich behandelt, da ihr, obwohl sie im Schaltjahr mehr gearbeitet habe, kein erhöhtes Entgelt zugeflossen sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, die vorgenommene Bemessung des Arbeitslosengeldes entspreche den gesetzlichen Vorgaben. § 151 SGB III definiere das Bemessungsentgelt als das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das im Bemessungszeitraum erzielt worden ist. Das Bemessungsentgelt sei nach dem eindeutigen Wortlaut auf Tagesbasis zu errechnen. Hierbei sei das im Bemessungszeitraum erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt durch die Anzahl der tatsächlichen Tage des Bemessungszeitraums zu dividieren. Die Klägerin habe im Bemessungszeitraum vom 1. Februar 2020 - 31. Januar 2021 an 366 Tagen ein Entgelt von 63.671,37 € erzielt. Der Monat Februar 2020 sei mit 29 Tagen zu berücksichtigen. Die gesetzliche Regelung lasse es nicht zu, hiervon in Schaltjahren abzuweichen. Auch § 154 Satz 2 SGB III sei nicht anzuwenden, da er lediglich eine Zahlungsmodalität des Arbeitslosengeldes regle.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. März 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Die Beklagte habe die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeld zutreffend berechnet. Bei der Berechnung des maßgeblichen Bemessungsentgelts sei das im Bemessungszeitraum beitragspflichtige Arbeitsentgelt durch 365 bzw. durch 366 in einem Schaltjahr zu teilen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der bestimme, dass Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt sei, das der Arbeitslose im "Bemessungszeitraum" erzielt habe. Die Regelung des § 154 SGB III, nach der Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet werde und ein Monat mit 30 Kalendertagen anzusetzen sei, wenn das Arbeitslosengeld für den vollen Monat zu leisten sei, sei für die Berechnung des Bemessungsentgelts nicht einschlägig. Das der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrundeliegende Bemessungsentgelt einschließlich der Bestimmung des Bemessungszeitraums sei vielmehr abschließend in § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III und § 150 Abs. 1 und 3 SGB III geregelt. Dies stelle, so das SG, keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar. Der Umstand, dass die Beklagte auf ihrer Homepage selbst ausführe, dass das Bruttoarbeitsentgelt der vergangenen 12 Monate „durch die Anzahl der Tage eines Jahres, also 365“ geteilt werde, ändere hieran nichts.

Gegen den ihr am 11. März 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 1. April 2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, die Berechnung des Bemessungsentgelts stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Die gesetzlichen Regelungen stellten ein nicht systemkonformes Handeln des Gesetzgebers dar. Vorliegend verringere sich das maßgebliche Bemessungsentgelt deswegen, weil es in einem Schaltjahr erzielt worden sei, sie jedoch ein monatlich gleichbleibendes Gehalt bezogen habe. Hierfür werde sie über den gesamten Bezugszeitraum von zwei Jahren bestraft. Diese Ungleichbehandlung gegenüber anderen Arbeitslosen sei nicht gerechtfertigt. Bei der Zahlung des Arbeitslosengeldes habe der Gesetzgeber in § 154 SGB III dergestalt für eine Vereinfachung gesorgt, dass für jeden vollen Monat der Arbeitslosigkeit 30 Tage anzusetzen seien. Dies sei zwar aus pragmatischer Sicht durchaus nachvollziehbar, jedoch sei zu berücksichtigen, dass hierdurch für jedes Jahr der Arbeitslosigkeit nicht 365/366 Tage Arbeitslosengeld zu zahlen seien, sondern lediglich für 360 Tage. Dies zeige, dass die gesetzlichen Vorgaben sie systematisch benachteiligten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. März 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2021 zu verurteilen, den Bescheid vom 4. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2021 zurückzunehmen und ihr Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2021 i.H.v. 63,38 € täglich, hilfsweise i.H.v. 62,74 € täglich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend hat sie mitgeteilt, dass sich bei der klägerseits begehrten Berücksichtigung eines Teilers von 365 Tagen ein täglicher Leistungsbetrag von 62,74 € und bei einem Teiler von 360 Tagen ein solcher von 63,38 € errechne.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2024 geworden ist, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2024 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, insb. statthaft nach § 143 SGG. Die Zulassungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG und der dort normierte Mindestbeschwerdewert von 750,- € ist vorliegend nicht einschlägig, da die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Arbeitslosengeld über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr streitig ist (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung führt für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom
27. April 2021 (Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2021) zu Recht abgelehnt, den Bescheid 4. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2021 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und ihr Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2021 i.H.v. 63,38 € täglich, hilfsweise i.H.v. 62,74 € täglich zu gewähren.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 44 SGB X dient der Korrektur rechtswidrigen Verwaltungshandelns im Wege eines sog. Überprüfungsverfahrens mit dem Ziel, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R -, in juris). Er stellt eine Anspruchsgrundlage für die von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Betroffenen dar und vermittelt hiermit einen Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Anwendung des § 44 SGB X ist auf rechtswidrige Verwaltungsakte beschränkt. Dies ist anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt bei seinem Erlass gegen Recht verstoßen hat oder die im Verwaltungsakt enthaltene Regelung später gegen Recht verstößt. Dies ist anhand einer „rückschauenden Betrachtungsweise der Sach- und Rechtslage bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts, bewertet aus heutiger Sicht“ zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 6/16 R -, in juris, dort Rn. 17). Von einem unrichtigen Sachverhalt ist ausgegangen worden, wenn sich der Sachverhalt, auf den die Behörde ihre Entscheidung gestützt hat, zu einem späteren Zeitpunkt als unrichtig erweist. Von der Alternative der unrichtigen Rechtsanwendung werden sämtliche Rechtsverstöße beim Erlass des Verwaltungsakts erfasst.

