S 19 AS 485/24 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19.
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 19 AS 485/24 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

1. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die

    Antragstellerin im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsmarkt gemäß § 16 i SGB II der

    Beigeladenen zum Zeitpunkt des von der Antragstellerin und der Beigeladenen

    geänderten Beginns der Beschäftigungsaufnahme spätestens zum 01.09.2024 zuzu-

    weisen.

2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antrag-

    stellerin.

3. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt

    P in M ohne Zahlungsbestimmungen ab 29.04.2024 gewährt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt mit dem am 29.04.2024 im Wege der einstweiligen Anordnung gestellten Antrag die Zuweisung zur Beigeladenen im Rahmen einer Maßnahme nach § 16i SGB II. Zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen wurde am 03.04.2024 ein Arbeitsvertrag als vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterin in der Fachdienstorganisation/digitales der Beigeladenen abgeschlossen. Dieser Arbeitsvertrag wurde vorbehaltlich der Bewilligung der Gewährung eines Lohnkostenzuschusses gemäß § 16 i SGB II durch die Antragsgegnerin geschlossen. Vorangegangen waren Vermittlungsbemühungen der Antragsgegnerin und eine von ihr geförderte Probearbeitswoche (vom 11.03.2024 bis 15.03.2024). Mit Bescheid vom 16.04.2024 lehnte die Antragsgegnerin gegenüber der Beigeladenen die Zuweisung ab. Hiergegen hat die Antragstellerin am 27.04.2024 Drittwiderspruch eingelegt.

Die 1965 geborene Antragstellerin ist schwerbehindert mit einem GdB von 60 und seit 2015 u.a. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt gewesen. Im Rahmen des Antrags legt die Antragstellerin Grundsicherungsbescheide für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis 30.06.2024 vor. Der Leistungsbezug sei lediglich durch den Zeitraum vom 01.10.2018 bis 30.06.2019 durch den Bezug einer Erwerbsminderungsrente und ergänzende Leistungen nach dem SGB XII unterbrochen worden.

Streitig zwischen den Beteiligten ist lediglich, ob die Antragstellerin die in § 16 i SGB II normierten Voraussetzungen des langjährigen SGB II Leistungsbezuges erfüllt. Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass der Antragstellerin aufgrund eines Erwerbminderungsrentenbezuges für die Zeit vom 01.09.2018 bis 31.08.2020 nicht nach dem SGB leistungsberechtigt gewesen sei.

Der Antragstellerin war mit Bescheid der D Baden-Württemberg vom 24.08.2018 für die Zeit vom 01.09.2018 bis 31.08.2020 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes gewährt worden. Mit Bescheid vom 23.05.2019 wurde diese der Antragstellerin aufgrund einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes mit Ablauf des 30.06.2019 wieder entzogen. Im Rahmen des vor dem SG-Nordhausen unter dem Az. S 3 R 1634/19 geführten Klageverfahrens wurde die Entziehung aufgehoben und der Antragstellerin mit Bescheid vom 09.07.2021 für die Zeit vom 01.07.2019 bis 31.08.2020 die  Erwerbsminderungsrente wiedergewährt.   Die Nachzahlung wurde dabei an die Antragsgegnerin ausgezahlt, da sie in dem Wiedergewährungszeitraum Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II erbracht hatte.

Die Antragstellerin ist unter Bezugnahme auf das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 16. März 2020 – L 7 AS 162/20 B ER –, juris) der Ansicht, dass die Voraussetzungen des Leistungsbezugs auf den tatsächlichen Bezug von Grundsicherungsleistungen abstellten (was hier unstreitig auch im Zeitraum vom 01.07.2019 bis 31.08.2020 der Fall ist) und nicht auf die materielle Berechtigung zum SGB -II-Bezug. Daran gemessen habe die Antragstellerin in dem maßgeblichen 7- Jahreszeitraum rückwirkend ab Beginn der beabsichtigten Maßnahme, also vom 01.05.2017 bis 30.04.2024, mehr als 6 Jahre lang tatsächlich Leistungen nach dem SGB II bezogen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).

Rechtsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrte Leistung ist § 16i SGB II. Nach dieser durch das TeilhabechancenG vom 17.12.2018 (BGBl I, 2583) mit Wirkung ab 01.01.2019 eingefügten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben können Arbeitgeber für die Beschäftigung von zugewiesenen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten Zuschüsse zum Arbeitsentgelt erhalten, wenn sie mit dieser ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis begründen (§ 16i Abs. 1 SGB II). Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person kann einem Arbeitgeber zugewiesen werden, wenn sie das 25. Lebensjahr vollendet hat, sie für insgesamt mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben Jahre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch erhalten hat, sie in dieser Zeit nicht oder nur kurzzeitig sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt oder selbständig tätig war und für sie Zuschüsse an Arbeitgeber nach Absatz 1 noch nicht für eine Dauer von fünf Jahren erbracht worden sind (§ 16i Abs. 3 Satz 1 SGB II). Abweichend von Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 kann eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person, die in den letzten fünf Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch erhalten hat, einem Arbeitgeber zugewiesen werden, wenn sie in einer Bedarfsgemeinschaft mit mindestens einem minderjährigen Kind lebt oder schwerbehindert im Sinne des § 2 Absatz 2 und 3 des Neunten Buches ist.

Der Anordnungsanspruch auf die begehrte Zuweisungsentscheidung scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es sich bei den Leistungen nach § 16i SGB II - wie bei den meisten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - um eine Ermessenleistung handelt. Zwar könnte der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren (abgesehen vom Fall der Ermessensreduzierung auf Null) nur die Verpflichtung des Leistungsträgers erstreiten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über sein Begehren entscheiden zu müssen. Dennoch ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei Erlass einer Regelungsanordnung dann eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erbringung der Leistung geboten, wenn durch eine Regelungsanordnung nur mit der Verpflichtung, erneut das Ermessen zu betätigen, wirksamer Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG nicht erreicht werden könnte. Deswegen kann im Rahmen der Regelungsanordnung eine Verpflichtung zur Erbringung einer streitigen Ermessensleistung dann ausgesprochen werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei einer erneuten Ermessensbetätigung eine Entscheidung zugunsten des Anspruchstellers ergehen wird.

Ebenso wenig scheidet ein Anordnungsanspruch aus, weil es sich bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt gem. § 16i Abs. 1 SGB II um Leistungen handelt, die unmittelbar an den Arbeitgeber und nicht an den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erbracht werden. Für die Zuweisungsentscheidung ist streitig, ob Adressat der Leistungsberechtigte ist oder - wie das BSG für Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen angenommen hat - der Arbeitgeber (hierzu Harks in JurisPK SGB II § 16i Rn. 62 mwN). Denn die für die Zahlung an den Arbeitgeber erforderliche Zuweisung i.S.d. § 16i Abs. 3 SGB II stellt jedenfalls ein subjektives Recht der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person dar und kann von dieser im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden (Insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020 – L 7 AS 162/20 B ER –, juris vollinhaltlich an.).

Ein Anordnungsanspruch und -grund kann auch nicht mit der Argumentation verneint werden, die Förderzusage habe sich durch Zeitablauf erledigt. Hier geht es um die Vermeidung von Nachteilen, die damit verbunden sind, dass die Antragstellerin die begehrte Zuweisung in die Maßnahme nicht erhält und deshalb die Einstellungszusage nicht aufrechterhalten werden kann. Insoweit ist glaubhaft gemacht, dass die Einstellungszusage an die Bewilligung der Zuweisung nach § 16i SGB II geknüpft ist und das Abwarten eines Hauptsacheverfahrens die Gefahr mit sich bringen würde, dass der Arbeitgeber an der Einstellungszusage nicht festhalten kann, wodurch dem Antragsteller wesentliche Nachteile i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGB II drohen.

