Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.02.2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Erstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin aus dem Jahr 2009 verjährt ist.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, in der Fassung bis zum 31.12.2022) von dem Beklagten.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.09.2009 hob der Beklagte gegenüber der Klägerin zuvor bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen höheren Einkommens für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.07.2008 teilweise in Höhe von 852,95 Euro auf und forderte sie zur Erstattung auf. Mit einem weiteren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.09.2009 hob er für die Klägerin und ihre zwei Kinder die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen bedarfsdeckenden Einkommens für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2008 vollständig in Höhe von 10.403,06 Euro auf und forderte sie ebenfalls zur Erstattung auf. Zahlungen seien an die Kasse der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen zu leisten, die ihr die konkreten Formalitäten gesondert mitteile. Die Klägerin legte gegen beide Bescheide keinen Widerspruch ein.
Der Beklagte beauftragte, vertreten durch die Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: BA), das Hauptzollamt E. mit der Beitreibung der Forderung. Am 09.02.2010 erfolgte durch das Hauptzollamt E. ein Pfändungsversuch bei der Klägerin. Die Pfändung blieb erfolglos. Über diesen Pfändungsversuch erfolgte eine zweiseitige „Niederschrift über eine fruchtlose Pfändung“. Darin wird unter anderem ausgeführt, das Hauptzollamt E. habe einen Vollziehungsbeamten beauftragt, wegen der Rückstände eine Pfändung bei der Klägerin durchzuführen. Dieser habe sich in die Wohnung der Klägerin begeben und sie dort angetroffen, aber sie sei der Aufforderung der Begleichung der Forderung nicht nachgekommen. Der Vollziehungsbeamte habe verlangt, dass sie ihm ihre bewegliche Habe vorzeige und ihr Besitztum (Wohnung) sowie Behältnisse öffne. Dem Durchsuchungsverlangen habe sie entsprochen, die Durchsuchung sei daraufhin in ihrer Gegenwart vorgenommen worden. Zudem stellte der Vollziehungsbeamte fest, dass pfändbare Sachen nicht vorgefunden wurden. Der Klägerin wurde diese Niederschrift zur Durchsicht vorgelegt und von ihr genehmigt und unterschrieben.
Im Anschluss erfolgten zwei Mahnungen vom 11.09.2011 und vom 01.08.2013, wobei erstere aufgrund eines Umzugs der Klägerin als unzustellbar zur BA zurückkam.
Am 23.06.2014 ergingen drei Vollstreckungsankündigungen des Hauptzollamtes E. an die Klägerin über einen Betrag in Höhe von 3.252,96 Euro aus einem Bescheid vom 21.09.2009, über einen Betrag in Höhe von 3.792,78 aus einem Bescheid vom 22.09.2009 sowie einen Betrag in Höhe von 4.363,70 Euro aus einem Bescheid vom 22.09.2009, jeweils fällig am 04.03.2011, zusammengerechnet insgesamt 11.409,44 EUR. Die Summe aller drei Beträge entspricht zusammengerechnet der Summe aus beiden Aufhebungsbescheiden vom 21.09.2009 und 22.09.2009 zuzüglich angefallener Mahngebühren.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 04.11.2014 bei dem Beklagten den Erlass der Forderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 21.09.2009 und 23.09.2009 (gemeint sein dürfte der 22.09.2009).
Weitere Zahlungserinnerungen seitens der BA an die Klägerin erfolgten mit Schreiben vom 05.12.2017 und vom 25.11.2020, wobei letztere erneut wegen Umzugs der Klägerin nicht zugestellt werden konnte.
Mit Schreiben vom 11.06.2021 erinnerte die BA die Klägerin an die Zahlung einer am 04.03.2011 fälligen Forderung des Jobcenters in Höhe von 11.409,44 Euro und forderte sie zur Zahlung bis zum 25.06.2021 auf. Aus der beigefügten Forderungsaufstellung ergab sich, dass die Summe sich aus den zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Beklagten vom 21.09.2009 und 22.09.2009 und hinzukommenden Mahngebühren errechnete.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.08.2021 erhob die Klägerin die Einrede der Verjährung. Die Klägerin habe keinen entsprechenden Durchsetzungsbescheid erhalten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Forderung verjährt.
Die BA wies mit Schreiben vom 25.08.2021 die Einrede der Verjährung zurück. Sie teilte mit, dass am 09.02.2010 ein fruchtloser Pfändungsversuch durch das Hauptzollamt E. erfolgt sei. Die Niederschrift der fruchtlosen Vollstreckung sei durch die Klägerin genehmigt und unterschrieben worden. Aufgrund dieses durch das Hauptzollamt E. durchgeführten Verwaltungsaktes sei die Hemmung der Verjährung nach § 52 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) eingetreten und es greife die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 Abs. 2 SGB X.
