L 13 AL 1108/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2042/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1108/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klagen abgewiesen werden.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Kurzarbeitergeld und pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen für März 2021.

Die Klägerin betreibt bundesweit mehrere Bekleidungsgeschäfte bzw. Verkaufsflächen in Kaufhäusern.

Bereits im März 2020 zeigte die Klägerin einen Arbeitsausfall für die kommenden Monate an. Mit Bescheid vom 14.04.2020 wurde von der Beklagten das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld für die Zeit 01.03.2020 bis 28.02.2021 grundsätzlich bestätigt. In der Folge stellte die Klägerin sodann monatsweise Anträge auf Bewilligung von Kurzarbeitergeld. Kurzarbeitergeld wurde für die Monate März 2020 bis Februar 2021 bewilligt.

Mit Schreiben vom 16.02.2021 übersandte die Klägerin an die Beklagte eine Verlängerungsanzeige der Kurzarbeit. Die Kurzarbeit solle bis 31.12.2021 verlängert werden. Aufgrund des bundesweiten Lockdowns des Einzelhandels seit Mitte Dezember habe man drastische Umsatzeinbußen feststellen müssen. Auf Grund der Ungewissheit, wann der Einzelhandel wieder öffnen dürfe und wie sich das Konsumentenverhalten entwickeln werde, sei man gezwungen, weiterhin Kurzarbeitergeld zu beziehen.
Mit Bescheid vom 18.02.2021 teilte die Beklagte mit, dass ein erheblicher Arbeitsausfall weiterhin vorliege und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes bis zum 31.12.2021 dem Grunde nach weiter anerkannt würden. Die Anträge seien weiterhin innerhalb der Ausschlussfrist von 3 Monaten einzureichen. Es könnten keine Leistungen gewährt werden, wenn Anträge nach der Ausschlussfrist eingingen.

Mit Antragsformular vom 28.06.2021 nebst Anlagen (Eingang bei der Beklagten am 14.7.2021) beantragte die Klägerin auch die Gewährung von Kurzarbeitergeld und pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge für März 2021 in Höhe von zusammen 187.247,16 €.

Mit Bescheid vom 20.07.2021 lehnte die Beklagte die Zahlung von Kurzarbeitergeld für den Monat März 2021 ab, da der Antrag nach Ablauf der Frist am 30.06.2021 gestellt worden sei.

Am 12.08.2021 erhob die Klägerin Widerspruch. Am 18.08.2021 übersandte die Klägerin an die Beklagte noch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie eine eidesstattliche Versicherung der Frau C1 B1 vom 18.08.2021. Nach der eidesstattlichen Versicherung sei sie –Frau B1- als studierte Betriebswirtin Teamleiterin „Human Resources Services“ für die Erstellung der Abrechnungslisten verantwortlich gewesen. Die aufwändige Erfassung der Arbeitszeiten für die Kurzarbeitergeldanträge sowie verschiedene berufliche und private Belastungen hätten zu Verzögerungen in der Bearbeitung des Antrags für März 2021 geführt. Am 28.06.2021 sei sie in ihr Büro gekommen, um den fertigen Antrag unterschreiben zu lassen und anschließend zu scannen und an ihr Outlook-Postfach zu senden. Dass es dabei zu einem technischen Fehler gekommen und der Antrag nicht in ihr Postfach gelangt sei, in der Folge dann auch nicht an die Beklagte gesandt worden sei, sei ihr erst am 13.07.2021 aufgefallen, als sie erstmals danach wieder in ihr Büro gekommen sei. Im Fristenkalender habe sie die Fristen bereits gestrichen gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Ausschlussfrist für den Monat März 2021 habe am 30.06.2021 geendet. Der Antrag auf Wiedereinsetzung werde abgelehnt, da dieser gegen die materiell-rechtliche Frist nicht möglich sei. Die Abgabefrist könne auch nicht im Ermessenswege verlängert werden.

Dagegen richtet sich die am 14.09.2021 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage.