Vorliegend hat die Beigeladene überzeugend bekundet, dass eine Verschiebung der Maßnahme zwar in Betracht komme, z.B. zum 01.09.2024, aufgrund stellenplantechnischer Umstände eine Einstellung jedoch nur bei einer Förderung gemäß § 16i SGB II möglich sei,

Soweit hier die Antragstellerin auf den tatsächlichen Leistungsbezug abstellt, wie die Entscheidung des LSG NRW nahelegt, da Zeiten einer nachträglichen Leistungsberechtigung aufgrund eines Antrags gemäß § 44 SGB X außer Betracht bleiben, ist dies mit den Intentionen dieser Rahmenfrist vereinbar.

Hinsichtlich des Hintergrundes der Rahmenfristen des § 16 i Abs. 3SGB III ist auf die Gesetzesbegründung zu verweisen: (BT- Drs. 19/4725, S.18)

„Absatz 3 definiert die Zielgruppe des neuen Instruments. Eine öffentlich geförderte Beschäftigung mit der hier vorgesehenen hohen und längerfristigen Förderung muss sich auf sehr arbeitsmarktferne Personen beschränken, um Creaming und Einsperreffekte zu vermeiden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die gewünschten arbeitsmarktpolitischen Effekte verfehlt werden oder sich sogar ins Negative verkehren. Der neue Lohnkostenzuschuss nach Absatz 2 soll sich daher auf den Personenkreis derjenigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beschränken, die in absehbarer Zeit keine ungeförderte Beschäftigung finden können. Unter sehr arbeitsmarktfernen Personen sind diejenigen Leistungsbezieher zu verstehen, bei denen durch eine Häufung von Vermittlungshemmnissen (höheres Lebensalter, fehlende oder entwertete Qualifikation, gesundheitliche Beeinträchtigung o. a.) keine oder nur sehr geringe Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt bestehen.

Ein sehr langer Leistungsbezug stellt einen geeigneten Indikator zur Bestimmung dieser arbeitsmarktfernen Zielgruppe dar. Es ist vielfach belegt, dass eine lange Dauer des Bezuges von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein schon ein signifikantes Vermittlungshemmnis darstellt und in aller Regel mit weiteren Vermittlungshemmnissen wie gesundheitlichen Einschränkungen, Qualifikationsdefiziten oder Alter einhergeht.

Durch die Leistungsbezugsdauer als Voraussetzung der Förderung wird außerdem sichergestellt, dass auch Personen erfasst werden, die aufgrund von Kinderbetreuungszeiten nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 SGB II nicht als arbeitslos geführt wurden. Das Regelinstrument steht demnach in besonderer Weise Personen mit Kindern, auch Alleinerziehenden, offen. Dagegen sind jugendliche Leistungsbezieher unter 25 Jahren für eine Förderung nach § 16i nicht vorgesehen. Hier sollten Maßnahmen zur Ausbildung und Qualifizierung im Vordergrund stehen.

Zudem ist die Dauer des Leistungsbezugs ein objektives und mit geringem Verwaltungsaufwand zu erhebendes Kriterium“.

Die gesetzgeberische Intention wird jedenfalls dann gewahrt, wenn wie hier eine tatsächliche Leistungsgewährung (Aspekt der Verwaltungsvereinfachung) dokumentiert ist und es sich wie bei der Antragstellerin um eine besonders arbeitsmarktferne Person (Aspekt der Arbeitsmarktferne) handelt. Die Arbeitsmarktferne wird sogar objektiv durch die nachträgliche Wiedergewährung der Erwerbminderungsrente dokumentiert. Ein höherer Grad von „Arbeitsmarktferne“ ist kaum denkbar.

Die Antragstellerin war auch in dem Zeitraum vom 01.07.2019 bis 31.08.2020 leistungsberechtigt nach dem SGB II. Die tatsächlichen Bewilligungen sind nicht aufgehoben worden, vielmehr ist eine Erstattung der gewährten SGB II-Leistungen erfolgt. Auch materiell-rechtlich war die Antragsgegnerin zur Leistung weiterhin verpflichtet. Die Antragstellerin hat eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bezogen. Erwerbsfähig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist auch, wer wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat, solange er  (wie hier die Antragstellerin) mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 42/08 R –, BSGE 105, 201-210, SozR 4-4200 § 8 Nr 1, SozR 4-4200 § 21 Nr 8, SozR 4-4200 § 28 Nr 2).