Auf die Nachfrage der Klägerin mit der Bitte um Zusendung des nach § 52 SGB X erforderlichen Verwaltungsaktes teilte die BA mit Schreiben vom 12.10.2021 mit, die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung vom 09.02.2010 durch das Hauptzollamt E. sei ein Bescheid im Sinne von § 52 SGB X. Es greife daher die dreißigjährige Verjährungsfrist.
Die Klägerin hat am 22.11.2021 Klage zum Sozialgericht Köln (SG) erhoben. Sie trug vor, die Forderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden aus den Jahren 2009 seien verjährt. Die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung sei kein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 SGB X und § 52 SGB X.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Forderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Beklagten vom 21.09.2009 und 22.09.2009, die in der Zahlungserinnerung der Bundesagentur für Arbeit vom 11.06.2021 aufgelistet sind, verjährt sind.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigte die angefochtenen Bescheide und trug zur Begründung vor, es greife die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 SGB X. Die Niederschrift zur fruchtlosen Pfändung sei ein Verwaltungsakt des Hauptzollamtes. Dies folge aus den fachlichen Weisungen der BA zu § 52 SGB X, an die er gebunden sei. Die Regelung bestehe in der Feststellung, dass eine fruchtlose Pfändung durchgeführt und in deren Rahmen pfändbare Sachen nicht vorgefunden worden seien.
Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 06.02.2023) und festgestellt, dass die Forderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Beklagten vom 21.09.2009 und 22.09.2009, die in der Zahlungserinnerung der Bundesagentur für Arbeit vom 11.06.2021 aufgelistet sind, verjährt seien. Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit sei eröffnet. Die Klägerin wende sich weder gegen die Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung durch das Hauptzollamt E., wofür nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Finanzgerichte zuständig seien, noch gegen die Art und Weise der Vollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO), wofür nach § 66 Abs. 4 SGB X der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Die Klägerin berufe sich vielmehr auf die Verjährung der Erstattungsforderungen, worüber die Sozialgerichte entscheiden, § 51 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin habe ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Feststellung der Verjährung. Die Feststellungsklage sei aufgrund der Verjährung der Forderungen aus den Erstattungsbescheiden vom 21.09.2009 und 22.09.2009 begründet. Mangels Vorliegens eines von den Erstattungsbescheiden „unabhängigen“ Verwaltungsaktes greife vorliegend nicht die in § 52 Abs. 2 SGB X normierte dreißigjährige, sondern die in § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X geregelte vierjährige Verjährungsfrist, sodass die Erstattungsforderungen aus dem Jahr 2009 ab dem 01.01.2014 verjährt seien. Die „Niederschrift über die fruchtlose Pfändung vom 09.02.2010“ stelle keinen zusätzlichen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 SGB X dar. Es fehle an der Regelungswirkung der Niederschrift. Anderweitige Maßnahmen als die „Niederschrift zur fruchtlosen Pfändung“ vom 09.02.2010, die einen zusätzlichen Verwaltungsakt i.S.v. §§ 52/31 SGB X verkörpern und damit die dreißigjährige Verjährungsfrist auslösen könnten, seien weder ersichtlich noch von der Beklagtenseite benannt worden.
Gegen das dem Beklagten am 16.02.2023 zugestellte Urteil richtet sich die von ihm am 13.03.2023 eingelegte Berufung. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass in der mündlichen Aufforderung des Vollzugsbeamten des Hauptzollamtes im Rahmen der fruchtlosen Pfändung am 09.02.2010 eine Regelung vorliege und der Verwaltungsakt der Durchsetzung der Forderung diene. Hierdurch sei bereits eine Hemmung der vierjährigen Verjährungsfrist für die Zeit vom 10.02.2010 bis zum 09.02.2011 eingetreten, so dass auch die Verjährung nicht bereits am 01.01.2014 eingetreten sei. Darüber hinaus habe der Verwaltungsakt zur Anwendbarkeit der dreißigjährigen Verjährungsfrist geführt.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.02.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist zusätzlich darauf hin, dass zwar auch Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren zur Anwendbarkeit der dreißigjährigen Verjährungsfrist führen könnten, allerdings bei der Pfändung hierfür ein Pfändungsbeschluss erlassen werden müsste mit eindeutiger Bekanntgabe der beizutreibenden Forderungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden. Denn der Beklagte ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§ 63 Abs. 1 und 2 SGG) auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und nach Lage der Akten entschieden werden kann (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2, 126 SGG).