Mit Schreiben vom 22.09.2021 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Bewilligung von Kurzarbeitergeld für März 2021 unter dem Gesichtspunkt der Nachsichtgewährung. Es sei offensichtlich gewesen, dass Kurzarbeit wie in den Monaten vorher anfallen würde. Dieses Schreiben betrachtete die Beklagte als Überprüfungsantrag.

Mit Bescheid vom 12.10.2021 lehnte die Beklagte diesen Überprüfungsantrag ab.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit Schreiben vom 10.11.2021.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2021 wies die Beklagte auch diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Die Gewährung von Kurzarbeitergeld im Wege der Nachsichtgewährung sei ausgeschlossen. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Interesse der Allgemeinheit bzw. der Verwaltung an der Einhaltung der Ausschlussfrist gering sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben.

Am 07.01.2022 hat die Klägerin die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2021 erweitert. Zur Begründung wird geltend gemacht, sie habe mit Schreiben vom 16.02.2021 ausgeführt: „sind wir leider gezwungen, weiterhin Kurzarbeitergeld zu beziehen“. Dadurch sei die Ausschlussfrist für die Beantragung von Kurzarbeitergeld gewahrt. Abrechnungslisten müssten nicht innerhalb der Ausschlussfrist vorliegen und könnten z.B. auch korrigiert werden. Die Beklagte habe außerdem die gesetzlichen Vorschriften sehr großzügig gehandhabt und „aufgeweicht“. Die Ausschlussfrist sei nicht verfassungskonform, da an anderen Stellen der Rechtsordnung Ausschlussfristen etwa erst zu laufen beginnen würden, wenn der Anspruchsberechtigte über die Umstände des Anspruchs Kenntnis erlangt habe. Dass dies in § 325 Abs. 3 S. 3 SGB III nicht der Fall sei, sei nicht interessengerecht. Die Ausschlussfrist solle hier schon beginnen, obwohl der Arbeitgeber den Anspruch noch nicht beziffern könne. Die Frist sei im verfassungsrechtlichen Sinne nicht angemessen. Die Berechnung und Antragstellung des Kurzarbeitergeldes sei bei der Klägerin sehr zeitaufwändig. Die Beklagte habe auch wissen müssen, dass die Klägerin weiterhin gezwungen sei, Kurzarbeitergeld zu beziehen. Die Möglichkeit, Wiedereinsetzung zu erhalten, müsste in das Gesetz aufgenommen oder einfach angewandt oder die Frist müsste als verlängerbare behördliche Frist angesehen werden. Die Beklagte hätte darauf hinweisen müssen, dass ein formloser fristwahrender Antrag hätte gestellt werden können, da verspätete Abrechnungen nicht auszuschließen gewesen seien. Die verantwortliche Mitarbeiterin hätte in diesem Fall rein vorsorglich wegen des drohenden Fristablaufs einen formlosen Antrag gestellt. Es sei vorliegend die Rechtsfigur der Nachsichtgewährung heranzuziehen. Die Frist sei vorliegend nur geringfügig überschritten worden. Außerdem sei eine Wiedereinsetzung nicht gesetzlich ausgeschlossen. Aus dem Wort „Ausschlussfrist“ könne dies nicht allein abgeleitet werden.
Zur Begründung des Klageabweisungsantrages hat die Beklagte auf die Widerspruchsbescheide verwiesen. Die Antragstellung sei von der Anzeige des Arbeitsausfalls zu unterscheiden. In der Anzeige des Arbeitsausfalls allein sei kein Antrag auf Kurzarbeitergeld zu sehen, ggf. müsse dies verdeutlicht werden. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen; die Klägerin habe mit dem Schreiben vom 16.02.2021 ausschließlich eine Verlängerungsanzeige gestellt. Die Ausschlussfrist sei eine materiell-rechtliche Frist, gegen deren Versäumung keine Wiedereinsetzung möglich sei. Die Klägerin sei auf die Frist hingewiesen worden. Für eine Nachsichtgewährung gebe es keinen Raum, nachdem eine klare Fristenregelung getroffen worden sei. Die Umstände für die verspätete Antragstellung lägen allein im Verschuldensbereich der Klägerin.