Die Beklagte ist bei Erlass des Bescheides vom
4. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2021 jedoch weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Die Beklagte hat insb. die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Arbeitslosengeldes zutreffend auf täglich 62,62 € festgesetzt.

Die Klägerin hat ab dem 1. Februar 2021 Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Arbeitslosigkeit nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, weil sie ab diesem Zeitpunkt arbeitslos war, die Anwartschaftszeit erfüllt hat und sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat (vgl. § 137 Abs. 1 SGB III). Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Die Anspruchsdauer von 24 Monaten (720 Tage) steht zwischen den Beteiligten gleichfalls nicht streitig; sie folgt aus der Regelung des §§ 147 Abs. 1, Abs. 2 SGB III.

Die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bestimmt sich nach § 149 SGB III. Nach dessen Abs. 1 beträgt es für Arbeitslose, die mindestens ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegattin, Ehegatte, Lebenspartnerin oder Lebenspartner mindestens ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des EStG hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz; Nr. 1), für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz; Nr. 2) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).

Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Bemessungsentgelt ist nach § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat.

Der Bemessungszeitraum im Fall der Klägerin umfasst die Zeit vom 01. Februar 2020 - 31. Januar 2021. In diesem Zeitraum hat die Klägerin ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insg. 63.671,37 € erzielt (11 x 4.778,86 € + 6.802,45 € + Einmalzahlungen i.H.v. insg. 4.301,46 €). Das maßgebliche Bemessungsentgelt ergibt sich sodann aus einer Teilung des im Bemessungszeitraum erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts durch die tatsächliche Anzahl von Tagen im Bemessungszeitraum in den maßgeblichen Entgeltabrechnungszeiträumen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 11 AL 7/08 R -, in juris). Da die erzielten 63,671,37 € an 366 Tagen erzielt worden sind, das Jahr 2020 war ein Schaltjahr, ist bei der Berechnung von Arbeitslosengeld ein tägliches Bemessungsentgelt i.H.v. 173,97 € einzustellen. Hieraus ergibt sich nach Abzug einer Sozialversicherungspauschale von 20 % nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III (entspricht 34,79 €) und der Lohnsteuer im Umfang eines Betrages von 34,81 € (§ 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III) ein Leistungsentgelt i.H.v. 104,37 €, das bei einem Prozentsatz von 60 zu einem täglichen Leistungsanspruch i.H. der bewilligten 62,62 € führt.

Anders als von der Klägerin geltend gemacht, ist bei der Berechnung des durchschnittlichen täglichen Entgelts nicht auf 360 Tage oder auf 365 Tage abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 11 AL 7/08 -, in juris, dort Rn. 19). Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wonach der Bemessungsrahmen ein Jahr umfasst. Ein Jahr entspricht weder 360 Tagen, noch im konkreten Fall 365 Tagen, sondern 366 Tage. Auch die Regelung des § 154 SGB III, nach der Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet wird und ein Monat mit 30 Kalendertagen anzusetzen ist, wenn das Arbeitslosengeld für den vollen Monat zu leisten ist, ist für die Berechnung des Bemessungsentgelts nicht heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 11 AL 7/08 R -, in juris, dort Rn. 19; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. April 2010 - L 9 AL 53/08 - in juris).

Der Umstand, dass die Beklagte auf ihrer Homepage ausführt, dass d
ie Grundlage, auf der Arbeitslosengeld berechnet wird, das Brutto-Arbeitsentgelt (Gehalt) der vergangenen 12 Monate ist und der Betrag durch 365 geteilt wird, bedingt keine abweichende Beurteilung zugunsten der Klägerin. Hierbei handelt es sich nur um allgemeine Berechnungshinweise, die überdies durch die weitere Ausführung, dass (hierdurch) das Brutto-Arbeitsentgelt „pro Tag“ ermittelt werde, hinreichend deutlich machen, dass in Schaltjahren eine andere Berechnung (Teilung durch 366) anzustellen ist.

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vermag der Senat nicht zu erkennen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber wird durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht jede Differenzierung verwehrt, er verletzt Art. 3 Abs. 1 GG erst dann, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. statt vieler: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 30. November 2023 - 1 BvR 1509/23 -, in juris, dort Rn. 9). Der Gesetzgeber ist durch Art. 3 Abs. 1 GG mithin auch nicht gehalten, jeden sachlichen Unterschied in der (sozialrechtlichen) Gesetzgebung widerzuspiegeln. Vor diesem Hintergrund unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber in § 151 SGB III den Bemessungszeitraum ungeachtet des Umstandes, dass dieser Zeitraum tatsächlich in Schaltjahren länger ist, auf ein Jahr festgelegt hat.

Soweit die Klägerin schließlich anführt, in ihrem Bekanntenkreis sei der von ihr geltend gemachte andere Rechenvorgang durchgeführt worden, führt dies bereits unter dem Aspekt „keine Gleichbehandlung im Unrecht“ nicht zu weitergehenden Ansprüchen der Klägerin.

Da mithin die erfolgte Leistungsbewilligung zutreffend erfolgt ist, kann die Klägerin die Rücknahme der Bewilligungsentscheidung (Bescheid vom 4. Februar 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2021) nicht beanspruchen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 27. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2021 ist mithin rechtmäßig.

Die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 8. März 2022 ist zurückzuweisen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8), dass die Klägerin auch in der Rechtsmittelinstanz mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen ist und die Beklagte (keine Veranlassung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


 

Rechtskraft
Aus
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