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Gegenstand der Berufung ist das Urteil des SG vom 06.02.2023 und die dort erfolgte Feststellung, dass die Erstattungsforderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden des Beklagten vom 21.09.2009 und 22.09.2009 verjährt sind.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 143 SGG statthaft. Grundsätzlich ist die Klageart für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands ohne Bedeutung (BSG Beschluss vom 24.08.2017, B 4 AS 223/17 B, Rn. 3, juris; Beschluss vom 10.10.2017, B 12 KR 3/16 R, Rn. 15, juris), so dass die Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG auch für die Feststellungsklage gilt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes (Forderung in Höhe von 11.256,01 Euro zuzüglich Mahngebühren) übersteigt die in § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG geforderten 750 Euro für eine Klage, die auf eine Geldleistung gerichtet ist. Hierunter fallen auch Klagen, die Erstattungsforderungen der Behörde gegen den Bürger betreffen (Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage 2022, § 144 (Stand: 21.11.2023), Rn. 14). Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt, § 151 Abs. 1 SGG. Das Urteil des SG vom 06.02.2023 wurde dem Beklagten am 16.02.2023 zugestellt, die Berufungseinlegung erfolgte mit dem 13.03.2023 binnen Monatsfrist.
Das Berufungsgericht ist bezüglich der Zulässigkeit des Rechtswegs an die Sozialgerichte an die Entscheidung der ersten Instanz gebunden, § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine gesonderte Prüfung erfolgt nicht.
C.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Hiervon erfasst wird auch die Feststellung einzelner Beziehungen oder Berechtigungen aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis (vgl. BSG Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 45/15 R, Rn. 25 m.w.N., juris). Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht insbesondere dann, wenn zwischen den Beteiligten ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite fordern zu können (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 19, juris). Dies ist vorliegend der Fall, weil das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten durch die bindend festgestellten Erstattungsansprüche in den Bescheiden vom 21.09.2009 und 22.09.2009 begründet worden ist. Die Beklagte nimmt hieraus für sich das Recht in Anspruch, die Erfüllung der Erstattungsforderungen zu verlangen und bei Weigerung zu erzwingen. Die Klägerin bestreitet dieses Recht und hält diesem Anspruch die fehlende Durchsetzbarkeit wegen Verjährung entgegen (vgl. zur Verjährung als feststellungsfähigem Rechtsverhältnis BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 19, juris; BSG Urteil vom 09.02.1995, 7 RAr 78/93, Rn. 26, juris).
Es liegt auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG vor. Hierunter versteht man jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 20, juris). Das Interesse der Klägerin ergibt sich aus der Tatsache, dass der Beklagte trotz Erhebung der Einrede der Verjährung weiterhin das Bestehen eines nicht verjährten Anspruchs auf Zahlung der Erstattungsforderungen behauptet und aus diesem vollstrecken will.
Die Feststellungsklage ist auch begründet.
Die Erstattungsforderungen des Beklagten aus den Bescheiden vom 21.09.2009 und 22.09.2009, die auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 SGB X bestehen, sind gemäß § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X seit dem 10.02.2014 verjährt.
Nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die zu erstattende Leistung ist gemäß § 50 Abs. 2 SGB X durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsakts verbunden werden. Der Erstattungsanspruch verjährt nach § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt, mit dem die zu erstattende Leistung festgesetzt wurde, unanfechtbar geworden ist. Gemäß § 50 Abs. 4 S. 2 und 3 SGB X gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sinngemäß, § 52 SGB X bleibt unberührt.
Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 4 SGB X für den Eintritt der Verjährung liegen vor.
Der Beklagte hat die Erstattungsforderungen mit Bescheiden vom 21.09.2009 und 22.09.2009 festgesetzt. Die Bescheide enthalten neben der Aufhebung der Leistungsbewilligung die Pflicht zur Erstattung der Forderungen nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X. Mangels Widerspruchs der Klägerin sind die Bescheide im Jahr 2009 bestandskräftig und unanfechtbar geworden. Als Folge begann die Verjährungsfrist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsverwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, damit am 01.01.2010 und hätte grundsätzlich ohne Eintritt von Hemmungen oder Neubeginn am 31.12.2013 geendet.