Mit Urteil vom 14.03.2023 hat das SG die Klage aufgrund einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 20.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2021 sowie vom 12.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2021 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte habe den Antrag für März 2021 sowie den Überprüfungsantrag zu Recht abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld nebst pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen für März 2021. Kurzarbeitergeld sei gemäß § 325 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Kalendermonaten für den jeweiligen Kalendermonat zu beantragen. Der Antragsteller trage ohne Rücksicht auf Verschulden das volle Übermittlungsrisiko (BSG, Urteil vom 21.02.1991, 7 RAr 74/89). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bei dieser Ausschlussfrist nicht in Betracht (u. a. BSG, Urteil vom 05.02.2004, B 11 AL 47/03 R). Die Klägerin habe die Frist für die Antragstellung für März 2021 nicht eingehalten. Für den März 2021 habe die Frist am 30.06.2021 geendet. Der Antrag der Klägerin sei erst am 14.07.2021 bei der Beklagten eingegangen. Die Anzeige des Arbeitsausfalles vom 18.02.2021 stelle nicht einen Antrag auf Kurzarbeitergeld für März 2021 dar. Das Gesetz gehe von einer Zweistufigkeit des Bewilligungsverfahrens im Rahmen von Kurzarbeitergeld aus. An erster Stufe stehe die Anzeige des Arbeitsausfalles und die Prüfung der grundsätzlichen betrieblichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld. Auf der zweiten Stufe sei dann nachträglich (§ 102 SGB III) ein Antrag auf Gewährung von Kurzarbeitergeld in konkreter Höhe unter Angabe des konkreten Arbeitsausfalls zu stellen. Ein gesondertes Schreiben (BSG, Urteil vom 06.04.2000, B 11 AL 81/99 R) mit einem Antrag auf Kurzarbeitergeld sei der Anzeige nicht beigefügt gewesen. Die gesetzliche Frist sei auch nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden. Sie sei insbesondere auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie und für große Unternehmen nicht unverhältnismäßig kurz bemessen, was auch das vorliegende Verfahren bestätige. Dass die Antragstellung für März 2021 nicht rechtzeitig erfolgt sei, liege einzig an den geschilderten Umständen im Rahmen des fehlerhaften Scannens. Von Verfassung wegen müsse die Frist auch nicht erst mit Kenntnis sämtlicher Umstände zu laufen beginnen; zudem seien die tatsächlichen Umstände dem Arbeitgeber mit Abschluss des Kalendermonats bekannt. Die Erfassung dieser Umstände liege ausschließlich im Einflussbereich des Arbeitgebers. Die kurzen Fristen dienten der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten und sollten der Arbeitsagentur die Möglichkeit bieten, zeitnah Informationen über die tatsächliche Lage in den Betrieben und die sich daraus für sie ergebenden Belastungen zu erhalten, um rechtzeitig haushaltsrechtliche Maßnahmen einleiten zu können. Dass eine Beantragung für März 2021 wahrscheinlich war, ändere nichts. Es sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen bzw. im Rahmen der Nachsichtgewährung die Frist als nicht verstrichen anzusehen, da eine wirtschaftliche Überforderung nicht bestehe bzw. langfristig wirkende Interessen der Klägerin nicht verletzt seien. Die Klägerin sei auch auf die Ausschlussfrist durch die Beklagte eindeutig hingewiesen worden und sei der Klägerin auch bekannt gewesen. Andererseits sei die Einhaltung der Frist für die Beklagte nicht von geringer Bedeutung. Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht auf eine formlose Antragstellung hinweisen müssen für den Fall, dass die Zeit für die vollständige Beantragung nicht ausreiche. Darüber hinaus würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen, da die Klägerin den Antrag rechtzeitig fertiggestellt habe, lediglich der Versand gescheitert sei.