Die Antragstellerin war daher seit dem 01.07.2019 - bis dato ununterbrochen im Leistungsbezug nach dem SGB II, und damit länger als 6 Jahre innerhalb der letzten 7, da sie zwischenzeitlich nur 9 Monate Rente und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII bezogen hat. Allerdings wäre sie auch in diesem Zeitraum leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen.

Nicht entschieden zu werden braucht daher, ob mit der oben zitierten Entscheidung des LSG NRW auf die Leistungsberechtigung oder den Leistungsbezug abzustellen ist. Ebenso wenig ist erheblich, ob unter dem Gesichtspunkt einer analogen Anwendung im Wege der Rechtsfortbildung eine Einberechnung des zwischenzeitlichen Bezuges einer vollen Erwerbserbminderungsrente bei einem Leistungsvermögen von unter 3 Stunden täglich und ggfs. dem Bezug von ergänzenden Leistungen nach dem SGB XII geboten ist. Zu erwägen wäre insoweit, ob die Regelung des Absatzes 3 eine planwidrige Lücke für den Fall aufweist, dass der zu Fördernde zwischenzeitlich voll erwerbsgemindert ist und Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII hätte. Weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass sich der Gesetzgeber mit dieser Fallgestaltung bewusst auseinandergesetzt hat. Eine entsprechende Rechtsfortbildung bedarf allerdings der Legitimation durch Rückgriff auf eine übergeordnete Zielsetzung, die entweder dem Gesetz selbst oder der Rechtsordnung insgesamt entnommen werden kann. Als solche Grundsätze kommen z.B. die Verpflichtungen aus Art. 27 Abs. 1 S. 1 UN-BRK und das in Art. 5 Abs. 2 UN-BRK geregelte allgemeine Diskriminierungsverbot in Betracht. Sowohl aufgrund der mittelbaren Inkorporation über das EU-Recht in das deutsche Recht als auch originär, aufgrund der Ratifizierung der UN-BRK durch Deutschland, ist diese ebenfalls bei Auslegung und Rechtsfortbildung von nationalen Vorschriften zu berücksichtigen. (Vgl.  hierzu Welti,  Die UN-BRK und ihre Umsetzung in Deutschland, in: Michael Ganner, Elisabeth Rieder, Caroline Voithofer, Felix Welti (Hrsg.), Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich und Deutschland, Innsbrucker Beiträge zur Rechtstatsachenforschung – Bd. 11, Innsbruck 2021 S. 27-56). Zudem hat das BVerfG für das Benachteiligungsverbot wegen Behinderung nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG klargestellt, dass die UN-BRK im Rahmen methodisch vertretbarer Spielräume zu seiner Auslegung heranzuziehen ist (ständige Rechtspr. z.B. BVerfG, 29.1.2019, 2 BvC 62/14, Juris, Rn. 63.).

Der völkerrechtliche und innerstaatliche Auftrag, Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren und zwar auch dann, wenn sie erwerbsgemindert sind, steht im Widerspruch zu dem Ausschluss von Personen, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung deshalb besonders arbeitsmarktfern sind, weil sie befristet voll erwerbsgemindert sind. Zugleich stellt sich dies als eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen -  nicht behinderten besonders arbeitsmarktfernen - Personen dar. Diese Ungleichbehandlung ist auch nicht im vollen Umfang durch einen Verweis auf die für behinderte Menschen vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben legitimiert, denn die Förderbedingungen des § 16i SGB II, sind sowohl im Hinblick auf die zeitliche Dauer als auch die Förderintensität (100 % Lohnkostenzuschuss) erheblich günstiger beziehungsweise intensiver.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus analoger Anwendung des § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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