Allerdings ist die Verjährungsfrist aufgrund des fruchtlosen Pfändungsversuchs am 09.02.2010, der zu einem Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB geführt hat, erst am 10.02.2014 abgelaufen. Gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfolgt ein Neubeginn der Verjährung aufgrund der Beantragung oder Vornahme einer Vollstreckungshandlung. Diese Voraussetzung wird sowohl durch den Vollstreckungsauftrag vom 26.01.2010 als auch durch den Vollstreckungsversuch vom 09.02.2010 erfüllt (vgl. Schmidt-Räntsch in Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 212, Rn. 14). Aufgrund dessen beginnt die Verjährungsfrist direkt am nächsten Tag nach dem auslösenden Ereignis neu (§ 187 Abs. 1 BGB; Schmidt-Räntsch in Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 212, Rn. 2; Lakkis in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage 2023, § 212 (Stand: 15.05.2023), Rn. 29). Das zeitlich letzte diesbezüglich den Neubeginn auslösende Ereignis ist der fruchtlose Pfändungsversuch vom 09.02.2010. Die vierjährige Verjährungsfrist begann damit am 10.02.2010 erneut und endete gemäß § 193 BGB am 10.02.2014, da der 09.02.2014 als letzter Tag der Frist auf einen Sonntag fällt.
Darüber hinaus ist keine Hemmung der Verjährung im Sinne der §§ 203 ff. BGB durch die erfolgten Mahnungen bzw. Zahlungserinnerungen eingetreten. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB sind Mahnungen allein nicht ausreichend, vielmehr bedarf es insofern der Zustellung eines Mahnbescheides. Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB haben zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht stattgefunden.
Die nach Ablauf der Verjährungsfrist am 10.02.2014 erfolgten Vollstreckungsankündigungen vom 23.06.2014 haben aufgrund der bereits eingetretenen Verjährung keinen weiteren Einfluss auf die Verjährungsfrist, so dass offenbleiben kann, ob diese alleine ohne Durchführung eines Pfändungsversuchs bereits zu einem Neubeginn der Verjährung führen könnten. Aus den gleichen Gründen kann offenbleiben, ob in dem Antrag der Klägerin vom 04.11.2014 auf Erlass der Forderungen ein Anerkenntnis gesehen werden könnte, welches nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung geführt hätte (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 19.01.2023, L 6 AS 44/21, Rn. 41, juris; Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Auflage 2021, § 25 (Stand: 01.08.2021), Rn. 66).
Die Klägerin hat sich auf die Verjährung berufen, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre. Der Verjährungseinrede steht nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, der aus dem auch das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben folgt. Anhaltspunkte dafür, dass die Erhebung der Einrede wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf Seiten der Klägerin verwirkt sein könnte, liegen nicht vor. Zu keinem Zeitpunkt hat die Klägerin auf diese Einrede verzichtet oder sonst den Eindruck erweckt, sie werde sich nicht mehr auf sie berufen. Zwar kann der Antrag auf Erlass der Forderung unter Umständen als Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung angesehen werden, dabei muss der Verzicht aber von einem entsprechenden Willen getragen sein (Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 19.01.2023, L 6 AS 44/21, Rn. 41, juris; vgl. auch Schmidt-Räntsch in Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 212, Rn. 4). Notwendig ist dazu regelmäßig, dass der Schuldner bei seiner Erklärung von der eingetretenen Verjährung Kenntnis hat oder doch mit dieser Möglichkeit rechnet (Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 19.01.2023, L 6 AS 44/21, Rn. 41, juris). Eine solche Kenntnis und auch ein tatsächlicher Wille auf die Verjährung zu verzichten, folgt aus dem Antrag der Klägerin vom 04.11.2014 auf Erlass nicht. Weder erwähnt sie in diesem Schreiben die Möglichkeit der Verjährung noch liegen andere Anhaltspunkte vor, die einen hiermit beabsichtigten Verzicht auf die Einrede der Verjährung nahelegen könnten.
Abweichend von § 50 Abs. 4 SGB X gilt vorliegend keine dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 52 SGB X. Nach § 52 Abs. 1 SGB X hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung. Gemäß § 52 Abs. 2 SGB X beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, wenn ein Verwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X unanfechtbar geworden ist.