Gegen das der Klägerin am 20.03.2023 zugestellte Urteil hat sie am 13.04.2023 Berufung eingelegt und vertiefend begründet. Die Beklagte hätte auf das Schreiben der Klägerin vom 16.02.2021 sie im Rahmen ihrer Beratungspflicht darauf hinweisen müssen, dass dies kein Antrag auf Kurzarbeitergeld sei. Dann hätte die Klägerin den Antrag rechtzeitig gestellt. Zudem müsste die Beklagte einige Tage vor Fristablauf auf den drohenden Anspruchsverlust hinweisen. Der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu Ausschlussfristen beim Kurzarbeitergeld lägen ausschließlich Fallkonstellation zugrunde, bei denen die Gründe für die Kurzarbeit im betrieblichen Bereich gelegen hätten. Hier habe es aufgrund der Corona-Pandemie gesetzliche Vorgaben zur Schließung bzw. Öffnung gegeben, weshalb klar festgestanden habe, dass ein Arbeitsausfall bestehe. Hinsichtlich des Umfanges hätte die Beklagte die Zahlen aus den Vormonaten schätzen können. Daher sei in dem Schreiben vom 16.02.2021 ausnahmsweise ein formloser Antrag enthalten. Die gesetzliche Ausschlussfrist sei auch verfassungswidrig. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der Antragsfrist im Falle der Insolvenz, wo jeder einzelne Arbeitnehmer für sich alleine 2 Monate Zeit habe, im Falle des Kurzarbeitergeldes der Arbeitgeber aber lediglich 3 Monate für Hunderte von Arbeitnehmern Zeit habe, einen Antrag zu stellen. Auch angesichts der flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit sei es sachgerecht, die Ausschlussfrist erst beginnen zu lassen, wenn eine Auswertung der Daten, die bis zu einem Monat dauern könne, überhaupt realistischerweise vorliegen könne. Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern, die auch haushaltsplanerische Bedeutung hätten, könnten 12 Monate geltend gemacht werden. Bei anderen Lohnersatzleistungen gebe es Ausnahmeregelungen, z.B. beim Insolvenzgeld bei Verspätung ohne Verschulden (§ 324 Abs. 1 S. 3 SGB III) und beim Arbeitslosengeld zur Vermeidung unbilliger Härten (§ 324 Absatz ein S. 2 SGB III), nicht jedoch beim Kurzarbeitergeld, wodurch in den Schutzbereich von Art. 14 GG eingegriffen werde. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Die Stichtagsregelung sei nicht erforderlich, da es sich nicht um das mildeste geeignete Mittel handele. Würden die Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten, wäre es ausreichend, wenn der Arbeitgeber einen Verspätungszuschlag zahlen müsste. Die Stichtagsregelung sei auch nicht angemessen, da der Arbeitnehmer durch das Verfahren zum rechtlosen Objekt degradiert werde. Er verliere seinen Anspruch vollständig ohne eigene Schuld. Verfassungsrechtlich sei zumindest eine Nachsichtgewährung geboten. § 325 Abs. 3 SGB III sei auch europarechtswidrig. So habe der EuGH mehrfach betont, dass der Sorgfaltsmaßstab des § 324 Abs. 3 S. 3 SGB III beim Insolvenzgeld im Zweifel großzügig auszulegen sei. Die Ausschlussfrist beim Kurzarbeitergeld sei zwar nicht ungünstiger als z.B. beim Insolvenzgeld (Grundsatz der Gleichwertigkeit), doch mache sie die Ausübung der eingeräumten Rechte praktisch unmöglich. Die Grundsätze, die nach der europäischen Insolvenzsicherungsrichtlinie beim Insolvenzgeld gälten, seien auch für Leistungen des Kurzarbeitergeldes heranzuziehen, da sie demselben Zweck des Arbeitnehmerschutzes vor Lohneinbußen bzw. Abfederung derselben dienten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14.03.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2021 sowie des Bescheids vom 12.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2021 zu verurteilen, den Arbeitnehmern der Klägerin Kurzarbeitergeld und der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge im Gesamtwert von 187.247,16 € für März 2021 zu bewilligen und an die Klägerin auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Sie habe von März 2020 bis Februar 2021 und von April 2021 bis September 2021 jeweils aufgrund rechtzeitiger Antragstellung Kurzarbeitergeld ausgezahlt; ab Oktober 2021 sei kein Kurzarbeitergeld mehr beantragt worden.

Die Beteiligten haben im Termin am 29.02.2024 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend verwiesen.

                                                           Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144 und 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entschieden werden konnte, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand ist zum einen der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2021, mit dem der Antrag vom 28.06.2021 auf Gewährung von Kurzarbeitergeld für März 2021 abgelehnt worden ist und zum anderen der nach Klageerhebung ergangene Bescheid der Beklagten vom 12.10.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2021, der auf einen konkludent gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ergangen ist. Letzterer ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden, da er den erstgenannten Verwaltungsakt weder abgeändert noch ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 19/09 B; BSG, Urteil vom 24.02.2016, B 8 SO 13/14; Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. § 96 SGG Rn. 4b a. E. mit weiteren Nachweisen) hat. Die Klägerin hat diesen Bescheid mit einer weiteren Klage fristgerecht durch Klageerweiterung (§ 99 SGG) angefochten, worauf sich die Beklagte eingelassen hat (vgl. § 99 Abs. 2 SGG). Diese zweite Klage hat jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis (s. BSG, vom 24.02.2016, B 8 SO 13/14), da es auf das selbe Ziel wie die erste Klage gerichtet und daher unzulässig ist. Der Bescheid vom 20.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2021 –aber auch der Bescheid vom 12.10.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2021- ist rechtmäßig, da ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld für März 2021 nicht besteht.