§ 52 SGB X findet auf die Konstellation eines Erstattungsbescheides, der den Anspruch eines Leistungsträgers auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen erstmals nach § 50 Abs. 3 SGB X festsetzt und damit den Lauf einer Verjährung beginnen lässt, nach dem Wortlaut und der Regelungssystematik beider Vorschriften keine Anwendung (dazu ausführlich BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 25 ff., juris; ebenso LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.06.2021, L 1 U 3714/20, Rn. 54 m.w.N., juris; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 09.11.2022, L 5 AS 252/19, Rn. 48, juris; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 19.01.2023, L 6 AS 44/21, Rn. 39, juris). § 52 SGB X erfasst nur solche Verwaltungsakte, die eine Hemmung einer bereits laufenden Verjährungsfrist des vom öffentlich-rechtlichen Rechtsträger aus einer anderen Rechtsgrundlage geltend gemachten Anspruch bewirken können (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 27 ff., juris). In den Fallgestaltungen des § 50 SGB X kann jedoch erst ein weiterer Bescheid die erstmals durch den Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 3 SGB X in Gang gesetzte Verjährung hemmen und erst ein (weiterer) Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X löst nach dessen Unanfechtbarkeit den Übergang in eine längere Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 52 Abs. 2 SGB X aus (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 29, juris).
Ein weiterer Verwaltungsakt zur Durchsetzung i. S. d. § 52 Abs. 1 SGB X, der dann nach § 52 Abs. 2 SGB X den Übergang in eine dreißigjährige Verjährungsfrist bewirken würde, liegt nicht vor.
Weder die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung noch die fruchtlose Pfändung als solche stellen einen Durchsetzungsverwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X dar.
Gemäß § 31 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dies setzt eine Handlung voraus, die auf eine gezielte Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und damit auf eine verbindliche Regelung der Rechtslage im Verhältnis zum Betroffenen abzielt. Ob überhaupt ein Verwaltungsakt gemäß § 31 S. 1 SGB X vorliegt und falls ja, mit welchem Inhalt, ist im Zweifel im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Qualifizierung von Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt richtet sich dabei nicht danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist. Maßgeblich ist in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) der objektive Sinngehalt der Erklärung, d.h. wie ihn der Empfänger der Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste. Es kommt daher nicht darauf an, was die Behörde mit der Erklärung wollte, sondern welche Erklärung objektiv ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BSG Urteil vom 16.03.2021, B 2 U 17/19 R, Rn. 23, juris; Urteil vom 13.08.2014, B 6 KA 38/13, Rn. 17 juris; Urteil vom 08.12.1993, 10 RKg 19/92, Rn. 20, juris; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage 2023, § 31 (Stand: 15.11.2023), Rn. 26). Ein Verwaltungsakt ergeht zur Durchsetzung eines Anspruchs, wenn er den Verpflichteten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen, typischerweise zu einer Leistung, auffordert (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, 1. EL 2024, § 52, Rn. 31).
Rechtsgrundlage für die Niederschrift über die fruchtlose Pfändung ist § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II (in der Fassung vom 21.12.2008) i.V.m. § 66 Abs. 1. S. 1 SGB X (in der Fassung vom 21.03.2005) i.V.m. § 5 Abs. 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) i.V.m. §§ 290 f. Abgabenordnung (AO). Gemäß § 291 Abs. 1 AO hat der Vollziehungsbeamte über jede Vollstreckungshandlung eine Niederschrift aufzunehmen, die nach § 291 Abs. 2 AO Folgendes enthalten muss: 1. Ort und Zeit der Aufnahme, 2. den Gegenstand der Vollstreckungshandlung unter kurzer Erwähnung der Vorgänge, 3. die Namen der Personen, mit denen verhandelt worden ist, 4. die Unterschriften der Personen und die Bemerkung, dass nach Vorlesung oder Vorlegung zur Durchsicht und nach Genehmigung unterzeichnet sei, 5. die Unterschrift des Vollziehungsbeamten. Nach § 290 Hs. 1 AO sind zudem die Aufforderungen und die sonstigen Mitteilungen, die zu den Vollstreckungshandlungen gehören, vom Vollziehungsbeamten mündlich zu erlassen und vollständig in die Niederschrift aufzunehmen. Diese Vorschriften dienen in erster Linie der Sicherung eines rechtsstaatlich einwandfreien Vollstreckungsverfahrens und damit auch dem Schutz des Schuldners und ggf. auch anderer von der Vollstreckungshandlung betroffenen Personen. Diese sollen stets wissen, was genau von ihnen verlangt wird, damit sie darauf angemessen reagieren und ggf. auch ihre Bedenken gegen das Vorgehen des Vollziehungsbeamten vorbringen können. Das schriftliche Festhalten der einschlägigen Vorgänge sichert den Beweis und gewährleistet zudem eine gewisse Überwachung der Tätigkeit des Vollziehungsbeamten durch die Vollstreckungsbehörde (Wackerbeck in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 278. Lieferung, 1/2024, § 290 AO, Rn. 3). Als öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 Abs. 1 ZPO begründet die Niederschrift grundsätzlich den vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen (Wackerbeck in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 278. Lieferung, 1/2024, § 290 AO, Rn. 11 und § 291 AO, Rn. 10 f.). Zweck der Vorschrift sind insofern die Gewährung rechtlichen Gehörs sowie die Beweissicherung (Wiese in Gosch, AO/FGO, 180. EL, Januar 2024, § 290 AO, Rn. 2).