Der Senat verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen des geltend gemachten Anspruchs sowie der Gründe auf die angefochtene Entscheidung des SG und sieht insoweit von einer wiederholenden Darlegung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Ergänzend bleibt auszuführen, dass auch der Senat in dem Schreiben der Klägerin vom 16.02.2021 keinen Antrag auf Kurzarbeitergeld erkennen kann. In dem Schreiben wird kein Antrag auf Kurzarbeitergeld -für einen konkreten Monat- beantragt, sondern eine formlose Anzeige über einen - gegenüber der Anzeige vom 16.03.2020 verlängerten- Arbeitsausfall bis Dezember 2021 gem. § 99 SGB III getätigt. Auch die Klägerin selbst ging nicht davon aus, dass sie damit schon einen Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt hat, da sie einen solchen Antrag später noch stellte. Auch aus dem Wortlaut und den Anlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass bereits ein Antrag auf Kurzarbeitergeld für März 2021 umfasst sein soll. Die geltend gemachten Umstände des Lockdowns aufgrund der Pandemie begründen die Anzeige eines Arbeitsausfalles. Die Klägerin bat nicht um Bewilligung von Kurzarbeitergeld, sondern um Bestätigung der Verlängerung. Nach § 325 Abs. 3 SGB III ist Kurzarbeitergeld zudem für den jeweiligen - einzelnen- Monat innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten zu beantragen, sodass in der Anzeige vom 16.02.2021 über Arbeitsausfall bis Dezember 2021 gerade kein Antrag auf Gewährung von Kurzarbeitergeld für März 2021 gesehen werden kann. Schließlich ist am 16.02.2021 der tatsächlich zu beantragende konkrete Arbeitsausfall auch nicht bekannt gewesen, was ebenfalls gegen eine Antragstellung spricht. Auch in der vorangegangenen Zeit von März 2020 bis Februar 2021 hat die Klägerin jeweils unabhängig von der Anzeige eines Arbeitsausfalles vom 16.03.2020 für jeden einzelnen Monat -im Nachhinein- einen Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt, was ebenfalls dafür spricht, dass die Klägerin damit keinen Antrag stellen wollte. Zudem hat die Beklagte im Bescheid vom 18.12.2021 nochmals darauf hingewiesen, dass Anträge innerhalb der Ausschlussfrist einzureichen sind, so dass der Klägerin auch klar sein musste, dass die Beklagte in dem Schreiben vom 16.02.2021 auch keinen Antrag Kurzarbeitergeld gesehen hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich (BSG, Urteil vom 14. 02.1978, 7/12 RAr 73/76, 17.02.1965, 7 RAr 21/64, 21.02.1991, 7 RAr 74/89, 05.02.2004, B 11 AL 47/03 R); auch eine Anwendung des § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III (Zulassung des verspäteten Antrages zur Vermeidung unbilliger Härte) scheidet aus (BSG, Urteil vom 05.02.2004, B 11 AL 47/03 R). Zudem liegt keine unverschuldete Fristversäumnis vor. Die Klägerin hat durch ihre damit betraute Mitarbeiterin die rechtzeitige Versendung des bereits fertigen Antrages schuldhaft versäumt. Die damit betraute Mitarbeiterin hat den Antrag lediglich an ihr Postfach abzusenden versucht und sofort die Frist aus dem Fristenkalender gestrichen, obwohl sie den Antrag noch nicht an die Beklagte abgesandt bzw. dies versucht hat. Dies ist auch zu Zeiten einer Pandemie fahrlässig. Obwohl ansonsten das Vieraugenprinzip galt (siehe die eidesstattliche Versicherung vom 18.08.2021), galt dies nicht bei dem wichtigen Vorgang der Absendung des Antrages auf Kurzarbeitergeld. Dass die damit betraute Mitarbeiterin den Vorgang vergessen hat, auch weil der Antrag ihr Postfach nicht erreicht hat, und ihr dies erst nach Fristablauf aufgefallen ist, stellt kein schuldloses Verhalten der Klägerin dar.

Die Beklagte hat die Klägerin auch stets darauf hingewiesen, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt und der Anspruch von einer rechtzeitigen Antragstellung abhängt. So hat die Beklagte noch einmal im Bescheid vom 18.02.2021 darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Ausschlussfrist keine Leistung gewährt werden können. Da die Klägerin die Unterscheidung zwischen Anzeige des Arbeitsausfalles und Beantragung von Kurzarbeitergeld auch kannte, war die Beklagte auch nicht verpflichtet rechtzeitig vor Fristablauf darauf hinzuweisen, dass für März 2021 noch kein Antrag gestellt wurde.

Die gesetzliche Regelung einer fehlenden Aktivlegitimation der Arbeitnehmer auch mit einer Ausschlussfrist und möglichem Anspruchsverlust kann nicht die Klägerin rügen; sie ist auch verfassungsrechtlich (BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 15/04 R) nicht zu beanstanden. Ein Verstoß der gesetzlichen Regelung in Rechte der Klägerin betreffend europäisches Recht ist nicht ersichtlich (vgl. zum im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern BSG, Urteil vom 07.05.2019, B 11 AL 11/18 R). Der Anspruch scheitert nicht an der 3-monatigen Ausschlussfrist, sondern daran, dass die Klägerin die rechtzeitige Absendung des Antrags schuldhaft versäumt und erst nach Fristablauf nachgeholt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und nicht auf § 197a SGG, da der Arbeitgeber den Prozess als Prozessstandschafter für die Arbeitnehmer führt (BSG, Urteil vom 21.07.2009, B 7 AL 3/08 R). Im Rahmen des den Gerichten danach eingeräumten Ermessens sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Sach- und Rechtslage bzw. der Ausgang des Verfahrens (s. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 12 ff.). Hiernach war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, Kommentar zum SGG, 5. Aufl., § 193 Rdnr. 8; ausführlich erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a. a. O., § 193 Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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