Der Niederschrift fehlt es für das Vorliegen eines Verwaltungsakts an der Regelungswirkung. Eine Regelung im Sinne des § 31 S. 1 SGB X liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, insbesondere, wenn durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt wurden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt wurde (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage 2023, § 31 (Stand: 15.11.2023), Rn. 39 f.). Eine potentiell verbindliche Rechtsfolge wird durch die Niederschrift nicht gesetzt. Dies ergibt sich aus dem alleinigen Zweck der Beweissicherung und Dokumentation der erfolgten Vollstreckungshandlung. Die Niederschrift als solche ist auch nicht anfechtbar. Fehler in der Niederschrift haben keine Auswirkungen auf die tatsächlich durchgeführten Vollstreckungshandlungen, weder werden diese aufgrund dessen unwirksam oder auch nur anfechtbar (Wackerbeck in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 278. Lieferung, 1/2024, § 291 AO, Rn. 25).
Ebenso fehlt der im Rahmen der fruchtlosen Pfändung erfolgten Durchsuchung bzw. etwaigen mündlichen Aufforderungen mangels tatsächlich erfolgter Pfändung der Regelungsgehalt eines Durchsetzungsverwaltungsakts nach § 52 Abs. 1 SGB X. Es handelt sich zwar um eine Vollstreckungshandlung, die der zwangsweisen Durchsetzung des Zahlungsanspruchs im Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff. AO) dienen soll (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 278. Lieferung, 1/2024, § 231 AO, Rn. 36) und die der betroffenen Person gegenüber erklärt, dass die Vollstreckung aufgrund der Forderung beabsichtigt ist. Sie enthält aber keinen eindeutigen Leistungsbescheid mit Bezeichnung der zu Grunde liegenden Forderung. Eine solche Vollstreckungshandlung kann daher nicht eine Verjährung des zugrundeliegenden Erstattungsverwaltungsakts nach § 50 Abs. 4 SGB X verhindern (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, 1. EL 2024, § 52, Rn. 20b). Mögliche Vollstreckungshandlungen im Rahmen der fruchtlosen Pfändung sind neben der Durchsuchung als solcher die mündliche Aufforderung des Vollziehungsbeamten zur Zahlung sowie die Aufforderung, ihm die Durchsuchung der Wohnung nach pfändbaren Gegenständen zu ermöglichen. Die Aufforderung zur Zahlung entspricht in ihrer Wirkung der einer schriftlichen Zahlungsaufforderung. Es wird kein neuer Leistungsbescheid erlassen, der als Durchsetzungsverwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X qualifiziert werden könnte. Vielmehr ermöglicht die Zahlungsaufforderung letztmalig die Abwendung einer etwaigen Pfändung durch Zahlung. Auch die Aufforderung, die Durchsuchung zu ermöglichen, setzt ebenso wie die tatsächliche Durchsuchung nach Einwilligung der Klägerin keine eigenständige Rechtsfolge im Sinne eines Durchsetzungsverwaltungsaktes. Der fruchtlose Pfändungsversuch stellt insofern mangels durchgeführter Pfändung keinen Verwaltungsakt, sondern einen Realakt dar (so auch FG München Urteil vom 25.03.2010, 14 K 3961/09, Rn. 19, juris; aA BVerwG Urteil vom 18.11.1960, VII C 184.57, Rn. 9, juris). Dementsprechend ist die fruchtlose Pfändung nicht im Wege der Anfechtungsklage angreifbar, weil kein Verwaltungsakt vorliegt, der aufgehoben bzw. dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden könnte (FG München Urteil vom 25.03.2010, 14 K 3961/09, Rn. 19, juris). Anders als bei der tatsächlichen Sachpfändung durch Anbringung eines Pfandsiegels oder Mitnahme der Sache (Pfändung nach § 286 AO) setzt der fruchtlose Pfändungsversuch keine Rechtsfolge für den Betroffenen. Rechte des Vollstreckungsschuldners werden weder begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt noch wird die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt. Der fruchtlose Pfändungsversuch erschöpft sich vielmehr in einem schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandeln. Mangels Verwaltungsakt kann die fruchtlose Pfändung nicht zu der Rechtsfolge des § 52 Abs. 2 SGB X führen.
Gegen die Qualifizierung als Durchsetzungsverwaltungsakt spricht weiter, dass die fruchtlose Pfändung schon nicht erkennen lässt, was mit ihr geregelt wird bzw. welche Rechtsfolge sie setzt. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Er muss erkennen lassen, wer (erlassende Behörde) gegenüber wem (Adressat) was (Inhalt der Regelung) regelt (Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage 2023, § 33 (Stand: 12.04.2024), Rn. 10). Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit muss eindeutig ersichtlich sein, dass eine Regelung getroffen werden soll und welchen Inhalt sie hat; mangelnde Bestimmtheit geht jedenfalls bei belastenden Verwaltungsakten zu Lasten der Behörde (LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 29.04.2003, L 7 AL 262/01, Rn. 27, juris; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 33, Rn 18). Die Rechtsfolge muss dem Adressaten klar vor Augen führen, was von ihm verlangt oder was an ihn geleistet wird. Maßgeblich ist hierbei nicht der innere, sondern der erklärte Wille, wie ihn bei objektiver Würdigung der Empfänger verstehen konnte. Dabei ist von dem Adressaten des Verwaltungsakts zu erwarten, dass er nicht allein am wörtlichen Ausdruck der Erklärung festhält, sondern den wirklichen Willen der Behörde unter Zuhilfenahme der weiteren Umstände zu ergründen versucht (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, 1. EL 2024, § 33, Rn. 5). Auch ein mündlicher Verwaltungsakt oder ein in anderer Weise ergehender Verwaltungsakt im Sinne des § 33 Abs. 2 SGB X muss insofern seinen Regelungsgehalt klar erkennen lassen. Aus ihm müssen sich der ihm zugrundeliegende Sachverhalt und die in ihm getroffene Rechtsfolge ergeben (Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 33, Rn. 23). Der Klägerin hätte insofern deutlich werden müssen, dass durch den Pfändungsversuch trotz nicht erfolgter Pfändung für sie eine verbindliche Rechtsfolge derart gesetzt wird, dass nicht nur die Verjährung neu beginnt, sondern dass sich stattdessen auch die Verjährungsfrist von vier Jahren auf 30 Jahre verlängert. Dies ist nicht ersichtlich. Der Versuch einer Pfändung ohne tatsächliche Pfändung führt im Gegensatz zur tatsächlichen Sachpfändung oder zu dem Erlass eines Pfändungsbeschlusses nicht zu einer wirksamen Pfändung, mit der die Forderung durchgesetzt wird. Es war für die Klägerin nicht erkennbar, dass allein aufgrund des Pfändungsversuches eine Verlängerung der Verjährungsfrist von vier auf dreißig Jahre eintritt. Insbesondere aufgrund der erheblichen Folgen für die Klägerin wären insofern an das Vorliegen eines Durchsetzungsverwaltungsaktes erhöhte Anforderungen zu stellen. Einer derartigen Vollstreckungshandlung kann daher nicht die Rechtsmacht zugebilligt werden, die Verjährung des zugrundeliegenden Erstattungsbescheids selbst auf 30 Jahre hinauszuschieben (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, 1. EL 2024, § 52, Rn. 31).
Ein Regelungsgehalt der furchtlosen Pfändung im Sinne eines Durchsetzungsverwaltungsaktes gemäß § 52 SGB X ergibt sich auch nicht daraus, dass mit ihr eine Pfändungsgebühr verbunden ist. Nach § 19 VwVG i.V.m. §§ 337 ff. AO entsteht eine Pfändungsgebühr, die nach § 339 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 AO auch für fruchtlose Pfändungen erhoben wird. Sie entsteht, sobald der Vollziehungsbeamte Schritte zur Ausführung des Vollstreckungsauftrags unternommen hat (§ 339 Abs. 2 Nr. 1 AO). Entsprechend einer Mahngebühr (s.u.) ist die Erhebung der Pfändungsgebühr eigenständig zu bewerten und führt nicht dazu, dass der Pfändungsversuch als solcher einen Verwaltungsakt darstellt.
Darüber hinaus kommt auch der Einleitung der Vollstreckung durch Beauftragung des Hauptzollamtes mit der Durchführung der Vollstreckung keine Regelungswirkung im Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner zu (BSG Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, Rn. 16, juris). Hier fehlt bereits eine rechtsverbindliche Regelung mit Außenwirkung zulasten des Vollstreckungsschuldners, es handelt sich lediglich um Willenserklärungen zwischen Jobcenter/BA und Hauptzollamt, durch die das Hauptzollamt im Wege der Amtshilfe um die Vornahme von Vollstreckungshandlungen ersucht wird (BSG Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, Rn. 16, juris).
Ebenfalls fehlt den im Vorfeld grundsätzlich ergehenden Vollstreckungsankündigungen eine Regelungswirkung (BSG Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, Rn 15, juris; BFH Beschluss vom 13.02.1997, VII S 35/96, Rn. 4, juris; BFH Beschluss vom 21.08.2000, VII B 46/00, Rn. 8, juris, BFH Beschluss vom 30.08.2010, VII B 48/10, Rn. 11, juris; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage 2023, § 31 (Stand: 15.11.2023), Rn. 40; Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 40 (Stand: 07.02.2023), Rn. 276). Es handelt sich um eine lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (BFH Beschluss vom 30.08.2010, VII B 48/10, Rn. 11, juris). Vollstreckungsankündigungen haben den Sinn, den Schuldner noch einmal auf die Situation hinzuweisen und ihm letztmalig die Gelegenheit zu geben, zur Abwendung der Vollstreckung freiwillig die Rückstände zu begleichen (BSG Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, Rn 15, juris; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage 2023, § 31 (Stand: 15.11.2023), Rn. 40).
Auch die von dem Beklagten erfolgten Mahnungen vom 11.09.2011 und 01.08.2013 sowie die Zahlungserinnerungen vom 05.12.2017, 25.11.2020 und 11.06.2021 stellen – unabhängig von der Frage der erfolgten Zustellung – keine Verwaltungsakte dar. Es handelt sich lediglich um Mahnungen im Sinne des § 3 Abs. 3 VwVG i.V.m. § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II (in der Fassung vom 21.12.2008) i.V.m. § 66 Abs. 1. S. 1 SGB X (in der Fassung vom 21.03.2005), die als unselbständige Vorbereitungshandlungen zur Vollstreckungsanordnung (§ 3 Abs. 4 VwVG) nicht anfechtbar sind und keine eigene Verwaltungsaktqualität haben (BSG Beschluss vom 05.08.1997, 11 BAr 95/97, Rn. 6, juris; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 52, Rn. 26; a.a.O § 31 Rn. 113). Mit den Mahnungen war keine weitergehende Regelungsabsicht des Beklagten im Sinne einer verbindlichen Entscheidung verbunden (so auch BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 41, juris). Lediglich bei der in den Mahnungen vom 11.09.2011 und 01.08.2013 enthaltenen Festsetzung der Mahngebühren, auf die sich die angefügte Rechtsbehelfsbelehrung allein bezieht, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S. 1 SGB X (vgl. BSG Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 54/10 R, Rn. 14, juris). Das Mahnschreiben wird hierdurch jedoch nicht insgesamt zu einem Verwaltungsakt i. S. d. § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 42, juris). Zwar kann die Festsetzung der Mahngebühr mittelbar der Durchsetzung des Erstattungsanspruchs dienen, weil sie einer Mahnung Nachdruck verleiht und auf die Einleitung der Vollstreckung zielt (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 42, juris m.V.a. BSG Urteil vom 14.02.2018, B 14 AS 12/17 R, Rn. 18, juris). Wie dies jedoch bereits in der Verortung des die Mahngebühr regelnden § 19 VwVG im Abschnitt „Kosten“ seinen Ausdruck findet, kommt dem Mahngebührenbescheid eine Regelungswirkung nur in Bezug auf die Mahngebühr selbst zu; es wird keine den Erstattungsanspruch unmittelbar berührende Regelung getroffen. Die weitreichende Folgewirkung einer dreißigjährigen Verjährungsfrist können jedoch nicht bereits Verwaltungsakte auslösen, die lediglich einer mittelbaren Durchsetzung des Anspruchs dienen (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, Rn. 42, juris).
Auch weitere Bescheide, die einen Durchsetzungsbescheid im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X darstellen könnten, wie ein Aufrechnungsbescheid (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 09.11.2022, L 5 AS 252/19, Rn. 48, juris), ein Stundungsbescheid (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 06.04.2022, L 8 AS 18/22 B ER, Rn. 11, juris) oder ein Pfändungsbeschluss mit eindeutiger Bekanntgabe der beizutreibenden Forderung, in dem auch ein so genannter Leistungsbescheid enthalten wäre (BSG Urteil vom 07.10.2004, B 11 AL 43/03 R, Rn. 22, juris), liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) im Hinblick auf die Frage, ob die fruchtlose Pfändung einen Durchsetzungsverwaltungsakt im Sinne des § 52 SGB X darstellt. Diese Frage ist – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt.